physiopraxis 2017; 15(01): 42-45
DOI: 10.1055/s-0042-119496
Therapie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Slide Pads in der Physiotherapie – Rutschpartie

Olaf Jenewein

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
07. Januar 2017 (online)

 

Slide Pads haben es geschaft. Ein großer deutscher Kaffeeröster, der alle paar Monate neben Heißgetränken auch Sportgeräte unters Volk bringt, hat die kleinen Rutschhilfen in sein Sortiment aufgenommen. In der Bevölkerung sind sie sehr beliebt. Grund genug, neun effektive Übungen damit vorzustellen.


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Olaf Jenewein

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Olaf Jenewein, BSc Physiotherapie, ist Co-Autor mehrerer Bücher zum Thema Functional Fitness. Der Manualtherapeut arbeitet in einer Praxis mit orthopädischem Schwerpunkt nahe Rendsburg und unterrichtet KGG als Instruktor der FOMT (www.fomt.info). Er ist überzeugt, dass hochwertiges Training auch ohne Hightech möglich ist.

Slide Pads, das sind Rutschhilfen, die es ermöglichen, kontrolliert von Haft- zu Gleitreibung zu wechseln. Sie entschärfen den Moment, den wir im Winter alle fürchten, auf YouTube aber lieben. Ums Stürzen geht es selbstverständlich nicht, sondern um ein funktionelles Training, das überall einsetzbar ist. Denn benötigt werden im einfachsten Fall nur ein bis zwei kleine Handtücher.

Nichts für jedermann

Rutschen als Training ist ein alter Bekannter, der alle Jahre wieder in neuer Gestalt auf den Markt kommt. Zum Beispiel als Valslides – die Pads, die Jet-Set-Trainerin Valerie Waters als „Geheimwaffe“ bezeichnet, oder die zusammenrollbare Gleitmatte Slide-X professional. Die Trainingshilfen folgen stets dem gleichen Prinzip: Eigengewichtstraining in geschlossener kinetischer Kette, bei dem ein oder mehrere Körperteile auf einer glatten Oberfläche kontrolliert rutschen. Der dabei generierte Widerstand ist abhängig vom Reibungswiderstand zwischen Pad und Boden, der Bewegungsgeschwindigkeit und dem Lastarm je nach Körperposition.

Das Training eignet sich vorwiegend zur Rehabilitation von Sportlern und aktiven Patienten. Denn den Körper ganz oder teilweise ins Rutschen zu bringen, ist gewöhnungsbedürftig und schwierig für Patienten mit Gleichgewichts- oder Koordinationsdefiziten. Für viele Übungen müssen die Patienten eigenständig den Vierfüßlerstand, die Bauch- oder die Rücken lage einnehmen und wieder verlassen können.


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Von großer Bahn zu kleinem Pad

Der Ursprung der Methode lässt sich bis in die 1990er Jahre zurückverfolgen. Damals entwickelten der Ex-Footballer Jeff Markland und der mehrfache Goldmedaillen-Gewinner im Eisschnelllauf Eric Heiden unabhängig voneinander die ersten Trainingsmittel mit rutschiger Oberfläche. Die Nutzer sollten dabei zwischen zwei rutschfesten Enden hinund hergleiten. Beide Athleten wurden in Sportarten groß, bei denen kraftvolle Bewegungen in der Frontalebene essenziell für den Erfolg sind. Marklands Geistesblitz schafte es mit Unterstützung von Reebok als Reebok Slide zur Marktreife und in die Fitnessstudios. Hier glitten die Sportbegeisterten dann in Gruppen mit speziellen Überschuhen auf den Slideboards hin und her [1]. Doch der Trend ebbte rasch ab. Viele Kursteilnehmer fühlten sich nicht wohl auf den grauen Rutschbahnen, und vielen blieb der Nutzen der an Eisschnelllauf erinnernden Basisübung unklar. Zu fremd war ihnen das seitliche Hin und Her, wenn doch der Großteil der Bewegungen im richtigen Leben vor- und zurückgeht. Etwas später kamen daher hand- und fußgroße Rutschhilfen auf den Markt, die nur einen Untergrund benötigen, auf dem sie leicht gleiten. Solche Produkte sind ab circa 20 Euro erhältlich und eignen sich für zahlreiche Kraft- und Kraftausdauerübungen. Für Übungen, die Patienten zu Hause durchführen sollen, reicht aber durchaus auch ein zweckentfremdetes Handtuch.

Doch auch die Rutschbahnen kamen erneut auf den Markt – als transportable Gleitmatten mit und ohne rutschfeste Stopper an den Enden. Sie sind deutlich größer und teurer und kosten je nach Hersteller zwischen 140 und 549 Euro. Ihr Vorteil ist, dass sie sicherer sind, da die Rutschfläche räumlich begrenzt ist. Die Modelle mit Stoppern ermöglichen zudem kraftvolle, explosive Bewegungsabläufe, wie sie beim Eisschnelllauf und Speed-Skating erforderlich sind. Kimura und Kollegen konnten nachweisen, dass diese Übung Herzfrequenz und Sauerstoffaufnahme so steigert, dass die Kriterien für ein aerobes Training erfüllt sind [2]. Derartige Modelle stellen zum Beispiel die Firmen Flowin und Ultra Slide her.

