Gesundheitswesen 2022; 84(04): 360
DOI: 10.1055/s-0042-1745466
Abstracts | BVÖGD/BZÖG
Fachausschuss Kinder- und Jugendgesundheitsdienst
Vorträge

Von der Corona-Pandemie zur Adipositas-Pandemie: Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchung der Region Hannover

Susanne Bantel
,
Andrea Wünsch
 
 

    Zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass die COVID-19-Pandemie und die einhergehenden Kontaktbeschränkungen negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen hat. Das Team Sozialpädiatrie und Jugendmedizin im Fachbereich Jugend der Region Hannover hat den gesetzlichen Auftrag in allen 21 Städten und Gemeinden der Region Hannover die Schuleingangsuntersuchungen durchzuführen. Durch diese jährliche Vollerhebung zum Gesundheits- und Entwicklungsstand einer ganzen Alterskohorte können erforderliche Handlungsbedarfe erkannt und entsprechende Präventionsmaßnahmen entwickelt werden.

    Die Daten des Einschulungsjahrgangs 2021/22 (n=11.326) werden mit dem Jahrgang vor der Corona-Pandemie (n=10.925) verglichen. Anhand multivariater Analysen werden mögliche Zusammenhänge bestimmter Faktoren mit der Entwicklung von Übergewicht und Adipositas errechnet. Die Auswertungen zeigen eine signifikante Zunahme von Übergewicht und Adipositas von 10,4% auf 14,4%. Neben einem geringen elterlichen Haushaltbildungsindex bzw. Bildungsgrad (OR 2,4; 95%-KI 2,0-2,8) ist ein hoher Medienkonsum von täglichen mehr als zwei Stunden (OR 2,1; 95%-KI 1,6-2,9) mit Übergewicht und Adipositas assoziiert. Weitere Analysen zeigen, dass insbesondere bei übergewichtigen Kindern der Medienkonsum seit der Corona-Pandemie zugenommen hat (von 7,9% auf 11,7%). Ferner wird deutlich, dass in allen Bildungsschichten der Anteil der Kinder mit Übergewicht und Adipositas angestiegen ist, jedoch insbesondere bei Kindern aus Familien mit geringem Haushaltbildungsindex (von 15,4% auf 22,2%). Zudem haben Kinder aus alleinerziehenden Haushalten ein erhöhtes Risiko Übergewicht zu entwickeln (OR 1,3; 95%-KI 1,2- 1,5).

    Die Ergebnisse verdeutlichen, dass von der Pandemie vor allem sozial benachteiligte Kinder und ihre Familien betroffen sind und damit soziale Ungleichheiten verstärkt wurden. Dies unterstreicht die sozialkompensatorische Bedeutung der Schuleingangsuntersuchung. Als erforderliche Maßnahme, der pandemiebedingten Entwicklung entgegenzusteuern, hat das Team Sozialpädiatrie und Jugendmedizin 2022 ein Adipositasprojekt im Setting Schule und Kita mit den Bausteinen der Ernährungsberatung und Bewegungsförderung initiiert. Der interdisziplinäre Aufbau des Projektes und dessen Vernetzung mit den einzelnen Angeboten des Fachbereichs Jugend und der Frühen Hilfen werden aufgezeigt.

    Literatur Ravens-Sieberer U, Kaman A, Erhart M, Devine J, Schlack R, Otto C (2021): Impact of the COVID-19 pandemic on quality of life and mental health in children and adolescents in Germany. European Child & Adolescent Psychiatry. DOI: 10.1007/s00787-021-01726-5, published online 25.01.2021

    Schlack R, Neuperdt L, Hölling H et al. (2020): Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und der Eindämmungsmaßnahmen auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Journal of Health Monitoring 5 (4). Robert-Koch-Institut, Berlin

    Lee J (2020): Mental Health effects of school closures during COVID-19. Lancet Child Adolsesc Health 4 (6): 421

    Reichert J, Berner R (2021): Medizinreport. Kinder in der COVID-Krise. Familiär verinselt im Lockdown. Deutsches Ärzteblatt 118 (8), 26.02.2021

    Ravens-Sieberer U, Kaman A, Otto C et al. (2020): Psychische Gesundheit und Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen während der COVID-19-Pandemie – Ergebnisse der COPSY-Studie. Deutsches Ärzteblatt 117 (48): 828–829. DOI: 10.3238/ arztebl.2020.0828

    DAK-Gesundheit (2020): Mediensucht 2020 – Gaming and Social Media in Zeiten von Corona. Ergebnisse einer Eltern-Kind-Befragung mit forsa.omninent. Berlin, Hamburg

    Interessenskonflikte Es bestehen keine Interessenkonflikte


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    Publication History

    Article published online:
    26 April 2022

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