Abkürzungen
DIC:
disseminierte intravasale Gerinnung
E2:
Östradiol
EUG:
Extrauteringravidität
FIGO:
International Federation of Gynecology and Obstetrics
hCG:
humanes Choriongonadotropin
IVF:
In-vitro-Fertilisation
OHSS:
ovarielles Überstimulationssyndrom
PALM-COEIN:
Polyp
Adenomyosis
Leiomyom
Malignom
Koagulopathie
Ovulationsstörung
Endometriumpathologie
iatrogen
nicht klassifiziert
SSW:
Schwangerschaftswoche
VEGF:
Vascular endothelial Growth Factor
Einleitung
Erkrankungen in der Frauenheilkunde können in allen Lebensabschnitten rasch zum schweren
Notfall führen. Bei der Triage weiblicher Patienten bietet daher die Kenntnis über
altersabhängige Häufung spezifischer Erkrankungen einen ersten Hinweis auf die Notfallursache.
-
Bei präpubertären Mädchen sind abdominale Schmerzen meist gastrointestinaler oder
urologischer Natur.
-
In der späten Adoleszenz und mit fortschreitendem Alter treten gynäkologische Erkrankungen
zunehmend in den Vordergrund.
Während der Schwangerschaft. Lebensbedrohliche Zustände sind in der Frauenheilkunde häufig mit einer Schwangerschaft
assoziiert. Bis zu 2 % der Patientinnen bedürfen während Schwangerschaft oder Wochenbett
einer intensivmedizinischen Überwachung und Behandlung.
Neben mit einer Schwangerschaft koinzidentell in Erscheinung tretenden Zuständen wie
Thromboembolie oder Myokardinfarkt gibt es eine Reihe schwangerschaftsspezifischer
Notfälle. Die Eileiterschwangerschaft ist das häufigste lebensbedrohliche schwangerschaftsbedingte
Ereignis in der Frühschwangerschaft. Zu den typischen schwerwiegenden Komplikationen
der späten Schwangerschaft gehören die Präeklampsie und die antenatalen Blutungen,
z. B. bei Placenta praevia. Postpartal besteht Gefahr insbesondere durch die unmittelbar
postnatale Blutung, sehr selten aber auch durch die dafür rasch letal verlaufende
Fruchtwasserembolie und die peripartale Kardiomyopathie.
Rasche Diagnose oft erschwert. Beim Umgang mit der Patientin verlangt die Natur des Fachgebiets ein äußerst sensibles
Vorgehen. Eingeschränkte Untersuchungsmöglichkeiten machen es Notärzten und Rettungsassistenten
zudem schwer, eine rasche Diagnose zu stellen. Gerade bei der schwangeren Patientin
setzen sich die begrenzten diagnostischen Möglichkeiten (z. B. Verzicht auf Computertomografie
aufgrund der Strahlenbelastung für das Ungeborene) und therapeutischen Optionen (z. B.
Off-Label-Use bzw. Kontraindikationen zahlreicher Medikamente) in der Notaufnahmestation
der Klinik fort.
Dieser Artikel hat zum Ziel, eine leitsymptom- und praxisorientierte Übersicht über
die wichtigsten Notfälle des Fachgebiets sowie Handlungsstrategien schwerpunktmäßig
im Notfallsetting darzulegen. Im 2. Teil werden die Spezifika der Spätschwangerschaft
sowie rettungsdienstliche Besonderheiten rund um die Geburt beschrieben [1].
Leitsymptom akuter Unterbauchschmerz
Leitsymptom akuter Unterbauchschmerz
Ovarialzystenruptur und Ovarialtorsion
Merke
Ovarielle Zysten sind im reproduktiven Alter häufig. Meist bleiben sie asymptomatisch.
