Notfallmedizin up2date 2017; 12(01): 79-91
DOI: 10.1055/s-0042-123161
Neurologische Notfälle
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Unklare Bewusstseinsstörungen

Christoph Terborg
Further Information

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Christoph Terborg
Klinik für Neurologie, Asklepios Klinik St. Georg, Hamburg
Lohmühlenstraße 5
20099 Hamburg

Publication History

Publication Date:
27 March 2017 (online)

 

Bewusstseinsstörungen kommen in der neurologischen Notfall- und Intensivmedizin häufig vor und erfordern eine schnelle Diagnostik und zielgerichtete Therapie, da sonst irreversible Schäden des zentralen Nervensystems drohen. Beides ist im Rettungsdienst nur eingeschränkt möglich und reduziert sich auf die wesentlichen Maßnahmen.


#

Abkürzungen

Ca: Kalzium
CCT: kraniale Computertomografie/Schädel-CT
CRP: C-reaktives Protein
EEG: Elektroenzephalogramm
GCS: Glasgow Coma Scale
GFR: glomeruläre Filtrationsrate
K: Kalium
Na: Natrium
NSE: neuronenspezifische Enolase
PCT: Procalcitonin
Ph: Phosphor
SAB: Subarachnoidalblutung
SEP: somatosensorisch evozierte Potenziale
SHT: Schädel-Hirn-Trauma
ZNS: Zentralnervensystem

Einleitung

Da die Ursachen von Bewusstseinsstörungen vielfältig sind, ist eine systematische Diagnostik einschließlich zerebraler Bildgebung erforderlich, bevor eine Therapie einsetzen kann. Dies ist im Rettungsdienst nur eingeschränkt möglich, die ausführliche Diagnostik (Labor, Computertomografie des Schädels, Liquor) muss dann in der Klinik durchgeführt werden. Dabei richten sich die diagnostischen Schritte nach der Häufigkeit möglicher Ursachen.

Cave

Bewusstseinsstörungen zeigen immer einen neurologischen Notfall an!

Ein Gesunder ist wach und in der Lage, sich und seine Umwelt wahrzunehmen. Der Begriff Bewusstseinsstörung (syn. Vigilanzstörung oder quantitative Bewusstseinsstörung) beschreibt eine Minderung der Wachheit, die oft mit einer Benommenheit und psychomotorischen Verlangsamung beginnt, die aber rasch bis zum Koma zunehmen kann. Wachheit ist physiologisch gekoppelt an eine normale Funktion von Hirnstamm (insbesondere der Formatio reticularis und ihrer Projektionen) und weiterer kortikaler und subkortikaler Strukturen. Eine Vielzahl von zerebralen und nicht zerebralen Erkrankungen kann daher zu einer Bewusstseinsstörung führen.

Liegt eine Bewusstseinsstörung vor, sollte sie eingeteilt werden in Somnolenz, Sopor oder Koma ([Tab. 1]). Ein bewusstseinsgestörter Patient sollte zunächst laut angesprochen werden. Wacht er nicht auf, wird er z. B. an der Schulter gerüttelt, anschließend setzt der Untersucher Schmerzreize, indem er z. B. auf das Fingernagelbett, das Kiefergelenk oder das Sternum Druck ausübt. Der Terminus „nicht ansprechbar“ ist wenig präzise und daher verzichtbar.

Tab. 1  Definition der Stadien der Bewusstseinsstörung.

Begriff

Definition

klinischer Test

Ergebnis

Somnolenz

pathologische Schläfrigkeit

Ansprechen

erweckbar

Sopor

pathologischer Schlaf

lautes Ansprechen

Rütteln

unvollständig erweckbar

Koma

unerweckbare Bewusstlosigkeit

Schmerzreize

unerweckbar


#

Erstuntersuchung

Die körperliche Untersuchung eines bewusstlosen Patienten beginnt mit einer Kontrolle von Atemwegen, Atmung und Kreislauf und ggf. einer sofortigen Reanimation nach internationalen Leitlinien [1]. Ist der Patient kardial und respiratorisch stabil, können Anamnese und eine ausführlichere körperliche Untersuchung erfolgen.

Anamnese

Falls Angehörige oder Zeugen verfügbar sind, sollten die wichtigsten Informationen zur Anamnese erhoben werden:

  • Entwicklung der Bewusstlosigkeit

    • akut oder

    • subakut,

  • Kopftrauma,

  • Fieber oder Lähmungen in der unmittelbaren Vorgeschichte,

  • Vorerkrankungen, speziell

    • Epilepsie und

    • psychiatrische Erkrankungen,

  • Medikamente,

  • Drogenmissbrauch,

  • Alkoholabusus.

Die Kontaktdaten (Telefonnummer!) der Angehörigen sind ebenfalls aufzunehmen.

Diese Informationen sollten unbedingt vom Rettungsdienst dokumentiert werden, damit der Klinikarzt später keine Zeit verliert.

Fallbeispiel

Vorerkrankungen beim unklaren Koma beachten!

Eine 72-jährige Frau erhielt in einer großen deutschen Universitätsklinik eine Cholezystektomie und wurde am 3. postoperativen Tag komatös, dabei spontan atmend und kreislaufstabil auf der chirurgischen Normalstation aufgefunden.

In der Notaufnahme bestand neurologisch ein Koma mit ungezielten Abwehrbewegungen nur der rechten Körperseite, die Reflexe waren links gesteigert und das Babinski-Zeichen war links positiv, sodass der Verdacht eines Hirninfarktes im vertebrobasilären Stromgebiet, z. B. bei Verschluss der A. basilaris, bestand. Nach dem CT des Schädels, das unauffällig war, erreichte den Dienstarzt die Information, dass ein Diabetes mellitus bestand. Es fand sich eine ausgeprägte Hypoglykämie, und nach i. v. Gabe von 40 % Glukose wurde die Patientin sofort wach und neurologisch unauffällig.

Fazit: Unter Kenntnis der Vorerkrankung hätte die Diagnose bereits auf Station gestellt werden können.

