Historisches
Merke
Erste Hinweise für die intendierte chirurgische Schädeleröffnung bzw. Behandlung von
Schädelverletzungen wurden an Schädelfunden von etwa 2000 bis 400 v. Chr. in Peru
gefunden [1], [2], [3], [4].
Obgleich die Operateure noch nicht Neurochirurgen genannt wurden und nicht immer klar
ist, ob ein medizinisch-kurativer Ansatz oder ein religiöses Ritual zugrunde lag,
scheinen einige Patienten den Eingriff längere Zeit überlebt zu haben [5], [6]. Überwiegend kam es hierbei zu knochenentfernenden Prozeduren (osteoklastische Trepanation),
wahrscheinlich nach Frakturen oder intrakraniellen Blutungen. Die Kranioplastik, als
Verschluss eines Schädeldefekts, wurde in vielen verschiedenen Völkern, auf Kontinenten
und in Ländern, wie Polynesien, Afrika, Asien und Britannien, angewendet [7].
Oft spiegelten die Werkstoffe, die zur Kranioplastik verwendet wurden, die gesellschaftliche
und sozioökonomische Stellung des Menschen wider. Fallopius war einer der Ersten,
der im 16. Jahrhundert einen Unterschied in der Anwendung einer Kranioplastik bei
intakter und verletzter Hirnhaut sah [7]. Einer der ältesten europäischen Hinweise für einen Verschluss eines Schädeldefekts
ist ins 17. Jahrhundert datiert. Hier wurden in der Größe des Schädeldefekts korrespondierende
Gold- und Silberplatten neben den Toten in Gräbern gefunden. Die erste dokumentierte
xenograft-basierte Kranioplastik erfolgte etwa 1670 durch J. van Meekren, der erfolgreich
Knochen eines Hundes verwendete [8], [9]. Trotz des nachweislichen medizinischen Erfolgs verlangte die katholische Kirche
die Explantation des Implantats.
Merke
Mit Fortschritten in der Medizin, besonders in Kriegszeiten mit einem höheren Anteil
von Kriegsverletzungen, stieg die Anzahl von Kranioplastiken im 19. und 20. Jahrhundert
[10], [11].
Carbonpolymere, Alloplastiken auf Kalziumbasis, Metallimplantate oder Implantate aus
Knochen wurden hier zunehmend verwendet [12].
Heutzutage sucht man auf dem Gebiet der Neurochirurgie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde
und plastischen Chirurgie weiterhin nach einem Werkstoff bzw. Implantat, das neben
einem hohem Maß von Verträglichkeit, Anpassungsfähigkeit an den Träger z. B. in Bezug
auf Härte, Gewicht und Temperaturverhalten, eine hohe Integration in und an den umgebenden
Knochen zeigt. Hierbei werden neben den chirurgischen Ansprüchen der Bearbeitbarkeit
ebenfalls kosmetische Ansprüche von den Patienten gestellt.
Osteoklastische Trepanation, Kraniektomie
Weiterhin hat in unserer Gesellschaft die körperliche Integrität, die Unversehrtheit,
nicht nur die Rolle des evolutionären Reproduktionsvorteils, sondern auch das Vermeiden
von sozialer Stigmatisierung und somit Ausgrenzung. Osteoklastische Methoden wurden
in osteoplastische Techniken überführt, also in solche, die die Knochenintegrität
sofort intraoperativ oder in einer 2. Sitzung wieder herstellen. Die meisten Kranioplastiken
werden derzeit im sekundären Kontext nach Trauma (Sturz, Verkehrsunfall oder Gewalttaten)
durchgeführt [13]. Mit steigender Anzahl von Überlebenden, auch durch Einführung osteoklastischer
Techniken wie der dekompressiven Hemikraniektomie, steigt die Anzahl von Kranioplastiken
[14].
Besondere Bedeutung haben die Eingriffe der Wiederherstellung der knöchernen Integrität
am Schädel nach Notfalleingriffen wie dem schweren Schädel-Hirn-Trauma oder anderen,
die mit einer Erhöhung des intrakraniellen Druckes einhergehen ([Abb. 1]).
