Aktuelle Dermatologie 2016; 42(12): 507-509
DOI: 10.1055/s-0042-120109
Übersicht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Topische Therapiemöglichkeiten bei der Lentigo maligna

Topical Treatment of Lentigo Maligna
C. Bürgler
Universitätsklinik für Dermatologie, Inselspital, Universität Bern, Schweiz
,
K. Gadaldi
Universitätsklinik für Dermatologie, Inselspital, Universität Bern, Schweiz
,
R. E. Hunger
Universitätsklinik für Dermatologie, Inselspital, Universität Bern, Schweiz
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Robert E. Hunger, MD, PhD
Freiburgstrasse 10
3011 Bern
Schweiz   

Publication History

Publication Date:
06 December 2016 (online)

 

Zusammenfassung

Lentigo maligna (LM) ist ein Melanoma in situ in chronisch sonnengeschädigter Haut und betrifft hauptsächlich die Kopf- und Halsregion älterer Patienten. Diverse Therapiemodalitäten (Chirurgie, Kryotherapie, Radiotherapie, Imiquimod) werden mit Erfolg angewandt, wobei die chirurgische Exzision die Therapie der Wahl ist. Je nach Größe, Lokalisation oder Komorbiditäten kann die Chirurgie jedoch kontraindiziert sein. Die topische Therapie mit Imiquimod 5 % ist in diesen Fällen eine gute Alternative. Durch seine immunmodulatorische Wirkung führt Imiquimod zu einer lokalen Tumor-Antwort, welche in 53 – 100 % zu einer kompletten Abheilung führt. Rezidive werden in 15 – 20 % beobachtet. Die Anwendung von Imiquimod zur Therapie der LM ist off-label. Es existieren Fallberichte und kleine Fallserien für weitere topische Substanzen wie Ingenolmebutat, 5-Fluorouracil und topische Retinoide. Zurzeit fehlen jedoch genügend Daten, um deren Anwendung zu empfehlen. Eine regelmäßige Nachsorge von erfolgreich topisch behandelten Patienten mit Lentigo maligna ist unabdingbar, um Rezidive frühzeitig zu erkennen.


Abstract

Lentigo maligna (LM) is a melanoma in situ on chronically sun-damaged skin, with a strong predilection to the head and neck area of the elderly. Several therapeutic options (surgery, cryotherapy, radiotherapy, imiquimod) have demonstrated efficacy in the treatment of LM. Surgical excision is the first-line therapy but can be contraindicated for comorbid patients, larger lesions and according to their location. In such cases, a topical therapy with Imiquimod 5 % is a valuable alternative treatment. Its immune modifying action leads to a local anti-tumor response, which leads to a complete response in 53 – 100 % of patients. Recurrence of LM can be observed in 15 – 20 % of patients. The treatment of LM with Imiquimod is off-label. A few case reports and small case series exist for other topic treatment modalities such as ingenol mebutate, 5-fluorouracil and topical retinoids. To date, sufficient data which would support their use are lacking. A close follow-up of patients suffering from LM which were sucessfully treated with topical treatment modalities is essential to detect recurrence early.


Hintergrund

Lentigo maligna (LM) ist ein Melanoma in situ in chronisch sonnengeschädigter Haut und betrifft hauptsächlich die Kopf- und Halsregion älterer Patienten [1]. Unbehandelt besteht ein 2 – 5 %-iges Risiko einer Progression in ein invasives LM-Melanom [2]. Diverse Therapiemodalitäten, unter anderem die Chirurgie, Kryotherapie und Radiotherapie werden zur Therapie der LM angewandt [3] [4]. Die Chirurgische Exzision mit Sicherheitsabstand (meist 5 mm) ist der Goldstandard, die Rezidivrate nach mikrografisch kontrollierter Chirurgie liegt bei nur 4 %.