Merke

Bewusstseinsstörungen sind häufig Folge einer bereits bekannten Vorerkrankung!


#

Neurologische Untersuchung im Rettungsdienst

Eine komplette neurologische Untersuchung (Übersicht in [2]) ist beim nicht kooperativen bzw. bewusstseinsgestörten Patienten nicht möglich und muss sich auf Wesentliches beschränken.

Merke

Ärztlicherseits sollte die Notfalluntersuchung nur wenige Minuten in Anspruch nehmen.

  • Für den Rettungsdienst ist die Glasgow Coma Scale zur Eruierung der Tiefe der Bewusstseinsstörung etabliert ([Tab. 2]).

  • Ein Meningismus weist auf eine Meningitis oder eine Subarachnoidalblutung hin, ist aber beim Komatösen oft nicht mehr nachweisbar.

  • Immer untersucht werden sollten die Augen mit der Frage nach einer spontanen Blickwendung, der Größe und Seitengleichheit der Pupillen und der Pupillenreaktion auf Licht. Pupillenstörungen oder andere Hirnnervenausfälle sind bei Erkrankungen der hinteren Schädelgrube zu erwarten, z. B. beim Schlaganfall im hinteren Stromgebiet oder bei erhöhtem Hirndruck.

  • Ein Zungenbiss oder klonische Bewegungen der Extremitäten weisen auf einen epileptischen Anfall hin.

  • Die Untersuchung der Motorik umfasst den Muskeltonus und die Bewegung der Extremitäten spontan, auf Aufforderung oder Schmerzreize. Asymmetrien der Bewegung, einseitig gesteigerte Muskeleigenreflexe und ein Babinski-Zeichen weisen auf eine zentrale Parese hin und sind z. B. beim Schlaganfall zu erwarten.

Tab. 2  Glasgow Coma Scale.

Test

Reaktion

Punktzahl

Augenöffnen

spontan

4

akustische Stimuli

3

Schmerzreize

2

fehlen

1

motorische Reaktionen

befolgt Aufforderungen

6

lokalisiert Stimulus

5

zieht Extremitäten zurück

4

Flexionshaltung

3

Extensionshaltung

2

keine Bewegung

1

sprachliche Reaktion

orientiert

5

verwirrt

4

einzelne Wörter

3

unartikulierte Laute

2

keine

1

Summe

Auswertung

Punktzahl 3 – 15 möglich; 15 = Normalbefund, 3 = Koma ohne verbale oder motorische Reaktionen.

Ist ein Patient sediert und beatmet, ist die Aussagekraft der neurologischen Untersuchung geringer, da meistens nicht einmal ausgeprägte Hemiparesen mehr erkannt werden können.


#
#

Differenzialdiagnosen

Die Ursachendiagnostik im Rettungsdienst erfolgt in erster Linie klinisch durch Anamnese und klinischen Befund, in der Notaufnahme unter Zuhilfenahme von Labor, zerebraler Bildgebung, Liquordiagnostik und EEG (Übersicht unter [3]).

Grundsätzlich ist zu differenzieren zwischen einer primären Bewusstlosigkeit durch direkte Schädigung von Hirnstamm oder Zwischenhirn (z. B. Verschluss der A. basilaris) und einer sekundären Bewusstlosigkeit. Diese kann in einer Schädigung des Großhirns (supratentoriell) mit sekundärer Auswirkung auf den Hirnstamm bestehen (z. B. raumfordernde Stammganglienblutung) oder extrazerebrale Ursachen haben (z. B. metabolische oder toxische Hirnstammfunktionsstörung) ([Tab. 3]).

Fallbeispiel

Pupillenstörungen können viele Ursachen haben!

Eine 25-jährige, gesunde Studentin stürzte beim Freizeitsport auf den Kopf, war für 5 Minuten bewusstlos und wurde wieder wach, als der Rettungsdienst eintraf. Äußerlich waren keine Verletzungszeichen sichtbar, der Glasgow Coma Scale Score betrug 15, es fand sich aber eine rechts weitere Pupille als links. Unter dem Verdacht auf Hirndruck wurde die Patientin in die Notaufnahme gebracht, ein CT des Schädels war aber unauffällig. Bei genauem Nachfragen stellte sich heraus, dass die Pupillendifferenz bekannt war und sich auch schon auf einem Passfoto zeigte.

Fazit: Pupillenstörungen können Ausdruck eines erhöhten Hirndrucks z. B. nach einem SHT sein, gehen dann aber regelmäßig mit einer Bewusstseinsstörung einher. Pupillendifferenzen beim wachen, orientierten Patienten können auf eine neurologische Erkrankung hinweisen, aber auch vorbestehend sein (angeboren, Mydriatika bei Glaukom).

Tab. 3  Ursachen von Bewusstseinsstörungen.

Art der Bewusstseinsstörung

Definition

Beispiel

1. primäre Bewusstlosigkeit

direkte Schädigung von Hirnstamm/Zwischenhirn

Verschluss der A. basilaris, Ponsblutung

2. sekundäre Bewusstlosigkeit

indirekte Schädigung von Hirnstamm/Zwischenhirn

2a.

zerebrale Ursachen

zerebrale Ursachen außerhalb des Hirnstamms/Zwischenhirns

raumfordernde Stammganglienblutung

2b.

extrazerebrale Ursachen

metabolische oder toxische Hirnstammfunktionsstörung

Alkoholintoxikation

Hypoglykämie

Schlaganfall: Hirninfarkt, Hirnblutung, Subarachnoidalblutung

Schlaganfälle sind eine häufige Ursache von plötzlichen Bewusstseinsstörungen. Ein Schlaganfall zeigt sich klinisch durch ein akut aufgetretenes neurologisches Defizit, z. B. eine Hemiparese, und kann mit einer Bewusstseinsstörung einhergehen. Die Bewusstseinsstörung ermöglicht es aber nicht, einen Hirninfarkt von einer Hirnblutung zu unterscheiden, dies ist nur mit bildgebenden Verfahren möglich (s. [Abb. 1]).

