Grundlagen
Ziel und Zweck
Die Wiederherstellung und Sicherung der Vitalfunktionen des Notfallpatienten ist
die wichtigste Aufgabe des Notarztes. Dazu gehören u. a. die Ventilation, die
optimale Oxygenierung des Patienten und die Verhinderung einer Aspiration.
Hierfür stellt die orale endotracheale Intubation in vielen Fällen den
Goldstandard dar. Diese Maßnahme ist bei gegebener Indikation häufig
lebensrettend, bei Fehlern oder Komplikationen im Rahmen des
Intubationsvorganges jedoch mit einer erhöhten Morbidität und Letalität
verbunden. In einer Studie von Timmermann et al. [5] waren 11 % der präklinisch intubierten Patienten endobronchial
intubiert und 7 % ösophageal (mit einer Letalität von 80 %). Selbst in der
endotrachealen Intubation erfahrene Notärzte (> 300 innerklinische
endotracheale Intubationen) haben in 15 % der präklinischen Intubationen mit
Schwierigkeiten zu kämpfen (schlechte bzw. keine Einsehbarkeit der
Stimmbandebene, ≥ 3 Intubationsversuche, Blut oder Erbrochenes im Mund,
ungünstige Position des Patienten) [6].
Die endotracheale Intubation ist aufgrund der akuten Vitalgefährdung des
Patienten oft mit Stress für das gesamte Team assoziiert. Gleichzeitig ist
die endotracheale Intubation aber auch eine Tätigkeit, die für Notärzte, die
nicht anästhesiologisch tätig sind, nicht alltäglich ist; somit kann deren
Ausführung mit Unsicherheiten verbunden sein [4]. Hinzu kommt, dass die Technik der endotrachealen
Intubation nur innerklinisch am realen Patienten erlernt werden kann und
selbst unter innerklinischen Bedingungen mindestens 150 erfolgreiche
endotracheale Intubationen notwendig sind, bis weitere Intubationen mit
einer Erfolgsrate von 85 % durchgeführt werden können [1]. Ein Erlernen am Phantom oder Simulator ist
nach wie vor unrealistisch [2], ebenso wie
ein „Lernen durch Zuschauen“, da die engen anatomischen Verhältnisse im
Kehlkopfbereich des Patienten nur die Visualisierung entweder für den
Lehrenden oder den Lernenden zulassen.
Indikationen
Die Indikation für eine endotracheale Intubation ist gestellt bei:
-
Apnoe
-
Schnappatmung
-
Schädel-Hirn-Trauma mit GCS < 9
-
Hypoxie trotz Sauerstoffgabe und Ausschluss eines Spannungspneumothorax
-
respiratorischer Insuffizienz
Schritt für Schritt
Die endotracheale Intubation umfasst folgende Arbeitsschritte:
-
Absprache über die Aufgabenteilung im Team
-
Vorbereiten und Funktionskontrolle des benötigten Materials
-
„Präoxygenierung“ („Denitrogenisierung“) des Patienten über 4 Minuten bei ausreichender
Spontanatmung mit hohem Sauerstoffflow bzw. bei unzureichender Spontanatmung mittels
Masken-Beutel-Beatmung während der Vorbereitungszeit für die endotracheale Intubation
-
Optimieren der Lagerung des Patienten
-
(ggf.) Narkoseeinleitung und Muskelrelaxation (Rapid Sequence Induction), Blutdruckmessen
vor und nach Narkoseeinleitung alle 1–2 Minuten
-
Öffnen des Mundes
-
Verdrängen der Zunge mittels Laryngoskopie
-
Darstellen und sicheres Identifizieren der Stimmbänder
-
Einführen des Endotrachealtubus
-
Lagekontrolle und Anschließen des CO2-Monitorings
-
Fixieren des Tubus
-
Anlegen einer Magensonde
Schritt 2 Maskenbeatmung
Bei kritisch kranken Patienten mit inadäquater Spontanatmung muss während der
Vorbereitungszeit für die endotracheale Intubation und der Anschlagzeit der
Narkosemedikamente und des Muskelrelaxans eine Maskenbeatmung
(O2-Fluss 15 l/min, Beatmungsbeutel mit Reservoir oder Demandventil)
erfolgen, um eine Hypoxämie während des endotrachealen Intubationsvorgangs
möglichst zu vermeiden [3]. Die Abbildung
demonstriert den sogenannten C-Griff bei der Maskenbeatmung([Abb. 1]). Der sichere Griff sowie die korrekte Wahl
der Maskengröße ist Voraussetzung, um auch bei Patienten mit schwierigeren
Voraussetzungen (z. B. Bartträger, Patienten mit Gesichtsanomalien) ventilieren
zu können. Im Gegensatz zu dem dargestellten Bild in der Klinik gestaltet sich
die Situation präklinisch häufig schwieriger, da die Position des Patienten,
aber auch das verwendete Material (Beatmungsbeutel mit Maske) weniger optimal
sind. Schwierige Situationen können mittels „doppeltem C-Griff“ (1. Person
fixiert mit zwei C-Griffen die Maske, 2. Person bedient den Beutel) und
Hilfsmitteln des oberen Atemweges (Guedel-, Wendl-Tubus) entschärft werden.
