Diabetes aktuell 2016; 14(06): 254
DOI: 10.1055/s-0042-118852
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Gesundheitspolitische Herausforderung

Welt-Adipositas-Tag: Regierung zum Handeln aufgefordert
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Publication Date:
26 October 2016 (online)

 

Rund 15 % der 3- bis 17-Jährigen in Deutschland waren nach der letzten veröffentlichten repräsentativen Studie zum Kinderübergewicht im Jahr 2006 übergewichtig, 6,3 % davon adipös. Bis zum Jahr 2025 rechnet man mit 1,8 Millionen übergewichtigen oder adipösen Schulkindern. Für Deutschland beziffert der Welt-Adipositas-Tag die Konsequenzen daraus wie folgt: Aus der Gruppe der übergewichtigen Kinder werden bis zum Jahr 2025 insgesamt 73 000 eine gestörte Glukosetoleranz entwickeln, 23 000 an Diabetes mellitus Typ 2, 159 000 an überhöhtem Blutdruck und 220 000 an Fettleber erkranken.

Ein weltweites und ernstes Problem

Wie dramatisch die Situation ist, belegen auch aktuelle Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). So gehört Diabetes zu den 5 Krankheiten, die zwischen 2015 und 2030 immer häufiger Todesursachen sein werden. Um ganze 34 % werden diabetesbedingte Todesfälle in diesem Zeitraum ansteigen. Auf diese – weltweit – fortschreitende Verbreitung von Adipositas machte das deutsche Kompetenznetz Adipositas anlässlich des „World Obesity Day“ am 11. Oktober zusammen mit der internationalen Adipositas-Gesellschaft „World Obesity“ aufmerksam. „Adipositas versetzt unsere Kinder in akute Gefahr, es ist Zeit, dringend zu handeln“, so fordert es das Plakat zum Welt-Adipositas-Tag.

Das Thema sei ein ernstzunehmendes Problem mit schwerwiegenden Folgen, so Prof. Manfred James Müller, Kiel. „Aus dicken Kindern werden meist dicke Erwachsene, die ein erhöhtes Risiko für chronische Krankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, einige Krebsarten und Gelenkerkrankungen sowie psychische Probleme haben“, erläutert der Sprecher des Kompetenznetzes Adipositas. „Unser Lebensstil wird früh in der Kindheit geprägt – durch die Familie, das soziale Umfeld und weitere Lebensbedingungen“, so Müller.


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In Sachen Prävention hinkt Deutschland hinterher

Dieses „schwergewichtige“ Problem zu lösen, sei nicht nur die Sache jedes Einzelnen, sagen Experten – vor allem die Regierung sei gefragt. „Mir fehlt in der Politik das grundsätzliche Verständnis für die Probleme, die wir momentan im Zusammenhang mit Adipositas haben,“ so Prof. Hans Hauner, München, ebenfalls Sprecher des Kompetenznetzes Adipositas.

Mit 2-stelligen Milliardenbeträgen belasten die Kosten für die Behandlung der Folgeerkrankungen von Adipositas das Gesundheitssystem jedes Jahr. Präventionsmaßnahmen könnten dazu beitragen, diese Kosten deutlich zu reduzieren. Deutschland jedoch liegt in Sachen Prävention hinter der internationalen Entwicklung zurück. „Die Komplexität des Problems ruft nach einem gesamtgesellschaftlichen Ansatz, dafür sind Strategien in der Zusammenarbeit von Politik mit Betroffenen, Wissenschaftlern, Krankenkassen, Bildungseinrichtungen und anderen Stakeholdern nötig“, forderte Hauner.

Quellen: Pressemitteilung „Welt-Adipositas-Tag:
Regierung zum Handeln aufgefordert“ vom 10.10.2016, herausgegeben vom Kompetenznetz Adipositas, München und Pressemitteilung „Welt-Adipositas-Tag am 11. Oktober 2016 – Deutsche Diabetes-Experten fordern Bundesbeauftragten für Diabetes und Adipositas“ vom 07.10.2016, herausgegeben von der Deutschen Diabetes Gesellschaft und diabetesDE – Deutsche Diabetes Hilfe.

Deutsche Diabetesexperten fordern Bundesbeauftragten für Diabetes und Adipositas

„Um dieser leidvollen und kostenintensiven Entwicklung entgegenzusteuern, benötigen wir einen Beauftragten der Bundesregierung für Diabetes und Adipositas“, fordert Dr. Jens Kröger, Hamburg, Vorstandsvorsitzender von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe. Ein Bundesbeauftragter könne beispielsweise auf die Bundesländer einwirken, verpflichtende Qualitätsstandards für das Essen an Schulen und Kitas einzuführen.

Derzeit ist in Deutschland eine gesunde Kita- und Schulverpflegung noch die Ausnahme. Zwar hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) bereits im Jahr 2007 entsprechende Qualitätsstandards erarbeitet. Doch bisher haben nur die Bundesländer Berlin und Saarland diese verbindlich umgesetzt. „Das Ernährungsverhalten und die Geschmacksvorlieben werden früh in der Kindheit geprägt“, betonte Prof. Baptist Gallwitz, Tübingen, Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). „Deshalb wäre eine solche Maßnahme sehr wichtig.“

Darüber hinaus fordern die beiden Diabetesorganisationen weiterreichende Initiativen – und schließen sich den Vorschlägen der Initiatoren des „World Obesity Day“ an. „Auch wir begrüßen eine Bewegungsförderung bei Kindern, den Abbau von Übergewicht während der Schwangerschaft, Stillen und die Reduktion stark fett- und zuckerhaltiger Lebensmittel und Getränke“, sagt Gallwitz.

Zudem merken die Experten kritisch an, dass „fett- und zuckerhaltige Nahrungsmittel und Getränke noch immer die meist beworbenen Produkte im Fernsehen und Internet“ sind. Anstatt Kinder vor Zuckerbomben zu schützen, würden sie als absatzfördernde Zielgruppe missbraucht, klagt Kröger an. DDG und diabetesDE setzen sich zusammen mit der Deutschen Allianz für Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) seit Jahren für ein Verbot von an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung ein.


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