Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2017; 24(01): 5-7
DOI: 10.1055/s-0043-100658
Magazin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ausgewählte Meldungen und aktuelle Entwicklungen

Neues aus der Reisemedizin
Unn Klare
1   Behnkenhagen
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Publication Date:
15 February 2017 (online)

 

Gelbfieber in Südwest-Afrika

Für Angola und die Demokratische Republik Kongo endete das Jahr 2016 mit einer guten Nachricht: Einen Tag vor Heiligabend wurde hier der größte Gelbfieberausbruch Afrikas der vergangenen 30 Jahren offiziell für beendet erklärt.

Zu diesem Zeitpunkt waren 6 Monate seit der letzten bekannten, mit dem Ausbruch in Zusammenhang stehenden Gelbfieberinfektion vergangen.

Der Ausbruch hatte im Dezember 2015 in einem Armenviertel der angolanischen Hauptstadt Luanda begonnen und sich von dort aus innerhalb kurzer Zeit über das ganze Land und in die Demokratische Republik Kongo hinein ausgebreitet. Auch in einigen weiteren afrikanischen Staaten und sogar in China waren einzelne Importfälle gemeldet worden.

Innerhalb eines halben Jahres wurden insgesamt etwa 6000 Verdachtsfälle registriert, von denen knapp 1000 labordiagnostisch bestätigt werden konnten. Vermutlich verloren fast 450 Menschen bei dem Ausbruch ihr Leben.

Zunächst düstere Prognosen

Trotz dieser immensen Fallzahlen hätte der Ausbruch auch weitaus schlimmer verlaufen können. Insbesondere für das kongolesische Kinshasa, einer Stadt mit mehr als 10 Mio. Einwohnern, sahen die Prognosen nach den ersten dort aufgetretenen Fällen düster aus.

Und zum Anfang des Ausbruchs wirkte das Vorgehen der Verantwortlichen auch wenig professionell: Zuerst war nur zögerlich gehandelt worden, dann war Impfstoff ohne Spritzen geliefert worden, der aufgrund des fehlenden Materials nicht verabreicht werden konnte, und schließlich gab es Berichte über eine Million Impfdosen, deren Verbleib nicht nachvollzogen werden konnte.


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Erfolgreiche Massenimpfaktion

Aber dann wurde innerhalb weniger Tage und Wochen eine Impfaktion auf die Beine gestellt, die fast 30 Mio. Menschen erreichte – da ein Großteil der Betroffenen entweder in sehr abgelegenen ländlichen Regionen oder aber in Slums dicht besiedelter Großstädte lebte, war dies ein logistischer Kraftakt.

Mehr als 41 000 Freiwillige in 8000 Impfteams waren an dieser Massenimpfaktion beteiligt. Allein in den ersten Monaten wurden 19 Mio. Impfdosen in die betroffenen Regionen geliefert – mehr als ein 3-faches der 6 Mio. Dosen, die eigentlich für Notfälle weltweit bereitgehalten werden müssen.

Da die Produktion des Impfstoffs den Bedarf nicht mehr decken konnte, ging man dazu über, pro Person nur noch ein Fünftel der eigentlich vorgesehenen Impfdosis zu verabreichen – Studien zufolge soll diese Menge ausreichen, um zumindest für ein Jahr, möglicherweise auch länger, einen ausreichenden Schutz zu gewähren. Es zeigte sich, dass diese Strategie erfolgreich war, um den Ausbruch zu unterbrechen.


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Gefahr von Ausbrüchen steigt

Für die Zukunft wird nun zu diskutieren sein, wie hoch die vorrätige Notfallreserve an Impfdosen sein sollte. Denn es ist davon auszugehen, dass die Gefahr größerer Gelbfieberausbrüche in den kommenden Jahren steigen wird: Klimawandel, Urbanisierung und die stetige Ausweitung des Verbreitungsgebiets von Aedes aegypti sind Faktoren, die dem Virus derzeit zugute kommen.


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Chikungunyafieber in Pakistan

Nachdem das pakistanische Gesundheitsministerium bereits im September 2016 davor warnte, dass ein zu diesem Zeitpunkt im indischen Neu-Delhi grassierender Ausbruch des Chikungunyafiebers auch für Pakistan eine Gefahr darstelle, wurden zwischen November und Mitte Dezember in der pakistanischen Provinz Sindh etwa 30 000 Fälle einer undiagnostizierten Erkrankung gemeldet.