Abb. 1 47 Jahre alter Patient, der auf einem Fahrrad ohne Helm fahrend von einem Pkw innerorts
erfasst wurde und auf die Straße fiel. Das schwere Schädel-Hirn-Trauma zeigt sich
klinisch als Koma, Anisokorie und tiefe Kopfplatzwunde links (a). Nach Entfernung der Haut und des M. temporalis links zeigt sich eine langgezogene
Fraktur am Schädel (b). Nach Entfernung des großen rechtsseitigen Knochenanteils zeigt sich die Hirnhaut
durch ein darunter liegendes akutes Subduralhämatom massiv gespannt (c). Aufgrund der Hirnschwellung kann der Knochen nicht intraoperativ wieder implantiert
werden. Nach Hautverschluss über der adaptiv verschlossenen Dura erfolgt die Kryokonservierung
des Knochens bei − 80 °C.
Merke
Die dekompressive Hemikraniektomie dient der raschen Senkung des erhöhten und konservativ
nicht senkbaren intrakraniellen Druckes durch Entfernen großer Schädelanteile ([Abb. 2]).
Abb. 2 Fall einer 52-jährigen Motorradfahrerin, die mit Tempo 90 km/h auf der Autobahn verunfallte.
Die Patientin wurde initial mit einem Glasgow-Coma-Score von 9 aufgefunden und intubiert.
Die initiale computertomografische Abklärung zeigte eine frontale Kontusion links,
ein linksseitiges akutes Subduralhämatom (*) und eine Verlagerung von Mittellinienstrukturen
von 17 mm in axialer (a) und koronarer (b) Bildgebung. Es wurde die Indikation zur notfallmäßigen dekompressiven Hemikraniektomie
gestellt. In der Kontrollbildgebung sieht man große Teile des linksseitigen Neurokraniums
entfernt (c und d). Hierdurch konnte die Raumforderung durch das Hämatom beseitigt werden und dem schwellenden
Hirn Platz gegeben werden, welches sich nun über die Knochenebene hernierend zeigt.
Die Mittellinienstrukturen zeigen sich wieder mittelständig.
Dies kann auch nach Trauma, Blutung oder bei Tumoren und Infarkten notwendig werden.
Sie dient der raschen Reduktion des intrakraniellen Druckes und somit zur Vermeidung
oder Behandlung einer Einklemmung und Sicherung der Hirndurchblutung [14]. Denn steigt der intrakranielle Druck, mindert dies bei höherem Ausmaß die Hirnperfusion.
Bislang gibt es nur für den ischämischen Hirninfarkt nach Verschluss der mittleren
Hirnarterie eine Level-I-Evidenz-Empfehlung für diese chirurgische Maßnahme [15].
Merke
Zwar kann durch die dekompressive Hemikraniektomie der intrakranielle Druck gesenkt
werden, in einer Vielzahl der Fälle somit auch das Überleben gesichert werden, doch
bleibt das Behandlungsergebnis abhängig von der initialen Pathologie, dem Zustand
des Gehirns und dem Bewusstseinszustand des Patienten [14].
Solche osteoklastischen Methoden kommen auch bei Tumoroperationen oder Operationen
bei Entzündungen (autolytische Resorption) oder Infektionen (Osteomyelitis) vor. Zum
Beispiel kann ein benigner Tumor wie ein Meningeom in den Schädel einwachsen und ihn
in seiner Struktur destabilisieren, sodass der Tumor und der angrenzende Knochen entfernt
werden muss ([Abb. 3]). Sofern sich der Lokalbefund erholt hat oder der intrakranielle Druck stabil gesenkt
erscheint, kann eine Kranioplastik vollzogen werden.
Abb. 3 38-jährige Patientin mit einem großen Meningeom im linksseitigen frontotemporalen
Schädelbereich. In der Kernspinuntersuchung ist das Meningeom (*) gut mit dem Einwachsen
in die Schädelbasis zu sehen (a und b). Deutlicher werden die knöchernen Veränderungen in der Computertomografie (c). Postoperativ konnte ein sehr gutes kosmetisches Ergebnis erzielt werden, indem
die zu resezierenden Knochenanteile präoperativ an einem Datensatz vermessen wurden,
ein Implantat mittels Polymethylmethacrylat hergestellt wurde und man sich intraoperativ
strikt an die Resektionsgrenzen gehalten hat. Das Implantat konnte somit passend mittels
Titanplättchen in der Knochenlücke fixiert werden (d).