Olaf Jenewein


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Hüftgelenkrotation

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Abb.: Image Com Ronald Doll
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Abb.: Image Com Ronald Doll


Qualität:

ASTE: Hüftbreiter Stand. Der rechte Fuß steht auf der Rutschhilfe ([Abb. 1A]).

Aktion: Die Trainierende dreht den rechten Fuß abwechselnd so weit wie möglich nach innen und außen ([ABB. 1B]).

Dosierung: Je Seite 3 Serien mit 15–20 Wiederholungen, dazwischen 1 Minute Serienpause. Die Bewegung sollte langsam und fließend sein.

Ziel: Verbessern der Kraftausdauer der Hüftgelenkrotatoren


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Tisch-Wischer

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Abb.: Image Com Ronald Doll
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Abb.: Image Com Ronald Doll


Qualität:

ASTE: Sitz an der Liege, Arm auf Schulterhöhe. Die Trainierende zieht das Schulterblatt aktiv in Richtung Wirbelsäule (Retraktion) ([ABB. 2A]).

Aktion: Die Trainierende schiebt den Arm nach vorne und bewegt das Schulterblatt dabei nach außen vorne (Protraktion) ([ABB. 2B]). Dabei soll möglichst wenig die Brustmuskulatur (M. pectoralis major und minor) eingesetzt werden, sondern der vordere Sägemuskel (M. serratus anterior). Den Rumpf nicht drehen und einen Buckel vermeiden.

Dosierung: Je Seite 2–3 Serien mit 15 Wiederholungen, dazwischen 1 Minute Serienpause. Die Bewegung sollte langsam und fließend sein.

Ziel: Innervationsschulung des vorderen Sägemuskels. Die Übung eignet sich besonders für Patienten mit Schulter- und Halswirbelsäulenbeschwerden.


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Ausfallschritt seitwärts

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Abb.: Image Com Ronald Doll
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Abb.: Image Com Ronald Doll


Qualität:

ASTE: Hüftbreiter Stand, Füße leicht nach außen gedreht. Der rechte Fuß steht auf der Rutschhilfe ([ABB. 3A]).

Aktion: Die Trainierende schiebt den rechten Fuß nach außen, das rechte Knie bleibt gestreckt. Das linke Bein beugt sich in Hüft- und Kniegelenk, dabei sollen Hüfte und Knie senkrecht über dem Fuß bleiben. Zum Wahren der Balance kann man die Arme zeitgleich nach vorne schieben ([ABB. 3B]).

Dosierung: Für ein Hypertrophietraining je Seite 5 Serien mit 8–12 Wiederholungen, dazwischen 2 Minuten Serienpause. Die Bewegung sollte langsam und fließend sein.

Ziel: Kräftigung der Hüft- und Kniegelenkstrecker sowie der Hüftgelenkabduktoren bei gleichzeitiger dynamischer Dehnung der Adduktoren


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Ausfallschritt rückwärts

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Abb.: Image Com Ronald Doll
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Qualität:

ASTE: Hüftbreiter Stand, Füße leicht nach außen gedreht. Der rechte Fuß steht auf der Rutschhilfe ([ABB. 4A]).

Aktion: Die Trainierende schiebt den rechten Fuß nach hinten und streckt dadurch das Hüftgelenk. Das rechte Kniegelenk kommt im Laufe der Bewegung in eine leichte Beugung. Das linke Bein beugt sich in Hüft- und Kniegelenk, dabei sollen Hüfte und Knie senkrecht über dem Fuß bleiben. Um die Balance zu wahren, kann man die Arme zeitgleich nach vorne schieben ([ABB. 4B]).

Dosierung: Für ein Hypertrophietraining je Seite 5 Serien mit 8–12 Wiederholungen, dazwischen 2 Minuten Serienpause. Die Bewegung sollte langsam und gleichmäßig sein.

Ziel: Kräftigung der Hüft- und Kniegelenkstrecker bei gleichzeitiger dynamischer Dehnung der Hüftgelenkbeuger


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Raupe rückwärts

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Abb.: Image Com Ronald Doll
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Abb.: Image Com Ronald Doll


Qualität:

ASTE: Rückenlage, Beine angestellt. Die Füße stehen auf den Rutschhilfen etwa hüftbreit auseinander ([ABB. 5A]).

Aktion: Die Trainierende hebt ihr Gesäß bis zur vollen Hüftgelenkstreckung und schiebt anschließend die Füße nach vorne, indem sie die Kniegelenke streckt. Die Hüftgelenke bleiben über den gesamten Bewegungsweg gestreckt und der Schultergürtel bleibt am Boden ([ABB. 5B]). Durch Beugen der Hüft- und Kniegelenke kehrt man in der Ausgangslage zurück.

