physiopraxis 2017; 15(01): 62
DOI: 10.1055/s-0042-119485
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Die Rechtsfrage: Darf ich einem anderen Arbeitgeber Auskunft über eine ehemalige Mitarbeiterin geben?

Karsten Bossow

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
07. Januar 2017 (online)

 

„Neulich wollte mich ein Praxisinhaber zu einer ehemaligen Mitarbeiterin befragen, die sich bei ihm beworben hatte. Darf ich ihm über sie Auskunft geben? Die Mitarbeiterin hatte damals gerichtlich ein Einser-Zeugnis von mir eingeklagt, obwohl sie absolut keine Eins war.”

Praxisinhaberin aus dem Rhein-Neckar-Kreis


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Karsten Bossow

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Karsten Bossow ist seit 1999 Rechtsanwalt. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht und Medizinrecht beantwortet seit 2012 Ihre Leserfragen.

Die Antwort unseres Experten

Dass sich ein Arbeitgeber über neue Mitarbeiter informieren möchte, kommt häufig, wenn nicht sogar regelmäßig vor. Es ist bekannt, dass Zeugnisse nur einen ersten Anhaltspunkt bieten.

Ein Zeugnis muss inhaltlich der Wahrheit entsprechen. Hinsichtlich der Tätigkeiten, die ein Mitarbeiter ausgeübt hat, wird es kaum Probleme geben. Aber es wird oft über die Bewertung und Verwendung bestimmter Formulierungen gestritten. In der Rechtsprechung wurde ein Formulierungskatalog entwickelt, der einer Bewertung auf einer Notenskala von 1 bis 5 entsprechen soll. Da es sich aber nicht um zwingende Vorgaben handelt, steht dem Arbeitgeber weitgehend offen, was er in das Zeugn is aufnimmt und wie er es formuliert. Arbeitnehmer haben grundsätzlich nur auf ein „durchschnittliches“ Zeugnis Anspruch, was der Schulnote „befriedigend“ entspricht. Wollen sie eine bessere Note, müssen sie im Streitfall nachweisen, dass sie besser als der Durchschnitt sind. Ein Rechtsstreit über Inhalt und Formulierung von Zeugnissen dauert oft lange und ist mit Kosten verbunden. Deshalb und aus Fürsorge im Interesse der Mitarbeiter erteilt der Arbeitgeber meist ein gutes Zeugnis. Er muss jedoch beachten, dass er sich bei wissentlich falschen Angaben gegenüber dem neuen Arbeitgeber auch ersatzpflichtig machen kann, wenn davon auszugehen ist, dass der Mitarbeiter dort einen Schaden verursachen kann.

Auch nach dem Vertragsende sind Pflichten gegenüber ehemaligen Mitarbeitern zu beachten. Ruft wie in Ihrem Fall ein neuer Arbeitgeber an, muss man ihm auf Wunsch des früheren Mitarbeiters Auskünfte erteilen. Das ist vergleichbar mit dem Zeugnisanspruch. Auch beim Telefonat sind Sie als frühere Arbeitgeberin inhaltlich zur Wahrheit verpflichtet, soweit Sie Auskünfte erteilen. Sie sollten sich während des Gesprächs Stichpunkte machen, weil Arbeit nehmer anschließend Auskunft über den Inhalt der Telefonate verlangen können.

Gegen oder ohne den Willen der Mitarbeiter haben Arbeitgeber keine Aus kunftspflicht. Teilweise erhalten sie aber vor den Gerichten das Recht dazu, weil sie andere Arbeitgeber unter stützen dürfen. Dem kann das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer ent gegenstehen. Verletzt der Arbeitgeber die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Auskunft oder erteilt er eine Auskunft gegen den Willen eines Mitarbeiters, kommen Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche in Betracht. Am besten fragt der Arbeitgeber seine früheren Mitarbeiter bei Übergabe der Kündigung, ob sie mit einer Auskunfterteilung einverstanden sind.

In Ihrem Fall empfehle ich, die Auskunft gegenüber dem Anrufer zu verweigern. Dieser kann sich dann sein eigenes Bild machen.

Karsten Bossow


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