Die häufig umgangssprachlich benutzte Begrifflichkeit der „Deckelung“ wird sowohl
den meist lebensbedrohlichen Umständen der Kraniektomie, die ebenfalls häufig abwertend
als „Entdeckelung“ betitelt wird, als auch den kosmetischen, physischen und psychischen
Folgen nicht gerecht. Die Sachlage erscheint häufig viel komplexer als „Deckel runter“
oder „Deckel drauf“! Oft behalten Patienten Residuen wie eine Hemiparese oder eine
Sprech- und Sehstörung zurück, die eine Wiedereingliederung in ihr altes und gewohntes
Leben erschweren [16].
Indikationen zur Kranioplastik: kosmetisch oder therapeutisch?
Die Kranioplastik, als weitreichender Begriff, ist definiert als chirurgische Wiederherstellung
der Kontinuität des (Hirn-)Schädels [17]. Hierbei spielen die Verbesserungen der Hirnfunktion und der kosmetischen Erscheinung
eine wesentliche Rolle. Weiter differenziert kann eine Kranioplastik auch als Eingriff
am intakten Schädel verstanden werden, womit Konturunregelmäßigkeiten, z. B. durch
seitenungleiches Wachstum, behandelt werden oder auch als Augmentationseingriff.
Merke
In den meisten Fällen wird eine Kranioplastik jedoch als Ersatzverfahren für erworbene
oder angeborene Schädeldefekte verstanden.
Eine Kranioplastik ist in der Lage, EEG-Veränderungen zu normalisieren, neurologische
Defizite zu beseitigen und die Kognition sowie den zerebralen Blutfluss zu verbessern
[18], [19]. Grundlegende Funktion einer Kranioplastik bleibt jedoch der Schutz des darunter
liegenden Hirns.
Merke
Die Indikationen zur Kranioplastik liegen im therapeutischen und kosmetischen Behandlungsfeld.
Empfohlen wird, Knochendefekte ab einer Größe von 6 cm2 zu verschließen [11]. Kleinere Knochendefekte stellen für das Hirn keine Gefahr dar, auch nicht nach
Traumen, und zeigen keinen Einfluss auf den neurologischen Status. Kontraindindikationen
der Kranioplastik finden sich bei Infektionen, dem Vorkommen eines Hydrozephalus und
Hirnschwellung. Über den richtigen Zeitpunkt der Kranioplastik wird heftig diskutiert
[6]. Dennoch ist bekannt, dass eine zu späte Kranioplastik bei Autografts und Allografts
zu Infektionen sowie zu Resorption führen kann [20].
Zwar ist das Hirn nach Kraniektomie durch Hirnhaut und Haut gedeckt, doch führen der
atmosphärische Druck bzw. der hydrostatische Druck bei Lagewechsel und der gestörte
Fluss des Liquors dazu, dass es zu einer Depression des Hautniveaus weit unter die
Knochenlücken kommen kann. Größere Defekte, besonders wenn sie die unbehaarten Anteile
des Kopfes bzw. des Schädels betreffen, werden dann oft als kosmetisch unansprechend
bezeichnet und empfunden. Oft kommt es bei größeren Defekten zu einem Gefühl der Schutzlosigkeit
beim Patienten selbst und/oder bei Betreuern und Pflegenden. Nicht selten werden die
Regionen der Kraniektomie aus Vorsicht nicht gewaschen oder gereinigt, da fälschlicherweise
oft aus dem Gefühl der Unkenntnis und des Ungewohnten die Wahrscheinlichkeit der Verletzung
des Gehirns durch die Knochenlücke als sehr hoch angesehen wird.
Neben diesen kosmetischen und pflegerischen Indikationen besteht jedoch auch eine
therapeutische Indikation in Kenntnis des verbesserten klinischen Zustands nach Kranioplastik.
Es gibt zahlreiche Berichte über einen Symptomrückgang oder Beschwerdebesserung nach
Kranioplastik [21]. Besonders Beschwerden wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Reizbarkeit, Krampfanfälle
oder Hemiparesen sowie psychische Beeinträchtigungen werden nach Kranioplastik in
Besserung beschrieben [10].
