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DOI: 10.1055/s-0042-123109
Management thermischer Verletzungen im Kindesalter
- Einleitung
- Ätiologie und Epidemiologie
- Einteilung von Brandverletzungen
- Erstversorgung am Unfallort
- Transport in die Klinik
- Versorgung im Krankenhaus
- Nachsorge
- Prävention
- Zusammenfassung
- Literatur
Die Behandlung von Kleinkindern ist im Rettungsdienst insgesamt selten und auch die Versorgung von Brandverletzungen stellt in diesem Rahmen eher eine Ausnahme dar. Die Eckpfeiler der Primärversorgung brandverletzter Kinder am Unfallort bestehen aus der Sicherung der Vitalfunktion, Kühlen, der Analgosedierung, der Beurteilung des Verbrennungsausmaßes (verbrannte Fläche und Tiefe) sowie möglicher Begleitverletzungen, insbesondere des Inhalationstraumas.
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Einleitung
Thermische Verletzungen sind eine häufige Unfallursache bei Kindern. Sie betreffen insbesondere Kleinkinder, da in diesem Alter der Bewegungsradius mit besserer Erreichbarkeit der Gefahrenstellen deutlich schneller zunimmt als das Verständnis für die Gefahr selbst. So sind im Kindesalter etwa ⅔ der stationär behandelten Patienten mit Verbrühungen und Verbrennungen jünger als 3 Jahre.
Brandverletzte und besonders schwer brandverletzte Kinder sind im Rettungsdienst selten. Deshalb stellt die Erstversorgung von Kindern mit Brandverletzungen im Rettungsdienst die Behandler vor Schwierigkeiten, insbesondere im Kleinkindesalter. Zusätzlich ergeben sich auch technische Probleme, da z. B. die Anlage eines venösen Zugangs bei manchen Kindern eine Herausforderung ist. Auch die emotionale Reaktion mancher Rettungsmediziner ist bei ausgeprägten Befunden nicht zu unterschätzen.
Dieser Artikel beschreibt die Behandlung von Kindern mit thermischen Verletzungen und zeigt Besonderheiten bei deren Versorgung auf.
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Ätiologie und Epidemiologie
Etwa 6000 Kinder müssen aufgrund einer Verbrennung oder Verbrühung in Deutschland pro Jahr stationär behandelt werden ([Abb. 1]) [1]. Insgesamt geht man von ca. 30 000 brandverletzten Kindern, die einen Arzt aufsuchen, pro Jahr aus.
Wie bei den meisten Unfällen überwiegt auch bei den Kindern das männliche Geschlecht. Das relative Risiko für Jungen ist erhöht ([Tab. 1]). Über die letzten 10 Jahre scheint jedoch das relative Risiko bei den Kindern und Jugendlichen > 5 Jahre für Jungen eher abzunehmen [1].
Alter |
relatives Risiko männlich vs. weiblich |
---|---|
Angaben je 100 000 Einwohner; Durchschnittswert der Jahre 2005–2014. |
|
< 1 |
1,3 |
1–4 Jahre |
1,5 |
5–14 Jahre |
1,4 |
15–17 Jahre |
1,9 |
Die Unfallursachen, die bei Kindern zur Brandverletzung führen, sind verglichen zu Brandverletzungen im Erwachsenenalter sehr unterschiedlich. Überwiegen bei Erwachsenen die Flammenverletzungen (47,5 %), so treten bei Kindern in der großen Mehrzahl der Fälle Verbrühungen auf [2]. Dazu kommt noch eine verhältnismäßig große Anzahl von Kontaktverbrennungen.
Die Verteilung der Unfallursachen ist in [Abb. 2] dargelegt. Aufgeführt sind die Unfallursachen bei allen im Jahr 2015 stationär behandelten Kindern, die im Verbrennungsregister der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin und des Arbeitskreises „Das schwerbrandverletzte Kind“ von den teilnehmenden Kliniken dokumentiert wurden [2].
Das körperspezifische Verteilungsmuster ist in [Abb. 3] dargestellt [2].
Aufgrund des häufigen Unfallmechanismus der von einer Arbeitsfläche herunter gezogenen heißen Flüssigkeit sind Kopf, Arme und der ventrale Rumpf häufig im Rahmen einer latzförmigen Verteilung überproportional betroffen. Dazu kommen als häufige Lokalisation die Hände durch Kontakt mit heißen Oberflächen.
In der großen Mehrzahl der Fälle geschieht der Unfall im häuslichen Umfeld der Kinder (98 %), in 1,2 % der Fälle in der Schule oder der Kindertagesstätte.
Nicht zu vernachlässigen ist der Anteil der nicht akzidentellen Verletzungen, der im Verbrennungsregister 2015 0,3 % der Fälle ausmacht [2].
Die Dunkelziffer wird wahrscheinlich deutlich höher sein. In vergleichbaren Gesellschaften geht man bei 1–16 % der Fälle von einer nicht akzidentellen Ursache aus und es wird angenommen, dass bis zu 20 % aller Verletzungen bei Kindesmisshandlungen durch thermische Schädigung entstehen [3].
Aufmerksam sollte man besonders dann sein,
-
wenn der beschriebene Unfallmechanismus nicht mit dem Verletzungsmuster einhergeht,
-
wenn es sich um strumpf- oder handschuhförmige Verbrennungen handelt mit glatten Rändern und ohne weitere Spritzmarken (im Sinne von Tauchverletzungen),
-
wenn z. B. die verspätete ärztliche Vorstellung nicht ausreichend erklärt werden kann.
