Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen haben eine geringere Lebenserwartung,
was in erster Linie auf somatische Komorbiditäten zurückzuführen ist. Eine wichtige
Rolle spielen hierbei ungünstige Lebensstilfaktoren. Die Prävention und Behandlung
körperlicher Erkrankungen wird in der psychiatrischen Gesundheitsversorgung bislang
jedoch vernachlässigt.
Betroffene sowie Vertreter*innen verschiedener Berufsgruppen (Ernährungsfachkräfte,
Psychiater*innen, Psycholog*innen, …) aus Deutschland, Österreich und der Schweiz
haben vor diesem Hintergrund im Jahr 2021 das ESSENzPSYCHE-Netzwerk gegründet. Geleitet
von Recovery- und Empowerment-Ansätzen möchten wir gemeinsam Interventionen entwickeln
und implementieren, welche zu einer ganzheitlichen Versorgung von Menschen mit psychischen
Erkrankungen beitragen können, aber auch die Selbstfürsorge der Betroffenen fördern
können.
Die Aktivitäten des Netzwerks werden entsprechend des "Theory of Change" (ToC) Ansatzes
geplant und durchgeführt. In sogenannten ToC-Workshops wird eine „Theory of Change“
entwickelt, welche beschreibt, wie das Netzwerk durch eine logische Abfolge von Zwischenergebnissen
bestimmte Ergebnisse erzielen kann. Im ersten ToC-Workshop mit 14 Mitgliedern des
Netzwerks wurde im November 2021 eine initiale ToC entwickelt, welche „die Maximierung
der Möglichkeiten von Menschen mit psychischen Erkrankungen, einen gesunden Lebensstil
zu führen“ anstrebt. Zentrale Themen waren bzgl. der Betroffenen die frühzeitige Information,
der niedrigschwellige Zugang zu den Angeboten und die Stärkung des Durchhaltevermögens
und bzgl. der Fachkräfte die Weiterbildung, die interprofessionelle Zusammenarbeit,
und die Integration bzw. Anbindung der Angebote in bestehende Versorgungsstrukturen.
Die Erkenntnisse der initialen ToC werden nun in weiterführenden Forschungsarbeiten
adressiert um evidenz-basierte Interventionen und Empfehlungen zu entwickeln. In weiteren
ToC-Workshops wird die ToC dann unter Berücksichtigung dieser wissenschaftlichen Ergebnisse
weiterentwickelt. Es ist davon auszugehen, dass durch diesen partizipativen Ansatz
die Implementierung der Maßnahmen erleichtert wird. Zukünftig werden Lebensstilfaktoren
und die körperliche Gesundheit von Menschen mit psychischen Erkrankungen dann in der
Gesundheitsversorgung vermehrt adressiert, wie es auch schon längst in einschlägigen
Behandlungsleitlinien (z. B. S3-Leitlinie zu psychosozialen Interventionen bei schweren
psychischen Erkrankungen) empfohlen wird.