Über den Tag der letzten Periode und die Frage nach Dauer und Regelmäßigkeit des Zyklus
lässt sich auf die Zyklusphase schließen. Im normalen Ovulationsprozess kommt es zum
Heranreifen eines Follikels. Meist um den 14. Tag erfolgt der Eisprung, der sich durch
den sogenannten Mittelschmerz äußern kann. Dabei kann die Dauer der 1. Zyklushälfte
deutlichen interindividuellen Schwankungen unterlegen sein. Mit dem Eisprung beginnt
die 2. Zyklushälfte, die ziemlich genau 14 Tage anhält. Es bildet sich das Corpus
luteum, das bei Zustandekommen einer Schwangerschaft in den ersten Wochen Ort der
Hormonsynthese ist. Sowohl der Follikel als auch das Corpus luteum können persistieren
und als funktionelle Zyste in Erscheinung treten.
Zystenruptur. Rupturiert die Zyste, kann dies zu plötzlich einschießenden Schmerzen im Unterbauch
führen oder sich durch Blutung aus dem Zystenrand in das Abdomen hämodynamisch auswirken.
Vaginale Schmierblutungen können die Schmerzsymptomatik begleiten.
Ovarialtorsion. Vor allem größere Zysten (> 5 cm) bergen neben der Ruptur das Risiko einer Rotation
des Ovars um seine Ligamente. Dies führt oft zu einer Minderung des Blutflusses insbesondere
im venösen Schenkel mit der Folge einer stauungsbedingten hämorrhagischen Infarzierung
(s. a. [Fallbeispiel] und [Abb. 1]).
Fallbeispiel
Ovarialtorsion
Eine 45-jährige Frau, Mutter zweier Kinder, ruft wegen plötzlich einsetzender, heftiger
Unterbauchschmerzen mit Übelkeit den Rettungsdienst. Anamnestisch gibt sie an, die
Schmerzen hätten während des Geschlechtsverkehrs begonnen. Die letzte Menstruation
war vor 3 Wochen. Sie wird in die nächstgelegene Klinik gebracht.
Bei der gynäkologischen Untersuchung zeigen sich ein heftiger Portioschiebeschmerz
und Druckschmerz über der rechten Adnexloge. Hier tastet sich auch eine prallelastische
Resistenz. Die Patientin wird bei der Untersuchung präsynkopal.
In der unmittelbar anschließend durchgeführten Laparoskopie bietet sich das typische
Bild eines rechtsseitig torquierten Ovars bei relativ kleiner Ovarialzyste ([Abb. 1]). [Abb. 1 b] zeigt den Adnex nach Detorquierung.
Abb. 1 Adnextorsion. a Adnextorsion präinterventionell. b Adnex nach Detorquierung.
Die Ovarialtorsion ist für 3 % der gynäkologischen Notfalleingriffe, hiervon 10–22 %
in der Schwangerschaft, verantwortlich [2]. Sie betrifft alle Altersstufen vom Neonaten bis ins Senium, kommt aber gehäuft
im fertilen Alter vor. Meist ist die rechte Seite betroffen. Körperliche Aktivität
oder Geschlechtsverkehr können sowohl die Ruptur als auch die Torsion auslösen.
Symptomatik. Die klassische Klinik der Adnextorsion ist bestimmt durch den perakuten Beginn der
starken Schmerzsymptomatik mit scharfem, kolikartigem Charakter und Ausstrahlung in
Flanke, Rücken oder Leiste, oft einhergehend mit Übelkeit und Erbrechen und meist
ohne vaginale Blutung.
Merke
Eine rasche Diagnose ist fundamental, um die Tuben- und Ovarialfunktion erhalten zu
können.
In der bimanuellen Palpation kann gelegentlich ein Adnextumor palpiert und ein meist
heftiger Portioschiebeschmerz ausgelöst werden. Im transvaginalen Ultraschall ist
der Nachweis einer ovariellen Raumforderung in Kombination mit in diesem Bereich auslösbaren
starken Schmerzen wegweisend. Bei der Ruptur hingegen lässt sich nur gelegentlich
ein Zystenresiduum, dafür jedoch freie Flüssigkeit im Douglas-Raum erkennen [3].
Therapie. Ist bei der Zystenruptur eine konservativ symptomatische Behandlung möglich, besteht
bei Verdacht auf Torsion die Therapie in der Notfalllaparoskopie mit Detorquierung
der Adnexe. Oft kann ovarerhaltend gearbeitet werden.