Merke
Obgleich der Mechanismus hierfür noch gänzlich ungeklärt ist, stellt das sog. Syndrom
des Trepanierten (Sinking-Skin-Flap-Syndrom, SSFS) eine Indikation zur Kranioplastik
dar.
Materialien zur Kranioplastik
Historisch wurden zum Verschluss der Schädelöffnung oft andere Materialien als der
eigene Knochen (autologe Kranioplastik) verwendet. Unter den nicht humanen Knochenspendern
(Xenograft) sind Hunde, Kaninchen, Gänse, Kälber u. v. m. aufzuzählen [22]. Auch Knorpel kam zur Anwendung, da man davon überzeugt war, dass Knorpel sich dem
Defekt gut anpassen würde und wenig infektanfällig sei. Es zeigte sich jedoch, dass
Knorpel wenig biomechanische Stärke aufwies und eine Kalzifikation selten war [22]. Die Evolution von verschiedenen Techniken zur Kranioplastik schloss aber auch die
Verwendung von (eigenen) Rippen ein. Diese erzeugten am Patienten jedoch nicht selten
ein kosmetisches Ergebnis, welches als „Waschbrett“ bezeichnet wurde [23]. Zur Verbesserung des kosmetischen Ergebnisses wurden dann „Spaltknochen“ oder „Split-Bone“
zur flächenhaften Deckung verwendet. Als Allograft wurde dieser Split-Bone durch verschiedene
Siedetechniken in Natriumkarbonat, Alkohol und Ether hergestellt. Die hohe Rate von
Infektionen und Resorptionen führte von diesem Weg wieder ab [24]. Genauso wie die Verwendung von Rippen zeigte die Verwendung von Knochen der Tibia,
Os illium, Sternum, Scapula, Faszie und Fett 1889 die erschwerten Umstände in 2Operationsgebieten:
Brüche, Infektionen und Wundheilungsstörungen an Entnahmestelle und Implantationsort
[18].
Merke
Ein heutiger Standard in der Neurochirurgie ist die autologe Kranioplastik.
Häufig wird der explantierte Knochen kryokonserviert oder für einen Transport des
Patienten in die Bauchdecke implantiert. Am Zielort kann das Knochenstück steril wieder
aus der Bauchdecke explantiert und am Schädel implantiert werden [25]. Letzteres spielt beim nicht am Ort der Primäroperation ansässigen Patienten oder
dem Transport militärischer Verletzter eine bedeutende Rolle. Bei Eingriffen am Gesichtsschädel
spiegeln moderne Split-Bone-Techniken ebenso einen Standard wider [26]. Die Vorteile des eigenen Knochens liegen auf der Hand: hohe Biokompatibilität,
ähnliche Härte und Elastizität wie der übrige Knochen, Fähigkeit, Knochen darin einwachsen
zu lassen, gute Verfügbarkeit und niedrige Kosten. Dem gegenüber stehen Nachteile
wie erhöhte Anfälligkeit für Resorption, Infektanfälligkeit, eingeschränkte Bearbeitbarkeit
und die Morbidität an der Entnahmestelle. Autologe Implantate heilen durch Knocheneinwachsungen
bzw. schleichendes Ersetzen von Knochenzellen. Hierzu sind eine gute Blutversorgung
und eine rigide Fixation notwendig. Besonders die eingeschränkte Blutversorgung bei
größeren Knochendefekten und auch der lange Weg für den knöchernen Umbau spielen eine
große Rolle für das Vorkommen einer Autolyse bzw. Resorption [6].
Merke
Neben dem eigenen Knochen kommen jedoch noch andere Materialien zur Kranioplastik
zur Anwendung. Aktuell werden an zu verwendende Materialien verschiedene Ansprüche
gestellt wie Strahlendurchlässigkeit, Infektionsresistenz, Hitze- und Kälteunempfindlichkeit,
biomechanische Stabilität, einfache Formbarkeit zum kompletten Verschluss der Schädellücke,
Kostengünstigkeit und Einfachheit im Gebrauch [18].
