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DOI: 10.1055/s-0042-1749468
Stellenwert der Mistel in der Onkologie
Die weissbeerige Mistel, Viscum album L., war bereits in vorchristlichen, insbesondere keltischen Zeiten eine beliebte Heilpflanze. Der kugelige Strauch aus der Familie der Riemenblumengewächse (Loranthacea) wächst als immergrüner Schmarotzer auf Laub- und Nadelbäumen. Als gut verträgliches Kraut wird sie in der Phytotherapie hauptsächlich gegen gering bis mittelgradig erhöhte Blutdruckwerte als Mazerat oder Tee eingesetzt [1]. Erst durch die anthroposophische Medizin wird seit 1917 Viscum album als Mittel für Patienten mit onkologischen Erkrankungen verordnet. In der Regel wird eine Misteltherapie subkutan durchgeführt. In Einzelfällen auch intravenös, peri-/intratumoral oder intrakavitär.
Leitlinien/Guidelines
Bei der klassischen supportiven subkutanen Verabreichung konnten verschiedene z.T. randomisiert-kontrollierte Studien durchgeführt und in systematischen Reviews oder Metaanalysen beurteilt werden. Die amerikanische „Society for Integrative Oncology SIO“, mit internationaler Ausstrahlung, hat in diesem Kontext eine Misteltherapie als Option zur Verbesserung der Lebensqualität bei Patientinnen mit Mammakarzinom empfohlen (Recommendation C) [2]. Die im Jahr 2021 publizierte deutsche S3-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung onkologischer PatientInnen“, formuliert es ähnlich: „Die subkutane Gabe von Mistelgesamtextrakt kann für den therapeutischen Einsatz zur Verbesserung der Lebensqualität bei Patienten mit soliden Tumoren erwogen werden“ [3]. In einer randomisiert-kontrollierten Studie zur Misteltherapie beim inoperablen Pankreaskarzinom wurde ein Überlebensvorteil gezeigt [4]. Dieses Ergebnis wird zurzeit in Schweden in einem multizentrischen, placebokontrollierten Trial überprüft [5].
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Sicherheit
Eine professionell begleitete subkutane Misteltherapie wird in der Regel gut toleriert. Es können als Nebenwirkungen Schmerzen und Entzündungen, die zur Steuerung der Therapie einbezogen werden müssen, an der Injektionsstelle auftreten. Selten sind Fieber und Schüttelfrost. Anaphylaktische Reaktionen sind äusserst rar. Mistelpräparate sind bei Fieber, Entzündungen, Hyperthyreose, Autoimmunerkrankungen oder Überempfindlichkeit gegenüber einem der Bestandteile zu meiden. Bei einer Behandlung von immunsensiblen Neoplasien oder gleichzeitig mit anderen immunmodulierenden Arzneimitteln ist Vorsicht geboten.
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Spezielle Applikationen
Neben der üblichen subkutanen Applikation werden „off label“ z.T. intravenöse oder intrakavitäre Misteltherapien durchgeführt. Retrospektive Untersuchungen und Registerstudien konnten deren Machbarkeit und Sicherheit dokumentieren. Mehrere Case Reports mit günstigen Verläufen wurden bereits publiziert [6]. Hier sind prospektive Studien für die Zukunft unerlässlich.
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Konklusion
Die zugelassene, sichere Standard-Misteltherapie wird subkutan zur Verbesserung der Lebensqualität verabreicht. Andere erfolgsversprechende Mistelapplikationen, welche bereits in Case Reports und Versorgungsstudien publiziert wurden, bedürfen einer weiteren prospektiven Evaluation.
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Literatur
- 1 Fintelmann V, Weiss RF. Lehrbuch der Phytotherapie. 11. Aufl. Stuttgart: Hippokrates; 2006: 190-191
- 2 Greenlee H. et al. Clinical practice guidelines on the evidence-based use of integrative therapies during and after breast cancer treatment. CA Cancer J Clin 2017; 67: 194-232
- 3 S3-Leitlinien, 2021. Leitlinienprogramm Onkologie. Im Internet:. https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/komplementaermedizin. Zugriff: 24.04.2022
- 4 Tröger W. et al. Viscum album [L.] extract therapy in patients with locally advanced or metastatic pancreatic cancer: a randomised clinical trial on overall survival. Eur J Cancer 2013; 49: 3788-3797
- 5 Wode K. et al. Efficacy of mistletoe extract as a complement to standard treatment in advanced pancreatic cancer: study protocol for a multicentre, parallel group, double-blind, randomised, placebo-controlled clinical trial (MISTRAL). Trials 2020; 21: 787
- 6 Mistel-Therapie, 2021. Im Internet:. https://www.mistel-therapie.de/wissenschaftliche-informationen/klinische-evidenz/case-reports. Zugriff am 24.04.2022
Publication History
Article published online:
13 June 2022
© 2022. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Fintelmann V, Weiss RF. Lehrbuch der Phytotherapie. 11. Aufl. Stuttgart: Hippokrates; 2006: 190-191
- 2 Greenlee H. et al. Clinical practice guidelines on the evidence-based use of integrative therapies during and after breast cancer treatment. CA Cancer J Clin 2017; 67: 194-232
- 3 S3-Leitlinien, 2021. Leitlinienprogramm Onkologie. Im Internet:. https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/komplementaermedizin. Zugriff: 24.04.2022
- 4 Tröger W. et al. Viscum album [L.] extract therapy in patients with locally advanced or metastatic pancreatic cancer: a randomised clinical trial on overall survival. Eur J Cancer 2013; 49: 3788-3797
- 5 Wode K. et al. Efficacy of mistletoe extract as a complement to standard treatment in advanced pancreatic cancer: study protocol for a multicentre, parallel group, double-blind, randomised, placebo-controlled clinical trial (MISTRAL). Trials 2020; 21: 787
- 6 Mistel-Therapie, 2021. Im Internet:. https://www.mistel-therapie.de/wissenschaftliche-informationen/klinische-evidenz/case-reports. Zugriff am 24.04.2022