Imiquimod

Eine chirurgische Exzision einer LM kann aufgrund von Komorbiditäten des Patienten, der Größe und/oder der Lokalisation kontraindiziert sein. In den vergangenen Jahren wurde deshalb zunehmend Imiquimod als eine effektive alternative topische Therapieoption diskutiert [5] [6] [7] [8]. Imiquimod ist ein topischer Immunmodulator, der durch seine agonistische Wirkung am Toll-like Rezeptor-7 und -8 (TLR7/8) auf dendritischen Zellen, Makrophagen und Neutrophilen CD68+-Makrophagen sowie Zellen der zytotoxischen T-Zell-Antwort rekrutiert. Dies führt zu einer lokalisierten Immunantwort mit anti-Tumor-Eigenschaften [9] [10]. Imiquimod ist zur Therapie von Condylomata acuminata oberflächlichen Basalzellkarzinomen und aktinischer Keratosen zugelassen. Seine Anwendung zur Therapie bei LM ist off-label, wurde jedoch zahlreich in der Literatur beschrieben.

Die Datenlage bezüglich der Abheilrate unter Therapie mit Imiquimod variiert stark. Aktuelle Studien mit verschiedenen Behandlungsschemata (3 ×/Woche bis 1 ×/Tag während 5 – 17 Wochen) haben Abheilraten zwischen 53 % und 100 % gezeigt [5] [11] [12] [13] [14] ([Tab. 1]). Es konnte gezeigt werden, dass der Therapieerfolg unter Imiquimod mit der Intensität des Behandlungsregime ansteigt: Je höher die kumulative Dosis und die Behandlungsintensität, desto eher kann eine vollständige Abheilung erreicht werden [6]. Zu beachten ist, dass in bis zu 30 % klinisch vollständig abgeheilter LM histologisch noch Tumoranteile nachgewiesen werden konnten. Umgekehrt wurde bei gewissen Patienten mit inkomplettem klinischen Ansprechen histologisch (nach vollständiger Exzision) eine vollständige Clearance des Tumors nachgewiesen [14] [15].

Tab. 1

Studien, welche die Behandlung von LM mit Imiquimod 5 % untersucht haben (unterschiedliche Behandlungsschemata und Behandlungsdauer).

Studie

Anzahl Läsionen

Abheilrate (%)

Rezidivrate (%)

Follow-up (Monate, mean)

Nachweis der Abheilung

Wong et al. 2012

27

74

25,9

17,7

k + h

Kirtschig et al. 2015

24

83

4,2

38

k + h

Hyde et al. 2012

47

64

n/a[1]

Exzision 2 Monate nach Therapieende

h

Gautschi et al. 2015

89

100

18

58

k

Büttiker et al. 2008

34

100

2,9

17,2

k

Kai et al. 2016

40

72,5

0

60

k + h

Ly et al. 2011

38

53

n/a[1]

Exzision 4 Wochen nach Therapieende

h

k = klinisch, h = histopathologisch.

1 Hyde und Ly haben nach Therapie eine komplette Exzision gemacht – die Rezidivrate kann somit nicht angegeben werden.


Die bis jetzt publizierten Studien haben unterschiedliche Behandlungsprotokolle verwendet und die Nachbeobachtungszeiten variieren sehr stark. Die Rezidivzahlen sind somit schwierig miteinander zu vergleichen. Bei regelrecht durchgeführter Therapie muss mit einem Risiko von 15 – 20 % innerhalb von 5 Jahren gerechnet werden [13] [15] [16] ([Tab. 1]). Zwei Fallberichte haben die Entstehung eines LM-Melanoms unter Therapie mit Imiquimod respektive ein Rezidiv in Form eines LM-Melanoms nach Therapie mit Imiquimod beschrieben [17] [18]. Die Anwendung von Imiquimod als Neo- oder postadjuvante Therapie bei operativem Vorgehen hat variablen Erfolg gezeigt [14] [19] [20].

In unserer Klinik empfehlen wir eine topische Anwendung 1 – 2 × täglich bis zu einer starken Reaktion mit Erosion, Nässen und Verkrustung ([Abb. 1]). Eine starke Reaktion ist für den Therapieerfolg essentiell, und die Wirksamkeit von Imiquimod kann durch Okklusion mit Plastikfolie verstärkt werden. Die Therapiedauer bis zum Erreichen einer Reaktion ist individuell und dauert in der Regel zwischen 2 – 8 Wochen, kann jedoch in Einzelfällen bis 25 Wochen betragen.