Zoom Image
Abb. 1  Hirninfarkt links im Bereich der A. cerebri media (a) und Stammganglienblutung links (b) im Computertomogramm des Schädels (CT): beide Erkrankungen verursachen eine rechtsseitige Hemiparese.
Cave

Beim akuten Schlaganfall kann klinisch nicht zwischen Infarkt und Blutung unterschieden werden!

Patienten mit Schlaganfall sollten umgehend in eine Klinik – möglichst mit Stroke Unit – transportiert werden, damit eine sofortige Bildgebung, i. d. R. ein CT des Schädels, durchgeführt wird. Damit lässt sich ein Hirninfarkt (80–85 % aller Schlaganfälle) sicher von einer Hirnblutung unterscheiden ([Abb. 1]). Erst dann ist eine zielgerichtete Therapie möglich. Eine zusätzliche CT-Angiografie lässt innerhalb von Minuten erkennen, ob eine der großen Hirnarterien verschlossen ist. Alternativ zum CT ist auch ein MRT mit MR-Angiografie möglich, aber zeitlich aufwendiger.

Hirninfarkt

Liegt ein Hirninfarkt vor, sind rekanalisierende Therapien möglich, die aber an enge Zeitfenster gebunden sind. Eine intravenöse Therapie mit rekombinantem Gewebeplasminogenaktivator (Thrombolyse mit rtPa) kann nur in einem Zeitfenster von 4,5 Stunden, eine interventionelle Therapie mit mechanischer Thrombektomie i. d. R. nur innerhalb von 6 Stunden nach Symptombeginn durchgeführt werden.

Merke

Beim akuten Hirninfarkt gilt: „Time is Brain“, da die Zeit für die Rekanalisation eines verschlossenen Gefäßes begrenzt ist.

Entwickelt ein Patient mit großem Hirninfarkt sekundär eine Bewusstseinsstörung, so kann ein raumfordernder Infarkt vorliegen. Dieser tritt typischerweise bei sehr großen Infarkten auf:

  • im vorderen Stromgebiet bei großem Infarkt der A. cerebri media („maligner Mediainfarkt“) ohne oder mit Beteiligung der A. cerebri anterior,

  • im hinteren Stromgebiet bei Verschluss der A. cerebelli inferior posterior.

Pathophysiologisch kommt es durch die Raumforderung zu einem Anstieg des intrakraniellen Drucks, klinisch können neben dem Leitsymptom Bewusstseinsstörung Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen auftreten. Das Hirnödem beginnt sofort, erreicht ca. 3–5 Tage nach Infarktbeginn sein Maximum und kann zum Tod durch Einklemmung führen. Bei Patienten mit raumfordernden Infarkten müssen daher engmaschige neurologische Untersuchungen und CT-Kontrollen durchgeführt werden.

Bei Nachweis eines raumfordernden Media- oder Kleinhirninfarktes mit Einklemmungsgefahr ist in vielen Fällen eine frühzeitige Trepanation mit (temporärer) Entfernung eines Kalottendeckels möglich, um eine klinische Verschlechterung zu verhindern. Beim malignen Mediainfarkt sinkt die Letalität durch die Trepanation von 80 auf 20 %. Mit der OP sollte keinesfalls gewartet werden, bis ein Patient komatös ist oder eine weite Pupille hat. Die Indikation zur Trepanation muss innerhalb von 24–48 Stunden gestellt werden.


#

Intrazerebrale Blutung

Intrazerebrale Blutungen sind die Ursache von 15–20 % aller Schlaganfälle. Die neurologische Symptomatik hängt wie beim Hirninfarkt von Lokalisation und Ausmaß der Blutung ab. Allerdings ist die Prognose der Blutungen wesentlich schlechter, und die Letalität nach 3 Monaten beträgt ca. 40 %. Die Indikation zur OP einer Hirnblutung ist wissenschaftlich nicht eindeutig geklärt, da die Überlebensraten in der operierten und nicht operierten Untersuchungsgruppe gleich waren [4], [5]. Die meisten Neurochirurgen sehen eine Indikation bei einer großen supra- oder infratentoriellen Blutung mit Raumforderung, wenn der Patient bewusstseinsgestört, aber noch nicht komatös ist oder sich unter klinischer Beobachtung verschlechtert.


#

Subarachnoidalblutung

Subarachnoidalblutungen (SAB) sind Blutungen aus einem Hirnbasisaneurysma, seltener aus einem arteriovenösen Angiom, die sich im Subarachnoidalraum ausbreiten und häufig zu Bewusstseinsstörungen führen.

Merke

Charakteristisch ist die klinische Konstellation von akutem, heftigsten Kopfschmerz „wie noch nie“ und Meningismus. Bewusstseinsstörungen und weitere neurologische Auffälligkeiten können je nach Ausmaß der Blutung hinzutreten.

Die Schwere einer SAB wird nach Hunt und Hess in Stadien eingeteilt und orientiert sich am Ausmaß von Bewusstseinsstörung und neurologischen Auffälligkeiten ([Tab. 4]).

Tab. 4  Stadien der SAB nach Hunt und Hess.

Stadium

Symptome

1

leichte Kopfschmerzen

leichter Meningismus

2

schwere Kopfschmerzen

deutlicher Meningismus

evtl. Hirnnervenausfälle

3

Somnolenz

leichte herdneurologische Auffälligkeiten

4

Sopor

ausgeprägte herdneurologische Auffälligkeiten

vegetative Symptome

5

Koma

Einklemmungszeichen

Zur Diagnostik sollte ein CT mit CT-Angiografie angefertigt werden, um die SAB und ggf. ein Aneurysma zu sichern. Die sensitivste Methode zum Aneurysmanachweis ist allerdings die angiografische Darstellung aller hirnversorgenden Arterien (Panangiografie), die immer früh angestrebt werden muss. Dabei sollten Zweitaneurysmen nicht übersehen werden.

Aneurysmen werden entweder interventionell durch Coiling oder chirurgisch durch Clipping ausgeschaltet, um eine Nachblutung zu verhindern.

