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DOI: 10.1055/s-0042-1755852
Bayesianische vs. diagnostische ärztliche Informationsvermittlung an Patient*innen – Der Einfluss von Richtung der statistischen Information und Visualisierung
Einleitung In der Medizin insgesamt und in der Osteologie/Endokrinologie im Speziellen spielen statistische Informationen zur Diagnosefindung eine große Rolle. Häufig handelt es sich dabei um Informationen, wie wahrscheinlich bei einem positiven Test eine bestimmte Krankheit oder ein Befund auch tatsächlich vorliegt. Auch bei einer hohen Sensitivität eines Tests, kann der positive prädiktive Wert niedrig sein, sodass ein positives Testergebnis nicht zwangsläufig einer Krankheit einhergeht. Um eine informierte, gemeinsame Entscheidungsfindung und folglich eine bessere Adhärenz zu ermöglichen, müssen Häufigkeiten verständlich an Patient*innen kommuniziert werden. Dabei können natürliche Häufigkeiten, welche sich als hilfreich erwiesen haben, in zwei verschiedene Richtungen kommuniziert werden: 1. Bayesianische Informationen (BI) (z.B. Anteil der positiv getesteten Personen an den Personen mit der Krankheit), 2. diagnostische Informationen (DI) (z.B. Anteil der positiv getesteten Personen an den Personen mit der Krankheit). Ziel der Studie war es, den Einfluss der Richtung der präsentierten Informationen und der Visualisierung (jeweils mit vs. ohne sogenanntes „Häufigkeitsnetz“) auf das Verständnis der Patient*innen zu untersuchen.
Methode 109 Proband*innen, die potenzielle Patient*innen sein könnten, bearbeiteten in einem 2×2×4-Design Aufgaben zu vier verschiedenen Kontexten des endokrinologischen (Schilddrüsenkarzinom und primärer Hyperaldosteronismus) und osteologischen (familiäre hypokalzurische Hyperkalzämie und Morbus Cushing) Fachbereichs. Die Aufgaben wurden in einem realistischen Video präsentiert, in dem von ärztlicher Seite unterschiedliche natürliche Häufigkeiten (BI vs. DI) kommuniziert wurden. Jeweils in der Hälfte der Fälle erhielten die Proband*innen zusätzlich ein Häufigkeitsnetz. Nach dem Betrachten des Videos mussten die Proband*innen den positiven prädiktiven Wert angeben. Korrektheit und Geschwindigkeit der Antworten wurden analysiert.
Ergebnisse Die Kommunikation von BI führte zu einer Leistung von nur 10% (ohne Visualisierung) bzw. 37% (mit Häufigkeitsnetz). Die Aufgaben mit DI wurden ohne Visualisierung von 72% der Proband*innen korrekt gelöst. Die zusätzliche Präsentation eines Häufigkeitsnetzes verbesserte die Leistung nicht. Die Lösungszeit für richtige Antworten war bei der Version mit BI ohne Visualisierung am längsten.
Diskussion Die Kommunikation von DI anstelle von BI hilft, Informationen besser und schneller zu verstehen, und sollte im klinischen Alltag bevorzugt werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Verständnis der Patient*innen offenbar stark von der Art der Kommunikation abhängt, weshalb in der medizinischen Praxis großer Wert darauf gelegt werden sollte.
Keywords Arzt-Patienten-Kommunikation, Häufigkeitsnetz, diagnostische Informationen, Bayesianische Informationen
Korrespondenzadresse Sarah Frederike Brose, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, Medizinische Klinik und Poliklinik IV, Ziemssenstraße 5, 80336 München, Deutschland, E-Mail: Frederike.Brose@campus.lmu.de
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
08. September 2022
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