Metalle werden seit dem frühen 19. Jahrhundert verwendet. Die Verwendung beruhte auf
der Materialstärke, der Bearbeitbarkeit und auf der Sterilisierbarkeit. Im frühen
19. Jahrhundert wurde bereits Aluminium zwecks der hohen Resistenz gegenüber Infektionen
verwendet. Es konnte sich jedoch nicht durchsetzen, da es häufig zur Gewebereizung,
zu Krampfanfällen und zum langsamen Zerfall kam [27]. Gold hatte diese Eigenschaften nicht. Dessen Verwendung war jedoch mit anderen
Erschwernissen, wie den hohen Kosten und einer relativ einfachen Verformbarkeit, verbunden.
Auch Silber wurde aufgrund von Gewebereaktionen mit Silberoxid, das die Haut verfärbte,
verlassen [4]. Während des Zweiten Weltkriegs kam es zur vermehrten Verwendung von Tantal. Tantal
zeigte positive Eigenschaften ohne Gewebereaktion, ohne Korrosion, selten Infektionen,
war inert und nicht absorbierbar [28]. Dennoch: Tantal war selten, schwer zu beschaffen und daher auch teuer und zu allem
Übel speicherte es Wärme, was zu temperaturbedingten Kopfschmerzen führte [17]. Titan wird seit dem Zweiten Weltkrieg zur Kranioplastik verwendet. Eine gehäufte
Anwendung fand es jedoch erst wieder in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts [6]. Es kann mit Vanadium und Aluminium als Gitternetz (Mesh) alleinig oder in Verbindung
mit anderen Werkstoffen wie Hydroxylapatit oder Polymethylmethacrylat (PMMA) verwendet
werden ([Abb. 4]). Titan ist ein starker Werkstoff, der gut zu bearbeiten ist, der nicht korrodiert,
wenig Gewebereaktion hervorruft und eine geringe Infektionsrate (2,6%) aufweist [29].
Abb. 4 Titangitternetz im Set mit Fixierschrauben und (Steg-)Platten zum direkten Verschluss
der Schädelknochenlücke oder zum Fixieren des eigenen Knochens.
Keramik wurde zum Ende des 20. Jahrhunderts zunehmend aufgrund der sehr hohen Stabilität,
der geringen Gewebereaktion und der guten kosmetischen Ergebnisse verwendet [4]. Trotz der geringen Infektionsrate von 5,9% ergaben sich für die individuell angefertigten
Keramikimplantate sehr hohe Kosten [29].
Hydroxylapatit ist ein Kalzium-Phosphat-Gemisch, das auch im gesunden Knochen gefunden
wird [4]. Die synthetische Herstellung ähnelt der von Keramik. Im Gegensatz zu Metall und
Acryl erlaubt Hydroxylapatit das Mitwachsen des Implantats, was besonders für Kinder
eine wichtige Rolle während des Wachstums des Schädels spielt. Nachteile dieses Werkstoffs
sind seine Brüchigkeit als dünnes Implantat, seine geringe Dehnungsstärke und hohe
Infektionsrate [17].
Polyetheretherketon (PEEK) ist ein semikristallines Polymer, das strahlendurchlässig,
inert und sterilisierbar ist [30]. Die Eigenschaften von PEEK ähneln in Stärke, Steifigkeit und Elastizität denjenigen
von humanen Knochen [30]. Die heutige weite Verbreitung beruht auf der Tatsache, dass PEEK radioluzent ist
und keine Artefakte in computertomografischer oder magnettomografischer Bildgebung
erzeugt. PEEK ist ein sehr leichtes Material und speichert keine Wärme wie Metall
oder Keramik [30]. Dennoch ist PEEK teuer und zeigt keine Integration in den umgebenden Knochen.
Acrylate (Polymethylmethacrylate, PMMA) zeigten auf den Gebieten Infektion, Korrosion,
Epileptogenität und Biokompatibilität bessere Eigenschaften als Metalle. Es wird durch
Anmischen eines Pulvers in eine cremige Paste überführt, die nach wenigen Minuten
Bearbeitbarkeit in einer exothermen Reaktion (60 – 80 °C) aushärtet. Methyl-Methacrylat
wurde 1939 entdeckt und zeigte eine fast metallene Stärke, war hitzeresistent, inert
und röntgenstrahlendurchlässig [31]. Letztere Eigenschaft hatte Vorteile, da man z. B. bei Angiografien die Hirnarterien
weiterhin beurteilen konnte. Nachteilig war jedoch, dass sich Brüche im Implantat
kaum darstellten [32]. Hierfür wurden geringe Mengen Barium beigemischt. Auch wurden besonders für größere
Kranioplastiken Titangitternetze eingewoben, um eine höhere Festigkeit zu erreichen.
