Klinik Einkauf 2022; 04(03): 18
DOI: 10.1055/s-0042-1750891
Topthema // Flaschenhals MDR

Rechtsprechungsübersicht

Schleswig-Holsteinisches OVG, Beschluss vom 23. September 2021 – 3 MB 22/21

Das schleswig-holsteinische Oberverwaltungsgericht hatte über den Antrag eines Medizinprodukteherstellers auf einstweiligen Rechtsschutz zu entscheiden, nachdem der Antrag in erster Instanz abgelehnt worden war. Der Hersteller vertrieb steril verpackte Diagnose- und Behandlungssets mit der CE-Kennnummer 0481. Die Medizinprodukte waren durch die Deutsche ecm - Zertifizierungsgesellschaft für Medizinprodukte in Europa mbH zertifiziert worden. Die Benannte Stelle verlor ihre Notifizierung vor Geltungsbeginn der MDR aufgrund von Mängeln in der Aufgabenwahrnehmung und sie stellte keinen Antrag auf eine Benennung nach der MDR. Dem Hersteller wurde deswegen untersagt, die Medizinprodukte vor der Validierung, Dokumentierung und Zertifizierung des gesamten Herstellungsprozesses entsprechend den grundlegenden Anforderungen des Anhangs I der Richtlinie 93/42/EWG in Verbindung mit den hierfür harmonisierten Normen in den Verkehr zu bringen. Der Hersteller sah sich durch diese sofort vollziehbare Verfügung in seiner Existenz bedroht.

Er war der Ansicht, dass die Übergangsbestimmung in Artikel 120 Absatz 3 MDR es ihm gestattete, seine Produkte als sogenannte „Legacy Devices“ (d.h. Medizinprodukte, die nach den Vorgängerbestimmungen legal auf den Markt gebracht wurden oder auch Medizinprodukte mit Richtlinienzertifikaten) weiterhin in Verkehr zu bringen. Danach darf ein Produkt, das gemäß der Richtlinie 90/385/EWG oder der Richtlinie 93/42/EWG zertifiziert wurde, in Verkehr gebracht werden, sofern es weiterhin einer dieser Richtlinien entspricht. Die Überwachung erfolgt durch die Benannte Stelle, die die Zertifizierung ursprünglich ausgestellt hat. Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht. Es stellte klar, dass die Übergangsbestimmung aus Artikel 120 Absatz 3 MDR im Kontext des Artikels 120 Absatz 1 MDR zu verstehen ist. Absatz 1 enthält die Regelung, dass mit dem Geltungsbeginn der MDR jede Benennung einer Benannten Stelle ungültig wird. Sinn und Zweck der Übergangsbestimmung ist eine effektive Überwachung der Einhaltung der Vorgaben der Richtlinien. Gemeint sei deswegen eine Benannte Stelle, die ihre Notifizierung gemäß Artikel 120 Absatz 1 MDR mit dem Geltungsbeginn der MDR verloren habe. Unzulässig sei eine Überwachung durch eine Benannte Stelle, die ihre Notifizierung schon vorher oder aus anderen Gründen verloren habe.

Hierzu passend hat die Medical Device Coordination Group („MDCG“), ein aus Fachexperten aus Mitgliedsstaaten gebildetes Gremium, das die EU-Kommission bei der Umsetzung der MDR berät, die Regelungen zur Überwachung der sog. Legacy Devices im Februar 2022 in der MDCG 2022-4 Leitlinie konkretisiert.



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Article published online:
23 June 2022

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