Kommt es nach einer SAB zu einer sekundären Bewusstseinsstörung, kommen typische Komplikationen (Nachblutung, Vasospasmus und Hydrocephalus aresorptivus) in Betracht und müssen mittels CT und CT-Angiografie ausgeschlossen werden.


#
#

Hirntrauma

Die Verdachtsdiagnose eines Schädel-Hirn-Traumas (SHT) als Ursache einer Bewusstseinsstörung ist i. d. R. aus der Auffindesituation des Patienten ersichtlich. Beim SHT ist ein Bewusstseinsverlust oft mit einer Amnesie vergesellschaftet, die über die Zeit der Bewusstlosigkeit geht und retrograd, kongrad und anterograd ist: Der Verunfallte kann sich nicht erinnern

  • an die Zeit vor dem Trauma (retrograd),

  • an den Traumaablauf (kongrad) und auch nicht

  • an die Zeit danach (anterograd).

Die Dauer der Bewusstlosigkeit und der Amnesie korrelieren mit der Schwere des SHT (s. [Tab. 5]).

Tab. 5  Schweregradeinteilung des Schädel-Hirn-Traumas (SHT).

Symptom

leichtes SHT

mittelschweres SHT

schweres SHT

CCT = kraniales CT/Schädel-CT; GCS = Glasgow Coma Scale

Bewusstlosigkeit

bis 15 Minuten

bis 1 Stunde

> 1 Stunde

Amnesie

bis 1 Stunde

bis 24 Stunden

> 24 Stunden

GCS

13–15

9–12

3–8

neurologische Ausfälle

selten, reversibel

selten, Prognose gut

häufig, i. d. R. Restsymptome

CCT

normal

normal oder pathologisch

pathologisch ++

Merke

Bei der klinischen Untersuchung wird auf sichtbare Verletzungen im Schädelbereich, Gesicht und Rücken geachtet. Blutungen aus Ohr oder Nase weisen auf eine Schädelbasisfraktur hin.

Bei Patienten nach einem SHT sollte ein CT des Kopfes und der Wirbelsäule durchgeführt werden, um Frakturen, zerebrale Kontusionsherde oder Hämatome (zerebral, subarachnoidal, subdural, epidural) zu diagnostizieren. Man sollte beachten, dass Kontusionsherde in den Stunden und Tagen nach einem SHT an Größe zunehmen („aufblühen“) können, sodass Kontrollen erforderlich sind. Je nach Lokalisation und Ausmaß der Schädigung sind eine neurochirurgische Operation und eine intensivmedizinische Überwachung erforderlich.


#

Meningitis und Enzephalitis

Bakterielle Meningitis

Entzündliche Erkrankungen des zentralen Nervensystems gehen regelmäßig mit Bewusstseinsstörungen einher, beginnen aber meistens mit Allgemeinsymptomen. So kommt es bei der bakteriellen Meningitis oft zu Fieber und Abgeschlagenheit, dann zu Kopfschmerzen, fakultativ zu weiteren neurologischen Auffälligkeiten mit oder ohne Bewusstseinsstörung.

Übersicht

Leitsymptome der bakteriellen Meningitis

  • schwerer Kopfschmerz

  • Fieber

  • Meningismus

Merke

Im Rettungsdienst sollte ein Patient mit Verdacht auf Meningitis möglichst rasch in eine Notaufnahme gebracht werden. Auch hier gilt der Satz „Time is Brain“, d. h. bereits beim Verdacht auf eine bakterielle Meningitis oder Meningoenzephalitis muss in der Notaufnahme antibiotisch behandelt werden, noch bevor CT des Schädels oder Liquorpunktion durchgeführt sind.

Liegen petechiale Blutungen an den Extremitäten vor und befindet sich der Patient im Schock, kann das auf eine Meningokokkenmeningitis mit Sepsis und ernster Prognose hinweisen. Nach sofortiger Blutentnahme und Blutkultur zum Erregernachweis erfolgen ein CT des Schädels und eine Liquorpunktion zur Diagnosesicherung. Die Ansteckungsgefahr ist für das medizinische Personal – im Unterschied zu nahen Angehörigen – nicht allzu hoch, wenn die üblichen hygienischen Kautelen eingehalten werden.


#

Enzephalitis

Enzephalitiden können, müssen aber nicht mit einem Meningismus einhergehen. Im Vordergrund stehen Kopfschmerzen und Fieber.

Bei der Herpes-simplex-Enzephalitis, die regelhaft den Temporallappen betrifft, treten häufig epileptische Anfälle, eine Bewusstseinsstörung bis zum Koma oder ein delirantes Syndrom mit wechselnder Unruhe und Desorientiertheit auf. Die zielgerichtete virustatische Therapie mit Aciclovir senkt die Letalität deutlich. Ansteckungsgefahr besteht nicht.


#
#

Epileptischer Anfall und Status epilepticus

Plötzliche Bewusstseinsstörungen sind ein Leitsymptom für epileptische Anfälle.

Generalisierter tonisch-klonischer Anfall

Bei einem generalisierten tonisch-klonischen Anfall tritt die Bewusstseinsstörung akut auf, der Patient versteift sich (tonische Phase), stürzt zu Boden und ist tief zyanotisch. Anschließend folgen erst feinere, im Verlauf gröbere Zuckungen im Gesicht und an den Extremitäten (klonische Phase). Durch die Kloni der Kaumuskulatur findet sich häufig ein Zungenbiss, oft auch Einnässen. Schließlich enden die Kloni, und es besteht ein Koma, aus dem der Patient langsam wieder erwacht („Terminalschlaf“).

Ein einzelner generalisierter Anfall dauert Minuten, ist selbstlimitierend und bedarf keiner medikamentösen Therapie. Wird ein epileptischer Anfall im Rettungsdienst beobachtet, sollte lediglich darauf geachtet werden, dass sich der Patient durch Sturz und Kloni keine Verletzungen zuzieht.

Die wichtigste Differenzialdiagnose ist die Synkope (kurzzeitige Ohnmacht durch globale zerebrale Minderdurchblutung, z. B. durch Blutdruckabfall oder Herzrhythmusstörungen; die Differenzialdiagnose ist in [Tab. 6] dargestellt), die im Unterschied zum generalisierten epileptischen Anfall nur wenige Sekunden (bis Minuten) dauert.