Durch die gute Vernetzung des Rettungsdienstes und der Kliniken kommen die Kinder sehr zügig in ein Brandverletztenzentrum oder eine spezialisierte Klinik. 41,9 % der dort behandelten Kinder wurden im Jahr 2014 in der 1. Stunde nach dem Unfall vorgestellt und weitere 34,4 % nach 1 bis < 4 Stunden. 11 % der Kinder werden verspätet (> 48 Stunden) im Zuge einer Sekundärzuweisung vorgestellt [2].
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Einteilung von Brandverletzungen
Die genaue und exakte Beurteilung von Verbrennungsausmaß und -tiefe ist eine der wesentlichen Grundlagen für die weitere Behandlung der thermischen Verletzungen. Begleitverletzungen wie z. B. das Inhalationstrauma müssen stets mitberücksichtigt sowie erfasst werden.
Begleitverletzungen
Diese Begleitverletzungen können den Schweregrad signifikant beeinflussen und die Prognose verschlechtern. So verlängert das Inhalationstrauma die intensivmedizinische Therapie und erhöht die Beatmungszeit und die Mortalitätsrate [4]. Bei dem Verdacht auf ein Inhalationstrauma sollte rasch eine Sauerstofftherapie begonnen werden und eine frühzeitige Intubation insbesondere bei Stridor, Kurzatmigkeit, versengten Nasenhaaren oder Ruß und Blasenbildung intraoral/pharyngeal erwogen werden.
Das Ausmaß einer thermischen Verletzung wird in Prozent (%) der verbrannten Körperoberfläche (VKOF) und der Tiefenausdehnung (Grad) bestimmt. Zudem sollte die Lokalisation genannt und dokumentiert werden.
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Tiefenausdehnung
Die Tiefeneinteilung wird in 4 verschiedene Grade abhängig von der „Eindringtiefe“ der thermischen Schädigung vorgenommen ([Abb. 4]).
Die klinische Beurteilung des Tiefenausmaßes erfolgt anhand der folgenden Kriterien:
-
Wundgrundbeurteilung (Farbe und Beschaffenheit)
-
Rekapillarisierung
-
Konsistenz
Dies ist insbesondere bei der Primärversorgung nicht immer einfach und bedarf einiger Erfahrung.
Die Tiefenausdehnung lässt sich im klinischen Alltag mit den Kriterien aus [Tab. 2] abschätzen.
Einteilung |
Tiefe |
Klinik |
---|---|---|
Grad I |
epidermal |
Rötung Schwellung starker Schmerz intaktes Epithel |
Grad IIa |
oberflächlich dermal |
Blasenbildung feuchter hyperämischer Wundgrund prompte Rekapillarisierung Hautanhangsgebilde intakt starker Schmerz |
Grad IIb |
tief dermal Haarfollikel und Schweißdrüsenausführungsgänge mit betroffen und teilweise zerstört |
fetzenförmige Epidermolyse Blasenbildung weißlicher Wundgrund gestörte Rekapillarisierung Hautanhangsgebilde partiell vorhanden mäßiger Schmerz |
Grad III |
komplett dermal |
trockene weiße, elfenbeinartige Hautnekrose bis hin zur Verkohlung Verlust von Hautanhangsgebilden keine Schmerzen |
Grad IV |
Unterhautfettgewebe, eventuell Muskeln, Sehnen, Knochen und Gelenke |
Verkohlung |
Insbesondere im Falle von Verbrühungen sollte man sich nicht zu einer zu frühen endgültigen Tiefenbestimmung verleiten lassen, da gerade in diesem Fall häufig eine definitive Unterscheidung erst nach ca. 3–5 Tagen möglich ist [6]. In dieser Zeit tritt die bekannte Demarkierung auf und insbesondere die Unterscheidung zwischen Grad IIa und IIb kann erst zu diesem Zeitpunkt sicher getroffen werden, und somit auch die Entscheidung einer konservativen Behandlung vs. einer chirurgischen Therapie.
Die thermische Verletzung und somit deren Tiefenbestimmung ist ein dynamischer Prozess.
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Flächenausdehnung
Methode nach Lund und Browder
Zur Ermittlung des Flächenausmaßes kann die altersabhängige schematische Bestimmung von Lund und Browder zu Hilfe genommen werden ([Abb. 5] u. [Tab. 3]). Dies hat sich vor allen Dingen bei Kindern bewährt, da bei dieser Methode das Alter sowie die jeweiligen Körperproportionen miteinbezogen werden. Die Neunerregel nach Wallace, die in der Erwachsenenmedizin zum Einsatz kommt, ist bei Kindern wenig hilfreich, da bei kleinen Kindern die Überproportion des Kopfes nicht berücksichtigt wird.
Alter (Jahre) |
0–1 |
1–4 |
5–9 |
10–14 |
15 |
Erwachsener |
---|---|---|---|---|---|---|
Kopf |
19 % |
17 % |
13 % |
11 % |
9 % |
7 % |
Oberschenkel |
5,5 % |
6,5 % |
8 % |
8,5 % |
9 % |
9,5 % |
Unterschenkel |
5 % |
5 % |
5,5 % |
6 % |
6,5 % |
7 % |
Hals |
2 % |
2 % |
2 % |
2 % |
2 % |
2 % |
Oberarm |
4 % |
4 % |
4 % |
4 % |
4 % |
4 % |
Unterarm |
3 % |
3 % |
3 % |
3 % |
3 % |
3 % |
Hand |
2,5 % |
2,5 % |
2,5 % |
2,5 % |
2,5 % |
2,5 % |
Rumpf |
26 % |
26 % |
26 % |
26 % |
26 % |
26 % |
Gesäß |
5 % |
5 % |
5 % |
5 % |
5 % |
5 % |
Genitale |
1 % |
1 % |
1 % |
1 % |
1 % |
1 % |
Fuß |
3,5 % |
3,5 % |
3,5 % |
3,5 % |
3,5 % |
3,5 % |
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Handflächenregel
Deutlich einfacher und ohne jegliche Hilfsmittel kann man das Flächenausmaß der zugezogenen Verbrennung mittels der Handflächenregel bestimmen. Dabei entspricht die Handfläche des betroffenen Kindes – inklusive Finger – 1 % seiner Körperoberfläche ([Abb. 6]).