Abb. 1 Maskenbeatmung mit C-Griff.
Schritt 3 Lagern des Patienten
Schritt 3 Lagern des Patienten
Die optimale Lagerung des Patienten bringt die Öffnung des äußeren Gehörgangs und
das Jugulum in eine gemeinsame horizontale Ebene. Auch die Ebene des Gesichts sollte
etwa horizontal orientiert sein ([Abb. 2]). Sehr adipöse Patienten benötigen hierfür ggf. eine Unterlagerung der Schultern
und des Kopfes (sog. Ramp-Position). Bei Säuglingen muss aufgrund des großen Hinterkopfes
eine Unterpolsterung der Schultern erfolgen.
Abb. 2 Optimale Lagerung des Patienten.
Schritt 4 Öffnen des Mundes
Schritt 4 Öffnen des Mundes
Öffnen des Mundes – Esmarch-Handgriff
Die Öffnung des Mundes des Patienten gelingt besonders gut mittels des Handgriffs
nach Esmarch, welcher auch ideal zur Inspektion der Mundhöhle geeignet ist. Hierbei
sollte darauf geachtet werden, dass die Öffnung des Mundes besonders gut gelingt,
wenn der Unterkiefer angehoben (d. h. im Liegen deckenwärts gehoben) wird ([Abb. 3]).
Abb. 3 Öffnen des Mundes – Esmarch-Handgriff.
Öffnen des Mundes – Kreuzgriff
Für den eigentlichen endotrachealen Intubationsvorgang ist jedoch der Kreuzgriff mit
der rechten Hand (gilt auch für Linkshänder!) die zuverlässigste Möglichkeit, den
Mund mit einer Hand zu öffnen. Hierbei drückt der Notarzt mit dem Daumen seiner rechten
Hand den Unterkiefer an der Zahnreihe nach kaudal. Zeige- oder Mittelfinger stützen
die Hand an der Zahnreihe des Oberkiefers ab ([Abb. 4 a]).
Wichtig ist dabei, dass der Kreuzgriff möglichst weit rechts im Mund durchgeführt
wird, damit links davon viel Raum für das Einführen des Laryngoskops bleibt ([Abb. 4 b]).
Abb. 4 Öffnen des Mundes – Kreuzgriff. a Kreuzgriff mit der rechten Hand: Seitenansicht. b Kreuzgriff mit der rechten Hand: Ansicht von oben.
Schritt 5 Einführen des Laryngoskops
Schritt 5 Einführen des Laryngoskops
Der Spatel wird leicht rechts der Mittellinie über die Oberfläche der Zunge in den
Pharynx und dann weiter in den Hypopharynx vorgeschoben. Die Zunge wird so durch den
Spatel nach links und in Richtung Mundboden aus dem Blickfeld verdrängt ([Abb. 5 a]).
Falls Zungenmuskulatur rechts vom Spatel die Sicht verdeckt, muss der Spatel neu (etwas
weiter nach rechts versetzt) positioniert werden, um die Zunge komplett zu verdrängen.