Praxistipp

Da die Beobachtung des Anfalls für die weitere Diagnostik entscheidend ist, sollte sie genau dokumentiert werden. Im Protokoll sollte nicht nur die Verdachtsdiagnose „Krampfanfall“ genannt, sondern der möglichst exakte Anfallsverlauf (Anfallssemiologie) beschrieben werden!

Tab. 6  Differenzialdiagnose Synkope – generalisierter epileptischer Anfall.

generalisierter Anfall

Synkope

Prodromi

manchmal (Aura)

Benommenheit

Schwäche

Schwindel

Schwarzwerden vor Augen

Bewusstseinsstörung

perakut auftretend

mehrere Minuten lang

subakut auftretend

oft nur wenige Sekunden lang

Sturz

ungebremst

steif

mit Verletzungen

In-sich-Zusammensinken

Verletzungen seltener

Gesichtsfarbe

zyanotisch

blass

evtl. Schweißausbruch

Pupillen

weit

lichtstarr

nicht weit

lichtreagibel

tonische Verkrampfung der Muskulatur

häufig

nein

Kloni der Muskulatur

häufig

nach tonischer Phase

selten

dann kurz (konvulsive Synkope)

Zungenbiss

häufig

lateral

selten

Einnässen

häufig

selten

Reorientierungsphase

immer

sehr selten

dann kurz

Merke

Nach einem einzelnen Anfall sollten keine Benzodiazepine gegeben werden, da der Anfall dadurch nicht abgekürzt, die Dauer des Erwachens aber verlängert wird.


#

Status epilepticus

Wenn ein generalisierter epileptischer Anfall nicht spontan endet oder mehrere tonisch-klonische Anfälle auftreten, ohne dass der Patient das Bewusstsein wiedererlangt, liegt ein generalisierter Status epilepticus (Grand-Mal-Status) vor.

Praxistipp

Ein Status epilepticus ist bereits dann zu diagnostizieren und medikamentös zu behandeln, wenn ein epileptischer Anfall mehr als 5 Minuten dauert. Das ist z. B. dann der Fall, wenn der Rettungsdienst wegen eines epileptischen Anfalls gerufen wird und den Patienten immer noch krampfend vorfindet.

Merke

Der Status epilepticus ist lebensbedrohlich und bedarf eines Notarzteinsatzes und einer medikamentösen Therapie, da mit zunehmender Dauer die Therapierbarkeit aufgrund sich verändernder zerebraler Rezeptoren geringer wird. Dazu werden zunächst i. v. Benzodiazepine, aufgrund der längeren Halbwertszeit am besten Lorazepam in 2-mg-Dosen (bis 8 mg) gegeben.

Ist ein venöser Zugang nicht zu installieren, können Midazolam oder Lorazepam intranasal oder bukkal, alternativ auch Diazepam rektal eingesetzt werden. Kommt es dabei zur Ateminsuffizienz, ist eine Intubation erforderlich, anderenfalls kann der Patient ohne Intubation mit ärztlicher Überwachung in die Klinik gebracht werden.

Hier erfolgt die weitere medikamentöse Statustherapie mit Antiepileptika (alternativ: Phenytoin, Valproat, Levetiracetam oder Phenobarbital). Ist auch dadurch ein generalisierter, tonisch-klonischer Status epilepticus nicht innerhalb von 30–60 Minuten zu unterbrechen, liegt ein therapierefraktärer Status epilepticus vor. Der Patient muss dann intubiert, mit Midazolam, Propofol oder Thiopental in Allgemeinnarkose versetzt und auf einer Intensivstation weiterbehandelt werden [6].


#

Sonderform „subtle“ Status epilepticus

Als Sonderform des tonisch-klonischen Status epilepticus gilt der sogenannte „subtle“ Status epilepticus. Klinisch bestehen nach einem generalisierten Status epilepticus weiter ein tiefes Koma, aber kaum motorische Entäußerungen. Kloni können nicht mehr kontinuierlich und manchmal nur an wenigen Körperstellen (perioral, an den distalen Extremitäten) beobachtet werden, während im EEG generalisierte epileptische Aktivität ableitbar ist. In dieser Situation ist daher ein EEG zur Diagnostik unverzichtbar, um den Status epilepticus als Ursache der anhaltenden Bewusstseinsstörung überhaupt zu diagnostizieren.

Fallbeispiel

Konvulsive Synkopen können epileptische Anfälle imitieren!

Ein 58-jähriger Alkoholiker wurde unter der Verdachtsdiagnose von mehreren Entzugsanfällen in die Klinik gebracht. Er gab an, in den letzten Tagen keinen Alkohol getrunken zu haben, Anfälle waren bisher nicht bekannt.

Während der neurologischen Untersuchung, die lediglich einen grobschlägigen Haltetremor der Arme ergab, wurde der Patient mehrfach für ca. 10 Sekunden bewusstlos und bot ein feinschlägiges Zittern der Arme, anschließend war er wieder wach, sofort orientiert, ohne Zungenbiss oder Einnässen. Das EKG-Monitoring zeigte während dieser Phasen einen AV-Block III. Grades, der zu konvulsiven Synkopen geführt hatte.

Fazit

  • Alkoholiker können auch andere Erkrankungen als eine Intoxikation oder einen Entzug haben.

  • (Konvulsive) Synkopen können epileptische Anfälle imitieren und erfordern eine sorgfältige Untersuchung von Blutdruck und EKG, ggf. schon im Rettungswagen.


#
#

Metabolische Enzephalopathien

Metabolische Enzephalopathien und Intoxikationen verursachen häufig Psychosyndrome mit und ohne Bewusstseinsstörung. Die Ursachen sind vielfältig und darum manchmal schwer zu diagnostizieren.

Merke

Als Faustregel gilt, dass die psychopathologischen Veränderungen mit Bewusstseinsstörung umso ausgeprägter sind, je akuter und gravierender eine metabolische Störung auftritt.