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Genauigkeit der Berechnung
Die Genauigkeit der Berechnung hängt im Wesentlichen auch von der Erfahrung des Untersuchers ab. Martin [8] konnte zeigen, dass Verbrennungsspezialisten die betroffene Fläche genauer bestimmen können als unerfahrene Untersucher.
Es kommt in der alltäglichen Praxis häufig vor, dass das Verbrennungsausmaß in seiner Flächenausdehnung überschätzt wird. Dies kann gerade bei Kindern mit schweren Verbrennungen fatale Folgen haben aufgrund der daraus resultierenden Überinfusion, die anhand der betroffenen Körperoberfläche errechnet wird. Durch die daraus resultierende Hypervolämie kann es zu Komplikationen wie z. B. einem Lungenödem oder einem intestinalen Kompartment kommen. Das Unterschätzen der Flächenausdehnung ist extrem selten und tritt praktisch nicht auf.
Das Flächenausmaß der zugezogenen Verbrennung lässt sich schnell und einfach mit der Handflächenregel bestimmen: Die Handfläche des Kindes (mit Fingern) entspricht 1 % seiner Körperoberfläche.
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Erstversorgung am Unfallort
Die Erstversorgung am Unfallort ist die Basis für eine gute und adäquate weitere Therapie. Die Eckpfeiler der Primärversorgung sind in der Infobox aufgeführt.
-
Sicherung der Vitalfunktion
-
Kühlen
-
Analgosedierung
-
möglichst exakte Beurteilung des Verbrennungsausmaßes (% VKOF und Tiefe) sowie möglicher Begleitverletzungen (Inhalationstrauma)
-
Infusionstherapie und -management
Sicherung der Vitalfunktion
Bezüglich der Sicherung der Vitalfunktion ist insbesondere das Inhalationstrauma zu berücksichtigen, woran bei Explosionen oder Bränden in geschlossenen Räumen stets gedacht werden muss. In einem solchen Fall muss der Notarzt eine Schutzintubation in Erwägung ziehen. Eine präklinische Intubation bei Gesichtsverbrühungen ist nur selten erforderlich, da sich ein intubationsbehinderndes Ödem nicht in der Kürze des Transports entwickelt.
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Kühlen
Das posttraumatische Kühlen sollte unmittelbar nach Unterbindung der Wärmequelle und Entkleidung des Patienten erfolgen. Falls die Kleidung fest mit der Haut verklebt ist (möglich im Falle von Verbrennungen), sollte sie belassen werden.
Wichtig in diesem Zusammenhang:
-
Kühlung der betroffenen Körperregion und nicht des ganzen Kindes.
-
Das Wasser darf nicht zu kalt sein, da es sonst sehr schnell zu einer Hypothermie kommen kann.
Mögliche Folgen einer Hypothermie sind unter anderem ein gesteigerter Sauerstoffbedarf, ein erhöhtes Apnoerisiko, eine Verschlechterung der plasmatischen Gerinnung sowie Herzrhythmusstörungen, Hypoglykämie und eine herabgesetzte Mikrozirkulation [9]. Zudem kann das kalte Wasser zu einem lokalen Gewebeschaden führen.
Eine sofortige Kühlung der betroffenen Körperstelle sollte mit lauwarmem Wasser (mindestens 15 °C) für maximal 10 Minuten erfolgen.
Die Haut sollte zusätzlich mit sterilen, nicht haftenden Folien oder Verbänden abgedeckt werden. Das Aufbringen von anderen Mitteln wie Puder, Zahnpasta oder ggf. Salben ist obsolet.
Ein 3-jähriger Junge zieht sich mit heißem Wasser aus einem ausgeleerten Wasserkocher eine Verbrühung des Gesichts zu. Die daneben stehende Mutter nimmt den Jungen und kühlt die betroffenen Stellen in der Dusche mit kühlem Wasser. Parallel dazu wird der Rettungsdienst verständigt.
Die rasch eingetroffenen Rettungsdienstmitarbeiter bedecken die Wunden mit sterilen Kompressen und packen den Jungen für den Transport in eine Rettungsdecke ein. Auf einen i. v. Zugang wird verzichtet, eine analgetische Therapie erfolgt mit 250 mg Paracetamol supp.
Nach erfolgter Kühlung ist die Aufrechterhaltung der Normothermie indiziert. Dies kann durch Auflegen von Decken, Aufheizen der Umgebungstemperatur oder bei Bedarf durch warme Infusionen erzielt werden. Insbesondere großflächige thermische Verletzungen führen zu einem Verlust der Thermoregulation.
Bei Neugeborenen, Säuglingen, Kleinkindern, bei intubierten und beatmeten Patienten sowie bei Patienten mit großflächigen thermischen Verletzungen (> 15 % VKOF) sollte jedoch auf eine Kühlung verzichtet werden, da eine ggf. resultierende Hypothermie mit einer erhöhten Letalität einhergeht [10].
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Analgosedierung
Leider kommt es im Alltag immer noch vor, dass die Kinder beim Eintreffen im Krankenhaus keine ausreichende analgetische Therapie erhalten haben, obwohl der Schmerz bei Patienten mit thermischen Verletzungen sehr hoch ist und gerade die Schmerztoleranz bei Kindern herabgesetzt ist [11]. Beispielsweise Ketamin oder andere Opioide wie Fentanyl in Kombination mit Midazolam sind schnell wirksam und sehr potent.