Zielgerichtete Diagnostik
Zyklusanamnese
Die Zyklusanamnese ist wichtiges Hilfsmittel in der Triage der weiblichen Patientin
mit Unterbauchschmerzen oder vaginaler Blutung. Wichtige anamnestische Fragen sind
daher:
-
letzte Periode?
-
Pilleneinnahme?
-
Geschlechtsverkehr?
-
Schwangerschaft möglich?
-
assistierte reproduktive Therapie?
-
Auffälligkeiten in der letzten gynäkologischen Untersuchung, z. B. bekannte Ovarialzyste?
Ovarielles Überstimulationssyndrom (OHSS)
Das OHSS ist eine lebensgefährliche Komplikation im Rahmen einer Fertilitätsbehandlung
(meist IVF = In-vitro-Fertilisation). Durch die iatrogene hCG-Gabe zur Ovulationsauslösung
werden vasoaktive Substanzen, insbesondere VEGF freigesetzt, die zu einer gesteigerten
kapillären Permeabilität mit Flüssigkeits-Shift nach extravasal führen. Klinisch wird
zwischen der Early-Onset- (4–7 Tage nach Ovulationsauslösung) und der Late-Onset-Form
(ab dem 9. Tag) unterschieden. Letztere zeigt durch die bei erfolgreicher Schwangerschaft
zunehmende endogene hCG-Produktion häufig einen schwereren Verlauf.
Merke
Die Inzidenz des schweren OHSS liegt bei 0,2–1 % der IVF-Zyklen.
Einteilungskriterien. Die Einteilung entsprechend der Schweregrade erfolgt nach
Symptomatik. Schwere Verläufe sind durch Pleuraergüsse, Nieren- oder Leberfunktionsstörungen gekennzeichnet.
Therapie. Therapeutisch stehen die Symptombekämpfung (Analgetika, Aszitesentlastungspunktion)
und der Ausgleich des Flüssigkeitshaushalts (kristalloide und kolloidale Lösungen)
neben einer intensiven Überwachung im Vordergrund. Es besteht ein erhöhtes Risiko
zu Thromboembolien, weshalb eine prophylaktische Antikoagulation indiziert ist.
Tipp für die Praxis
Das OHSS zeigt einen selbstlimitierenden Verlauf nach 10–14 Tagen. Kam es zu einer
Konzeption, kann die Symptomatik länger anhalten [4].
Ektope Schwangerschaft
Die Implantation der Blastozyste außerhalb des Cavum uteri (zu 99 % als Tubargravidität,
[Abb. 2]) verursacht über das damit verbundene Organruptur- und Blutungsrisiko eine potenzielle
Lebensbedrohung. Die Prävalenz unter Frauen, die in der Frühschwangerschaft mit vaginaler
Blutung und/oder Unterbauchschmerz die Notfallaufnahme aufsuchen, liegt bei 6–16 %.
In vielen Fällen sind anamnestische Faktoren eruierbar (s.[ Infobox „Risikofaktoren“]).
Risikofaktoren
Anamnestische Risikofaktoren der Extrauteringravidität
-
vorangehende Aborte
-
(rezidivierende) Adnexitiden/Appendizitis (25 %)
-
höheres Alter
-
Kinderwunschbehandlung (IVF bis 20 %)
-
liegende Spirale (8- bis 10-fach erhöhtes Risiko)
-
Z. n. Tubenoperation (auch Tubensterilisation)
-
Zigarettenkonsum
-
Kontrazeption mit Gestagenmonotherapie
-
Z. n. Extrauteringravidität (Wiederholungsrisiko: je nach Studie 10–50 %)
Symptomatik. Die frühesten Symptome der Extrauteringravidität (EUG) erscheinen meist ab der 6. Woche
post menstruationem. Frauen können dabei alle Anzeichen einer normalen Schwangerschaft
zeigen wie Übelkeit, Brustspannung und Müdigkeit; Schmierblutungen sind häufig. Mit
zunehmendem Wachstum der Fruchtanlage kommt es durch Wandspannung der Tube zu einem
spastischen Schmerz mit beschwerdefreien Intervallen. Die Ruptur schließlich führt
zu Hämatoperitoneum, Abwehrspannung und Schocksymptomatik. Bei klinischem Verdacht
ist ein quantitativer hCG-Test hilfreich.
