Gesundheitswesen 2022; 84(08/09): 877
DOI: 10.1055/s-0042-1751148
Abstracts | ÖGPH

Obdachlosigkeit und Krebsvorsorge: Aktuelle Barrieren in der Gesundheitsversorgung (CANCERLESS)

Tobias Schiffler
1   Medizinische Universität Wien, Wien Österreich
,
Lisa Lehner
2   AmberMed, Wien, Österreich
,
Maren Jeleff
1   Medizinische Universität Wien, Wien Österreich
,
Lovro Markovic
3   Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK), Wien, Österreich
,
Igor Grabovac
1   Medizinische Universität Wien, Wien Österreich
› Author Affiliations
 
 

    Mit dem CANCERLESS-Projekt (EU-Horizon 2020) soll durch die Entwicklung eines neuartigen Versorgungsmodells, dem Health Navigator Model (HNM), obdach- und wohnungslosen Menschen in Europa der frühzeitige Zugang zu Krebspräventionsmaßnahmen ermöglicht werden. Um das HNM an strukturelle Bedingungen im österreichischen Gesundheitssystem anzupassen, wurde zwischen August und Oktober 2021 eine explorative qualitative Erhebung (19 halbstrukturierte Interviews) sowohl mit obdach- und wohnungslosen Menschen mit und ohne Krebserfahrung, als auch mit Expert:innen aus dem Gesundheits- und Sozialwesen durchgeführt. Die Daten wurden induktiv und themenanalytisch ausgewertet, woraus fünf übergreifende Themen entwickelt wurden: (1) gesundheitliche Bedürfnisse von obdach- und wohnungslosen Menschen, (2) hindernde sowie (3) unterstützende Faktoren im Zugang zu Gesundheitsversorgung, (4) Erfahrungen mit Krebserkrankungen, -prävention und -behandlung, und (5) Strategien für Public Health-Interventionen. Die Teilnehmenden waren im Allgemeinen der Ansicht, dass die Lebensumstände obdach- und wohnungsloser Menschen ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden maßgeblich beeinträchtigen, insbesondere in Hinsicht auf chronische Erkrankungen. Als größtes Hindernis im Zugang zur Versorgung wurde das Fehlen von Sozial- und Krankenversicherung bei vielen prekär lebenden Menschen identifiziert, was die Möglichkeiten zur Inanspruchnahme von Unterstützungsangeboten massiv einschränkt. Teilnehmende aus dem Gesundheits- und Sozialbereich betonten außerdem den geringen Anteil an für die Arbeit mit der Zielgruppe qualifiziertem Personal. Insgesamt zeigten die Interviews, dass Krebsprävention für obdach- und wohnungslose Menschen von speziell geschulten Expert:innen in vertrauten Umgebungen, wie Notschlafstellen oder Tageszentren, über einen längeren Zeitraum hinweg angeboten werden muss. Dafür sollte ein proaktiver Ansatz mit aufsuchenden Diensten verfolgt und auf individuelle Bedürfnisse eingegangen werden. Diese Erkenntnisse werden in die nun anlaufende Implementierung des HNM einfließen.


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    Publication History

    Article published online:
    22 August 2022

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