Häufig ist eine inadäquate Schmerztherapie auf schwierige Venenverhältnisse oder ein schmerzgeplagtes Kind in Abwehrhaltung gegenüber dem – im täglichen Umgang mit Kindern ungeübten – Mediziner zurückzuführen. Hier ist jedoch zu erwähnen, dass viele Notfallmedikamente, insbesondere Schmerzmedikamente wie Fentanyl, auch intranasal (über nasalen Applikator; MAD BOD®) oder rektal appliziert werden können. Im Anschluss kann in Ruhe ein i. v. Zugang oder, wenn nötig, ein intraossärer Zugang gelegt werden.
Eine Übersicht der in der Akutversorgung benutzten Analgosedativa gibt [Tab. 4].
Wirkstoff |
intravenös |
intraossär |
rektal |
intranasal |
---|---|---|---|---|
Ketamin |
2–4 mg/kgKG |
2–4 mg/kgKG |
7–10 mg/kgKG |
1–3 (– 5) mg/kgKG |
Ketamin S |
1–2 mg/kgKG |
1–2 mg/kgKG |
3–5 mg/kgKG |
0,5–1,5 (– 2,5) mg/kgKG |
Fentanyl |
0,001–0,01 mg/kgKG |
|||
Piritramid |
0,05–0,1 mg/kgKG |
|||
Midazolam |
0,05–0,1–(0,2) mg/kgKG |
0,3–0,5 mg/kgKG |
0,2–0,3 mg/kgKG |
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Infusionstherapie
Ein adäquates Flüssigkeitsmanagement ist aufgrund des Flüssigkeitsverlusts im Bereich der Wunden, der raschen reaktiven Ödembildung und der daraus resultierenden Flüssigkeitsverschiebung aus dem Intravasalraum essenziell.
Insbesondere in den ersten Minuten posttraumatisch kommt es aufgrund von Freisetzung verschiedener Mediatoren zum Capillary Leak mit Verlust von Wasser, Elektrolyten und Proteinen [12]. Das Flüssigkeitsmanagement hängt aber natürlich auch von dem Flächenausmaß der thermischen Verletzungen ab.
Bei großflächigen thermischen Verletzungen sollte in jedem Fall ein i. v. Zugang gelegt werden und die Flüssigkeitssubstitution mit 10 ml/kg KG/h als Bolus erfolgen, um einem Volumenmangelschock vorzubeugen. Hierfür eignen sich isotone, kristalloide Lösungen (Ringer-Acetat). Falls dies nicht möglich ist, sollte die Substitution über eine intraossäre Nadel erfolgen. Sofern ein längerer Transportweg ansteht, ist die Flüssigkeitssubstitution mit 10 ml/kgKG/h bei ausgeprägten Verletzungen fortzuführen. Die Bestimmung der Verletzungstiefe der Verbrennung spielt in der Akutphase eine untergeordnete Rolle, da sich dadurch keine Änderung des initialen Flüssigkeitsregimes ergibt.
Bei Kindern mit kleinflächigen thermischen Verletzungen (< 10 % VKOF) kann bei schwierigen Venenverhältnissen am Unfallort auf einen i. v. Zugang verzichtet werden, wenn das Krankenhaus in weniger als 30 Minuten erreichbar ist.
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Transport in die Klinik
Patienten mit ernsten und schweren Verbrennungen sollten in jedem Fall in ein Verbrennungszentrum oder eine spezialisierte Klinik mit hoher Expertise transportiert werden. Die in der Übersicht zusammengefassten Kriterien charakterisieren eine schwere Verbrennung.
-
Inhalationstrauma
-
Verbrennungen II. Grades von ≥ 10 % VKOF
-
Verbrennungen III. Grades von ≥ 5 % VKOF
-
Beteiligung von Gesicht, Händen, Füßen, Genitalien, Perineum oder großen Gelenken
-
alle thermischen Verletzungen IV. Grades
Kinder mit ausgeprägten thermischen Verletzungen sollten in Notarztbegleitung transportiert werden. Während des Transports sollte keine weitere Kühlung mehr durchgeführt und die Vitalparameter inklusive Temperatur streng im Blick behalten werden.
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Versorgung im Krankenhaus
Bei der Aufnahme des Kindes im Krankenhaus sollte zunächst eine Reevaluation des Verbrennungsausmaßes und des klinischen Zustands sowie der Schmerztherapie erfolgen. Wie bereits oben erwähnt, ist für die daraus resultierende Flüssigkeitssubstitution eine genaue Kalkulation der betroffenen Körperoberfläche notwendig. Bei einer Fehlkalkulation kann es z. B. zu einer Hypervolämie aufgrund des meist überschätzten Verbrennungsausmaßes mit den damit verbundenen Komplikationen kommen. Zudem sollten das Gewicht und die Größe des Kindes gemessen werden.
Bei Ankunft in der Klinik befindet sich der Junge in einem ordentlichen Allgemeinzustand. Bei der Beurteilung der Verletzung zeigt sich eine Verbrühung des Gesichts und der behaarten Kopfhaut rechts frontal. Die Areale sind zweitgradig verbrüht. Es finden sich noch einzelne gefüllte Blasen, bei über der Hälfte der Fläche sind die Blasen spontan eröffnet. Insgesamt wird das Ausmaß mit 3 % VKOF beziffert. Der Tetanusimpfschutz ist intakt.
Aufgrund des Ausmaßes, der Lokalisation und des Alters wird dann zur weiteren kindgerechten Versorgung ein Débridement in Narkose durchgeführt ([Abb. 8]).
Weiterführend sollte auf die folgenden Punkte geachtet werden:
Intensivmedizinisches Management
Die Überwachung der Vitalparameter ist für die Zustandsbestimmung des Kindes und als Basis für das nachfolgende Therapiemanagement von großer Bedeutung. Bei schweren Verbrennungen kann aufgrund der Flüssigkeitssubstitution, Medikamentengabe, häufiger Narkosen sowie zur kontinuierlichen Messung des zentralen Venendrucks die Anlage eines zentralen Venenkatheters indiziert sein.