Werden sie adäquat behandelt, können sie komplett reversibel sein (Ausnahme: Hypoxie, Hypoglykämie). Es ist wenig verwunderlich, dass metabolische Enzephalopathien bei Patienten mit zerebralen Vorschädigungen häufiger vorkommen. Die bildgebenden Verfahren, insbesondere das CT des Schädels (CCT), zeigen meistens keine wesentlichen Auffälligkeiten, der Liquor ist unauffällig. Entscheidend ist die Bestimmung der richtigen Laborparameter (Übersicht unter [7]).

Fallbeispiel

Medikamentös behandelte Depression

Eine 61-jährige Frau mit arterieller Hypertonie und langjähriger Depression wurde von ihren Angehörigen bewusstlos aufgefunden. Der Notarzt fand eine komatöse, kreislaufstabile Patientin mit normalem Blutzuckerwert, der Glasgow Coma Scale Score betrug 3, und die Pupillen waren weit und lichtstarr.

Nach Intubation wurde die Patientin sofort in die Klinik gebracht. Ein CT des Schädels und die Laborparameter waren unauffällig. Das Toxikologiescreening ergab deutlich erhöhte Serumspiegel von trizyklischen Antidepressiva. Nach mehreren Tagen wachte die Patientin auf und war neurologisch altersentsprechend. Es stellte sich heraus, dass sie im Rahmen ihrer Depression einen Suizidversuch mit den eigenen Medikamenten unternommen hatte.

Bei unklarer, schwerer Bewusstseinsstörung in der Klinik sollten folgende Werte bestimmt werden:

  • Glukose,

  • Blutgasanalyse,

  • Blutbild,

  • Elektrolyte (Na, K, Ca, Ph),

  • Leberwerte,

  • Ammoniak,

  • Nierenretentionswerte mit GFR,

  • Entzündungsmarker: CRP (besser PCT).

Darüber hinaus sollte ein Toxikologiescreening durchgeführt werden!

Merke

Im Rettungsdienst sollte bei unklaren Bewusstseinsstörungen immer nach Medikamenten (auch leeren Packungen!) gesucht werden.


#

Hypoxie

Bei der Hypoxie, z. B. im Rahmen eines Herz-Kreislauf-Stillstandes, kommt es sofort zum Koma mit herabgesetztem Muskeltonus und je nach Dauer weiten, lichtstarren Pupillen. Die Diagnose kann i. d. R. durch den nicht mehr nachweisbaren Kreislauf sofort gestellt werden. Ist die Reanimation erfolgreich, kann das Ausmaß einer hypoxischen Hirnschädigung und damit die Prognose bestimmt werden

  • an der Dauer des Komas,

  • am neurologischen Status (Pupillenreaktion und Motorik),

  • an der neuronenspezifischen Enolase im Serum (NSE)

  • anhand des EEGs und der evozierten Potenziale.

Merke

Besteht ein Koma nach Hypoxie mehr als 3 Tage, ist die Prognose im Allgemeinen schlecht.

Blutzucker

Blutzuckerentgleisungen sind bei Diabetikern häufig Ursache einer Bewusstseinsstörung bis zum Koma. Wichtig ist, dass bei allen komatösen Patienten – und nicht nur bei denen mit bekanntem Diabetes mellitus – sofort der Blutzucker bestimmt wird, um entweder durch Glukose 40 % oder Insulin den Spiegel zu normalisieren (s. Fallbeispiel 1). Auch eine unbehandelte Hypoglykämie kann zum dauerhaften – hypoglykämischen – Hirnschaden führen, da die Neurone des ZNS nicht lange ohne Substrat überleben können.

Merke

Bei jeder Bewusstseinsstörung muss sofort der Blutzucker bestimmt werden!


#

Leberinsuffizienz

Psychopathologische Symptome und Bewusstseinsstörungen sind regelhaft bei akuter und chronischer Leberinsuffizienz (fulminanter Hepatitis, Zirrhose) vorhanden und werden als hepatische Enzephalopathie bezeichnet. Ausmaß und Entwicklung der hepatischen Enzephalopathie entsprechen Ausmaß und Dynamik des Leberversagens. Die Patienten weisen häufig folgende Symptome auf:

  • Tremor,

  • Hyperreflexie,

  • eine sogenannte Asterixis (beim Armvorhalten kommt es zu kurzem Absinken der Arme = negativer Myoklonus).

Im Verlauf kommt es stadienhaft zu Delir und zunehmender Bewusstseinsstörung bis zum Koma. Das CCT ist unauffällig, erst der gezielte Nachweis eines erhöhten Ammoniakspiegels (NH4+) klärt die Ursache. Eine schwere hepatische Enzephalopathie kann zu Hirnödem und Einklemmung führen und sollte daher intensivmedizinisch behandelt werden.


#

Niereninsuffizienz

Nierenversagen führt ebenfalls regelmäßig zu neuropsychiatrischen Symptomen inklusive Bewusstseinsstörungen. Wie bei Lebererkrankungen entsprechen Ausmaß und Entwicklungsdynamik einer urämischen Enzephalopathie denjenigen des Nierenversagens. So tolerieren Patienten mit chronischer, dialysepflichtiger Niereninsuffizienz weitaus höhere Retentionsparameter als solche bei akutem Nierenversagen.

Patienten mit urämischer Enzephalopathie werden zunehmend schläfrig, delirant bis zum Koma, haben i. d. R. Zeichen einer Polyneuropathie und können epileptische Anfälle und sogar einen Meningismus aufweisen. Beim Auftreten einer Enzephalopathie bei Urämie finden sich dann ein Anstieg der harnpflichtigen Substanzen und ein Abfall der glomerulären Filtrationsrate unter 21 ml/Minute.


#

Elektrolytstörung

Geringe Elektrolytstörungen sind in der klinischen Praxis häufig anzutreffen und i. d. R. inapparent. Werden sie ausgeprägter, können sie aber zu erheblichen Funktionsstörungen des ZNS bis zur Bewusstseinsstörung führen. Feste Grenzwerte für das Auftreten neurologischer Störungen existieren nicht, Anhaltswerte finden sich in [Tab. 7].

