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DOI: 10.1055/s-0042-1745518
Stillförderung bei Müttern in belasteten Situationen – Ergebnisse einer qualitativen Zielgruppenanalyse
Trotz der bekannten positiven Auswirkungen des Stillens auf die Gesundheit von Mutter und Kind zeigen aktuelle Stillquoten: Nur etwa zwei Drittel der Mütter stillen ihr Kind nach der Geburt ausschließlich, die Raten sinken entgegen den Empfehlungen in den Folgemonaten deutlich. Dabei gibt es einen starken Zusammenhang zwischen Stillverhalten und Sozialstatus. Eine geringere Stillquote und kürzere Stilldauer weisen Mütter in belasteten Situationen auf: Etwa Frauen mit einem geringen Sozialstatus, Frauen, die in einem jungen Alter erstmals Mutter werden, übergewichtige/adipöse Frauen sowie Frauen, die während der Schwangerschaft geraucht haben.
Um mehr über die Gründe für die geringere Stillquote und kürzere Stilldauer dieser Gruppe zu erfahren, wurde 2020 eine qualitative Zielgruppenanalyse durchgeführt. Ausgehend von Expertinnen-Interviews mit erfahrenen Hebammen fanden Fokusgruppengespräche mit 14 Frauen mit formal niedriger Bildung und weiteren o. g. Merkmalen statt, die nicht oder kurz (max. 2 Monate) gestillt hatten. Ergänzend wurden Einzelinterviews mit drei Vergleichsgruppen durchgeführt: Frauen mit formal niedriger Bildung und weiteren o. g. Merkmalen, die mindestens 4 Monate gestillt haben (n=4) sowie Frauen mit formal höherer Bildung, die entweder nicht/kurz (n=4) oder länger (n=8) gestillt haben.
Die Befunde zeigen: Die Zielgruppe erwartet, dass ihre Entscheidungen zur Säuglingsernährung wertungsfrei akzeptiert werden. Gleichzeitig verspüren die Mütter einen besonderen Erwartungsdruck zu stillen, aber möglichst nicht öffentlich. Stillen in der Öffentlichkeit wird als Notlösung gesehen. Ein schwieriger Stillstart prägt nachhaltig ihre gesamte Stillzeit. Die befragten Frauen in Belastungslagen präferieren eine realistische, stigmasensible Darstellung des Stillens, die auch Herausforderungen und Schwierigkeiten aufgreift.
Auf der Grundlage der Ergebnisse können geeignete Maßnahmen und Botschaften zur besseren Erreichbarkeit und Ansprache entwickelt werden. Die Befunde zeigen aber auch, dass vor Ort mehr kostenfreie Angebote zur Stillberatung verfügbar sein sollten, das Stillen in der Öffentlichkeit selbstverständlicher gemacht und gleichzeitig mehr geschützte Räume für Mütter eingerichtet werden müssen, die nicht öffentlich stillen möchten. Eine langfristig erfolgsversprechende Aufgabe ist es, das Stillen von klein auf als normal zu prägen, also bereits in (früh-)kindliche Bildungsprozesse als selbstverständlich zu integrieren.
Interessenskonflikte Es bestehen bei beiden Autorinnen keine Interessenskonflikte
Publication History
Article published online:
26 April 2022
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Georg Thieme Verlag
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