Weiterer Vorteil letzterer Methode war die bessere Anpassbarkeit des Methyl-Methacrylats
an die anatomischen Gegebenheiten und somit ein besseres kosmetisches Ergebnis [33]. Obgleich PMMA einer der heutzutage am häufigsten benutzten Werkstoffe zur Kranioplastik
ist, mit einer hohen Implantatstärke, Resistenz gegenüber Brüchen und geringer Resoprtion
sowie Gewebereaktion, zeigt der Langzeitverlauf jedoch mit 12 bis 23% eine hohe Rate
an Infektionen und anderen Komplikationen [29], [34]. PMMA findet häufig Anwendung bei Erwachsenen ([Abb. 5]). Beim wachsenden Schädel des Kindes wird es jedoch vermieden, da das Implantat
kein Ein- und somit Mitwachsen des sich verändernden Schädels aufweist.
Abb. 5 Beispielhafte Anwendung eines PMMA-Implantats. Oben der zu verschließende Knochendefekt.
In (a) dargestellte Methoden zur Herstellung des Implantats mittels computerassistierten
Designs. Das blaue Probeimplantat stellt den von der gesunden Schädelseite gespiegelten
Knochen dar, der für die Knochenlücke berechnet wurde. Das grüne Implantat zeigt die
manuell angepasste Form orientiert am explantierten Knochen oder aufgelegt auf den
Situs in die Knochenlücke. In (b) dargestellte Anpassung des Implantats durch weitergehende Bearbeitung und Fixierung
mittels Titanplättchen.
Komplikationen
Merke
Die Komplikationen nach Kranioplastik schließen Infektionen, Wundheilungsstörungen,
Knochenresorptionen, epidurale, subdurale und intrazerebrale Hämatome ein.
Hierbei spielen die zugrunde liegende Pathologie, Nebenerkrankungen und das Geschlecht
eine Rolle. Das Risiko für Komplikationen nach Kranioplastik wird mit bis zu 11% beschrieben,
mit dem größten Anteil für Infektionen von 6%, wobei die in der Literatur berichtete
Spannweite 0 bis 21% beträgt [35], [36], [37]. Ursächlicher Keim für eine Infektion ist häufig Staphylococcus aureus [37]. Ein Unterschied zwischen autologer Kranioplastik und Acrylimplantat wurde nicht
festgestellt [35].
Zukunftsausblick
Mit fortschreitender computerassistierter Technologie während der Fertigungsschritte
der Implantate ähneln die Werkstoffe in ihrer Form zunehmend den explantierten Knochenteilen
[38]. Somit sind diese CAD-Plastiken (CAD: Computer-assisted Design) mittlerweile mit
verschiedenen Werkstoffen zum weiteren Standard avanciert ([Abb. 5]) [6]. Die weitergehende Entwicklung beschäftigt sich zunehmend weg von Material- und
Formforschung hin zu Molekular- und Zellbiologie. Weitere Verbesserungen der Applikation
von Wachstumsfaktoren und Antibiotikaabgabe sind hier auch zu nennen. Die Kolonisation
von multipotenten Stammzellen zur Potenzierung osteoinduktiver Prozesse auf dem Implantat
scheint die Zukunft zu bedeuten [39]. Unter dem Stichwort des „Tissue Engineering“ stellen osteoinduktive Prozesse, die
undifferenzierte mesenchymale Zellen in Osteoprogenitorzellen umwandeln, ein langfristiges
Ziel dar [39]. Bei all diesen Ansätzen spielt die Anregung von Gefäßeinsprossung und Knochenformation
in das Implantat eine große Rolle. Bei dieser Idee soll das Implantat lediglich als
„Schiene“ für die Neuausbildung von Knochen dienen [18]. Diese Ansätze verfolgen einen raschen, vom Körper selbst hergestellten Verschluss
der Knochenlücke mit kosmetisch ansprechendem Ergebnis und mechanischer Stärke.