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Diurese
Die Diurese kann sehr gut nach Legen eines Blasenkatheters kontrolliert werden. Bei großflächigen Verbrennungen bietet sich ein Dauerkatheter mit Temperatursonde an. Die Diurese sollte bei Säuglingen und Kleinkindern 1–2 ml/kgKG/h und bei Schulkindern 0,5–1 ml/kgKG/h betragen. Sofern kein Blasenkatheter angelegt wird (z. B. bei Kindern < 15 % VKOF), kann die Überwachung der Diurese mittels dem spezifischen Gewicht erfolgen. Bei Zeichen eines Volumenmangels und Oligurie sollte die Flüssigkeitszufuhr erhöht werden. Genauso wichtig ist jedoch die rechtzeitige Reduktion der Infusion bei einer Diurese oberhalb des Zielbereichs, um einer ausgeprägten Ödembildung entgegenzuwirken.
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Ernährung
Prinzipiell sollte stets eine frühzeitige enterale Ernährung angestrebt werden.
Schwer verbrannte Kinder entwickeln im Rahmen der Verbrennungskrankheit einen Hypermetabolismus, der bis zum 2,5-Fachen des Grundumsatzes betragen kann. Diese katabole Stoffwechsellage erfordert daher eine entsprechend zusammengesetzte hyperkalorische Ernährung ([Tab. 5]).
Alter |
Energiebedarf |
---|---|
< 12 Jahre |
1800 kcal/m2 gesamte KOF + 1300 kcal/m2 VKOF |
> 12 Jahre |
1500 kcal/m2 gesamte KOF + 1500 kcal/m2 VKOF |
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Infusionstherapie
In der Kinderverbrennungsmedizin hat sich bei großflächigen Verbrennungen die modifizierte Parkland-Formel für Kinder bewährt ([Tab. 6]).
Infusionstherapie |
|
---|---|
Grundbedarf |
|
≤ 10 kgKG |
100 ml/kgKG/d |
≤ 20 kgKG |
80 ml/kgKG/d |
≤ 40 kgKG |
50 ml/kgKG/d |
> 40 kgKG |
40 ml/kgKG/d |
stationäre Therapie |
|
1. Tag |
4–5 ml/kgKG × VKOF |
2. Tag |
1 ml/kgKG × % VKOF |
Kinder mit einer kleinflächigen Verbrennung (bis maximal 15 % VKOF) benötigen nur den Erhaltungsbedarf angepasst an spezifisches Gewicht und Diurese.
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Analgosedierung
Es sollte stets eine adäquate Analgosedierung zur Schmerzfreiheit des Patienten angestrebt werden, insbesondere um die Traumatisierung des Kindes durch die schmerzhaften repetitiven Verbandswechsel zu minimieren. Hierfür eignet sich die Kombination eines Analgetikums mit einem Sedativum.
Die Schmerzfreiheit der Kinder sollte die Basis einer jeden Behandlung sein.
Bei leichten Verbrennungen kommt unser Stufenschema zum Einsatz ([Abb. 7]). Bei schweren Traumata und intubierten Patienten werden meist Ketamin S, Opioide und Midazolam eingesetzt.
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Antibiotische Therapie
Eine prophylaktische antibiotische Therapie im Rahmen von thermischen Verletzungen ist nicht indiziert. Falls man den Verdacht auf eine systemische Infektion hat, ist eine kalkulierte antibiotische Therapie nach entsprechender bakteriologischer Diagnostik zu empfehlen.
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Lokaltherapie
Débridement
Nach initialer Stabilisierung des Patienten wird möglichst rasch die chirurgische Wundversorgung mit Débridement in Analgosedierung durchgeführt. Ziel ist es, alle Blasen abzutragen, da eine verzögerte Reepithelialisierung durch die Blasenflüssigkeit sowie ein Bakterienwachstum von den Haarfollikeln ausgehend anzunehmen ist. Dies funktioniert gut mit Kompressen und einer Wunddesinfektionslösung (z. B. Octenisept oder Polyhexanidlösung).
Die Körpertemperatur des Patienten sollte vor dem Débridement im oberen Normbereich liegen. Zudem muss insbesondere bei ausgedehnten Verletzungen auf eine ausreichende Umgebungstemperatur geachtet werden, beispielsweise durch Vorheizen des Operationssaals.
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Wundauflage
Die geeignete Wundauflage richtet sich einerseits nach der Beschaffenheit der Wunde, andererseits aber auch nach den kindlichen Anforderungen.
Die ideale Wundauflage sollte eine antibakterielle Wirkung haben, schmerzarm zu wechseln sein und, wenn möglich, länger auf der Wunde verbleiben.
Hierfür eignen sich beispielsweise Polyurethan-Schaumstoffverbände mit Silber wie z. B. Mepilex Ag®. Es weist eine gute Flüssigkeitsabsorption auf, die gerade in den ersten Tagen bei den zweigradigen Verbrühungen von Nutzen ist. Zudem hat es aufgrund seines Silbergehalts eine antibakterielle Wirkung. Ein weiterer Vorteil dieser Wundauflage ist, dass sie bis zu 5 Tage auf der Wunde belassen werden kann, sie sollte in den ersten Tagen jedoch bereits jeweils nach 2–4 Tagen zur besseren Wundbeurteilung gewechselt werden.
