Die offene nierenerhaltende Operation (OPN) gehört für cT1 Nierenzellkarzinom (NZK)
zu den Standardtherapien des NZK und ist fest in den deutschen S3-Leitlinien verankert.
Nicht nur der Erhalt der Nierenfunktion, sondern auch die onkologische Sicherheit
der OPN wurde in retrospektiven multizentrischen Studien gegenüber der radikalen Tumornephrektomie
(RN) belegt [1]. Die einzige prospektiv durchgeführte Studie zwischen OPN und RN zeigte
einen Gesamtüberlebensvorteil zu Gunsten der RN [2]. Dieses Ergebnis hinterfragte
die onkologische Sicherheit der nierenerhaltenden Operation und wies mögliche Grenzen
des organerhaltenden Vorgehens auf. Immer häufiger wird der Nierenerhalt minimal-invasiv
(laparoskopisch [LPN] oder robotisch assistiert laparoskopisch [RAPN]) durchgeführt.
Es ist bekannt, dass die minimal-invasiven Verfahren eine höhere R1-Rate aufweisen,
als die offen durchgeführte NSS [3].
Shah et al. präsentieren die Ergebnisse aus 4 renommierten akademischen Zentren in
den USA, die überwiegend die minimalinvasiven Verfahren durchführen und seit Jahren
auch mit geprägt haben. 88 % der Operationen erfolgten minimal-invasiv. Den Operateuren
wurde freigestellt, ob eine LPN oder eine RAPN durchgeführt wurde. Der genaue Anteil
der LPN und der RAPN werden nicht berichtet. Ferner fehlt eine genauere Angabe zur
Ischämie und zur Entnahme von intraoperativen Schnellschnitten. NZK lassen sich unter
Ischämie besser vom Normalgewebe abgrenzen und Schnellschnitte bieten zumindest aus
dem Tumorgrund einen Hinweis auf die onkologische Sicherheit [4]. Die Autoren führen
eine R1 Rate von 7,8 % an, welche im Bereich der Literaturangaben für die minimal-invasiven
Verfahren liegt [3, 5, 6]. Bei der genaueren Betrachtung finden sich neun positive
Schnittränder bei 63 pT3a Tumoren. Acht Patienten von 97 Patienten mit einem positiven
Schnittrand entwickelten ein Lokalrezidiv nach einem medianen Follow-up von 33 Monaten
(15 – 57). In der multivariaten Analyse zeigte der positive Schnittrand ein erhöhtes
Risiko für einen Tumorprogress, aber kein erhöhtes Risiko für ein Lokalrezidiv (HR
2,08; p = 0,03; Table 3). Ein 7-fach erhöhtes Risiko eines Tumorprogresses ergab sich
in der multivariaten Analyse bei pT3a Tumoren und positiven Schnittrand (HR 7.48,
p < 0,001). Es fehlen die Angaben für das tumorspezifische Überleben und das Gesamtüberleben
für die Patienten mit einem Lokalrezidiv. Ani et al publizierten eine Studie von 664
nierenerhaltend operierten Patienten von denen 10 % eine R1-Rate aufwiesen. Die R1-Rate
hatte keinen Einfluss auf das 5-Jahres Überleben [5].
Eine weitere Studie umfasste 11 587 Patienten die von R1-Raten von 4,9 % nach OPN,
8,1 % nach LPN und 8,7 % nach RAPN berichtete. Bei den pT1a Tumoren hatte die R1-Rate
keinen Einfluss auf das onkologische Outcome [3]. Shah et al. stratifizieren nicht
zwischen pT1a und pT1b Tumoren. Sie beziehen sich in ihrer Schlussfolgerung auf das
hohe Risiko des Tumorprogresses nach PN bei den pathologisch Hochrisikokarzinomen
(pT3a und > G2). Klinisch ist es sehr schwierig, einen hilär gelegen 3 cm großen Tumoren
radiologisch als cT3a oder cT1a zu klassifizieren. Shah und Co-Autoren berichten von
acht cT2, letztendlich waren es nach der pathologischen Auswertung 32 pT2. Eine kürzlich
erschienene Studie unterstreicht die Notwendig der Anwendung der Nephrometrie mittels
PADUA oder RENAL-Score. Mouracade et al. untersuchten retrospektiv 830 nierenerhaltend
operierte Patienten und fanden, dass ein hoher Tumoraggressivitätsgrad und ein hohes
Tumorstadium mit einem erhöhten Risiko der Fernmetastasierung assoziiert war, während
ein hoher RENAL-Score die Wahrscheinlichkeit eines Lokalrezidivs vorhersagte [6].
Viele erfahrene Zentren propagieren das nierenerhaltende Vorgehen, wenn immer technisch
machbar. Ob es letztendlich onkologisch immer sinnvoll ist, bleibt bei der Schlussfolgerung
von Shah et al. aufgrund höherer Rezidivraten bei Hochrisiko Nierenzellkarzinomen
(pT3a und > G2) offen. Es bleibt zu überlegen, ob zukünftig die Nephrometrie mittels
RENAL oder PADUA auch dank der guten 3D-Rekonstruktionsmöglichkeiten der bildgebenden
Verfahren bei komplexen Nierenzellkarzinomen Anwendung findet.
Der Autor
PD Dr. Frederik C. Roos,Klinik für Urologie und Kinderurologie, Universitätsklinikum Frankfurt
Literatur
[1] S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Nierenzellkarzinoms. Langversion
1.0. September 2015.
[2] Van Poppel H, Da Pozzo L, Albrecht W, Matveev V, Bono A, Borkowski A, Colombel
M, Klotz L, Skinner E, Keane T, Marreaud S, Collette S, Sylvester R. A prospective,
randomised EORTC intergroup phase 3 study comparing the oncologic outcome of elective
nephron-sparing surgery and radical nephrectomy for low-stage renal cell carcinoma.
Eur Urol 2011; 59: 543 – 52.
[3] Tabayoyong W, Abouassaly R, Kiechle JE, et al. Variation in surgical margin status
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[4] Venigalla S, Wu G, Miyamoto H. The impact of frozen section analysis during partial
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[6] Mouracade P, Kara O, Maurice MJ, Dagenais J, Malkoc E, Nelson RJ, Kaouk JH. Patterns
and predictors of recurrence after partial nephrectomy for kidney tumors. J Urol,
2016.