physiopraxis 2017; 15(01): 36-37
DOI: 10.1055/s-0042-119498
Therapie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Aktivitätsmesser im Überblick – Mehr Aktivität im Alltag

Gilbert Büsching

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Publication Date:
07 January 2017 (online)

 

Sitzen ist das neue Rauchen – dieser Satz kursiert seit einiger Zeit in den Medien und möchte zu mehr Bewegung im Alltag motivieren. Vielen Menschen helfen dabei sogenannte Aktivitätsmesser. Ein Überblick über die unterschiedlichen Geräte und ihre Messdaten.


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Abb.: Denys Prykhodov/fotolia.com

Bewegung schützt vor weit verbreiteten Krankheiten wie Diabetes mellitus Typ 2, Adipositas, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Osteoporose und Rückenbeschwerden. Darüber hinaus wirken sich Sport und Bewegung positiv auf die Lebenserwartung [1, 2] und die Psyche aus [3]. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt pro Woche mindestens 150 Minuten Bewegung mit moderater Intensität oder 75 Minuten mit hoher Intensität [4]. Um mehr Bewegung in den Alltag zu integrieren, können Aktivitätsmesser hilfreich sein. In diesen tragbaren Geräten sind Bewegungssensoren eingebaut. Sie zeichnen körperliche Aktivität auf und können je nach Sensor ein, zwei oder drei Bewegungsachsen erfassen, wobei die Genauigkeit bei mehrdimensionalen Sensoren in der Regel besser ist. Aktivitätsmesser gibt es in Form von Armbändern und Geräten, die man beispielsweise an Gürtel, Tasche oder Hosenbund trägt:

Schrittzähler

Die einfachsten Geräte sind Schrittzähler. Bewegungssensoren erfassen die Schrittzahl, woraus sich die zurückgelegte Distanz errechnet – vorausgesetzt die Schrittlänge ist gleich und sie ist auf den Träger angepasst. Eine Bestimmung des Energieverbrauchs ist unzuverlässig, da die Sensoren Rumpf- und Armbewegungen sowie statische und isometrische Bewegungen nicht wahrnehmen. Dennoch können diese Geräte das Aktivitätsniveau eines Patienten einschätzen und ihn motivieren, seine Aktivität zu steigern. Ein hoher Aktivitätsgrad wirkt sich beispielsweise bei Patienten mit COPD positiv auf die Mortalität aus und ist dafür der stärkste unabhängige Faktor [5].


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Aktivitätstracker

Geräte, die Bewegung aufzeichnen und die Daten mittels App oder PC auswerten, nennen sich Aktivitätstracker. Auch alle Smartphones sind heutzutage mit Bewegungssensoren ausgestattet und können mit einer passenden App als Aktivitätstracker fungieren (S. 52). Von Nachteil ist, dass sich die übertragbaren Daten leicht hacken lassen [6]. Die Feedbackmechanismen motivieren jedoch viele Patienten [7].


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Multisensorische Aktivitätstracker

Geräte wie Sensewear oder Jawbone UP3 sind multisensorische Aktivitätstracker. Je nach Hersteller zeichnen sie neben der Bewegung auch Hautwiderstand, Schwitzen, Wärmefluss und Herzfrequenz auf. Produkte, beispielsweise von Fitbit und Garmin, bestimmen über die Herzfrequenz die Intensität der Aktivität. Bei älteren Menschen ist der Unterschied zwischen Ruhepuls und maximaler Herzfrequenz allerdings nicht mehr so groß, weswegen es schwierig sein kann, die Intensität bei ihnen zuverlässig zu messen. Die Höhendifferenz beim Treppensteigen erfassen die Geräte mittels Luftdruck. Die überwundenen Höhenmeter und die Distanz einer Wegstrecke messen sie per GPS, wodurch auch die Angabe des Energieverbrauchs präziser ist.


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Aktivitätstracker mit Acceleratoren

Geräte wie movisens, MoveMonitor oder ActiGraph beinhalten neben Bewegungssensoren auch Acceleratoren, womit sie auch Positionsänderungen aufzeichnen, zum Beispiel beim Liegen, Sitzen, Stehen, Gehen und Radfahren. Zur Auswertung wird eine aufwendige und kostenintensive Software benötigt. Daher kommen diese Hightech-Geräte eher in der Wissenschaft zum Einsatz. Auch Smartphones verfügen heutzutage über Acceleratoren. Mit der Leistungsfähigkeit der Hightech-Geräte sind sie aber nicht zu vergleichen.

Smartphones sind als Schrittmesser sehr zuverlässig – vorausgesetzt man trägt sie immer mit sich.