Bei oberflächlichen thermischen Verletzungen (zweitgradig) hat sich der Einsatz von Suprathel® bewährt. Hierbei handelt es sich um einen synthetischen Hautersatz, der sich der Wundfläche anpasst und adhäriert. Dieses Lacto-Capromer verbleibt auf der Wunde bis zur vollständigen Abheilung. Somit sind die Verbandswechsel trocken, atraumatisch und quasi schmerzfrei, da man nicht in direkten Kontakt mit der Wunde kommt. Zudem besitzt Suprathel eine antibakterielle Wirkung aufgrund des niedrigen ph-Wertes bedingt durch den Milchsäuregehalt. Sofern die Wunde reizlos ist und das Suprathel anhaftet, kann von einer erfolgreichen Wundheilung ausgegangen werden ([Abb. 8]). Suprathel wird in der Primärversorgung angewendet oder beim ersten Verbandswechsel aufgelegt, da zu diesem Zeitpunkt die Unterscheidung der Tiefenausdehnung eindeutiger ist.
In störungsfreier Intubationsnarkose erfolgt die erneute Begutachtung des Befunds. Im betroffenen Areal rechts frontal und parietal werden die Haare rasiert. Nach sterilem Abwaschen mit Octenisept erfolgen dann die Blasenabtragung und ein Débridement mit dem scharfen Löffel.
Es zeigen sich allseits rosige Wundgründe und ein rascher kapillärer Refill. Die meisten Areale werden oberflächlich zweitgradig bewertet, es finden sich kleinere tiefere Anteile, insbesondere im Bereich der behaarten Kopfhaut. Nun folgt eine Suprathelauflage mit zweischichtiger Fettgaze ([Abb. 8]).
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Chirurgische Therapie
Der Zeitpunkt der chirurgischen Therapie bei tiefergradigen thermischen Verletzungen sollte so gewählt werden, dass sich die betroffenen Areale demarkiert haben, um eine „Übertransplantation“ zu vermeiden. In der Regel heilen die oberflächlichen Verletzungen binnen 2 Wochen ab. Gerade bei den gemischtgradigen thermischen Verletzungen, insbesondere Verbrühungen, sollten also zwischen dem 7. und 12. posttraumatischen Tag bei den tiefen Arealen die Nekrektomie und die Deckung mittels Spalthaut erfolgen. Lediglich bei der Lokalisation Handflächen und Gesicht kann man noch weiter zuwarten, da dort ein hohes Regenerationspotenzial besteht.
Bei großflächigen tiefen Verbrennungen ist ggf. bereits zu einem deutlich früheren Zeitpunkt eine Nekrektomie und Deckung indiziert, da in diesem Fall aufgrund der hohen Hitzeeinwirkung bereits früher eine Demarkierung eintritt, in der Regel zwischen dem 3. und 5. Tag. Bei tiefen Verbrennungen (drittgradig) im Bereich des Halses, der Extremitäten sowie des Rumpfes, die nahezu oder komplett zirkulär sind, muss eine sofortige Escharotomie in Erwägung gezogen werden, sofern ein Kompartment zu befürchten ist ([Abb. 9]).
Bei tiefen Verbrühungen liegt in der Regel der optimale Zeitpunkt einer chirurgischen Versorgung zwischen dem 7. und 12. posttraumatischen Tag, bei Verbrennungen zwischen Tag 3 und 5.
Die Hauttransplantation an der betroffenen Wunde wird nach einer tangentialen Nekrektomie durchgeführt. Das beste Resultat der Transplantation findet sich meist bei noch partiell erhaltener Dermis, wobei dies natürlich bei tiefen Verbrennungen nicht gewährleistet werden kann.
Eine ungemeshte Spalthaut liefert ein kosmetisch vorteilhafteres Ergebnis und sollte bei ausreichender Fläche der Entnahmestelle und bei Verbrennungen < 15 % VKOF stets angestrebt werden ([Abb. 10]).
Ein erster Verbandswechsel sollte spätestens am 5. postoperativen Tag durchgeführt werden. Zu diesem Zeitpunkt ist das Transplantat bei regelrechter Einheilung ausreichend fest, um die Fixierungen (Nähte oder Klammern) zu lösen. Zu diesem Zeitpunkt kann meist eine sichere Aussage über die „Take-Rate“ des Transplantats getroffen werden ([Abb. 11]).
Bei Kindern hat sich die Entnahme der Spalthaut an der behaarten Kopfhaut bewährt, da die Entnahmestelle mit ihrer in der Regel nach dem Heilungsverlauf unterschiedlichen Pigmentierung nach erneutem Wachstum der Haare nicht sichtbar ist. Vor der Rasur sollte in jedem Falle die Haargrenze markiert werden, um eine Entnahme darüber hinaus zu vermeiden. Nach Rasur und Desinfektion werden eine Adrenalinlösung und Lokalanästhetika (Sattler-Mischung) untergespritzt, um zum einen den Blutverlust zu verringern und zum anderen die Kopfhaut anzuheben, um so mit dem Dermatom besser gleiten zu können ([Abb. 12]).
Eine Entnahmedicke von 0,2 mm sollte in der Regel nicht überschritten werden. Bei sehr kleinen Säuglingen ist auch eine Entnahmedicke von 0,1 mm ausreichend.
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Nachsorge
Eine konsequente Nachsorge sollte in der Verbrennungsbehandlung einen ebenso hohen Stellenwert haben wie eine gute Primärversorgung.
Bei allen tiefen oder größerflächigen Verbrennungen sollte ein ausreichendes und adäquates Nachsorgekonzept durch die behandelnden Ärzte erstellt werden. Dazu gehören neben der konservativen Narbentherapie auch ggf. eine physio-/ergotherapeutische Behandlung sowie eine psychologische Betreuung. Diese Maßnahmen sollten bereits durch den Verbrennungsmediziner initiiert werden und in Relation mit dem Befund in regelmäßigen Abständen im Rahmen einer speziellen Sprechstunde für brandverletzte Kinder reevaluiert werden.
