Aktuelle Urol 2017; 48(01): 14-17
DOI: 10.1055/s-0042-119659
Referiert und kommentiert
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Fusionsbiopsie der Prostata liefert zuverlässige Ergebnisse

Rastinehad AR. et al.
Reproducibility of Multiparametric Magnetic Resonance Imaging and Fusion Guided Prostate Biopsy:
Multi-Institutional External Validation by a Propensity Score Matched Cohort.

J Urol 2016;
195: 1737-1743
Further Information

Publication History

Publication Date:
12 April 2017 (online)

 

Die transrektale Sonografie mit systematischer Biopsie gilt derzeit als Standard für die Diagnose eines Prostatakarzinoms. Allerdings ist das Verfahren nicht immer präzise – hochgradige Erkrankungen können übersehen und niedrig maligne Veränderungen übertherapiert werden. Die Fusionsbiopsie könnte eine Alternative darstellen, aber dazu muss sie zuverlässig reproduzierbar sein. Das haben Mediziner aus den USA geprüft.


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Rastinehad et al. zogen dazu 2 Patientengruppen heran:

  • 620 Männer im National Cancer Institute (NCI) und

  • 310 im Long Island Jewish Medical Center (LIJMC)

wurden zwischen 2007 und 2014 nach dem gleichen Protokoll untersucht und biopsiert. Bei der Fusionsbiopsie werden vor der Biopsie angefertigte multiparametrische MRT-Aufnahmen mit „Livebildern“ des Ultraschalls während der Biopsie kombiniert und so gezielte Probenentnahmen aus verdächtigen Läsionen ermöglicht.

Die Mediziner verglichen u. a. die Karzinomnachweisraten sowohl aus den Fusionsbiopsien als auch aus vorher angefertigten systematischen Biopsien und die Häufigkeit eines „Upgradings“ der Karzinome durch die Fusionsbiopsie. Upgrading war hier definiert als Zunahme des Gleason-Scores im Verhältnis zur Standardbiopsie, wobei ein Gleason-Score von 3+4 oder höher als klinisch relevant galt. Die Karzinomnachweisrate betrug

  • am NIH 40% für die Fusionsbiopsie und 47,3% insgesamt (Kombination aus Fusions- und Standardbiopsie) und

  • am LIJMC 53,2% für die Fusionsbiopsie und 64,5% insgesamt.

Die beiden Gruppen unterschieden sich signifikant im Hinblick auf Alter, frühere negative Biopsien und Ausmaß des Karzinomverdachts in der MRT. Daher führten die Forscher im nächsten Schritt ein Matching für diese Variablen durch und fanden anschließend eine Karzinomnachweisrate

  • von insgesamt 47,2% (NIH) vs. 64,5% (LIJMC) und

  • nach Fusionsbiopsie von 39% (NIH) vs. 53,2% (LIJMC)

Darüber hinaus fand sich eine – allerdings nicht statistisch signifikante – höhere Upgrading-Rate zu klinisch relevanten Karzinomen nach Fusionsbiopsie am LIJMC, von 20% gegenüber 17,5% am NIH. Im letzten Schritt beurteilten Rastinehad et al. dann ausschließlich die Subgruppe der Patienten, bei denen in der Vergangenheit noch keine Biopsie erfolgt war. Dabei fanden sie heraus, dass bei diesen 319 Männern kein signifikanter Unterschied in der Karzinomnachweisrate von insgesamt 63,6% versus 69,4% und bei der Fusionsbiopsie von 56,4 vs. 59,7% bestand.

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Abb. 1 a, b entsprechen der MRT/US Fusion und auch der Fusionsbiopsie eines 62-jährigen Patienten mit einem durchschnittlichen PI-RADS Score = 5 in der multiparametrischen MRT und 6 Vorbiopsien bei einem PSA-Wert zum Zeitpunkt der Biopsie von 26,10 ng/ml. Detektierter Gleason Score in der Biopsie: 4 + 3 = 7; Gleason Score nach erfolgter DaVinci Prostatektomie: 4 + 3 = 7.
(Bild: Maxeiner A, Stephan C, Fischer T et al. Die Echtzeit-MRT/US-Fusionsbiopsie in Patienten mit und ohne Vorbiopsie mit Verdacht auf ein Prostatakarzinom. Akt Urol 2015; 46: 34–38)
Fazit

Die Fusionsbildgebung mit Biopsie kann in erfahrenen Händen klinisch relevante Prostatakarzinome zuverlässig nachweisen, wie der Vergleich der beiden Zentren hier gezeigt hat, so die Autoren. Patientenseitige – nicht methodische – Faktoren (Vorbiopsie ja/nein) könnten allerdings den Vergleich erschweren. Wünschenswert seien nun weitere derartige Gegenüberstellungen mit größeren Patientenzahlen und weiteren Kliniken, um diese Ergebnisse zu validieren.

Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim

Kommentar

Die Prostatakarzinomdiagnostik durchlebt seit einigen Jahren einen Wandel: Durch die multiparametrische MRT werden tumorsuspekte Areale in der Prostata entdeckt und können mit immer höherer Sensitivität das Vorliegen und die Aggressivität eines Prostatakarzinoms vorhersagen. Durch die Bildfusion mit dem Live-Ultraschall ermöglichen moderne Biopsiesysteme die gezielte Biopsie auffälliger Läsionen. Die Literatur zeigt zunehmend Belege für eine hierdurch erhöhte Detektion von klinisch signifikanten Tumoren. Gleichzeitig soll das Ziel verfolgt werden, die inapparenten, meist Gleason 6 – Prostatakarzinome, weniger aufzufinden. Aber können die Ergebnisse dieser gezielten Target-Biopsie auch verlässlich an unterschiedlichen Standorten reproduziert werden?

Die Studie adressiert eine relevante ungeklärte Fragestellung bei der MRT/TRUS-Fusionsbiopsie. Dass die Detektion klinisch signifikanter Prostatakarzinome eine erhebliche Verbesserung erfahren hat, ist mittlerweile unstrittig [1] [2]. Auch in der Primärdiagnostik erfährt die multiparametrische MRT mit anschließender Fusionsbiopsie mehr und mehr Zuspruch.

Das qualitativ hochwertige Biopsieergebnis ist jedoch von vielen und insbesondere mehr Faktoren abhängig, als bei der bewährten systematischen ultraschallgesteuerten Biopsie. Entscheidend hierbei ist neben einer standardisierten Bildgebung und Analyse eine exakte Bildfusion und zielgenaue Entnahme der Stanzzylinder. Die etablierte PIRADS-Klassifikation Version 1 und 2 konnte mehrfach validiert werden und zeigt Sensitivitäten bis zu 90% [3]. In dieser Arbeit unterliegt die MRT-Interpretation nicht diesem, sondern einem Institut-eigenen Score und lässt somit nur eine eingeschränkte Übertragbarkeit der Resultate zu.

Von entscheidender Bedeutung ist im Anschluss die bestmögliche Bildfusion und Biopsie der suspekten Areale. Insbesondere gilt dies vor dem Hintergrund, dass auch kleine Tumorareale unter Active Surveillance oder vor geplanter fokaler Therapie exakt lokalisiert werden müssen. Hier stehen den Anwendern nun aktuell eine Vielzahl verschiedener Biopsieplattformen zur Verfügung, die sich unterschiedliche Techniken zunutze machen. Die Variante der Bildfusion (rigide oder elastische), als auch das Tracking des Schallkopfes und der transrektale oder transperineale Zugangsweg lassen dabei einen Einfluss auf die Qualität des Biopsieergebnisses vermuten. Die Anzahl System-vergleichender Studien ist bisher sehr gering, Tendenzen zeigen sich unter anderem jedoch für bessere Resultate durch elastische Bildfusion [4].

In diesem prospektiven Vergleich der beiden biopsierten Patientenkollektive wird die Biopsie mit UroNav (rigide Bildfusion) an beiden Zentren und nach identischer MRT-Analyse durchgeführt. Unterschiede hinsichtlich der Patientencharakteristika werden durch das Matching ausgeglichen. Als relevante weitere Einflussvariable bleibt hier allerdings das Prostatavolumen außen vor [5]. Die vergleichbaren Detektionsraten signifikanter Karzinome und histopathologischen Upgradings sprechen dafür, dass mit dem gleichen Biopsiesystem unter standardisierten Bedingungen ähnliche Ergebnisse erzielt werden können. Der Unterschied in der Gesamtdetektionsrate und der Detektion durch die Target-Biopsie wurde von den Autoren auf die Gruppe der negativ vorbiopsierten Patienten zurückgeführt.

Die hohe Patientenzahl unterstützt die Aussagekraft dabei. Offen bleibt jedoch die Frage, ob ein Tumor beim selben Patienten tatsächlich auch an verschiedenen Zentren reproduzierbar detektiert werden kann. Und sind hierzu auch verschiedene Biopsieplattformen in der Lage?

Kritisch zu betrachten ist darüber hinaus die hier angeführte alleinige Analyse erfahrener Urologen und Uroradiologen, die die MRT-Interpretation und Fusionsbiopsie durchführten. Während die gewöhnliche systematische transrektale Biopsie bereits nach einer kurzen Lernkurve in frühem Ausbildungsstand verlässlich durch Assistenzärzte erfolgen kann, wäre es als eine Einschränkung für die Fusionsbiopsie in der klinischen Anwendbarkeit zu werten, wenn Reproduzierbarkeit nur durch eine kleine Untersuchergruppe mit hoher Expertise zu erzielen ist [6]. Vom befundenden Radiologen erfordert die Interpretation multiparametrischer MRT-Untersuchungen bekanntermaßen eine hohe uroradiologische Expertise auf diesem Gebiet und führt ansonsten zu schlecht reproduzierbaren Ergebnissen [7].

