Aktuelle Urol 2017; 48(03): 195-196
DOI: 10.1055/s-0042-123144
Referiert und kommentiert
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Positive Absetzungsränder nach PN erhöhen Rezidivrisiko nicht zwingend

Shah PH. et al.
Positive Surgical Margins Increase Risk of Recurrence after Partial Nephrectomy for High Risk Renal Tumors.

J Urol 2016;
196: 327-334
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Publication Date:
14 June 2017 (online)

 

    Die partielle Nephrektomie (PN) gilt heute bei kleinen Nierentumoren als Operationsmethode der Wahl. Dabei wird aber kontrovers diskutiert, wie der Nachweis tumorbefallener Absetzungsränder im Operationspräparat die Prognose beeinflusst: Einige Studien haben ein erhöhtes Rezidivrisiko gefunden, andere nicht. Vier US-amerikanische Zentren haben jetzt ihre Daten kombiniert, um aussagekräftigere Ergebnisse zu erreichen.


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    In die retrospektive Auswertung gingen Daten von insgesamt 1240 Patienten ein, bei denen zwischen 2006 und 2013 bei klinischem T1 – oder T2-Nierentumor eine PN erfolgt war, entweder offen oder minimal invasiv. Diese Patienten wurden in 2 Gruppen eingeteilt:

    • solche mit positiven Absetzungsrändern bei der endgültigen pathohistologischen Aufarbeitung (Gruppe 1; n = 97) und

    • solche mit negativen Absetzungsrändern (Gruppe 2; n = 1143)

    Die Mediziner untersuchten als primären Endpunkt die rezidivfreien Überlebenszeiten und verglichen sie zwischen diesen beiden Gruppen.

    Über eine mediane Nachbeobachtungszeit von 33 Monaten kam es bei insgesamt 69 Patienten (5,6 %) zu einem Tumorrezidiv, im Median nach 19 Monaten. Dabei handelte es sich in 42 Fällen um ein Lokalrezidiv und in 27 Fällen um Fernmetastasen. Die multivariate Analyse ergab nach Adjustierung im Hinblick auf Alter, Geschlecht und tumorspezifische Faktoren zunächst

    • ein mehr als verdoppeltes Rezidivrisiko für Patienten der Gruppe 1 (Hazard Ratio [HR] 2,08)

    Anschließend teilten die Wissenschaftler alle Patienten erneut in 2 Gruppen ein, diesmal anhand der Tumorparameter:

    • Zur Gruppe mit hohem Risiko gehörten danach Patienten mit pathologisch bestimmtem Tumorstadium T2 – T3 und/oder Fuhrmann-Grad III – IV (n = 370)

    • zur Gruppe mit niedrigem Risiko dagegen Patienten mit pT1-Tumoren und/oder Fuhrmann-Grad I – II (n = 870)

    Wenn für diese beiden Gruppen nun separat das Rezidivrisiko in Abhängigkeit vom Status des Absetzungsrandes berechnet wurde, fanden sich

    • signifikant häufiger Rezidive bei positivem Absetzungsrand in der Hochrisikogruppe (45 % nach 5 Jahren; HR 7,48 im Vergleich zu negativem Absetzungsrand)

    • während sich die Häufigkeit in der Gruppe mit niedrigem Risiko nicht von dem der Patienten mit negativem Absetzungsrand unterschied (HR 0,62)

    Fazit

    Ein Tumorbefall der Absetzungsränder nach PN kann also mit einem erhöhten Rezidivrisiko einhergehen, fassen die Autoren zusammen – er muss es aber nicht. Rezidive scheinen eher mit dem aggressiven Potenzial des Tumors per se verbunden, das im Fuhrmann-Grad zum Ausdruck kommt. Für Hochrisikopatienten kann bei positivem Absetzungsrand eine engmaschigere Überwachung sinnvoll sein. Ob unmittelbar nach dem Ergebnis der Pathologie eine Nachresektion erfolgen sollte, müssten weitere Studien klären.

    Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim

    Kommentar

    Die offene nierenerhaltende Operation (OPN) gehört für cT1 Nierenzellkarzinom (NZK) zu den Standardtherapien des NZK und ist fest in den deutschen S3-Leitlinien verankert. Nicht nur der Erhalt der Nierenfunktion, sondern auch die onkologische Sicherheit der OPN wurde in retrospektiven multizentrischen Studien gegenüber der radikalen Tumornephrektomie (RN) belegt [1]. Die einzige prospektiv durchgeführte Studie zwischen OPN und RN zeigte einen Gesamtüberlebensvorteil zu Gunsten der RN [2]. Dieses Ergebnis hinterfragte die onkologische Sicherheit der nierenerhaltenden Operation und wies mögliche Grenzen des organerhaltenden Vorgehens auf. Immer häufiger wird der Nierenerhalt minimal-invasiv (laparoskopisch [LPN] oder robotisch assistiert laparoskopisch [RAPN]) durchgeführt. Es ist bekannt, dass die minimal-invasiven Verfahren eine höhere R1-Rate aufweisen, als die offen durchgeführte NSS [3].


