Zeitschrift für Phytotherapie 2022; 43(S 01): S26-S27
DOI: 10.1055/s-0042-1748337
Referate | Phytotherapie 2022 – innovativ

(Fast) ein Jahrzehnt ethnoveterinärmedizinische Forschung in der Schweiz – eine Übersicht über pflanzliche Rezepturen

Cynthia Hofer
1   Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Frick, Schweiz
,
Lea Rumpf
1   Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Frick, Schweiz
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Michael Walkenhorst
1   Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Frick, Schweiz
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Matthias Hamburger
1   Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Frick, Schweiz
› Institutsangaben
 
 

    Der Wandel der Zeit, Sprachbarrieren, Ausbildungsmöglichkeiten und die Entdeckung von mikrobiellen und synthetischen Arzneimitteln haben dazu geführt, dass das Wissen und die Forschung über medizinisch angewandte Phytotherapie in Vergessenheit zu geraten drohte. Aufgrund der aktuell rasant zunehmenden Zahl antimikrobieller Resistenzen wächst das Interesse an Phytotherapie wieder. Die ethnoveterinärmedizinische Forschung ist eine wichtige Quelle, um das Wissen über Arzneipflanzen zu erforschen und erhalten. Zwischen 2011 und 2016 wurden in der ganzen Schweiz ethnoveterinärmedizinische Studien durchgeführt, um das Wissen der Bauern und Bäuerinnen der Schweiz zur Anwendung von Arzneipflanzen bei Tieren zu sammeln. In einer weiteren Studie in 2018 wurden diese Daten zusammengefasst und schweizweit analysiert. Zum Vergleich und zur Erhöhung der wissenschaftlichen Evidenz dieser Daten wurden drei historische veterinärpharmakologische Werke aus den Jahren 1853 bis 1900 aus Frankreich (O. Delafond, 1853), Deutschland (E. Fröhner, 1900) und Österreich (M.F. Röll, 1866) ausgewertet. Die Auswertung der schweizerischen ethnoveterinärmedizinischen Daten und der historischen veterinärpharmakologischen Daten wurde auf die französisch- und deutschsprachigen Regionen konzentriert. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf Nutztierkrankheiten, welche oft Ursache für den Einsatz von Antibiotika sind.

    Im Gesamten wurden in dem schweizerischen ethnoveterinärmedizinischen Datensatz 285 pflanzliche Arzneidrogen von 193 verschiedenen Pflanzenspezies mit 2768 Anwendungen erfasst. Davon wurden 57 pflanzliche Arzneidrogen in  ≥ 10 Anwendungen genannt, dazu gehören Matricaria flos, Calendula flos, Coffea semen, Lini semen, Urtica herba, Arnica flos, Malva herba und Hyperici flos. In der kombinierten Auswertung der schweizerischen ethnoveterinärmedizinischen Daten und den historischen Werken wurden Lini semen, Malva herba, Salvia herba, Thymi herba und Matricaria flos in  ≥ 3 Quellen sowie in  ≥ 2 Indikationsgebieten genannt.

    Haut (QD) und Verdauungsstrakt und Stoffwechsel (QA) waren die häufigsten genannten Anwendungsbereiche. In der Kategorie QA wurden Gentiana radix, Lini semen und Quercus cortex in allen Quellen genannt. Die Kategorie QD erwähnte Lini semen, Malva herba und Oleae fructus in allen Quellen. In der Kategorie Urogenitalsystem (QG) wurden Juniperi herba und Lini semen in allen Quellen. In der Kategorie des Respirationstraktes (QR) wurden Thymi herba und Althaeae radix in 3 von 4 Quellen genannt.

    Jüngste ethnoveterinärmedizinische Forschung hat gezeigt, dass Wissen über pflanzliche Arzneidrogen in der gesamten Schweiz vorhanden ist. Von den 57 pflanzlichen Arzneidrogen, welche in  ≥ 10 Schweizer ethnoveterinärmedizinischen Anwendungen vorkommen, wurden ca. 50 % schon vor über einem Jahrhundert angewandt. Es besteht somit eine nennenswerte Basis, welche durchaus das Potential für eine komplementärmedizinische Behandlung von Nutztierkrankheiten mit Arzneipflanzen hat.

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    Abb. 1 Swiss ethnoveterinary language region (LR) results for 285 plant species parts (PSP) for 2768 use reports (UR). German LR: Aarau, Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Bern, Glarus, Graubünden, Luzern, Nidwalden, Obwalden, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, St-Gallen, Thurgau, Uri, Zug, Zürich. French LR: Bern, Fribourg, Genève, Jura, Neuchâtel, Vaud, Valais. Italian LR: Ticino, Graubünden.

    Publikationsverlauf

    Artikel online veröffentlicht:
    13. Juni 2022

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    Georg Thieme Verlag
    Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

     
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    Abb. 1 Swiss ethnoveterinary language region (LR) results for 285 plant species parts (PSP) for 2768 use reports (UR). German LR: Aarau, Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Bern, Glarus, Graubünden, Luzern, Nidwalden, Obwalden, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, St-Gallen, Thurgau, Uri, Zug, Zürich. French LR: Bern, Fribourg, Genève, Jura, Neuchâtel, Vaud, Valais. Italian LR: Ticino, Graubünden.