Weiterhin besteht immer noch keine Standardisierung der Untersuchung an sich, welche den flächendeckenden Einsatz in hoher Qualität ermöglichen würde.

Zusammenfassend ermöglicht die Arbeit eine Annahme, wie gleichwertig Karzinome in der Anzahl und im Upgrading durch die Fusionsbiopsie an verschiedenen Zentren unter jedoch annähernd identischen Bedingungen entdeckt werden können. Es gilt jedoch weiter zu untersuchen, ob die Standardisierung der MRT-Interpretation und Fusionsbiopsie auch mit verschiedenen Biopsieplattformen durch Untersucher unterschiedlicher Ausbildungsstände tatsächlich zur verlässlichen Reproduzierbarkeit führt.


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Die Autoren

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Prof. Dr. Manuel Ritter
Urologische Klinik,
Universitätsklinikum
Mannheim
manuel.ritter@medma.uni-heidelberg.de

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Dr. Niklas Westhoff
Urologische Klinik,
Universitätsklinikum
Mannheim
niklas.westhoff@umm.de

  • Literatur

  • 1 Valerio M, Donaldson I, Emberton M. et al. Detection of clinically significant prostate cancer using magnetic resonance imaging-ultrasound fusion targeted biopsy: A Systematic Review. Eur Urol 2015; 68: 8-19
  • 2 Siddiqui MM, Rais-Bahrami S, Turkbey B. et al. Comparison of MR/ultrasound fusion-guided biopsy with ultrasound-guided biopsy for the diagnosis of prostate cancer. Jama 2015; 313: 390-397
  • 3 Vargas HA, Hotker AM, Goldman DA. et al. Updated prostate imaging reporting and data system (PIRADS v2) recommendations for the detection of clinically significant prostate cancer using multiparametric MRI: Critical evaluation using whole-mount pathology as standard of reference. Eur radiol 2016; 26: 1606-1612
  • 4 Delongchamps NB, Peyromaure M, Schull A. et al. Prebiopsy magnetic resonance imaging and prostate cancer detection: Comparison of random and targeted biopsies. J Urol 2013; 189: 493-499
  • 5 de Gorski A, Roupret M, Peyronnet B. et al. Accuracy of magnetic resonance imaging/ultrasound fusion targeted biopsies to diagnose clinically significant prostate cancer in enlarged compared to smaller prostates. J Urol 2015; 194: 669-673
  • 6 Benchikh El Fegoun A, El Atat R, Choudat L. et al. The learning curve of transrectal ultrasound-guided prostate biopsies: Implications for training programs. Urology 2013; 81: 12-15
  • 7 Rosenkrantz AB, Lim RP, Haghighi M. et al. Comparison of interreader reproducibility of the prostate imaging reporting and data system and likert scales for evaluation of multiparametric prostate MRI. AJR Am J Roentgenol 2013; 201: W612-W618

  • Literatur

  • 1 Valerio M, Donaldson I, Emberton M. et al. Detection of clinically significant prostate cancer using magnetic resonance imaging-ultrasound fusion targeted biopsy: A Systematic Review. Eur Urol 2015; 68: 8-19
  • 2 Siddiqui MM, Rais-Bahrami S, Turkbey B. et al. Comparison of MR/ultrasound fusion-guided biopsy with ultrasound-guided biopsy for the diagnosis of prostate cancer. Jama 2015; 313: 390-397
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  • 5 de Gorski A, Roupret M, Peyronnet B. et al. Accuracy of magnetic resonance imaging/ultrasound fusion targeted biopsies to diagnose clinically significant prostate cancer in enlarged compared to smaller prostates. J Urol 2015; 194: 669-673
  • 6 Benchikh El Fegoun A, El Atat R, Choudat L. et al. The learning curve of transrectal ultrasound-guided prostate biopsies: Implications for training programs. Urology 2013; 81: 12-15
  • 7 Rosenkrantz AB, Lim RP, Haghighi M. et al. Comparison of interreader reproducibility of the prostate imaging reporting and data system and likert scales for evaluation of multiparametric prostate MRI. AJR Am J Roentgenol 2013; 201: W612-W618

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Abb. 1 a, b entsprechen der MRT/US Fusion und auch der Fusionsbiopsie eines 62-jährigen Patienten mit einem durchschnittlichen PI-RADS Score = 5 in der multiparametrischen MRT und 6 Vorbiopsien bei einem PSA-Wert zum Zeitpunkt der Biopsie von 26,10 ng/ml. Detektierter Gleason Score in der Biopsie: 4 + 3 = 7; Gleason Score nach erfolgter DaVinci Prostatektomie: 4 + 3 = 7.
(Bild: Maxeiner A, Stephan C, Fischer T et al. Die Echtzeit-MRT/US-Fusionsbiopsie in Patienten mit und ohne Vorbiopsie mit Verdacht auf ein Prostatakarzinom. Akt Urol 2015; 46: 34–38)