Hebamme 2017; 30(02): 84-89
DOI: 10.1055/s-0042-118617
Schwangerschaft
Geburtsvorbereitung
Hippokrates Verlag in Georg Thieme Verlag KG Stuttgart

Geburtsvorbereitung in der Muttersprache

Doris Wyssmüller
1   Hebamme M. Sc., Bern
,
Anja Hurni
2   Hebamme, M. Sc. in RSHR, Bern
› Author Affiliations
Further Information
Doris Wyssmüller
Hebamme M.Sc. Midwifery
Co-Geschäftsleitung Verein Mamamundo
Hebamme Universitätsfrauenklinik Inselspital Bern
Freipraktizierende Hebamme
Anja Hurni
Hebamme, M.Sc. in Reproductive and Sexual Health Research
Co-Geschäftsleitung Verein Mamamundo
Dozentin, Studiengang Hebamme BSc, Berner Fachhochschule
Freipraktizierende Hebamme

Publication History

Publication Date:
01 May 2017 (online)

 

Was bedeutet es für schwangere Migrantinnen, sich ohne sprachliche oder kulturelle Kenntnisse in einem fremden Land zurechtzufinden und dort das eigene Kind zu gebären? Die Vorfreude auf das Muttersein ist getrübt durch Ängste und Unsicherheit. Hinzu kommt ein völlig fremdes Gesundheitssystem, mit dem die Frauen konfrontiert werden. In der Schweiz nimmt der Verein Mamamundo diese Frauen an die Hand und begleitet sie. Ein Angebot mit Vorbildcharakter.


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Mamamundo

Seit 2012 bietet Mamamundo in Bern Geburtsvorbereitungskurse für Frauen ausländischer Herkunft an. Meist sprechen die Migrantinnen kaum Deutsch und haben wenig Zugang zu Gesundheitsinformationen und zum Gesundheitswesen. In dem von zwei Hebammen initiierten Angebot erhalten die werdenden Mütter wichtige Informationen rund um Schwangerschaft und Geburt in dem ihnen (noch) fremden Land. Im Kurs stärken Methoden der Körperarbeit das Vertrauen in den eigenen Körper, eine Ressource, die auch ohne sprachliche Übersetzung verfügbar ist. Auch die interkulturell Dolmetschenden spielen eine zentrale Rolle. Sie waren von Anfang an in die Entwicklung des Angebots mit einbezogen.

Es ist 15.30 Uhr und die Kursleiterin wartet im Quartierzentrum bereits seit einer halben Stunde darauf, mit dem Nachtreffen des Geburtsvorbereitungskurses zu beginnen. Doch die Frauen sind noch nicht bereit – sie sind dabei, sich umzuziehen und zu richten. Denn für diesen Anlass haben viele ihre traditionellen, feierlichen Kleider mitgebracht. Der heutige Nachmittag ist für sie mehr als ein Austausch über Geburtserlebnisse, Empfängnisverhütung oder Stillen – heute werden die neugeborenen Kinder und das Zusammensein gefeiert. Und obwohl dafür lediglich ein kleiner Snack geplant war, wird das Treffen nun mit einem reichlichen Buffet und einer aufwendigen Kaffeezeremonie abgeschlossen.

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Abb. 1 Bilder und Modelle beweisen sich als hervorragende Hilfsmittel. (© www.mamamundo.ch)

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Gemeinsam stärken

Die eritreischen Frauen, die heute anlässlich ihres letzten Beisammenseins miteinander feiern, haben sich während der Schwangerschaft sechsmal mit einer der bei Mamamundo mitwirkenden Hebammen getroffen. Sie haben sich ausgetauscht, Fragen gestellt und Körperübungen gemacht. Eine interkulturelle Dolmetscherin hat die Informationen fortwährend auf Tigrinja übersetzt, das ist die Landessprache Eritreas. Oft wurde gelacht, etwa wenn es darum ging, die Hüften zu schwingen, das eigene Becken abzutasten oder sich über einen Gymnastikball zu hängen. Interessiert und fasziniert wurden die anatomischen Bilder und Modelle studiert. Angeregt diskutierten die Frauen miteinander, wie es wohl wäre, wenn sie nun im Heimatland schwanger wären.