Hintergrund
Schwangerschaftshormon β-hCG
Bei der nicht schwangeren Frau beträgt der Normalwert der β-hCG-Konzentration im Blut
≤ 5 IU/l, in den Wechseljahren liegt er bei ≤ 10 IU/l.
Die β-hCG-Konzentration beginnt am 5. Tag nach der Eieinnistung anzusteigen; 2–3 Wochen
nach der Befruchtung liegen Werte < 50 IU/l vor. In der 4. Woche sind hCG-Werte von
400 IU/l zu verzeichnen. Das Maximum wird in der 10.–12. SSW mit > 230000 IU/l erreicht.
Danach sinkt die Konzentration wieder ab auf 5000–65000 IU/l am Ende der Schwangerschaft.
Merke
Bei Unterbauchschmerzen und ausgebliebener Periode ist bis zum Beweis des Gegenteils
an eine Extrauteringravidität zu denken. Die Bestimmung des hCG-Wertes steht am Anfang
des diagnostischen Prozedere.
Symptomatische Patientinnen mit Serum-hCG-Werten unter 1000 mIU/ml haben 4-mal öfter
eine extrauterine Schwangerschaft als solche mit höheren Werten. Ferner gelingt in
der regelrecht angelegten Schwangerschaft meist ab hCG-Werten von 1000–1500 mIU/ml
die sonografische Darstellung der intrakavitären Chorionhöhle. Bei der ektopen Schwangerschaft
fehlt der Nachweis einer intrauterinen Fruchtanlage. Nur sehr selten lässt sich eine
vitale Schwangerschaft außerhalb des Cavum uteri darstellen. Bei der gynäkologischen
Untersuchung imponieren ein Portioschiebeschmerz und eine druckdolente Resistenz im
Adnexbereich.
Therapie. Die invasive Diagnostik und operative Sanierung durch Laparoskopie sind bei begründetem
Verdacht die Methode der Wahl (s. [Fallbeispiel] und [Abb. 2]). Dabei kann meist ein Tubenerhalt versucht werden.
Fallbeispiel
Tubargravidität
Eine 29-jährige Patientin kommt mit rechtsseitigen Unterbauchschmerzen in die Notaufnahmestation.
Anamnestisch gibt sie kolikartige Schmerzen mit beschwerdefreien Intervallen in den
vergangenen Tagen an. Vor 2 Wochen habe sie eine schwache vaginale Blutung gehabt
bei bekannterweise unregelmäßigem Zyklus.
Sie wird zunächst chirurgisch untersucht. Nach Erhalt des Aufnahmelaborstatus fällt
ein β-hCG-Wert von 1500 mIU/ml auf und die Patientin wird in die Gynäkologie überführt.
Sonografisch zeigt sich ein unauffälliger Uterus mit hoch aufgebautem Endometrium.
Im Bereich des rechten Adnexes findet sich ein aufgetriebenes Ovar mit Zyste. Daneben
freie Flüssigkeit im Douglas-Raum.
Die Patientin wird laparoskopiert. Intraoperativ bestätigt sich der Verdacht der Eileiterschwangerschaft
loco typico ([Abb. 2]).
Abb. 2 Tubargravidität.
Merke
Das Notfallteam folgt bei der instabilen Patientin den allgemeinen Algorithmen der
Notfallmedizin (hämodynamische Stabilisierung) und arrangiert die unverzügliche Vorstellung
beim gynäkologischen Operateur.
Bei hämodynamisch stabiler und symptomarmer Patientin ist im Falle der differenzialdiagnostischen
Unklarheit die Observation und hCG-Verlaufskontrolle (Verdopplungszeit des hCG-Wertes:
48 Stunden) gerechtfertigt. In einem solchen Fall kann alternativ oder nach Versagen
der operativen Intervention (z. B. nicht zu sichernde Lokalisation) eine systemische
Methotrexattherapie (ggf. in wiederholter Applikation) sinnvoll sein. Das Therapieansprechen
wird durch das Monitoring des hCG-Abfalls überwacht [5].