Narbenbehandlung
Die konservative Narbentherapie dient neben dem Erhalt bzw. der Wiederherstellung der vollständigen Funktion auch dem Erreichen eines optimalen kosmetischen Ergebnisses. Die Pflege mit Salben ist die Basistherapie jeder Narbe (s. a. Fallbeispiel). Bei tieferen Verbrennungen und nach Transplantationen wird in der Regel über 10–18 Monate eine Kompressionstherapie durchgeführt, um die häufig auftretenden Hypertrophien zu vermeiden. Zusätzlich werden bei Bedarf Silikonauflagen, Lagerungsschienen und Kompressionspolster angewendet.
Operative Narbenkorrekturen erfolgen meist erst nach Ausschöpfen einer konsequenten konservativen Narbenbehandlung und nach Ausreifung der Narben. Besteht jedoch eine therapieresistente Funktionseinschränkung, sind Korrekturoperationen früher indiziert. Zahlreiche chirurgische Maßnahmen zur Narbenkorrektur stehen zur Verfügung (s. Übersicht).
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Lasertherapie
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Needling (perkutane Kollageninduktion – PCI)
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Dermabrasio
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Dermal-Overgrafting
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Exzisionen, serielle Exzisionen, intraläsionale Exzisionen
-
lokale Verschiebelappenplastik, Z-Plastik, Jumping-Man-Plastik
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Narbenrelease/-korrektur mit Vollhauttransplantation
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Narbenkorrektur und Defektdeckung mittels Dermisersatz
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Narbenkorrektur mit Expandern
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Fernlappenplastik
Postoperativ erholt sich der Junge rasch mit gutem peroralem Kostaufbau und suffizienter Flüssigkeitsausscheidung, sodass die postoperative i. v. Flüssigkeitssubstitution zügig beendet werden kann.
In Narkose wird am 3. Tag der oberflächliche Verband das 1. Mal gewechselt. Dabei zeigt sich das Suprathel mit der unteren Fettgazeschicht gut anhaftend und reizlos. Anschließend wird der kleine Patient entlassen.
Weitere poststationäre Verbandswechsel werden ambulant 3 und 6 Tage nach der Entlassung durchgeführt. Auch dabei zeigen sich reizlos anhaftende Suprathelauflagen. Am 9. posttraumatischen Tag kann das Suprathel bereits von den Rändern gekürzt werden. Beim folgenden Verbandswechsel 13 Tage nach dem Unfall lässt sich das Suprathel vollständig ablösen. Die Wunden sind vollständig epithelialisiert und können offen belassen werden.
Die Familie beginnt eine 3× tägliche Pflege der Areale mit Panthenolsalbe.
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Prävention
Die wichtigste „therapeutische Maßnahme“ in der Verbrennungstherapie ist die Prävention.
Neben den zunehmend gesetzlich vorgeschriebenen baulichen Maßnahmen wie Rauchmeldern kommt der Aufklärung eine große Bedeutung zu. Paulinchen – Initiative für brandverletzte Kinder e. V. (www.paulinchen.de) hat die Prävention neben der Betreuung betroffener Familien zu einer ihrer Hauptaufgaben gemacht. So werden von Paulinchen zahlreiche Präventionskampagnen durchgeführt und der „Tag des brandverletzten Kindes“ am 07. Dezember (www.tag-des-brandverletzten-kindes.de) veranstaltet. In vielen Kliniken und Einrichtungen werden zu diesem Tag zahlreiche Aktionen durchgeführt.
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Zusammenfassung
Epidemiologie
Thermische Verletzungen sind eine häufige Unfallursache bei Kindern. Sie betreffen insbesondere Kleinkinder. So sind im Kindesalter etwa ⅔ der stationär behandelten Patienten mit Verbrühungen und Verbrennungen jünger als 3 Jahre. Etwa 6000 Kinder müssen aufgrund einer Verbrennung oder Verbrühung in Deutschland pro Jahr stationär behandelt werden.
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Verletzungsausmaß
Die genaue und exakte Beurteilung von Verbrennungsausmaß und Tiefe der Verletzung ist eine der wesentlichen Grundlagen für die weitere Behandlung. Begleitverletzungen, wie z. B. ein Inhalationstrauma, müssen stets mitberücksichtigt und erfasst werden. Diese Verletzungen können den Schweregrad signifikant beeinflussen und die Prognose verschlechtern.
Die Tiefenausdehnung der thermischen Verletzung lässt sich in 4 Grade einteilen:
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erstgradig: epidermal
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zweitgradig:
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IIa: oberflächlich dermal
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IIb: tief dermal
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drittgradig: komplett dermal
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viertgradig: Verkohlung
Das Flächenausmaß der zugezogenen Verbrennung lässt sich schnell und einfach ohne jegliche Hilfsmittel mittels der Handflächenregel bestimmen. Dabei entspricht die Handfläche des betroffenen Kindes – inklusive Finger – 1 % seiner Körperoberfläche.
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Therapeutisches Vorgehen
Eine Kühlung ist mit lauwarmem Wasser (mindestens 15°C) für maximal etwa 10 Minuten empfohlen.
Die Eckpfeiler der Primärversorgung am Unfallort bestehen aus
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Sicherung der Vitalfunktion,
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Kühlen,
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Analgosedierung,
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Beurteilung des Verbrennungsausmaßes (% VKOF und Tiefe) sowie möglicher Begleitverletzungen (Inhalationstrauma).
Die Haut sollte zunächst zusätzlich mit sterilen nicht haftenden Folien oder Verbänden abgedeckt werden.
Die Temperatur des Kindes muss stets im Blick behalten werden.
