Aktuelle Dermatologie 2016; 42(12): 526-527
DOI: 10.1055/s-0042-119435
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Stark schmerzhafte reaktive perforierende Dermatose ausschließlich der unteren Extremität bei pAVK beider Beine

Extraordinarily Painful Acquired Reactive Perforating Dermatosis Exclusively on the Legs in a Patient with Peripheral Artery Occlusive Disease
T. E. Glaenz
PsoriSol-Hautklinik, Fachklinik für Dermatologie, Allergologie und Dermatochirurgie, Hersbruck
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Korrespondenzadresse

Dr. med. Thomas Glaenz
Leitender Oberarzt
PsoriSol-Hautklinik
Fachklinik für Dermatologie, Allergologie und Dermatochirurgie
Mühlstraße 31
91217 Hersbruck

Publication History

Publication Date:
06 December 2016 (online)

 

Zusammenfassung

Wir berichten über eine 75-jährige Patientin mit insulingeführtem Diabetes mellitus Typ IIb, bei der das Auftreten einer auffallend schmerzhaft verlaufenden erworbenen reaktiven perforierenden Dermatose (ERPD) zeitlich sowie lokalisationsbezogen mit einer interventionsbedürftig sich zuspitzenden pAVK der Beine korrelierte.


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Abstract

We report the case of a 75-year-old female patient with known insulin dependent diabetes, who presented with a painful acquired reactive perforating dermatosis localized in the region of intervention-requiring peripheral artery occlusive disease of the lower extremities


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Einleitung

Die erworbene reaktive perforierende Dermatose (ERPD) ist eine seltenere Hauterkrankung, bei der degeneriertes Kollagen transdermal ausgeschleust wird. Eine Assoziation mit Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus oder metabolisch relevanten Störungen wie Niereninsuffizienz [1] wurde wiederholt beschrieben und gilt als bekannt, ebenso ein paraneoplastisches Auftreten im Rahmen von Tumorerkrankungen [2].

Klinisch imponieren erythematöse Papeln oder flache Plaques mit zentralen, festhaftenden, schwärzlich-braunen „Keratin-Kegeln“, welche formal nicht als Nekrose anzusprechen sind.

Prädilektionsstellen sind der Stamm, hier besonders der Schultergürtel, und die Glutealregion sowie die Streckseiten der Extremitäten.

Die Effloreszenzen können jucken und besonders anfangs mit einer Prurigo verwechselt werden. Da lokale Traumata als zusätzliche Trigger beschrieben sind, kann auch eine (z. B. diabetische oder renale) Prurigo in eine ERPD übergehen bzw. beide Krankheitsbilder nebeneinander bestehen.

Therapeutische Maßnahmen können unbefriedigend sein und führen meist nur protrahiert zu einer Besserung. Hierbei kommen UVA- oder UVB-Fototherapien, topische Steroide, keratolytische Externa, topische Retinoide oder nach Kasuistiken in der Literatur auch Allopurinol [3] in Betracht.


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Kasuistik

In unserer Klinik kam eine 75-jährige Patientin zur Aufnahme, bei der eine reaktive perforierende Dermatose seit ca. 4 Monaten bestand.

Die histologische Diagnosesicherung war bereits im Dezember 2015 in der Universitäts-Hautklinik Erlangen erfolgt: „reaktive perforierende Kollagenose mit reaktiver Elimination kollagener Fasern. Kein Nachweis einer floriden Vaskulitis“ ([Abb. 2]).

Der klinische Befund zeigte zwar ein für die ERPD morphologisch klassisches Bild ([Abb. 1]), jedoch ausschließlich lokalisiert an den Füßen und Beinen mit distaler Betonung. Zudem bestand extreme Schmerzhaftigkeit der Effloreszenzen trotz bereits prästationär eingeleiteter 3-facher Schmerzmedikation (Kombination NSAID und Opiate).

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Abb. 1 Charakteristische erythematöse Papeln oder Plaques mit zentralen, braunschwarzen, plattenartigen „Pfröpfen“, teils bereits herausgelöst.
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Abb. 2 Histologie: Ausschleusung nekrotischen kollagenen Materials durch die Epidermis.

Anamnestisch sind ein nicht primär insulinabhängiger, zuletzt aber insulingeführter Diabetes mellitus, ein Myokardinfarkt 2014, eine arterielle Hypertonie und eine Hypercholesterinämie zu nennen. Zudem war 2 Monate vor Aufnahme eine PTA der Arteria tibialis anterior rechts bei pAVK vom Unterschenkeltyp erfolgt.

Es bestand eine Antikoagulation mit Marcumar und Clopidogrel; weitere Medikation: Atorvastatin, eine Amlodipin/Valsartan/Hydrochlorothiazid-Fixkombination, Metoprolol, Moxonidin, Glycerolnitrat-Spray, ein Kurzzeit- und ein Basal-Insulin sowie aufgrund der Schmerzen Fentanyl-Pflaster, Metamizol und Tramadol retard.