Die meisten Fälle wurden in Malir, Karachi, registriert. Und 2 Tage vor Weihnachten kam dann die Bestätigung: Bei 3 von 5 getesteten Patienten konnte das Chikungunyavirus als Erreger nachgewiesen werden, bis Mitte Januar stieg die Zahl auf der offiziell registrierten Verdachtsfälle auf 640, von denen 28 labordiagnostisch bestätigt wurden.

Vektoren etablieren sich in immer größeren Regionen

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) führte Pakistan bereits zuvor in der Liste der Staaten mit dokumentierten Ausbrüchen des Chikungunyafiebers. Allerdings scheint es bisher lediglich im Jahr 2006 einige bestätigte Fälle gegeben zu haben.

Dass die Gefahr von Ausbrüchen auch für Pakistan steigt, war allerdings schon länger bekannt. Denn auch das Denguevirus, das durch dieselbe Vektoren (Mücken der Gattung Aedes) übertragen wird, hatte hier in den vergangenen Jahren steigende Krankheitszahlen verursacht. Wie in vielen Staaten weltweit etablieren sich auch in Pakistan die Mückenarten Aedes aegypti und Aedes albopictus in immer größeren Regionen.


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Bisher keine Bekämpfungsaktionen gegen die Mücken

Doch obwohl dies auch von den Gesundheitsbehörden des nun von dem Ausbruch am stärksten betroffenen Stadtteils Malir beobachtet worden war, hatte es hier im ganzen Jahr 2016 nicht eine einzige großangelegte chemische Bekämpfungsaktion gegen die Mücken gegeben – auch nicht, als innerhalb eines Monats 30 000 Menschen erkrankt waren und der Verdacht eines Chikungunyaausbruchs aufkam.


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Methanolvergiftung in Russland

Mitte Dezember erlitten im sibirischen Irkutsk innerhalb weniger Stunden 57 Menschen eine Methanolvergiftung, nachdem sie – offenbar auf der Suche nach einem billigen Alkoholersatz – eine Badelotion getrunken hatten. Mindestens 41 von ihnen verstarben infolge der Vergiftung, die übrigen befanden sich zunächst in kritischem Zustand.

Es scheint, als seien sich die Betroffenen im Klaren darüber gewesen, dass die Flüssigkeit kein Nahrungsmittel war, die Flaschen waren mit dem deutlichen Hinweis versehen, dass das Mittel nur zur äußerlichen Anwendung gedacht ist. Allerdings war die Badelotion in einer illegalen Produktionsstätte hergestellt worden und sollte laut Etikett Ethylalkohol enthalten, und nicht Methylalkohol und Frostschutzmittel, wie es tatsächlich der Fall war.

Berichten von Familienangehörigen zufolge scheinen zumindest einige der Betroffenen regelmäßig die Badelotion konsumiert haben – warum es diesmal zu einer derartigen Massenvergiftung gekommen ist, ist jedoch unklar. Möglicherweise war die Zusammensetzung geändert worden.

Die Problematik, dass in Russland zahlreiche Menschen zu Selbstgebranntem, alkoholhaltigen Parfüms oder Haushaltsreinigern greifen, weil sie sich legalen Alkohol nicht leisten können, ist wohl bekannt – insbesondere seit im Jahr 2015 die Alkoholpreise erhöht wurden, um den Alkoholismus einzudämmen. So kommt es immer wieder zu Vergiftungsfällen, vor allem in den ärmeren Bevölkerungsgruppen. Der hier berichtete Vorfall ist aber der schwerwiegendste seit Jahren.


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Cholera im Jemen

Bereits seit Anfang Oktober grassiert im Jemen ein Choleraausbruch (wir berichteten bereits in der Ausgabe 6/2016), der sich in dem verarmten und von Krieg geplagten Land recht ungehindert ausbreiten kann. In den vergangenen 2 Monaten haben sich die gemeldeten Fallzahlen mehr als verdoppelt – so wurden bis Mitte Januar circa 16 000 Verdachtsfälle gemeldet, mindestens 99 Menschen verstarben an den Folgen der Infektion.

Allerdings gibt es im Jemen kein funktionierendes Meldesystem, selbst die grundlegendste medizinische Versorgung der Bevölkerung ist in vielen Regionen nicht gesichert – viele Cholerafälle werden also nie behandelt, geschweige denn offiziell registriert, sodass die tatsächlichen Fallzahlen wahrscheinlich um ein Vielfaches höher liegen.

Derzeit wird befürchtet, dass sich der Ausbruch in die Nachbarstaaten Saudi-Arabien und Oman ausbreiten könnte.