Ein mittiges Aufladen der Zunge ist Spezialsituationen vorbehalten. Da die rechte
Hand durch das Aufladen der Zunge (und damit des Unterkiefers) mit dem Laryngoskop
frei wird, steht sie nun zur Verfügung, um die häufig eingeklemmte Unter- oder Oberlippe
zu befreien. Zudem kann durch die rechte Hand am Kehlkopf manipuliert werden, um die
Sicht auf die Stimmbandebene zu verbessern ([Abb. 5 b]).
Abb. 5 Einführen des Laryngoskops. a Einführen des Laryngoskopspatels in den Mund. b Verdrängung der Zunge nach links und in Richtung des Mundbodens. Vermeidung einer
Einklemmung der Ober- und Unterlippe des Patienten.
Schritt 6 Identifizieren der anatomischen Strukturen
Schritt 6 Identifizieren der anatomischen Strukturen
Zur Orientierung während der Laryngoskopie müssen mehrere anatomische Strukturen dargestellt
und identifiziert werden. Zunächst wird die Uvula, dann die Hinterwand des Pharynx
und schließlich an der Zungenbasis die Epiglottis sichtbar. Meist ist nur minimaler
Kraftaufwand nötig. Die Spitze des Spatels wird in der Vallecula epiglottica positioniert.
Durch Zug am Laryngoskop in Richtung des Handgriffs wird die Epiglottis aufgerichtet
und der Blick auf die Stimmbänder frei ([Abb. 6]).
Abb. 6 Blick auf die Stimmbänder.
Falls die Epiglottis nicht darzustellen ist, kann dies mehrere Gründe haben: falsche
Lagerung des Patienten, der Laryngoskopspatel wurde zu tief eingeführt, Speichel,
Blut oder Erbrochenes verdecken die Epiglottis. Daher sollte in diesen Fällen die
Lagerung des Patienten überprüft und optimiert werden (s. Kap. 1.2.3), der Spatel
erneut langsam unter Darstellung der o. g. anatomischen Strukturen eingeführt werden
bzw. mit einem Absaugkatheter Flüssigkeiten aus dem Mund-Rachenraum entfernt werden.
Die Darstellung der Stimmbänder kann wie bereits erwähnt durch externe Larynxmanipulation
verbessert werden. Hierbei wird der Schildknorpel initial durch den Notarzt selbst,
während des endotrachealen Intubationsvorgangs dann aber durch eine Assistenzperson
leicht nach rechts, dorsal und kranial verschoben, um den Larynx besser ins Blickfeld
zu rücken.
Schritt 7 Tubusmanipulation
Schritt 7 Tubusmanipulation
Wenn die Stimmbänder sicher identifiziert wurden, wird unter Sichtkontrolle der Tubus
vom rechten Mundwinkel kommend in die Trachea eingeführt. Falls der Tubus hierbei
die Sicht verdecken sollte, kann eine Umformung des Tubus mit dem einliegenden Führungsdraht
in eine Art Hockeyschläger-Form die Intubationsbedingungen verbessern (gerade Form
mit einem ca. 35°-Winkel am proximalen Ende des Cuffs). [Abb. 7] stellt den gleichen Tubus mit unterschiedlich geformtem Führungsstab dar. Einmal
mit konventioneller Krümmung (a), einmal als Hockeyschläger (b) und einmal als Hockeyschläger
mit überstehenden Führungsstab (c). Letztere Variante ist potenziell gefährlich, da
sie Verletzungen des Kehlkopfes und der Trachea begünstigt. Sie sollte daher nur in
bei speziellen Indikationen eingesetzt werden. Alle Konfigurationen außerhalb der
konventionellen Krümmung sollten nur auf expliziten Wunsch des Anwenders angereicht
werden.
Abb. 7 Tubusmanipulation. a Konventionelle Krümmung. b Hockeyschläger-Form. c Hockeyschläger-Form mit überstehendem Führungsstab.
