Gesundheitswesen 2022; 84(08/09): 724
DOI: 10.1055/s-0042-1753617
Abstracts | DGSMP/DGMS
Vorträge
Thema: Gesundheitliche Ungleichheit

Soziale Ungleichheiten in der Partizipation nach Kehlkopfkrebs und Assoziationen mit dem psychischen Befinden

J Roick
1   Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Medizinische Soziologie, Halle (Saale), Deutschland
,
S Singer
2   Universitätsmedizin Mainz, Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik, Mainz, Deutschland
› Institutsangaben
 
 

    Einleitung Die Behandlung eines Kehlkopfkrebses kann zahlreiche Einschränkungen im täglichen Leben nach sich ziehen. Insbesondere Veränderungen im Aussehen und Beeinträchtigungen der Sprechfähigkeit können in Folge der Therapie auftreten. Dies kann die Teilhabe der Patient*innen und dadurch die psychische Gesundheit negativ beeinflussen. Ziel dieser Studie ist es, soziale Ungleichheiten in der Partizipation und Zusammenhänge zum psychischen Befinden bei Kehlkopfkrebspatient*innen zu analysieren.

    Methoden Die Patient*innen wurden drei Monate und ein Jahr nach Diagnosestellung anhand des Fragebogens zur psychischen Anpassung nach Laryngektomie (FPAL) zu sozialen Aktivitäten und einem Mangel an Kontakten befragt. Psychische Belastung wurde mit der Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS) erfasst. Sozio-ökonomische Angaben wurden im Selbstbericht erhoben und medizinische Angaben den Krankenakten entnommen. Soziale Ungleichheiten in der Partizipation und Zusammenhänge zum psychischen Befinden wurden mithilfe von Regressionsmodellen berechnet.

    Ergebnisse Es wurden 428 Patient*innen (Durchschnittsalter 65 Jahre, 91% männlich) aus 15 kooperierenden Kliniken in Mitteldeutschland nach einer Kehlkopfkrebsdiagnose in die Studie eingeschlossen. Es zeigten sich keine Veränderungen in sozialen Aktivitäten, jedoch eine Abnahme an sozialen Kontakten bis zu ein Jahr nach Diagnosestellung. Ein höherer Schulabschluss und eine bessere finanzielle Situation stehen drei Monate nach Diagnose mit erhöhter sozialer Aktivität im Zusammenhang, ein Jahr nach Diagnose ist das Vorhandensein einer Erwerbsarbeit und eine bessere finanzielle Situation mit mehr Aktivitäten assoziiert. Ein Mangel an Kontakten steht mit einer schlechteren finanziellen Situation ein Jahr nach Diagnosestellung im Zusammenhang. Patient*innen mit einer Abnahme in sozialen Aktivitäten innerhalb des ersten Jahres berichten von einem schlechteren psychischen Befinden (B = -0.217, p = .05). Veränderungen in Kontakten standen nicht mit dem psychischen Befinden im Zusammenhang (B = 0.044, p = .21).

    Schlussfolgerung Soziale Kontakte nehmen bis zu ein Jahr nach einer Kehlkopfkrebsdiagnose ab. Besonders Patient*innen, die ihre finanzielle Situation schlechter bewerten, haben ein Risiko für eine reduzierte Partizipation. Da eine Abnahme an sozialen Aktivitäten negativ mit der psychischen Gesundheit im Zusammenhang steht, sollte die Teilhabe von Kehlkopfkrebspatient*innen besonders gefördert werden.


    Publikationsverlauf

    Artikel online veröffentlicht:
    22. August 2022

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