Dialyse aktuell 2016; 20(09): 419
DOI: 10.1055/s-0042-119747
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Konzepte für die langfristige Versorgung?

Christian Schäfer
1   Stuttgart
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Publication Date:
21 November 2016 (online)

Wie sieht die Gesundheitsversorgung in Deutschland in Zukunft aus? Es ist wahrscheinlich, dass das medizinische und pflegerische Wissen auf absehbare Zeit aufgrund von Forschungsaktivitäten Fortschritte machen wird. Bei dem derzeitigen Tempo des grundlegenden und detaillierten Erkenntniszuwachses im biomedizinischen und auch pflegerischen Bereich, das sich mehr und mehr beschleunigt, sollte hier sogar tendenziell neues Wissen in immer kürzeren Zeitabständen zur Verfügung stehen. Das klingt doch gut, oder?

Ja, eigentlich schon! Zu bedenken ist allerdings, dass die Etablierung neuer und ggf. aufwendiger Behandlungsmethoden zunächst einmal aus diversen Gründen sehr teuer sein kann – sei es wegen hoher Entwicklungs-, Herstellungs-, Anschaffungs- und/oder Personalkosten etc. Die Ökonomie hat im Gesundheitssystem in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen – diese hat natürlich auch ihre Berechtigung. Allerdings läuft der Trend in den letzten Jahren hin in Richtung „Überdosis Ökonomie“, wie Prof. Kurt Miller, Präsident der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V. (DGU) 2016 in Leipzig, kritisierte. Es stellt sich bei einem sich zuspitzenden Szenario schon die Frage, was der medizinisch-pflegerische Fortschritt nützt, wenn er nicht oder nur einem gewissen Teil der Bevölkerung in Form von konkreten Behandlungsmethoden zugänglich ist. Neues Wissen der Wissensvermehrung wegen zu produzieren, ist zwar für sich genommen keine verwerfliche Sache. Falls aber eine schon erarbeite Umsetzung in die Praxis aus rein ökonomischen Gründen scheitern sollte, wäre das ein Symptom eines nicht mehr ausbalancierten Systems.

Ein wichtiger Faktor bzgl. der Ökonomie sind wie erwähnt die Personalkosten. Hier sollte man allerdings Vorsicht walten lassen, denn die Versorgungsqualität der Patienten hängt bekanntermaßen durchaus auch von der Qualifikation und Zahl der Mitarbeiter in einem medizinischen Zentrum ab. Und steht nicht eigentlich der Patient im Mittelpunkt der ärztlichen und pflegerischen Bemühungen? Letztendlich stünde es gegen den ursprünglichen Sinn einer Therapieneuerung, wenn diese nicht oder nicht richtig angewendet werden kann, weil einfach die Mitarbeiter zur Umsetzung fehlen oder sie die notwendigen Kenntnisse hierfür nicht haben.

Sicherlich sollten Gesundheitsökonomen, Ärzte, Pflegekräfte, Patienten, Gesundheitspolitiker und die Medien hierbei noch stärker in den Dialog treten, um gute Lösungen zu finden. Das Ziel sollte letztendlich ein System sein, welches die vorhandenen Ressourcen und Erkenntnisse besser nutzt und möglichst vielen zugänglich macht. Auch wenn dies einen vielleicht stärkeren oder radikalen Umbau des Krankenversicherungs- und Gesundheitssystems (inkl. vermehrter Prävention) erfordert, sollte man sich nicht scheuen, die Problematik anzugehen. Denn mit immer mehr älter werdenden und potenziell multimorbideren Menschen wird das Problem künftig sicher nicht kleiner werden. Mit diesen Gedanken im Hinterkopf haben wir das vorliegende Schwerpunktheft der Dialyse aktuell gestaltet: Im Fokus steht das Langzeitüberleben der Dialysepatienten. Hier gibt es vielfältige Möglichkeiten der Therapieoptimierung, welche z. B. die Ernährung, die Blutdruckregulation und die Wahl des Nierenersatzverfahrens betrifft. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre dieser Ausgabe der Dialyse aktuell!