Auch wir als Hebammen lernen und staunen immer wieder. Wie man ein Tragetuch benutzen kann – dies brauchen wir einer Gruppe Eritreerinnen oder Tibeterinnen nicht beibringen, im Gegenteil, wir profitieren von ihren Tipps. In unserem Kontakt zu Frauen aus verschiedenen Herkunftsländern haben wir auch erfahren, dass das Wochenbett in vielen Ländern mehr als 40 Tage dauert und die Frauen in dieser Zeit gut umsorgt werden. Auch hier, weit entfernt von ihrem Heimatland, unterstützen sie sich gegenseitig auf eine unkomplizierte und fürsorgliche Weise. Dies gelingt allerdings nur, wenn auch Familienangehörige hier leben oder Freunde vor Ort sind.

In früheren Zeiten haben auch Schweizerinnen einander so geholfen. Heute müssen sich die Frauen hierzulande in den ersten Wochen nach der Geburt oft allein zurechtfinden, ohne viele helfende Hände. Und nur wenige trauen sich, wenn nötig, Unterstützung anzufordern. Dabei zählen soziale Isolation und Überforderung als Risikofaktoren einer postnatalen Depression. Betroffene sind oft durch Unwissenheit oder aufgrund sprachlicher Zugangsbarrieren von Unterstützungsangeboten ausgeschlossen [[1], [5]].

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Abb. 2 Frauen aus unterschiedlichen Herkunftsländern sind dankbar für die Unterstützung. (© www.mamamundo.ch)

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Migrationsspezifische Erschwernisse

Die Geburt eines Kindes ist für jede Frau ein prägendes Erlebnis, unabhängig von ihrer Herkunft. Ihre bisherige Rolle wird im Laufe der Schwangerschaft neu definiert. Diese Situation kann zu Verunsicherungen und Ängsten führen – unabhängig von der Staatszugehörigkeit. Ähnlich wie bei Schweizerinnen selbst, erleben nicht alle Migrantinnen Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett als erfüllend und bestärkend. Und trotzdem beschreiben Erfahrungsberichte von Frauen aus anderen Herkunftsländern schwierige Momente, die als migrationsspezifisch verstanden werden müssen:

  • Unsicherheit und Einsamkeit, da weder die eigene Mutter noch Freundinnen in der Nähe sind.

  • Die aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse fehlende Möglichkeit, die Hebamme anzurufen, um Fragen zu stellen wie nach dem richtigen Zeitpunkt, eine Geburtsklinik aufzusuchen.

  • Als Folge davon die überstürzte Anreise in den Kreißsaal. Dort nimmt das Fachleuteteam die Umstände aufgrund der fehlenden Voranmeldung oft mit Unverständnis und Ungeduld zur Kenntnis.

  • Die sensible Zeit des Frühwochenbetts im unruhigen Mehrbettzimmer einer Asylunterkunft.

Auch das Unterzeichnen von Einverständniserklärungen, z. B. zur Geburtseinleitung oder zum Kaiserschnitt, stellt für Frauen mit Migrationshintergrund eine enorme Herausforderung dar. Denn die aufgeführten Erläuterungen können in den meisten Fällen weder gelesen noch verstanden werden.

Für uns Hebammen sind diese Schilderungen nicht neu, sondern Teil unseres Berufsalltags. Auch für uns ist es schwierig, fremdsprachigen Frauen während der Geburt zu erklären, weshalb gewisse Untersuchungen notwendig sind. Diese Erläuterungen sind für die Frauen jedoch besonders wichtig und schaffen Vertrauen, da der eine oder andere Handgriff eher unangenehm sein kann oder Erinnerungen an schmerzvolle Momente hervorruft. All diese – zumeist schlechten – Erfahrungen der Frauen mit Migrationshintergrund brachten uns (Doris Wysmüller und Anja Hurni) auf die Idee, einen Geburtsvorbereitungskurs für schwangere Frauen ausländischer Herkunft zu entwickeln. Gemeinsam wollen wir ihnen, trotz mangelnder Sprach- und Landeskenntnisse, einen Zugang zu Informationen und dem Gesundheitswesen ermöglichen. Unser Fokus liegt dabei hauptsächlich auf den Ländern Afrika, Asien und (Süd-)Osteuropa.