    Shah et al. präsentieren die Ergebnisse aus 4 renommierten akademischen Zentren in den USA, die überwiegend die minimalinvasiven Verfahren durchführen und seit Jahren auch mit geprägt haben. 88 % der Operationen erfolgten minimal-invasiv. Den Operateuren wurde freigestellt, ob eine LPN oder eine RAPN durchgeführt wurde. Der genaue Anteil der LPN und der RAPN werden nicht berichtet. Ferner fehlt eine genauere Angabe zur Ischämie und zur Entnahme von intraoperativen Schnellschnitten. NZK lassen sich unter Ischämie besser vom Normalgewebe abgrenzen und Schnellschnitte bieten zumindest aus dem Tumorgrund einen Hinweis auf die onkologische Sicherheit [4]. Die Autoren führen eine R1 Rate von 7,8 % an, welche im Bereich der Literaturangaben für die minimal-invasiven Verfahren liegt [3, 5, 6]. Bei der genaueren Betrachtung finden sich neun positive Schnittränder bei 63 pT3a Tumoren. Acht Patienten von 97 Patienten mit einem positiven Schnittrand entwickelten ein Lokalrezidiv nach einem medianen Follow-up von 33 Monaten (15 – 57). In der multivariaten Analyse zeigte der positive Schnittrand ein erhöhtes Risiko für einen Tumorprogress, aber kein erhöhtes Risiko für ein Lokalrezidiv (HR 2,08; p = 0,03; Table 3). Ein 7-fach erhöhtes Risiko eines Tumorprogresses ergab sich in der multivariaten Analyse bei pT3a Tumoren und positiven Schnittrand (HR 7.48, p < 0,001). Es fehlen die Angaben für das tumorspezifische Überleben und das Gesamtüberleben für die Patienten mit einem Lokalrezidiv. Ani et al publizierten eine Studie von 664 nierenerhaltend operierten Patienten von denen 10 % eine R1-Rate aufwiesen. Die R1-Rate hatte keinen Einfluss auf das 5-Jahres Überleben [5].


    Eine weitere Studie umfasste 11 587 Patienten die von R1-Raten von 4,9 % nach OPN, 8,1 % nach LPN und 8,7 % nach RAPN berichtete. Bei den pT1a Tumoren hatte die R1-Rate keinen Einfluss auf das onkologische Outcome [3]. Shah et al. stratifizieren nicht zwischen pT1a und pT1b Tumoren. Sie beziehen sich in ihrer Schlussfolgerung auf das hohe Risiko des Tumorprogresses nach PN bei den pathologisch Hochrisikokarzinomen (pT3a und > G2). Klinisch ist es sehr schwierig, einen hilär gelegen 3 cm großen Tumoren radiologisch als cT3a oder cT1a zu klassifizieren. Shah und Co-Autoren berichten von acht cT2, letztendlich waren es nach der pathologischen Auswertung 32 pT2. Eine kürzlich erschienene Studie unterstreicht die Notwendig der Anwendung der Nephrometrie mittels PADUA oder RENAL-Score. Mouracade et al. untersuchten retrospektiv 830 nierenerhaltend operierte Patienten und fanden, dass ein hoher Tumoraggressivitätsgrad und ein hohes Tumorstadium mit einem erhöhten Risiko der Fernmetastasierung assoziiert war, während ein hoher RENAL-Score die Wahrscheinlichkeit eines Lokalrezidivs vorhersagte [6].


    Viele erfahrene Zentren propagieren das nierenerhaltende Vorgehen, wenn immer technisch machbar. Ob es letztendlich onkologisch immer sinnvoll ist, bleibt bei der Schlussfolgerung von Shah et al. aufgrund höherer Rezidivraten bei Hochrisiko Nierenzellkarzinomen (pT3a und > G2) offen. Es bleibt zu überlegen, ob zukünftig die Nephrometrie mittels RENAL oder PADUA auch dank der guten 3D-Rekonstruktionsmöglichkeiten der bildgebenden Verfahren bei komplexen Nierenzellkarzinomen Anwendung findet.


    Der Autor

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    PD Dr. Frederik C. Roos,Klinik für Urologie und Kinderurologie, Universitätsklinikum Frankfurt

    Literatur


    [1] S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Nierenzellkarzinoms. Langversion 1.0. September 2015.


    [2] Van Poppel H, Da Pozzo L, Albrecht W, Matveev V, Bono A, Borkowski A, Colombel M, Klotz L, Skinner E, Keane T, Marreaud S, Collette S, Sylvester R. A prospective, randomised EORTC intergroup phase 3 study comparing the oncologic outcome of elective nephron-sparing surgery and radical nephrectomy for low-stage renal cell carcinoma. Eur Urol 2011; 59: 543 – 52.


    [3] Tabayoyong W, Abouassaly R, Kiechle JE, et al. Variation in surgical margin status by surgical appraoch among patients undergoing partial nephrectomy for small renal masses. J Urol 2015; 194: 1548 – 1553


    [4] Venigalla S, Wu G, Miyamoto H. The impact of frozen section analysis during partial nephrectomy on surgical margin status and tumor recurrence: a clinicopathologic study of 433 cases. Clin Genitourin Cancer. 2013: 527 – 536.


    [5] Ani I, Finelli A, Alibhai SM, Timishina N, Fleshner N, Abouassaly R. Prevalance and impact on survival of positive surgical margins in partial nephrectomy for renal cell carcinoma: a population-based study. BJU Int 2013; 111: E300 – 305,


    [6] Mouracade P, Kara O, Maurice MJ, Dagenais J, Malkoc E, Nelson RJ, Kaouk JH. Patterns and predictors of recurrence after partial nephrectomy for kidney tumors. J Urol, 2016.


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    PD Dr. Frederik C. Roos,Klinik für Urologie und Kinderurologie, Universitätsklinikum Frankfurt