Schritt 8 Einführen des Endotrachealtubus
Schritt 8 Einführen des Endotrachealtubus
Bei der Übernahme des Tubus von der Assistenzperson bietet es sich an, diesen direkt
im oberen (distalen) Drittel zu übernehmen, um eine endotracheale Intubation ohne
Nachgreifen am Tubus zu ermöglichen ([Abb. 8]).
Abb. 8 Einführen des Endotrachealtubus.
Schritt 9 Lagekontrolle
Nach erfolgter Intubation sollte der Tubus wie in [Abb. 9] gezeigt endotracheal zum Liegen kommen.
Unmittelbar im Anschluss an die endotracheale Intubation erfolgt die Lagekontrolle
des Tubus durch Auskultation von Magen und Thorax ([Abb. 10]). Zunächst wird der Magen im Epigastrium auskultiert und bei fehlendem Insufflationsgeräusch
dem Intubierenden Rückmeldung gegeben: „Magen frei“. Es folgt dann die Auskultation
der beiden Thoraxhälften möglichst von lateral (um eine Fehlinterpretation von der
kontralateralen Seite weitergeleiteten Ventilationsgeräusche zu vermeiden) und jeweils
mit dem Hinweis „linke/rechte Seite beatmet“. Abschließend muss noch durch weitere
Auskultationen über mehreren Lungenfeldern beurteilt werden, ob die Ventilationsgeräusche
seitengleich sind. Die Lagekontrolle durch Auskultation kann im präklinischen Umfeld
aufgrund der oft lauten Umgebungsgeräusche erschwert sein, ist aber zwingend beispielsweise
auch zur Diagnose eines Pneumothorax (der sich nach endotrachealer Intubation rasch
zu einem Spannungspneumothorax entwickeln kann) erforderlich. Des Weiteren muss unbedingt
der Ausschluss einer ösophagealen Fehlintubation durch Kapnometrie oder besser durch
Kapnografie erfolgen.
Abb. 9 Endotracheale Lage des Tubus.
Abb. 10 Lagekontrolle des Tubus.
Schritt 10 Fixieren des Tubus
Schritt 10 Fixieren des Tubus
Der Tubus muss sicher fixiert werden. Dies erfolgt präklinisch im einfachsten Fall
mit einer Mullbinde. Hierbei ist streng darauf zu achten, dass der Tubus nicht nur
mit einem „Ankerstich“ umschlungen wird, sondern zusätzlich ein fixierender Knoten
(zwei „halbe Schläge“) den Tubus gegen Verrutschten sichert. Kostenintensiver sind
speziell für die präklinische Situation entwickelte Tubushalterungen (z. B. Thomas
Tube Holder, Laerdal). Zusätzlich sollte der Notarzt bei Umlagerungsmanövern oder
bei Manipulation am Beatmungsschlauch den Tubus im Mundwinkel des Patienten fixieren
und so gegen eine akzidentelle Dislokation sichern.
Schritt 11 Anlegen einer Magensonde
Schritt 11 Anlegen einer Magensonde
Prinzipbedingt führt nahezu jede präklinische Beutel-Masken-Beatmung zu einer Luftinsufflation
in den Magen. Diese erhöht das Aspirationsrisiko, auch bei bereits bestehender Intubation,
da der Cuff eines Endotrachealtubus gegenüber Flüssigkeiten nicht hundertprozentig
dicht ist. Regurgitation von Mageninhalt sollte deshalb auch bei bestehender endotrachealer
Intubation verhindert werden. Hierzu bietet sich die Entlastung des Magens mittels
einer Magensonde oder als einfache und schnelle Lösung mittels des bereits verwendeten/vorbereiteten
Absaugkatheters an.
Bei Kindern erlangt die Insufflation von Luft in den Magen aufgrund der ungünstigeren
Größenverhältnissen schnell Relevanz bei der Beatmung (keine Ventilation der Lunge
möglich, bei übervoller Magenblase) und der Hämodynamik.
Video
Das [Video] zeigt das Vorgehen bei der endotrachealen Intubation Schritt für Schritt.
Video 1 Endotracheale Intubation.
Erstveröffentlichung
M. Bernhard und J.-T. Gräsner. Notfalltechniken Schritt für Schritt. Stuttgart: Thieme;
2016: 22–32