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Ausgangslage

In der Schweiz hatten 39 % aller Neugeborenen im Jahre 2013 eine ausländische Mutter [[7]]. Die perinatale Mortalität und Morbidität von Migrantenkindern und ihren Müttern ist gegenüber der einheimischen Bevölkerung erhöht [[14]]. Dieses Phänomen weist zum einen auf besondere soziale und gesundheitliche Belastungen hin, zum anderen auf mangelnde Effizienz von präventiven Maßnahmen. Gleichzeitig macht es auf Kommunikationsschwierigkeiten in der Interaktion von werdenden Müttern mit den Einrichtungen des Gesundheitssystems aufmerksam. Der Einfluss von sprachlichem Verständnis auf die gesundheitliche Situation wurde mehrfach untersucht. Dabei ist die positive Wirkung interkultureller Übersetzung auf die Gesundheit deutlich zu erkennen – trotzdem werden die Dolmetscherdienste in den Kliniken laufend gekürzt.

Die Evaluationen unserer Kurse zeigen, dass von Seiten der befragten Migrantinnen generell großes Interesse besteht – sowohl an Informationen als auch an der Nutzung angepasster Dienstleistungen. Dies bestätigen Aussagen von Hebammen, interkulturellen Dolmetscherinnen und Vertreterinnen von Migrationsgemeinden und sozialen Institutionen. Die Untersuchungen zeigen unter anderem auch, dass sich Geburtsvorbereitungskurse positiv auf die Länge der Stillperiode auswirken [[16], [12], [11]].


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Mangelnde Information

Für Schwangere, die gut Deutsch sprechen und über Möglichkeiten verfügen, sich auf die perinatale Zeit vorzubereiten, gibt es viele Angebote (Kurse, Bücher, Zeitschriften, Internet, etc.). Herkömmliche Geburtsvorbereitungskurse werden aber äußerst selten von Migrantinnen besucht: Fehlendes Wissen über das Angebot, mangelnde Sprachkenntnisse und begrenzte finanzielle Mittel können Gründe dafür sein. Geburtsvorbereitung gehört in der Schweiz jedoch zur Grundversicherung und die Krankenkassen zahlen einen festgelegten Beitrag, will eine Frau einen Kurs in Anspruch nehmen. Für die Zielgruppe von Mamamundo ist der Zugang zur Grundversorgung aufgrund fehlender Angebote in der jeweiligen Landessprache oftmals verwehrt.

Um das Vertrauen der ausländischen Frauen zu gewinnen und ihnen gleichzeitig wichtige Informationen zu vermitteln, ist es wichtig, Kursinhalte und Handlungsweisen den Bedürfnissen der Frauen anzupassen. Für sie kommt erschwerend hinzu, dass hierzulande die Unterstützung durch die eigene Mutter, die Schwiegermutter oder andere weibliche Verwandte fehlt. Traditionelles Wissen über Schwangerschaft und Geburt kann nicht vermittelt werden oder hat in den Augen der Migrantinnen keinen Stellenwert mehr, da die eigene Tradition als rückständig und veraltet betrachtet wird.

Die Ehemänner beherrschen die deutsche Sprache häufig besser als ihre Partnerinnen. Daher werden sie zu Informationsträgern und Übersetzern für ihre Frauen während der Schwangerschaft, der Geburt und dem Wochenbett – für sie ein fremdes Gebiet, zu dem sie in den Herkunftsländern meist keinen Zugang haben.

Migrantinnen mit kurzer Aufenthaltsdauer in der Schweiz und minimalen Sprachkenntnissen werden bei der Geburt möglicherweise zum ersten Mal mit der schweizerischen Klinik-Kultur konfrontiert. Eine völlig fremde und beängstigende Situation für Schwangere, die Unwohlsein und Stress mit sich bringt. Dieser Zustand wirkt sich in jeder Hinsicht hinderlich auf eine Geburt und das Wochenbett aus.


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Projektaufbau

Der Aufbau eines Projekts im Migrationsbereich ist anspruchsvoll und stellt vielfältige Anforderungen an das Projektteam. Erfahrung im Migrationsbereich und Sensibilität für die Thematik sind zentrale Ausgangspunkte. Ebenso die Bereitschaft, sich längerfristig zu engagieren, um sich für die Belange der Zielgruppe einzusetzen. Nicht selten bergen gerade Projekte im Migrationsbereich hohes Frustpotenzial und der unermüdliche Einsatz führt zu Erschöpfung und Stagnation. Eine Tatsache, welche der Nachhaltigkeit nicht zuträglich ist. Von uns zwei Initiatorinnen wurde bei der Organisation und Gestaltung des Angebots unter anderem Wert darauf gelegt, die interkulturell Dolmetschenden früh mit einzubeziehen.

