Fortschr Neurol Psychiatr 2016; 84(11): 665
DOI: 10.1055/s-0042-119389
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Guillain-Barré-Syndrom – M. pneumoniae als Auslöser identifiziert

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Publication Date:
15 November 2016 (online)

Experten der Universität Zürich ist es erstmals gelungen, Mykoplasmen von einem Guillain-Barré-Syndrom-(GBS-)Patienten im Labor zu kultivieren. Ausschlaggebend ist die große Ähnlichkeit von Strukturen auf der Oberfläche der Bakterien mit körpereigenen Strukturen der Nervenscheiden. Diese führt dazu, dass sich die Immunabwehr sowohl gegen die Mykoplasmen als auch gegen die umhüllende Myelinschicht von Nervenbahnen richtet.

„Dabei handelt es sich um Antikörper, die ein bestimmtes bakterielles Glykolipid erkennen: ein Zucker-Fett-Molekül, das auf der Zellmembran der Erreger sitzt. Diese Antikörper binden gleichzeitig an Galactocerebrosid (GalC), einer der häufigsten Bausteine im menschlichen Myelin“, sagt Erstautor der Studie, Patrick Meyer Sauteur. Diese fettreiche Substanz stelle die elektrische Leitfähigkeit der Nervenfasern sicher. Werde sie zerstört, komme es zu Lähmungen an Armen und Beinen, Schwäche und Empfindungsstörungen. Bereits zuvor wurden bei GBS-Patienten vereinzelt Antikörper gegen GalC nachgewiesen. Auch beim erwähnten Patienten fanden sich solche, und ihre Konzentration im Blut korrelierte mit dem Krankheitsverlauf. Tatsächlich reagierten die Anti-GalC-Antikörper in Tests am stärksten mit dem vom Patienten entnommenen und im Labor kultivierten Bakterienstamm. Auch weitere Mykoplasmen-Stämme reagierten, wenn auch schwächer, wohingegen andere Bakterienarten nicht erkannt wurden. Somit war der Nachweis der Kreuzreaktivität des Antikörpers erbracht.

189 Erwachsene und 24 Kinder mit GBS wurden auf Antikörper gegen Mykoplasmen und GalC untersucht, die Ergebnisse dann mit einer Kontrollgruppe von 677 Personen verglichen. Dabei fand sich bei 3 % der Erwachsenen und 21 % der Kinder eine kürzliche Mykoplasmen-Infektion – häufiger als bei den gesunden Kontrollpersonen. Nahezu gleich oft ließen sich im Blut Antikörper gegen GalC nachweisen: bei 3 % der Erwachsenen und 25 % der Kinder. Und auch diese reagierten mit mehreren Bakterienstämmen.

Es fanden sich Anti-GalC-Antikörper auch bei Patienten ohne GBS, die zuvor mit Mykoplasmen infiziert wurden. Allerdings waren diese ausschließlich vom Antikörper-Isotyp M, dem im Verlauf einer Immunantwort am frühesten gebildeten Typ. Die Anti-GalC-Antikörper bei GBS-Patienten waren dagegen vom Typ IgG. „Wir vermuten daher, dass dieser Wechsel des Antikörper-Typs für die Entstehung von GBS mitverantwortlich ist. Auch bei anderen Autoimmunkrankheiten nimmt man an, dass ein solcher Wechsel des Antikörper-Typs die Erkrankung verursacht“, so Meyer Sauteur. Dagegen gerichtete Immuntherapien könnten GBS wirksam behandeln.

Nach einer Mitteilung der Universität Zürich