Einleitung
Die erworbene reaktive perforierende Dermatose (ERPD) ist eine seltenere Hauterkrankung,
bei der degeneriertes Kollagen transdermal ausgeschleust wird. Eine Assoziation mit
Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus oder metabolisch relevanten Störungen
wie Niereninsuffizienz [1] wurde wiederholt beschrieben und gilt als bekannt, ebenso ein paraneoplastisches
Auftreten im Rahmen von Tumorerkrankungen [2].
Klinisch imponieren erythematöse Papeln oder flache Plaques mit zentralen, festhaftenden,
schwärzlich-braunen „Keratin-Kegeln“, welche formal nicht als Nekrose anzusprechen
sind.
Prädilektionsstellen sind der Stamm, hier besonders der Schultergürtel, und die Glutealregion
sowie die Streckseiten der Extremitäten.
Die Effloreszenzen können jucken und besonders anfangs mit einer Prurigo verwechselt
werden. Da lokale Traumata als zusätzliche Trigger beschrieben sind, kann auch eine
(z. B. diabetische oder renale) Prurigo in eine ERPD übergehen bzw. beide Krankheitsbilder
nebeneinander bestehen.
Therapeutische Maßnahmen können unbefriedigend sein und führen meist nur protrahiert
zu einer Besserung. Hierbei kommen UVA- oder UVB-Fototherapien, topische Steroide,
keratolytische Externa, topische Retinoide oder nach Kasuistiken in der Literatur
auch Allopurinol [3] in Betracht.
Kasuistik
In unserer Klinik kam eine 75-jährige Patientin zur Aufnahme, bei der eine reaktive
perforierende Dermatose seit ca. 4 Monaten bestand.
Die histologische Diagnosesicherung war bereits im Dezember 2015 in der Universitäts-Hautklinik
Erlangen erfolgt: „reaktive perforierende Kollagenose mit reaktiver Elimination kollagener
Fasern. Kein Nachweis einer floriden Vaskulitis“ ([Abb. 2]).
Der klinische Befund zeigte zwar ein für die ERPD morphologisch klassisches Bild ([Abb. 1]), jedoch ausschließlich lokalisiert an den Füßen und Beinen mit distaler Betonung.
Zudem bestand extreme Schmerzhaftigkeit der Effloreszenzen trotz bereits prästationär
eingeleiteter 3-facher Schmerzmedikation (Kombination NSAID und Opiate).
Abb. 1 Charakteristische erythematöse Papeln oder Plaques mit zentralen, braunschwarzen,
plattenartigen „Pfröpfen“, teils bereits herausgelöst.
Abb. 2 Histologie: Ausschleusung nekrotischen kollagenen Materials durch die Epidermis.
Anamnestisch sind ein nicht primär insulinabhängiger, zuletzt aber insulingeführter
Diabetes mellitus, ein Myokardinfarkt 2014, eine arterielle Hypertonie und eine Hypercholesterinämie
zu nennen. Zudem war 2 Monate vor Aufnahme eine PTA der Arteria tibialis anterior
rechts bei pAVK vom Unterschenkeltyp erfolgt.
Es bestand eine Antikoagulation mit Marcumar und Clopidogrel; weitere Medikation:
Atorvastatin, eine Amlodipin/Valsartan/Hydrochlorothiazid-Fixkombination, Metoprolol,
Moxonidin, Glycerolnitrat-Spray, ein Kurzzeit- und ein Basal-Insulin sowie aufgrund
der Schmerzen Fentanyl-Pflaster, Metamizol und Tramadol retard.
Bei Aufnahme war der Diabetes gut eingestellt mit unauffälligem Nüchternblutzucker
und einem HbA1c von 6,6 %. Laborchemisch zeigte sich eine leichte Hyperurikämie von
6,4 mg/dl. Es bestand zudem ein symptomatischer Harnwegsinfekt durch E. coli, welcher hier Resistogramm-adaptiert antibiotisch mit Ciprofloxacin therapiert wurde.
Alle übrigen Routinelaborparameter, auch Kreatinin und CRP, lagen im Referenzbereich.
Therapeutisch kamen rückfettende, entzündungshemmende und keratolytische Externa,
teils unter Folienokklusion, zum Einsatz und es erfolgte eine kombinierte UVA-1- und
UVB-311 nm-Fototherapie der Beine. Unterstützend wurde Desloratadin verordnet, ferner
entschieden wir uns nach Einzelfallberichten in der Literatur für die ohnehin aufgrund
leichter Hyperurikämie indizierte Gabe von Allopurinol. Optimierung der Schmerztherapie
erfolgte mittels Aufdosierung der transdermalen Gabe von Fentanyl auf 75 ng alle 3
Tage, Ibuprofen bis zu 1800 mg/d und zusätzlich Oxycodon, jeweils vor Verbandwechseln.
Hierunter zeigte sich ein stark protrahierter Heilungsverlauf. Die Ulzerationen nach
Herauslösen der Kollagenkegel waren, v. a. an den Füßen, ungewöhnlich tief für eine
ERPD. Nach 12-tägiger Behandlung trat eine krisenhafte Zuspitzung der Schmerzsymptomatik,
begleitet von zunehmender Übelkeit, ein, sodass die Patientin in einem Gefäßzentrum
vorgestellt wurde, wobei sich ein Verschluss der linken Arteria tibialis posterior
und ein monophasisch reduzierter Durchfluss der linken Arteria dorsalis pedis und
Arteria fibularis zeigten. Es erfolgte umgehende Verlegung der Patientin in die Gefäßchirurgie,
wo umgehend und erfolgreich eine PTA multipler Stenosen der linken A. tibialis anterior
erfolgte. Die Wundtherapie dort umfasste chirurgische Debridements größerer Plaques
und Applikation eines Filtrats von Clostridium histolyticum zur enzymatischen Wundreinigung. Innerhalb von 14 Tagen wurde eine deutliche Heilungstendenz
aller Plaques gesehen.
Diskussion
Die Besonderheit dieses Falles besteht in einer zeitlichen Korrelation der Erstmanifestation
einer ERPD mit einer interventionsbedürftig sich zuspitzenden peripheren arteriellen
Verschlusskrankheit beider Beine und der damit ebenfalls korrelierenden Lokalisation
der ERPD ausschließlich an den Beinen bei starker Schmerzhaftigkeit der Effloreszenzen.
Während bisher also vor allem mikroangiopathische Faktoren infolge von Diabetes mellitus
oder Niereninsuffizienz als assoziiert gesehen wurden, scheint dieser Fall auch auf
die Möglichkeit der akuten Verschlechterung einer ERPD durch eine Makroangiopathie
hinzudeuten.