Dosierung: 3 Serien mit 15 Wiederholungen, dazwischen 1 Minute Serienpause. Die Bewegung sollte langsam und gleichmäßig sein.

Ziel: Verbessern der Kraftausdauer der Hüftgelenk- und Rückenstrecker sowie der Ischiis. Anstrengender wird es, wenn man elastische Bänder über die Hüfte spannt und mit den Händen seitlich fixiert.


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Rückwärtsplanke – Langsitz

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Abb.: Image Com Ronald Doll
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Qualität:

ASTE: Langsitz, Hände neben dem Gesäß aufgestellt, Finger zeigen leicht nach außen. Die Fersen liegen auf den Rutschhilfen.

Aktion: Die Trainierende schiebt die Füße nach vorne, das Gesäß hebt ab, die Hüft- und Schultergelenke bewegen in Streckung ([ABB. 6A]). Dann kehrt sie in die Ausgangsposition zurück, hält das Gesäß aber in der Luft und versucht, die gestreckten Beine so weit wie möglich zwischen die Arme zu ziehen ([ABB. 6B]).

Dosierung: 3 Serien mit 15–20 Wiederholungen, dazwischen 1 Minute Serienpause. Die Bewegung sollte langsam sein.

Ziel: Verbessern der Kraftausdauer der Hüftgelenk- und Rückenstrecker sowie der Bauchmuskulatur. Die Übung ist nicht geeignet für Patienten mit Rückenschmerzen, die auf Beugung empfindlich reagieren, und nichts für Patienten mit vorderer Schulterinstabilität.


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Butterfly

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Abb.: Image Com Ronald Doll
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Qualität:

ASTE: Schulterbreiter Unterarmstütz auf den Rutschhilfen. Das Becken ist aufgerichtet, die Knie liegen auf, die Füße sind gekreuzt ([ABB. 7A]).

Aktion: Die Trainierende bewegt die Unterarme parallel nach außen, bis die Brust fast den Boden berührt ([ABB. 7B]). Dann zieht sie die Arme wieder in die Ausgangslage zurück. Das Becken soll stets aufgerichtet bleiben.

Dosierung: Für ein Hypertrophietraining 3–5 Serien mit 8–12 Wiederholungen, dazwischen 1–2 Minuten Serienpause. Die Bewegung sollte langsam und gleichmäßig sein.

Ziel: Kräftigung des großen Brustmuskels (Pectoralis major) und Kraftausdauer für den Rumpf. Die Übung kann erschwert werden, indem die Trainierende die Füße hüftbreit auseinanderstellt und die Knie nicht mehr den Boden berühren.


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Seitstütz

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Abb.: Image Com Ronald Doll
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Qualität:

ASTE: Seitstütz, Knie und Unterschenkel liegen auf, Kniegelenke etwa 90 Grad gebeugt. Der rechte Ellenbogen steht senkrecht unter der Schulter, das Becken ist abgehoben. Der Unterarm liegt auf der Rutschhilfe ([ABB. 8A]).

Aktion: Die Trainierende spreizt den Arm ab und schiebt dabei die Rutschhilfe nach oben, bis das Becken den Boden leicht berührt ([ABB. 8B]). Dann zieht sie den Arm wieder in die Ausgangslage heran.

Dosierung: Je Seite 3–5 Serien mit 8–12 Wiederholungen, dazwischen 1–2 Minuten Serienpause. Die Bewegung sollte langsam und gleichmäßig sein.

Ziel: Dynamische Kräftigung des großen Rückenmuskels (Latissimus dorsi) bei statischer Kräftigung der seitlichen Rumpfmuskulatur. Diese Übung ist anspruchsvoll. Es empfiehlt sich, mit kleinen Bewegungen des aufgestellten Armes zu beginnen.


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Spiderman-Liegestütz

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Abb.: Image Com Ronald Doll
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Qualität:

ASTE: Liegestützposition, Becken aufgerichtet, Hände etwas mehr als schulterbreit und Füße hüftbreit aufgestellt. Die Vorfüße stehen auf den Rutschhilfen ([ABB. 9A]).

Aktion: Die Trainierende beugt die Ellenbogengelenke wie beim Liegestütz und zieht zeitgleich das linke Knie in Richtung linker Schulter. Dabei wird das Hüftgelenk abgespreizt und nach außen gedreht ([ABB. 9B]). Das Becken soll stets aufgerichtet bleiben.

Dosierung: Je Seite 3–5 Serien mit 8–12 Wiederholungen, dazwischen 1–2 Minuten Serienpause. Die Bewegung sollte langsam und gleichmäßig sein.

Ziel: Dynamische Kräftigung für die Brustmuskeln und den Trizeps mit statischer Kräftigung der Bauchmuskeln und Mobilisation der Hüftgelenke. Diese Übung ist extrem anspruchsvoll.


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