Mit Wolfram Wermke bin ich seit 1990 freundschaftlich verbunden und ich freue mich
daher außerordentlich, dass er mit der DEGUM-Medaille für seine besonderen Verdienste
um den Ultraschall ausgezeichnet wird und übernehme sehr gerne die Laudatio im Auftrag
unseres Präsidenten und Sektionsleiters.
Ich werde nach seinem hervorragenden Vortrag, nachdem sich eine Würdigung seiner sonografischen
Verdienste eigentlich erübrigt, einige seiner Charaktereigenschaften herausstellen,
damit mich Wolfram hinterher nicht der Lobhudelei bezichtigen kann.
Schon vor der Wende waren mir seine Publikationen aufgefallen. Ich war neugierig auf
den Typen hinter der Mauer, der so brilliant sononografisch arbeitete und dessen wissenschaftlichen
Interessen mit meinen weitgehend übereinstimmten. Es ging damals in erster Linie um
Gallengangsdiagnostik.
Wolfram Wermke publizierte ab 1985 reichlich bei der PubMed-gelisteten DDR-Zeitschrift
für Ärztliche Fortbildung und ab 1987 auch im Westen. Seine Arbeit über die sonografische
Diagnostik der Choledochus-Steine in unserer „Ultraschall in der Medizin“ ist heute
noch bester sonografischer Standard. In dieser Zeit habilitierte er sich über Portale
Hypertonie und Dopplerdiagnostik.
Wolfram wusste in der „Wendezeit“ nicht, wie es für ihn und an der Charité weitergehen
würde. Obwohl unbelastet, fürchtete er seine Stelle nicht behalten zu dürfen. Die
Bürokratie arbeitete langsam aber schließlich bekam er seine Professur. Die Klinik
war unterbesetzt und er leistete viele zusätzliche Bereitschaftsdienste, und zwar
unentgeltlich. Meinem Ratschlag, eine Stelle im Westen zu suchen, folgte er nicht.
Typisch Wolfram Wermke wollte er weder Klinik, noch Kollegen, noch Patienten im Stich
lassen. Es war damals für ihn mit großer Familie nicht einfach bei den ständig steigenden
Preisen und dem um 30 % reduzierten Ost-Grundgehalt.
Er hielt die Abteilung für Gastroenterologie in der Charité zusammen und wartete hoffnungsvoll
auf einen neuen Ordinarius. Wie in vielen anderen Bereichen auch lief es leider dann
in der Folge doch nicht so glatt. Peu à peu wurde er aus der Klinik in die Sonografie
abgedrängt. Keine einfache Situation für einen begeisterten Kliniker, gut jedoch für
das, was er in der Sonografie in seinem weiteren Leben geleistet hat.
Wolfram ist ein Typ mit Ecken und Kanten, er ist brillant in seiner Arbeitsweise,
hält exzellente bildreiche Vorträge – er und seine Vorträge sind mittlerweile Kult
geworden. Wolfram hat immer viele Anekdoten parat, hier sei eine über seine Begegnung
mit seinem großen Vorbild Frerichs, der als Begründer der Hepatologie gilt, kurz nacherzählt.
In der Wendezeit fand er im Kohlenkeller der Charité Theodor Frerichs 1861 herausgegebene
Originalpublikation „Klinik der Leberkrankheiten“ mit dem ex libris von Rudolf Virchow.
Wolfram rettete das rare und bestens erhaltene Sammlerstück, kopierte es sorgfältig
und gab das Buch zurück. Später wurde es in der Vitrine ausgestellt und – Ironie des
Schicksals – irgendwann geklaut.
Frerichs exzellenter Darstellung der Morphologie der Lebertumoren und ihren sensationellen
farbigen Abbildungen stellte Wolfram Ultraschallbilder als Pendant gegenüber und diese
Vorträge machten Wolfram zu einem sehr begehrten Redner. Dies hätte alleine genügt
um mit der DEGUM-Medaille ausgezeichnet zu werden.
Sehr bald war Wolfram auch im Westen der Republik daher als Ultraschallexperte anerkannt
und wurde von der Industrie immer mit den neuesten Geräten versorgt. Nicht wenige
Kollegen waren neidisch, weil er bei Neueinführungen oft diese Geräte als erster bekam
und diese mit vielen tollen Bildern vorstellen konnte. Er war ein Meister im Umgang
mit Patienten und Geräten. Niemand verstand es wie er, so wunderschöne Ultraschallbilder
aus Gerät und Patienten herauszukitzeln.
Wie er selbst sagte, habe er vieles seinem Freund und Physiker Bernhard Gaßmann zu
verdanken. Sie hatten mehr als nur an den Reglern herumgeschraubt. So kam es, dass
sich Wolfram Wermke extrem mit dem Farbdoppler und sehr früh mit Kontrastverstärkern
beschäftigte. Bereits 1998 brachte er zusammen mit B. Gaßmann eine Monografie, die
auch in Englisch erschien, wurde leider wenig nachgefragt, weil die Zielgruppe der
Leser damals noch nicht reif für das Thema war. Noch heute stellt diese „Tumordiagnostik
der Leber mit Echosignalverstärker“ eine Fundgrube für Besonderheiten dar.
