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DOI: 10.1055/s-0042-1745673
E. coli-induzierter Zelltod als neuer Pathomechanismus der spontan bakteriellen Peritonitis
Hintergrund Komplikationen einer Leberzirrhose sind Aszites und spontan bakterielle Peritonitis (SBP). Mit einer 1-Jahres Mortalität von 66% ist eine SBP besonders kritisch. Diese wird durch die Translokation von Bakterien aus dem Darm in den Aszites und in mesenteriale Lymphknoten verursacht. Wir konnten bereits zeigen, dass die Mukusdicke im Darm bei Patienten mit Leberzirrhose reduziert ist, und Bakterien bei direktem Kontakt mit Epithelzellen einen Abbau von Zell-Zell-Kontakt-Proteinen induzieren. Occludin, ein wichtiger Stabilisator der Zell-Zell-Kontakte, wird durch das zelleigene Proteasom abgebaut und E-Cadherin ein cell junction Protein wird von einer von uns erstmals beschriebenen bakteriellen Proteaseaktivität gespalten. Dadurch wird die epitheliale Barriere geschwächt und Bakterien können aus dem Darm translozieren (Haderer et al., Gut 2021). Einen weiteren Einfluss auf die Integrität der epithelialen Barriere könnte eine bakteriell-induzierte Erhöhung der Zelltodrate haben. Ziel dieser Arbeit war es, die Viabilität von Epithelzellen bei Kontakt zu Bakterien zu untersuchen und die Art des Zelltods zu charakterisieren.
Methoden Die Untersuchung des Bakterien-induzierten Zelltods von Epithelzellen erfolgte am in vitro Model mit HCT-116 Kolonkarzinomzellen (p53 Wildtyp), die mit Escherichia coli Kulturen (ACTCC 25922, O6:Hnt) ko-kultiviert wurden. Die Art des Zelltods wurde selektiv durch Inhibition von Caspasen mit zVAD-FMK (Apoptose), von RIPK1 mit Necrostatin-1 (Necroptose), von RNA-Polymerasen mit Actinomycin D (Paraptose) und durch das Fangen von Peroxylradikalen mit Ferrostatin-1 (Ferroptose) mittels Durchflusszytometrie charakterisiert. Die Morphologie der Epithelzellen wurde anhand von elektronenmikroskopischen Aufnahmen untersucht.
Ergebnisse Eine Ko-Kultur von HCT-116 Zellen mit E. coli führte zu erhöhten Zelltodraten der Epithelzellen. Dieser Effekt war zeit- (0,5–4 h) und dosisabhängig (MOI 1–5). Eine Inaktivierung der Bakterien mittels Ultraschallbehandlung oder Hitze vor Ko-Kultur führte demgegenüber nicht zur Induktion von Zelltod in HCT-116 Zellen. Auch die Inkubation der Zellen mit Überstand einer Bakterienkultur, aus dem die Bakterien zuvor mittels Filtration entfernt wurden, hatte keinen Einfluss auf die Zelltodrate. Somit ist für die Induktion des Zelltods ein direkter Kontakt zwischen lebenden Bakterien und Epithelzellen essenziell. Da der Caspase-Inhibitor zVAD-FMK den bakteriell-induzierten Zelltod nicht blockierte, konnte Apoptose (Caspase 3-abhängig) und auch Pyroptose (Caspase 1-abhängig) als zugrundeliegender Mechanismus ausgeschlossen werden. Unter gleichen Bedingungen hatten auch die Inhibitoren Necrostatin-1 und Ferrostatin-1 keinen Einfluss auf den bakteriell-induzierten Zelltod, wodurch auch Necroptose und Ferroptose als ursächliche Mechanismen ausschieden. Elektronenmikroskopisch wiesen die ko-kultivierten Zellen eine fragmentierte Morphologie mit zytoplasmatischer Vakuolisierung auf. Zudem konnte der Zelltod in Gegenwart von Actinomycin D inhibiert werden. Diese Morphologie und die Hemmung des Zelltods durch Actinomycin D sprechen dafür, dass es sich bei dem durch E. coli-induzierten Zelltod um Paraptose handelt. Paraptose ist eine Art des programmierten Zelltods, welcher morphologisch mit einer zytoplasmatischen Vakuolisierung und einem Anschwellen der Mitochondrien beschrieben wird. Für die Abfolge der Paraptose ist eine aktive Translation und Transkription in der Zelle essenziell, weshalb Actinomycin D und Cycloheximid als Selektivmarker gelten.
Schlussfolgerung Eine reduzierte Mukusdicke von Patienten mit Leberzirrhose begünstigt den direkten Kontakt zwischen Bakterien des Darmmikrobioms und den Epithelzellen. Im in vitro Modell konnten wir zeigen, dass der direkte Kontakt von Bakterien und Epithelzellen zu einer erhöhten Zelltodrate führt. Die Erkenntnisse aus dieser Arbeit, die Vakuolisierung der Zellen und der Verlust der Integrität der Plasmamembran sowie die Inhibition des Zelltods durch Actinomycin D, sprechen für Paraptose als zugrundeliegendem Mechanismus. Diese bisher noch wenig charakterisierte Art des Zelltods könnte einen neuen Pathomechanismus der spontan bakteriellen Peritonitis darstellen.
Publication History
Article published online:
29 March 2022
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Georg Thieme Verlag
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