Leitsymptom vaginale Blutung
Leitsymptom vaginale Blutung
Die Menstruation ist die zyklisch wiederkehrende physiologische Reaktion des Endometriums
auf den Entzug der weiblichen Sexualhormone. Sie charakterisiert im weiteren Sinne
den Zeitraum des reproduktionsfähigen Alters.
Außerhalb von Schwangerschaften ist die vaginale Blutung dann als akuter Notfall zu
betrachten, wenn die Blutung eine drastische Auswirkung auf den Hämoglobinspiegel
bzw. einen Volumenmangelschock erwarten lässt, oder nach traumatischer Verletzung.
Sofortmaßnahmen folgen den allgemeinen Behandlungsregeln bei Volumenmangelschock:
-
Oxygenierung
-
Volumensubstitution
-
Blutbestandteile
Ist ein Facharzt für Gynäkologie nicht mittelfristig zu erreichen (z. B. im Flugzeug)
bzw. zur Überbrückung bis zum Eintreffen des Operateurs in der Notfallambulanz, kann
als Ultima Ratio als Notfall-/Interimsmaßnahme bei der nicht schwangeren und hämodynamisch
instabilen Patientin versucht werden, mit einem transzervikal in das Cavum uteri eingebrachten
Foley-Katheter (30-ml-Ballon) den Uterus zu tamponieren [6].
Cave
Bei der schwangeren Patientin ist die vaginale Manipulation kontraindiziert!
Behandlung spezifischer Blutungsursachen
Hypermenorrhö
Ursachen zyklischer Blutungsstörungen bei nicht schwangeren Frauen können anatomischer
oder nichtstruktureller Natur sein. Unter dem Akronym PALM-COEIN werden in der FIGO-Klassifikation
der akuten uterinen Blutung 9 Basiskategorien zusammengefasst [7].
Das Akronym PALM-COEIN steht für strukturelle und funktionelle Veränderungen des weiblichen
Genitales, die verstärkten vaginalen Blutungen unterliegen können.
PALM:
COEIN:
-
5. Koagulopathie
-
6. Ovulationsstörung
-
7. Endometriumpathologie
-
8. iatrogen
-
9. nicht klassifiziert
Pharmakotherapie. Die Behandlung kann entsprechend kausal und/oder symptomatisch erfolgen. Bei hämodynamischer
Stabilität ist nach Ausschluss struktureller Veränderungen (PALM-Kategorien) die Pharmakotherapie
die Methode der Wahl. Meist bietet sich hierbei eine sequenzielle Östrogen-Progesteron-Therapie
an. Ergänzend kann die Gabe von Antifibrinolytika (Tranexamsäure 3–4 × 1 g/d) erwogen
werden.
Cave
Sowohl die Östrogentherapie als auch die Gabe von Tranexamsäure bergen ein erhöhtes
Risiko für venöse Thromboembolien.
Tipp für die Praxis
Die Pharmakotherapie zur Behandlung der Hypermenorrhö bietet sich insbesondere bei
jüngeren Patientinnen mit generell bestehendem Kinderwunsch an:
-
Meist wird eine sequenzielle Östrogen-Progesteron-Therapie durchgeführt, z. B. Östradiol
(E2) 2 mg alle 4–6 Stunden oral (in Kombination mit Antiemetika), bis die Blutung
minimal ist, dann Reduktion auf E2 1 × 2 mg/d für maximal 25 Tage.
-
Die anschließende orale Gabe von Medroxyprogesteronacetat 1 × 10 mg/d über 10 Tage
sorgt für die Endometriumtransformation und Entzugsblutung.
Ergänzend kann die Gabe von Antifibrinolytika (Tranexamsäure 3–4 × 1 g/d oral oder
intravenös) erwogen werden.
Interventionelle Therapie. Da die Pharmakotherapie ihre Wirkung verzögert entfaltet, ist bei der hämodynamisch
instabilen Patientin sowie bei PALM-Ursachen der operativen Intervention der Vorzug
zu geben. Diese sieht zumeist die Kürettage vor – i. d. R. als fraktionierte Kürettage,
da so ergänzend zum therapeutischen Effekt eine differenzialdiagnostisch relevante
Histologiegewinnung erfolgen kann.