Tab. 7  Differenzialdiagnose der metabolischen Enzephalopathien.

Ätiologie

neurologische Zeichen

diagnostische Schritte

CRP = C-reaktives Protein; GFR = glomeruläre Filtrationsrate; PCT = Procalcitonin

Hypoxie

  • Anamnese: Reanimation, Suizidversuch

  • Befund: herabgesetzter Muskeltonus, Myoklonien

  • neurologischer Befund

  • NSE

  • SEP

  • EEG

hyperosmolares Koma

  • Krampfanfälle

  • fokale Zeichen

  • Blutzucker (> 600 mg/dl)

  • hohe Serumosmolalität

ketoazidotisches Koma

  • Bewusstseinsstörungen

  • selten tiefes Koma

  • Ketonurie

  • Blutzucker (> 250 mg/dl)

  • pH-Wert

Hypoglykämie

  • Krampfanfälle

  • fokale neurologische Zeichen

  • Blutzucker < 40 mg/dl

hepatische Enzephalopathie

  • Tremor

  • Asterixis

  • Serumammoniak erhöht

Urämie

  • Delir

  • Krampfanfälle

  • Myoklonien

  • Asterixis

  • Meningismus

  • Kreatinin

  • Harnstoff

  • GFR

Hyponatriämie

  • Krampfanfälle

  • Koma nur bei rascher Natriumänderung

  • Serumnatrium < 126 mmol/l

  • anamnestisch rasche Natriumänderung

Hypernatriämie

  • Delir

  • Muskelschwäche

  • Koma nur bei rascher Hypernatriämie

  • Serumnatrium > 156 mmol/l

Hyperkalzämie

  • Delir

  • Kopfschmerzen

  • Muskelschwäche

  • Serumkalzium

  • Serumphosphat

Hypokalzämie

  • Delir

  • Tetanie

  • „psychotisches“ Verhalten

  • Krampfanfälle

  • Kalzium und Phosphat in Serum und Urin

  • Parathormon

Thiaminmangel

  • Doppelbilder

  • Ataxie

  • mnestische Störungen

  • Vitamin-B1-Spiegel

  • probatorische Gabe von 100 mg Vitamin B1 i. v.

Sepsis

  • Delir

  • Bewusstseinsstörung bis zum Koma

  • klinisch: Sepsiszeichen

  • Labor: Leukozytose, CRP, PCT

Bei Vorliegen einer Hyponatriämie als Ursache einer Bewusstseinsstörung muss gerade bei Alkoholikern darauf geachtet werden, dass der metabolische Ausgleich langsam durchgeführt wird, maximal 10 mmol/l pro 24 Stunden.

Cave

Eine zu schnelle Korrektur einer Hyponatriämie erhöht das Risiko für eine zentrale pontine Myelinolyse: Dabei kommt es durch rasche osmotische Verschiebungen 2–6 Tage nach Elektrolytausgleich zu einer demyelinisierenden Schädigung des Pons mit Hirnnervenausfällen, Tetraparese und Bewusstseinsstörung bis zum Koma.


#

Sepsis

Bei der Sepsis kommt es regelmäßig zu neuropsychiatrischen Symptomen als Zeichen einer septischen Enzephalopathie, Critical-Illness-Polyneuropathie und septischen Myopathie. Eine septische Enzephalopathie geht oft einher mit Delir und Bewusstseinsstörungen bis zum Koma, ist aber grundsätzlich reversibel, wenn die Sepsis erfolgreich behandelt ist.

Die Schwere der Enzephalopathie korreliert mit dem Ausmaß und der Prognose der Sepsis.

Klinisch kann die Sepsis nach internationalen Kriterien in Sepsis und septischer Schock [8] eingeteilt werden. Als Biomarker eignen sich das Blutbild und C-reaktives Protein, besser noch Procalcitonin.

Praxistipp

Als Screeningmethode für eine Sepsis eignet sich im Rettungsdienst der sogenannte Quick-Sofa, bei dem mindestens 2 von 3 Kriterien erfüllt sein müssen:

  • Atemfrequenz > 22/Minute

  • Bewusstseinsstörung (= GCS ≤ 13) und

  • systolischer Blutdruck ≤ 100 mmHg [8].

Bei Patienten mit ungeklärten Bewusstseinsstörungen sollte daher immer auch nach Zeichen einer Sepsis gefahndet werden!

Die Differenzialdiagnosen der metabolischen Enzephalopathien zeigt [Tab. 7].


#
#
#
Kernaussagen

Die Diagnostik (und die daraus abgeleitete Therapie) bewusstloser Patienten sind im Rettungsdienst nur eingeschränkt möglich, deshalb sollte so rasch wie möglich der Transport in eine geeignete Klinik erfolgen.

Erstuntersuchung bewusstloser Patienten

  • körperliche Untersuchung

    • mit Kontrolle von Atemwegen, Atmung und Kreislauf

    • ggf. Reanimation

  • Anamnese

  • neurologische Untersuchung (insbesondere Glasgow Coma Scale)

Differenzialdiagnosen

Schlaganfall

  • bei Verdacht möglichst rasch Kliniktransport („Time is Brain“)

  • mögliche Ursachen:

    • Hirninfarkt

    • intrazerebrale Blutung/Subarachnoidalblutung

  • Präklinisch kann nicht zwischen Infarkt und Blutung unterschieden werden!

Schädel-Hirn-Trauma

  • Verdachtsdiagnose eines Schädel-Hirn-Traumas als Ursache einer Bewusstseinsstörung gewöhnlich aus der Auffindesituation des Patienten ersichtlich

  • traumaangepasstes Management

Meningitis und Enzephalitis

  • Leitsymptome der bakteriellen Meningitis:

    • schwerer Kopfschmerz

    • Fieber

    • Meningismus

  • bei Verdacht möglichst rasch Kliniktransport

Epileptischer Anfall, Status epilepticus

  • generalisierter tonisch-klonischer Anfall:

    • keine medikamentöse Therapie erforderlich

    • wichtigste Differenzialdiagnose: Synkope

  • Status epilepticus (Grand-Mal-Status):

    • lebensbedrohlich

    • medikamentöse Intervention im Rettungsdienst: Benzodiazepin (Lorazepam)

Metabolische Enzephalopathien

Entscheidend ist die Bestimmung der richtigen Laborparameter, die außer bei Hypoglykämie erst innerklinisch erfolgen kann.