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Ausrottung der Flussblindheit in Guatemala

Im Jahr 1916 erkannte der guatemaltekische Arzt Rodolfo Robles, dass wurmartige Parasiten (Filarien) der Auslöser der kurz zuvor beschriebenen Flussblindheit waren. Fast exakt 100 Jahre später ist sein Heimatland einen großen Schritt bei der Bekämpfung dieser heutzutage als Onchozerkose (in Südamerika auch als Robles-Krankheit) bekannten Erkrankung vorangekommen: Mitte Dezember bestätigte die WHO offiziell, dass die Flussblindheit in Guatemala ausgerottet ist.

Guatemala ist damit nach Kolumbien, Ecuador und Mexiko der vierte Staat weltweit, dem dies gelang. Somit verbleibt in Amerika nur noch ein einziger Krankheitsfokus, an der Grenze zwischen Brasilien und Venezuela. Darüber hinaus tritt die Flusskrankheit derzeit noch in 31 afrikanischen Staaten sowie im Jemen auf, schätzungsweise 35 Mio. Menschen leiden hier unter der Infektion.

Die Hauptstrategie zur Eliminierung der Filariose in Guatemala war die halbjährliche Gabe von Mectizan® (Ivermectin), einem Medikament, das je nach Größe und Gewicht der Betroffenen 7–12 Jahre lang genommen werden muss. Guatemala meldete, dass jeweils mindestens 85 % der Bevölkerung in den gefährdeten Gebieten das Medikament erhalten hatten.


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Malaria in Venezuela

Venezuela leidet derzeit unter der schlimmsten Malariaepidemie seit der Einführung einer verlässlichen Malariastatistik vor 75 Jahren.

Bereits 2015 waren mit 136 000 Fällen mehr Infektionen gemeldet worden als jemals zuvor. Im Jahr 2016 stiegen die Fallzahlen erneut um mehr als 70 %. Bereits Anfang November wurde der 200 000ste Malariafall des Jahres gemeldet, Schätzungen gehen davon aus, dass die tatsächlichen Falzahlen noch einmal um 20–30 % höher liegen.

Am stärksten betroffen ist der Bundesstaat Bolivar, in dem mehr als 75 % der Infektionen auftraten, gefolgt von Amazonas (9 %) und Sucre (8 %). Hauptsächlich handelt es sich bei dem Erreger um Plasmodium vivax, bei etwa 19 % der Patienten konnte jedoch P. falciparum und bei 6 % der Patienten gemischte Infektionen mit beiden Erregern festgestellt werden. Bei 20 Patienten (0,001 %) wurde außerdem P. malariae nachgewiesen.


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Übertragbare Halluzinationen in den USA

Mitte Oktober ereignete sich in North Bend, einer kleinen Gemeinde im US-amerikanischen Oregon, ein eigentümlicher Zwischenfall, der immer noch Rätsel aufgibt. Zunächst rief hier eine 54-jährige Altenpflegerin in den frühen Morgenstunden die Polizei, weil 7–8 Personen versuchen würden, das Dach von ihrem Auto zu entfernen. Die Polizei fand jedoch keinerlei Spuren von Vandalismus. Als die Frau kurze Zeit später erneut aus demselben Grund die Polizei rief – wieder ohne Hinweise auf tatsächlich erfolgte Angriffe – wurde sie von 2 Deputys wegen vermuteter Halluzinationen ins Krankenhaus begleitet.

Übertragungen innerhalb kurzer Zeit

Kurze Zeit später kehrte einer der Deputys in das Krankenhaus zurück, weil er begonnen hatte, unter ähnlichen Symptomen zu leiden. Auch beim zweiten Deputy stellten sich wenig später Halluzinationen ein und – damit nicht genug – auch eine 78-jährige Frau, die von der Altenpflegerin betreut wurde, sowie ein Mitarbeiter des Krankenhauses entwickelten in den nächsten Stunden ähnliche Symptome.


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Verschiedene Orte

Es handelte sich also um visuelle Halluzinationen, die beziehungsweise deren Ursache durch relativ oberflächlichen und nur kurzzeitigen Kontakt übertragbar gewesen zu sein scheinen. Dass frei in der Umwelt befindlich Stoffe – wie etwa austretende Dämpfe – die Halluzinationen hervorgerufen haben, scheint unwahrscheinlich, da die „Infektionen“ der Betroffenen offensichtlich an unterschiedlich Orten erfolgten (Wohnung der Rentnerin, Krankenhaus und vermutlich Wohnung der Altenpflegerin).