Bei abgeschlossenem Kinderwunsch kann eine Hysteroskopie mit Endometriumablation eine
sinnvolle Alternative oder Ergänzung darstellen.
Ultima Ratio. Embolisation der A. uterina (interventionelle Radiologie) oder Hysterektomie; bei
Karzinomblutung in palliativer Absicht auch Radiotherapie.
Unfalltrauma
Vaginale Blutungen in Folge von Verletzungen sind verhältnismäßig selten. Die anamnestische
Klärung des Unfallhergangs spielt zur Einschätzung der Ausdehnung der Verletzung und
Auswahl einer geeigneten Behandlungsstrategie eine besondere Rolle. Größere Traumata
(z. B. Pfählungsverletzungen) erfordern ein standardisiertes interdisziplinäres Vorgehen
zur Traumabehandlung. Eine ausführliche (oftmals schwierige) Anamnese ist bei Kohabitationsverletzungen
und bei Verletzungen von Kindern (Missbrauchsvermutung) wegweisend.
Abort
Der spontane Abort ist die häufigste Komplikation der frühen Schwangerschaft. Die
Inzidenz bei Frauen mit zuvor klinisch erkannter Schwangerschaft liegt zwischen 8
und 20 %. Bei Nachweis fetaler Herzaktionen (sonografisch detektierbar ab einer Scheitel-Steiß-Länge
von > 6 mm entsprechend der 6. SSW) liegt das Risiko des spontanen Aborts bei unter
36-Jährigen bei etwa 5 %. Das Risiko steigt jedoch mit dem mütterlichen Alter und
der Anzahl vorangegangener Aborte deutlich an ([Tab. 1]).
Tab. 1 Klinische Klassifizierung des Abortus.
Form
|
Kennzeichen
|
Abortus imminens
|
drohender Abort mit vaginaler Blutung bei intakter Schwangerschaft
|
Abortus incipiens
|
nicht mehr aufzuhaltender Abort mit sonografischen Zeichen der Ausstoßung
|
Abortus incompletus
|
unvollständiger Abort mit Teilen von Schwangerschaftsmaterial intrakavitär
|
Abortus completus
|
vollständiger Abort ohne Residuen
|
Therapie. Kommt es zu einer kompletten Entleerung des Cavum uteri, kann bei guter Kontraktilität
und sonografischer Bestätigung auf eine Kürettage verzichtet werden. Vor der 13. SSW
sind bei etwa 63 % der Patientinnen Schwangerschaftsreste mit Diagnosestellung sonografisch
nachweisbar. In etwa 70 % kommt es dann innerhalb von 14 Tagen zu einer spontanen
kompletten Ausstoßung. Die Komplikationsrate auch in Bezug auf die Langzeitbeobachtung
und erneute Schwangerschaften ist unabhängig vom Management [8]–[10]. Die Präferenz der Patientin für oder gegen eine Intervention (medikamentös oder
chirurgisch) entscheidet daher über das weitere Vorgehen. Acht von 10 Patientinnen
wünschen eine definitive Behandlung.
Merke
Rahmen der Notfallmedizin ist das klinische Erscheinungsbild entscheidend.
Die Blutung ist zumeist moderat und nicht Hb-wirksam. Eine überperiodenstarke vaginale
Blutung, oft verbunden mit krampfartigen Unterbauchschmerzen (wie bei der Menstruation),
kann sich hämodynamisch auswirken. Bei persistierender oder hämodynamisch relevanter
Blutung ist eine Notfallkürettage indiziert.
Leitsymptom Fieber
Septischer Abort
Selten kann eine Infektion in der Frühschwangerschaft zu einem lebensbedrohlichen
septischen Abort führen. Unbehandelt kommt es durch eingeschwemmte Endotoxine zum
septischen Schock. Die Gerinnungskaskade wird überaktiviert mit Thrombosierung der
Mikrostrombahn und Verbrauch von Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten (DIC). Die folgende
reaktive Hyperfibrinolyse bedingt die hämorrhagische Diathese – das klinische Bild
der Verbrauchskoagulopathie.