Die Schmerztherapie ist bei brandverletzten Patienten essenziell. Viele Analgetika und Sedativa können auch rektal oder intranasal appliziert werden, sodass man bei schwierigen Venenverhältnissen auf diese zurückgreifen kann.
Bei konservativem Management ist aus der Vielzahl der Angebote eine geeignete Wundauflage zu wählen. Die Wundauflage sollte eine antibakterielle Wirkung haben, schmerzarm zu wechseln sein und, wenn möglich, länger auf der Wunde verbleiben können, um die Anzahl der Verbandswechsel zu reduzieren.
Bei tiefen thermischen Verletzungen ist die tangentiale Nekrektomie und Spalthauttransplantation die Therapie der Wahl.
Eine konsequente Nachsorge sollte in der Verbrennungsbehandlung einen ebenso hohen Stellenwert haben wie eine gute Primärversorgung.
Bei allen tiefen oder größerflächigen Verbrennungen sollte ein ausreichendes und adäquates Nachsorgekonzept durch die behandelnden Ärzte erstellt werden. Zudem sind regelmäßige Kontrollen in einer spezialisierten Sprechstunde für brandverletzte Kinder indiziert.
Die effizienteste „therapeutische Maßnahme“ in der Verbrennungstherapie ist die Prävention.
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Die Eckpfeiler der Primärversorgung am Unfallort:
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Kühlen
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Sicherung der Vitalfunktion
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Analgosedierung
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Beurteilung von
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Verbrennungsausmaß (% der verbrannten Körperoberfläche [VKOF] und Tiefe)
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möglichen Begleitverletzungen (Inhalationstrauma)
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Abdecken der brandverletzten Haut mit sterilen nicht haftenden Folien oder Verbänden
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nach initialer Kühlung Normothermie aufrechterhalten
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Patienten mit ernsten und schweren Verbrennungen in jedem Fall in ein Verbrennungszentrum oder eine spezialisierte Klinik mit hoher Expertise transportieren.
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Ingo Königs
Dr. med., Kinderchirurg, Leiter der Sektion für Brandverletzungen, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie im Kindesalter, Oberarzt der Abt. für Kinderchirurgie am Altonaer Kinderkrankenhaus und der Klinik für Kinderchirurgie Universitätsklinikum Eppendorf, Hamburg. Verantwortlicher für Kinderdaten des Verbrennungsregisters der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin, Vorstand Arbeitskreis „Das schwerbrandverletzte Kind“.
Miriam Fattouh
Dr. med., Kinderchirurgin, Stv. Leiterin der Sektion für Brandverletzungen, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie im Kindesalter, Oberärztin der Abt. für Kinderchirurgie am Altonaer Kinderkrankenhaus und der Klinik für Kinderchirurgie am Universitätsklinikum Eppendorf, Hamburg. Studium der Humanmedizin in Hamburg. 2015–2016 Zentrum für Brandverletzte Kinder, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Kinderspital Zürich, zuletzt als Oberärztin und Stv. Leiterin.
Interessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Literatur
- 1 Statistisches Bundesamt Wiesbaden. Unfälle, Gewalt, Selbstverletzung. Ergebnisse der amtlichen Statistik zum Verletzungsgeschehen 2014, Schwerpunkt: Kinder- und Jugendliche, 2016, erschienen am 11.05.2016, korrigiert am 25.08.2016, Tabelle 7.1 und 7.2. Im Internet: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Gesundheit/Gesundheitszustand/UnfaelleGewaltKinderTabellenbandZIP_%205230001.zip?_blob=publicationFile Stand: 01.03.2017
- 2 Deutsche Gesellschaft für Verbrennungsmedizin. Verbrennungsregister der DGV und des Arbeitskreises „Das schwerbrandverletzte Kind“. Jahresbericht Verbrennungsregister für das Jahr 2015. Jährliche Erhebung der Basisdaten des Arbeitskreises „Das schwerbrandverletzte Kind“ präsentiert auf den Jahrestagungen der DAV (deutschsprachige Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsmedizin).
- 3 Greenbaum AR, Donne J, Wilson D. et al. Intentional burn injury: an evidence-based, clinical and forensic review. Burns 2004; 30: 628-642
- 4 Tan A, Smailes S, Friebel T. et al. Smoke inhalation increases intensive care requirements and morbidity in paediatric burns. Burns 2016; 42: 1111-1115
- 5 Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher medizinischer Fachgesellschaften – AWMF. S2k-Leitlinie 006-128: Behandlung thermischer Verletzungen im Kindesalter (Verbrennungen, Verbrühungen), AWMF, aktueller Stand: 04/2015. Im Internet: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/006-128.html Stand: 01.03.2017
- 6 Papp A, Kiraly K, Harma M. The progression of burn depth in experimental burns: a histological and methodological study. Burns 2004; 30: 684-690
- 7 Lund CC, Browder NC. The estimation of areas of burns. Surg Gynecol Obstet 1944; 79: 352-358
- 8 Martin RF. Management of burns. Surg Clin North Am 2014; 94: xiii-xiv
- 9 Lynn M, Jeroukhimov I, Klein Y. et al. Updates in the management of severe coagulopathy in trauma patients. Intensive Care Med 2002; 28: 241-247
- 10 Benjamin D, Herndon DN. Special Considerations of Age: the pediatric burned Patient. In: Herndon DN. ed. Total Burn Care. 2nd ed.. London: Saunders; 2002: 427-438
- 11 Richardson P, Mustard L. The management of pain in the burns unit. Burns 2009; 35: 921-936
- 12 Tricklebank S. Modern trends in fluid therapy for burns. Burns 2009; 35: 757-767
- 13 Hildreth MA, Herndon DN, Desai MH. et al. Current treatment reduces calories required to maintain weight in pediatric patients with burns. J Burn Case Rehabil 1990; 11: 405-409
Korrespondenzadresse
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Literatur
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