Bei Aufnahme war der Diabetes gut eingestellt mit unauffälligem Nüchternblutzucker und einem HbA1c von 6,6 %. Laborchemisch zeigte sich eine leichte Hyperurikämie von 6,4 mg/dl. Es bestand zudem ein symptomatischer Harnwegsinfekt durch E. coli, welcher hier Resistogramm-adaptiert antibiotisch mit Ciprofloxacin therapiert wurde. Alle übrigen Routinelaborparameter, auch Kreatinin und CRP, lagen im Referenzbereich.

Therapeutisch kamen rückfettende, entzündungshemmende und keratolytische Externa, teils unter Folienokklusion, zum Einsatz und es erfolgte eine kombinierte UVA-1- und UVB-311 nm-Fototherapie der Beine. Unterstützend wurde Desloratadin verordnet, ferner entschieden wir uns nach Einzelfallberichten in der Literatur für die ohnehin aufgrund leichter Hyperurikämie indizierte Gabe von Allopurinol. Optimierung der Schmerztherapie erfolgte mittels Aufdosierung der transdermalen Gabe von Fentanyl auf 75 ng alle 3 Tage, Ibuprofen bis zu 1800 mg/d und zusätzlich Oxycodon, jeweils vor Verbandwechseln.

Hierunter zeigte sich ein stark protrahierter Heilungsverlauf. Die Ulzerationen nach Herauslösen der Kollagenkegel waren, v. a. an den Füßen, ungewöhnlich tief für eine ERPD. Nach 12-tägiger Behandlung trat eine krisenhafte Zuspitzung der Schmerzsymptomatik, begleitet von zunehmender Übelkeit, ein, sodass die Patientin in einem Gefäßzentrum vorgestellt wurde, wobei sich ein Verschluss der linken Arteria tibialis posterior und ein monophasisch reduzierter Durchfluss der linken Arteria dorsalis pedis und Arteria fibularis zeigten. Es erfolgte umgehende Verlegung der Patientin in die Gefäßchirurgie, wo umgehend und erfolgreich eine PTA multipler Stenosen der linken A. tibialis anterior erfolgte. Die Wundtherapie dort umfasste chirurgische Debridements größerer Plaques und Applikation eines Filtrats von Clostridium histolyticum zur enzymatischen Wundreinigung. Innerhalb von 14 Tagen wurde eine deutliche Heilungstendenz aller Plaques gesehen.


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Diskussion

Die Besonderheit dieses Falles besteht in einer zeitlichen Korrelation der Erstmanifestation einer ERPD mit einer interventionsbedürftig sich zuspitzenden peripheren arteriellen Verschlusskrankheit beider Beine und der damit ebenfalls korrelierenden Lokalisation der ERPD ausschließlich an den Beinen bei starker Schmerzhaftigkeit der Effloreszenzen.

Während bisher also vor allem mikroangiopathische Faktoren infolge von Diabetes mellitus oder Niereninsuffizienz als assoziiert gesehen wurden, scheint dieser Fall auch auf die Möglichkeit der akuten Verschlechterung einer ERPD durch eine Makroangiopathie hinzudeuten.


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Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Wagner G, Sachse MM. Erworbene reaktive perforierende Dermatose. J Dtsch Dermatol Ges 2013; 11: 723-729
  • 2 Yazdi S, Saadat P, Young S et al. Acquired reactive perforating collagenosis associated with papillary thyroid carcinoma: a paraneoplastic phenomenon?. Clin Exp Dermatol 2009; 35: 152-155
  • 3 Tilz H, Becker JC, Legat F et al. Allopurinol in the treatment of acquired reactive perforating collagenosis. An Bras Dermatol 2013; 88: 94-97

Korrespondenzadresse

Dr. med. Thomas Glaenz
Leitender Oberarzt
PsoriSol-Hautklinik
Fachklinik für Dermatologie, Allergologie und Dermatochirurgie
Mühlstraße 31
91217 Hersbruck

  • Literatur

  • 1 Wagner G, Sachse MM. Erworbene reaktive perforierende Dermatose. J Dtsch Dermatol Ges 2013; 11: 723-729
  • 2 Yazdi S, Saadat P, Young S et al. Acquired reactive perforating collagenosis associated with papillary thyroid carcinoma: a paraneoplastic phenomenon?. Clin Exp Dermatol 2009; 35: 152-155
  • 3 Tilz H, Becker JC, Legat F et al. Allopurinol in the treatment of acquired reactive perforating collagenosis. An Bras Dermatol 2013; 88: 94-97

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Abb. 1 Charakteristische erythematöse Papeln oder Plaques mit zentralen, braunschwarzen, plattenartigen „Pfröpfen“, teils bereits herausgelöst.
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Abb. 2 Histologie: Ausschleusung nekrotischen kollagenen Materials durch die Epidermis.