Symptomatik. Neben einem meist übel riechenden sanguinopurulenten Ausfluss und abdominellen Schmerzen
ist der septische Abort durch Fieber und Schüttelfrost sowie häufig durch eine Schocksymptomatik
gekennzeichnet. Um weitere Komplikationen zu vermeiden, ist es essenziell, diese rechtzeitig
zu erkennen und die Behandlung einzuleiten.
Merke
Das Zeitfenster von der unbehandelten Infektion bis zur Entwicklung des septischen
Schocks beträgt mehr als 48 Stunden.
Als erstes klinisches Zeichen einer DIC verringert sich die Urinausscheidung und es
resultiert ggf. eine pathologische Blutgasanalyse. Ein Dauerkatheter zur Messung der
stündlichen Urinproduktion ist hilfreich. Da eine DIC klinisch zunächst inapparent
verlaufen kann, ist der Verdacht ausreichend für 2-stündliche Laborkontrollen.
Merke
Therapie der Wahl ist die operative Kürettage in Kombination mit einer breitspektrumantibiotischen
Behandlung (z. B. Cefuroxim plus Metronidazol) und Kontraktionsmitteln (Oxytocin).
Erreger. Als Erreger werden häufig Staphylococcus aureus, gramnegative Stäbchen oder grampositive
Kokken gefunden. Die mikrobielle Kultur aus Blut und endometrialen Abstrichen ermöglicht
eine resistogrammgerechte Antibiotikatherapie im Verlauf [11].
Tuboovarialabszess
Der Tuboovarialabszess manifestiert sich i. d. R. als inflammatorischer Konglomerattumor,
ggf. auch unter Einbezug anderer Beckenorgane wie Darm und Blase. Der rupturierte
Abszess kann durch die putride Ausschwemmung auch heute noch rasch zu einem akuten
Abdomen mit Sepsis und Lebensgefahr führen.
Der Altersgipfel liegt zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr. Als Risikofaktoren gelten
u. a. Fertilisationseingriffe und eine liegende Kontrazeptionsspirale. Die Ursache
ist meist in einer aufsteigenden Infektion zu suchen.
Der Tuboovarialabszess ist typischerweise polymikrobiell. Escherichia coli, Streptokokken,
Bacteroides fragilis, Prevotella und andere Anaerobier wie Peptostreptokokken sind
häufige Erreger.
Symptomatik und Diagnostik. Klinisch imponieren akute Unterbauchschmerzen in Kombination mit Fieber, Schüttelfrost
und vaginalem Ausfluss. Allerdings kann die Symptomatik auch deutlich geringer ausfallen.
Subfebrile Temperaturen und Nachtschweiß lenken gelegentlich von der Diagnose ab.
In der transvaginalen Sonografie lässt sich typischerweise (in ca. 40 % der Fälle)
ein Tuboovarialabszess in Form von multilokulären, gemischt echoreichen und echoarmen
Arealen im Adnexbereich sowie eine aufgetriebene Tube erkennen.
Therapie. Die Behandlung besteht in einer breitspektrumantibiotischen Therapie, einer Drainage
im Fall des isolierten unilokularen Abszesses (z. B. CT-gesteuert) oder einer laparoskopischen
Intervention mit Sanierung.
Im 2. Teil des Beitrags werden die für die Spätschwangerschaft typischen Notfälle
und geburtshilflichen Probleme im Rettungsdienst dargestellt [1].
Kernaussagen
Der vorliegende Artikel gibt eine symptom- und praxisorientierte Übersicht über die
wichtigsten Notfälle des Fachgebiets Gynäkologie mit besonderem Augenmerk auf den
Notfällen bei nicht schwangeren Frauen oder solchen in der Frühschwangerschaft. Außerhalb
der Schwangerschaft können Ovarialzystenrupturen und -torsionen, ein ovarielles Überstimulationssyndrom,
Tuboovarialabszesse, Unfalltraumata oder Hypermenorrhö in eine Notfallsituation münden.
In der Frühschwangerschaft betrifft dies Abortereignisse oder ektope Schwangerschaften.
Für jeden Teilbereich werden anhand der Leitsymptome Handlungsstrategien im Notfallsetting
aufgezeigt.
Erstveröffentlichung
Dieser Beitrag wurde erstveröffentlicht in: Notfallmedizin up2date 2016; 11: 227–237