Mindestens vier Tage à acht Stunden messen

Schrittzähler befestigt man in der Regel am Gürtel oder Handgelenk. Bei Patienten, die langsam gehen (< 3 km/h) oder stark eingeschränkt sind und zum Beispiel am Rollator gehen, empfiehlt es sich, auf einer kurzen Strecke zu überprüfen, ob die tatsächliche Schrittzahl mit der Messung des Schrittzählers übereinstimmt [8, 9]. Eventuell ist ein anderer Trageort von Vorteil, wie in der Hemdtasche oder als Kette um den Hals [10, 11].

Die Schrittzahl ist nicht jeden Tag gleich. Doch wie viel sich ein Patient im Durchschnitt bewegt, lässt sich mit Aktivitätsmessern gut bestimmen [12]. Wichtig ist, dass er das Gerät vom Aufstehen bis zum Schlafengehen trägt, mindestens aber an vier Tagen für acht Stunden [13]. Dabei ist zu beachten, dass die Aktivität am Wochenende oft geringer ist. Für Erwachsene sind 10.000 Schritte pro Tag optimal, für Kinder 12.000 und für Senioren 7.000–8.000 [14, 15]. Schwimmen oder Radfahren lässt sich bei manchen Schrittzählern von Hand nachtragen.


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Realistisch sind 500–1.000 Schritte mehr als in der Vorwoche

Möchte ein Patient seine Aktivität steigern, ist ein erreichbares Ziel wichtig, zum Beispiel jede Woche 500–1.000 Schritte mehr als in der Vorwoche. Ausdauertraining ist Patienten mit chronischen Erkrankungen oft unmöglich. Dennoch können sie ihre Alltagsaktivität steigern. Bei Patienten mit chronischen Herzerkrankungen kann man bei etwa 2.800 Schritten mehr pro Tag von einer langfristigen Verbesserung sprechen, bei Menschen mit Diabetes bei 2.400 und bei Patienten mit Krebserkrankungen bei 2.100 Schritten [16]. Bei Patienten mit COPD variieren die Angaben von 600–1.100 Schritten pro Tag [13].

In einem Wochenplan trägt der Therapeut mit dem Patienten Aktivitäten ein und hält fest, wie und mit wem dieser sie ausführen möchte. Das definierte Ziel (zum Beispiel 10.000 Schritte) überprüfen sie gemeinsam an einem festgelegten Termin. Hilfreich ist ein Alternativprogramm, wenn das Wetter nicht gut ist oder die Zeit fehlt.


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Handelsübliche Schrittzähler sind zuverlässig

Aktivitätsmesser sind besser geeignet, um Aktivität festzuhalten, als Fragebögen wie der Global Physical Activity Questionnaire. Denn diese bestimmen die aktive Zeit und die Intensität der Aktivität nicht zuverlässig, da sich die Patienten häufig nur ungenau erinnern (recall bias) [17, 18].

Die Zuverlässigkeit von im Handel erhältlichen Schrittzählern hat ein Review untersucht. Dabei zeigte sich, dass sie in Laboruntersuchungen mit einem hohen Intraklassen-Koeffizienten (ICC) von > 0,80 überzeugten [19]. Optimal ist der Wert 1,00. Die Ergebnisse für Aktivitätstracker mit Acceleratoren variierten in Feldstudien stark (ICC = 0,36–0,86) [19]. Die Genauigkeit der Schrittmessung von in Smartphones verbauten Sensoren ist gut [20]. Ungenauigkeiten für deren Streckenmessungen liegen nur bei drei Prozent [21]. Sie eignen sich daher, um Aktivitäten aufzuzeichnen – vorausgesetzt der Anwender führt sein Smartphone immer mit sich.


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Auch den Energieverbrauch erfassen Schrittzähler zufriedenstellend

Die indirekte Kalorimetrie berechnet den Energieverbrauch über den Sauerstoffverbrauch und gilt als Goldstandard. Mit diesem korrelieren multisensorische Geräte ebenso gut (r = 0,82) wie dreidimensionale Schrittzähler (r = 0,85) [22]. In Bezug auf Aktivitäten mit hoher Intensität ist die Angabe des Energieverbrauchs bei dreidimensionalen Schrittzählern sehr ungenau, zum Beispiel beim Tragen von Lasten oder beim Auf- und Bergabgehen. Die Werte sollten daher nur mit großer Vorsicht bewertet werden [23]. Doch handelsübliche Schrittzähler korrelieren mit dem Sensewear immer noch hoch genug (r = 0,77), um sie Patienten zu empfehlen [24].


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Abb.: Denys Prykhodov/fotolia.com