Zoom
Abb. 1 60-jährige Patientin mit Lentigo maligna der Wange links. a Vor Therapie; b 7 Tage nach Therapie; c 28 Tage und (d) 10 Monate nach Therapie mit Imiquimod 5 % okklusiv 1 ×/Tag während insgesamt 22 Tagen.

Weitere topische Therapiemodalitäten

Es existieren Einzelreporte und kleine Fallserien von diversen weiteren topischen Therapiemodalitäten. Mansuy et al. haben kürzlich über die erfolgreiche Behandlung eines LM-Rezidivs mit Ingenolmebutat 0.015 % (Anwendung an 3 konsekutiven Tagen) berichtet [21]. Die im Fallbericht von Gadaldi et al. mit Ingenolmebutat behandelte Patientin zeigte in der ersten Follow-up-Kontrolle 6 Wochen nach Therapie in der konfokalen Mikroskopie ebenfalls keine Hinweise mehr für LM, nach 12 Wochen wurde jedoch in der konfokalen Mikroskopie mit histologischer Bestätigung ein Rezidiv nachgewiesen [22]. Ältere Studien berichten über eine topische Chemotherapie mit 5-Fluorouacil 5 % [23]. Wenn auch der Wirkmechanismus unzureichend bekannt ist, wurde Azelainsäure (topische Therapie während mehreren Monaten bis Jahren) erfolgreich zur Therapie von LM angewandt [24]. Auch topische Retinoide wurden zur Behandlung von LM untersucht: Chimenti et al. haben in einer Fallserie von 2 Patienten über die erfolgreichen Anwendung von Tazarotene 0,1 % berichtet. Nach einer Anwendung 1 × täglich für 6 – 8 Wochen fand sich klinisch und histologisch eine komplette Remission ohne Rezidiv im Follow-up von 30 Monaten [25]. Eine prospektive randomisierte Studie hat eine Kombinationstherapie von Imiquimod plus Tazarotene 0,1 % Gel mit einer Monotherapie mit Imiquimod verglichen. Nach 3 Monaten Behandlungsdauer haben 78 % der Patienten der Kombinationstherapie und 64 % der Patienten mit Monotherapie ein vollständiges Ansprechen (histologisch bestätigt) gezeigt, wobei der Unterschied keine statistische Signifikanz erreicht hat. Für alle diese topischen Therapieoptionen der LM fehlen aktuell genügend validierte Daten, um deren Anwendung zu empfehlen.

Auch die Radiotherapie ist eine Option zur Behandlung von LM. Die Rezidivrate liegt im Mittel bei 11,5 % [26]. An Akut- und Spätfolgen kann u. a. eine Radiodermatitis, Vernarbung, Hypopigmentierung, Teleangiektasien oder ein Plattenepithelkarzinom auftreten. Die Radiotherapie wurde ausführlich an anderen Stellen diskutiert [27].


Schlussfolgerung

Derzeit ist Imiquimod (nebst der Radiotherapie) die einzige topische Therapieoption mit genügend belegter Wirksamkeit zur Behandlung von LM. Die durchschnittliche Rezidivrate beträgt 18 % und ist somit deutlich höher als nach chirurgischer Exzision (4 %) [16]. Die Anwendung ist indiziert bei LM, welche aufgrund von Komorbiditäten, der Lokalisation und/oder der Größe chirurgisch nicht behandelt werden kann. Die Gebrauch ist jedoch ein Off-Label-Use und für einen Therapieerfolg ist eine starke lokale Immunantwort wichtig. Bei einer Monotherapie mit Imiquimod sind bei klinisch vollständig abgeheilter LM histologisch noch in 25 – 30 % Tumorreste zu erwarten. Eine regelmäßige Nachsorge zur Früherkennung eines Rezidivs ist unabdingbar. Die Kombinationstherapie von Imiquimod und anschließender Exzision muss in zukünftigen Studien weiter evaluiert werden.



Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Robert E. Hunger, MD, PhD
Freiburgstrasse 10
3011 Bern
Schweiz   


Zoom
Abb. 1 60-jährige Patientin mit Lentigo maligna der Wange links. a Vor Therapie; b 7 Tage nach Therapie; c 28 Tage und (d) 10 Monate nach Therapie mit Imiquimod 5 % okklusiv 1 ×/Tag während insgesamt 22 Tagen.