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Ursache bisher unklar

Weder die Blutproben der 5 Betroffenen noch eine gründliche Untersuchung des Krankenhauses, der Uniformen der Polizeibeamten oder der Wohnung der Altpflegerin lieferten irgendwelche Hinweise auf mögliche Kontaminationen. Erste Vermutungen, ein Medikament der 78-jährigen Frau könne Auslöser der Halluzinationen gewesen sein, wurden später widerlegt.

Auch ein Phänomen im Sinne von Massenhysterie scheint unwahrscheinlich: Polizeibeamte und Krankenhausmitarbeiter befinden sich sicherlich oft in stressigeren Situationen – dass eine halluzinierende Person sie emotional so in Mitleidenschaft ziehen sollte, dass sie ebenfalls Halluzinationen entwickeln, ist zwar nicht ausgeschlossen, aber doch sehr unwahrscheinlich.


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Beulenpest auf Madagaskar

In den Jahren 1930–1990 war die Pest durch konsequente Rattenbekämpfung fast vollständig von Madagaskar verschwunden, dann kehrte sie zurück. Seither werden fast jährlich Dutzende bis Hunderte Fälle gemeldet, insbesondere mit dem Einsetzen der Regenzeit im Herbst, wenn die Kanalisation überflutet.

Und auch dieses Jahr sollen allein in 2 abgelegenen Gemeinden in der Region Befotaka Atsimo im Süden des Landes seit Oktober 31 Menschen verstorben sein. Die Meldungen hierzu sind jedoch recht widersprüchlich, denn die betroffenen Dörfer sind sehr schlecht erreichbar – die Straßen sind sehr schlecht und die letzten 30 km müssen gänzlich zu Fuß zurückgelegt werden.

Möglicherweise wurden hier – anders als bei Ausbrüchen in den Städten – die Ratten nicht durch Überflutungen in menschliche Behausungen gedrängt, sondern durch Buschfeuer, die durch anhaltende Trockenheit entfacht waren, in die Dörfer getrieben.


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Rifttalfieber im Niger

Ende August 2016 begann im Nordwesten Nigers, an der Grenze zu Mali, ein Ausbruch des Rifttalfiebers, bei dem bis Ende November etwa 270 Menschen erkrankten. Mindestens 32 von ihnen überlebten die Infektion nicht. Zeitgleich gab es auch in den Viehbeständen der dort lebenden Nomaden große Verluste.

Sowohl der Niger als auch Mali sind nur sporadisch von Ausbrüchen des Rifttalfiebers betroffen. Häufiger tritt diese Zoonose in Mauretanien, Gambia, dem Senegal, Ägypten, dem Sudan, Kenia, im südlichen Afrika und – seit dem Jahr 2000 – auch auf der Arabischen Halbinsel auf.


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Cholera in Haiti nach Hurrikan Matthew

Bereits seit 6 Jahren leidet Haiti unter einer massiven Choleraepidemie, die bisher etwa 10 000 Todesopfer forderte. Nachdem zum Höhepunkt des Ausbruchs im Jahr 2011 etwa 300 000 Menschen innerhalb von 12 Monaten erkrankten, konnte die Zahl in den vergangenen Jahren auf unter 30 000 gesenkt werden.

Im Jahr 2016 wurden bis Ende September etwa 28 600 Fälle gemeldet. Dann zog Anfang Oktober der Hurrikan Matthew über das Land hinweg und zerstörte viele der nach Jahren endlich im Aufbau befindlichen Strukturen zur Bekämpfung der Cholera innerhalb weniger Stunden. Das führte binnen weniger Tage zu einem massiven Anstieg der Fallzahlen. So wurden allein zwischen dem 9. und dem 15. Oktober mehr als 770 Verdachtsfälle gemeldet. Bis Ende Dezember stiegen die Fallzahlen für das Jahr 2016 auf mehr als 39 000.


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Hantavirus in Indien

Mitte Oktober verstarb im indischen Mumbai vermutlich ein 12-jähriger Junge an den Folgen einer Infektion mit Hantaviren. Der Befund wurde durch ein lokales Labor bestätigt, eine Überprüfung durch das Nationale Institut für Virologie (NIV) steht aber noch aus. Dies wäre einer der ersten je gemeldeten Fälle aus Mumbai und auch aus dem übrigen Indien gibt es nur wenige Nachweise dieser Krankheit. So wurden etwa im Januar 2014 aus Kereala und im Oktober 2011 aus Andhra Pradesh einzelne Verdachtsfälle gemeldet. Es gibt keine Aussagen dazu, welcher Virusstamm für die bisherigen Infektionen in Indien verantwortlich war.

Quelle: promed


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