Auch wenn Wolfram Wermke von manchen in seinem Berliner Umfeld von manchen Kollegen
gemieden oder gar „geschnitten“ wurde, ging er kontinuierlich und konsequent seinen
Weg weiter. Er sah sich in der Tradition der alten Charité und ihrer großen Kliniker.
Ihm ging fundierte Arbeit vor schnelles und unreflektiertes Publizieren.
Wolfram Wermke konnte sich gelegentlich drastisch ausdrücken und auch mal derb sein,
jemandem nach dem Mund zu reden war seine Sache nie. Er zitierte lieber Max Liebermann:
„Kunst kommt von können, käme es von wollen müsste es Wulst heißen“.
Vieles von dem, was er erarbeitete, publizierten seine Schüler, und so findet man
in PubMed doch eine ganze Menge von ihm. Wolfram hatte Gott sei Dank ein paar „Eckermänner“.
Wolfram ist im besten Sinne ein sonografischer Dr. House, er ist ein Meister im Knacken
harter Nüsse, nicht selten mithilfe einer vertieften Anamnese. Mit Hingabe verfolgt
er lange Verläufe, um so Änderungen der Morphologie exakt zu erfassen. Er pflegt sein
riesiges Ultraschallarchiv, keiner erreicht seine Fallzahlen und scheinbar nebenher
recherchiert er ausgiebigst pathologische und anderweitige bildgebende Literatur.
Daraus resultierte dann ein nach langjähriger Beschäftigung ein im Alleingang erstelltes
fundiertes Werk, nämlich die „Sonografische Leberdiagnostik“.
Lieber Wolfram, Lehre und Wissensvermittlung waren dir stets wichtig. Wenn du auch
das große Kongresstheater durchaus genießen konntest, war dir ein Auftritt bei deinen
Ultraschallfreunden im Kreis interessierter Kollegen viel lieber. Gerne führst du
Diskussionen auf Augenhöhe, denn der wissenschaftliche Streit, die Keimzelle aller
wissenschaftlichen Arbeit, benötigt fundierte Gesprächsrunden und vor allem auch Zeit.
Mit deiner aktuellen „Interaktiven Veranstaltungsreihe“ hast du ein neues Format erfunden.
Wolfram und seine Sono-Schüler plaudern dort aus dem Nähkästchen, zeigen interessierten
Kollegen, wie Sonografie geht, wie man sonografische Probleme löst, worauf man hereinfällt
und wie man das vermeiden kann.
So pflanzt Wolfram unermüdlich sein fundiertes Wissen durch direkte und indirekte
Weitergabe gleichsam metastatisch fort.
Wolframs Leben ist leider nicht ganz ohne Belastungen und Dellen geblieben, als Schwachstromelektriker
hast du beruflich in der DDR begonnen, dagegen ist dein Leben immer hochvoltig verlaufen,
Abhauen war deine Sache nicht, dafür hättest du – wie du sagtest – zu viele Geiseln
hinterlassen.
Rettenmaier, der Wolfram ob seines Könnens und seiner fundierten wissenschaftlichen
Statements sehr schätzte, stellte früh fest: Wolfram sei ein Typ, der seine Lebenskerze
an zwei Enden gleichzeitig abbrenne. Immer wieder spielte ihm seine Gesundheit heftige
Streiche, sodass er seine körperliche Belastbarkeit im Laufe der Zeit zurückfahren
musste. Wenn man sieht, welches Quantum oder besser welches „Qualitativum“ er dennoch
bewältigte, so ist dies sicher auch seiner Ehefrau Martina zu verdanken, die ihn je
nach Bedarf beschützt, ermuntert oder bestärkt.
Wolfram ist die sonografische Kapazität unserer Gesellschaft im Bereich der Inneren
Medizin, der als fundierter Kritiker und Querdenker von manchem Kollegen wahrgenommen
oder sogar gefürchtet wird.
Wolfram Wermke hat sich immer als eigener Kopf erwiesen und sich deshalb mit der DEGUM
als Institution immer etwas schwer getan, jedenfalls schwerer als die Gesellschaft
mit ihm. Wenn auch nicht gänzlich uneitel fällt es ihm nicht leicht, öffentlich Ehrungen
entgegenzunehmen. Wolfram ist Preuße durch und durch, seine Ideale findet man in der
Historie der Charité, angefangen bei Schönlein, Virchow und Frerichs, und nicht zu
vergessen medizinisch auch bei Professor Berndt, der ihm während der DDR-Zeit ein
sehr guter klinischer Lehrer gewesen sei.
Die DEGUM ist stolz, dich heute im Kreise deiner Schüler zu ehren, dir danke ich für
viele Fachgespräche und die langjährige Freundschaft!
Karlheinz Seitz