Die wichtigsten Differenzialdiagnosen:

  • Blutzuckerentgleisung

    • Blutzuckerbestimmung bei allen komatösen Patienten!

  • hepatische Enzephalopathie

  • Niereninsuffizienz

  • Elektrolytstörung

  • Sepsis


#
Über die Autoren

Christoph Terborg

Zoom Image

Privatdozent Dr. med. Seit 1995 Facharzt für Neurologie, spezielle neurologische Intensivmedizin. Ausbildung in Marburg, Minden, Osnabrück. 2005 Habilitation im Fach Neurologie an der Friedrich-Schiller-Universitätsklinik Jena. Seit 2007 Chefarzt der Klinik für Neurologie der Asklepios Klinik St. Georg in Hamburg, seit 2014 auch der Klinik für Fachübergreifende Frührehabilitation.

Interessenkonflikt

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Monsieurs KG, Nolan JP, Bossaert LL. et al. ERC Guidelines 2015 Writing Group. Kurzdarstellung. Kapitel 1 der Leitlinien zur Reanimation 2015 des European Resuscitation Council. Notfall Rettungsmed 2015; 18: 655-747
  • 2 Hansen HC. Klinische Basis- und Zusatzdiagnostik. In: Hansen HC. Hrsg. Bewusstseinsstörungen und Enzephalopathien. Berlin, Heidelberg: Springer; 2013: 54-70
  • 3 Schwab S, Schellinger P, Werner C, Unterberg A, Hacke W. Hrsg. NeuroIntensiv. Berlin: Springer; 2015
  • 4 Mendelow AD, Gregson BA, Fernandes HM. et al. Early surgery versus initial conservative treatment in patients with spontaneous supratentorial intracerebral haematomas in the International Surgical Trial in Intracerebral Haemorrhage (STICH): a randomised trial. Lancet 2005; 365: 387-397
  • 5 Mendelow AD, Gregson BA, Rowan EN. et al. Early surgery versus initial conservative treatment in patients with spontaneous supratentorial lobar intracerebral haematomas (STICH II): a randomised trial. Lancet 2013; 382: 397-408
  • 6 Besser R, Hamer HM, Holtkamp M. et al. Status epilepticus im Erwachsenenalter. In: Diener HC, Weimar C. Hrsg. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Herausgegeben von der Kommission „Leitlinien“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Stuttgart: Thieme; 2012. Im Internet: http://www.dgn.org/leitlinien/2303-ll-2a-2012-status-epilepticus-im-erwachsenenalter Stand: 17.02.2017
  • 7 Jansen O, Cnyrim C, Zschocke S. et al. Differenzialdiagnostisch relevante Untersuchungsbefunde bei Enzephalopathien. In: Hansen HC. Hrsg. Bewusstseinsstörungen und Enzephalopathien. Berlin, Heidelberg: Springer; 2013: 160-164
  • 8 Singer M, Deutschman CS, Seymour CW. et al. Third international consensus definitions for sepsis and septic shock (Sepsis-3). JAMA 2016; 315: 801-810

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Christoph Terborg
Klinik für Neurologie, Asklepios Klinik St. Georg, Hamburg
Lohmühlenstraße 5
20099 Hamburg

  • Literatur

  • 1 Monsieurs KG, Nolan JP, Bossaert LL. et al. ERC Guidelines 2015 Writing Group. Kurzdarstellung. Kapitel 1 der Leitlinien zur Reanimation 2015 des European Resuscitation Council. Notfall Rettungsmed 2015; 18: 655-747
  • 2 Hansen HC. Klinische Basis- und Zusatzdiagnostik. In: Hansen HC. Hrsg. Bewusstseinsstörungen und Enzephalopathien. Berlin, Heidelberg: Springer; 2013: 54-70
  • 3 Schwab S, Schellinger P, Werner C, Unterberg A, Hacke W. Hrsg. NeuroIntensiv. Berlin: Springer; 2015
  • 4 Mendelow AD, Gregson BA, Fernandes HM. et al. Early surgery versus initial conservative treatment in patients with spontaneous supratentorial intracerebral haematomas in the International Surgical Trial in Intracerebral Haemorrhage (STICH): a randomised trial. Lancet 2005; 365: 387-397
  • 5 Mendelow AD, Gregson BA, Rowan EN. et al. Early surgery versus initial conservative treatment in patients with spontaneous supratentorial lobar intracerebral haematomas (STICH II): a randomised trial. Lancet 2013; 382: 397-408
  • 6 Besser R, Hamer HM, Holtkamp M. et al. Status epilepticus im Erwachsenenalter. In: Diener HC, Weimar C. Hrsg. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Herausgegeben von der Kommission „Leitlinien“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Stuttgart: Thieme; 2012. Im Internet: http://www.dgn.org/leitlinien/2303-ll-2a-2012-status-epilepticus-im-erwachsenenalter Stand: 17.02.2017
  • 7 Jansen O, Cnyrim C, Zschocke S. et al. Differenzialdiagnostisch relevante Untersuchungsbefunde bei Enzephalopathien. In: Hansen HC. Hrsg. Bewusstseinsstörungen und Enzephalopathien. Berlin, Heidelberg: Springer; 2013: 160-164
  • 8 Singer M, Deutschman CS, Seymour CW. et al. Third international consensus definitions for sepsis and septic shock (Sepsis-3). JAMA 2016; 315: 801-810

Zoom Image
Zoom Image
Abb. 1  Hirninfarkt links im Bereich der A. cerebri media (a) und Stammganglienblutung links (b) im Computertomogramm des Schädels (CT): beide Erkrankungen verursachen eine rechtsseitige Hemiparese.