Seit 2012 werden in der Stadt Bern nun Kurse durchgeführt, die sich an sozial benachteiligte Frauen mit Verständigungs- und Zugangsschwierigkeiten im ganzen Kanton richten. Der Trägerverein Mamamundo wird größtenteils von der Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern GEF finanziert. Zusätzlich fließen Einnahmen aus der Grundversicherung der Krankenkasse in die Vereinskasse.

Aus dem Bottom-up-Projekt entstand ein Angebot, dessen Nutzen auch wissenschaftlich und statistisch begründet werden kann – ein wichtiger Aspekt bei der Suche nach finanziellen Mitteln. Migration und Gesundheitsförderung treffen in der Schweiz den Zeitgeist und politisch festgelegte Strategien können zur Argumentation zitiert und genutzt werden.

Eine gute Vernetzung sowohl zwischen der Projektleitung als auch den interkulturell Dolmetschenden, ist von enormer Bedeutung. Vorrangig ist jedoch eine Standortanalyse notwendig, um den Aufbau, die Planung und die Umsetzung gezielt anzugehen:

  • Wo besucht die Zielgruppe die Schwangerschaftsvorsorge?

  • Welche Zugangsschwierigkeiten bestehen?

  • Welche Stakeholder müssen kontaktiert und für eine Zusammenarbeit gewonnen werden (Sozialdienste, Asylunterkünfte, Hebammen, Ärztinnen, Migrationsgemeinschaften)?

  • Welcher Standort eignet sich für die Räumlichkeiten?

  • Welche Regelstrukturen bestehen?

  • Wo können finanzielle Ressourcen beantragt werden?

  • Besteht ein Kurskonzept mit messbaren Qualitätskriterien?

  • Besteht ein Konzept zur Evaluation?

  • Welche Rechtsform ist für das Angebot geeignet (Verein oder Anbindung an eine größere Organisation)?


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Aufsuchendes Vorgehen vor Kursbeginn

Die Kurssequenzen von Mamamundo finden sechsmal vor und einmal nach der Geburt statt. Die jeweilige Koordinatorin investiert viel Energie in das aufsuchende Vorgehen vor Beginn des Kurses. Das erfordert nicht nur viel Flexibilität, sondern vor allem auch Durchhaltevermögen. Mehrere Telefonate und hartnäckiges Erinnern an die genaue Kurszeit sowie Informationen über die Anreise von Seiten der Dolmetschenden und der Koordinatorin sind hier nötig. Die Erfahrung zeigt, dass Schwangere die Kurse eher besuchen, wenn ihnen diese von einer Vertrauensperson empfohlen werden (Dolmetschende, Hebamme, Sozialarbeitende, Ärzte, Bekannte, Betreuende in Asylunterkünften). Daher wird zusätzlich viel Zeit in die Vernetzungsarbeit investiert. Ein weiterer Aspekt ist die Entlohnung. Es ist wichtig, die interkulturell Dolmetschenden für ihre Flexibilität und ihr Engagement fair zu entlohnen, damit deren Motivation erhalten bleibt.

Unverbindlichkeit und Unpünktlichkeit der Kursteilnehmerinnen können kritische Punkte sein. Es bewährt sich deshalb, dass beispielsweise Sozialarbeiterinnen die Frauen direkt fragen, ob sie den Kurs tatsächlich besuchen – schließlich übernehmen diese oft die Kurskosten. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass die Arbeit neben reichen und vielseitigen Facetten ein nicht unwesentliches Frustpotenzial birgt. Die Kurse werden mit großer Wahrscheinlichkeit nicht vom Projektstart an regelmäßig und oft besucht – die Vernetzungsarbeit zahlt sich erst im Verlauf aus.


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Der Kurs

Seit 2015 besteht ein umfassendes, extern evaluiertes Kurskonzept. Neben den klassischen Themen der Geburtsvorbereitung nehmen wir uns Zeit für die Vermittlung von anatomischen und physiologischen Grundlagen sowie kulturspezifischen Themen, für das Kennenlernen von Beratungs- und Unterstützungsangeboten sowie den gegenseitigen Austausch und die Klärung von Fragen. Auf Wunsch der Frauen werden die Partner zu einer gemeinsamen Sequenz eingeladen.

Auch die psychische Gesundheit wird gefördert, da die Frauen sich in vertrautem Rahmen austauschen können und sich dadurch sozial weniger isoliert fühlen. Gruppen-Chats oder Treffen der Kursteilnehmerinnen über die Zeit der Kurse hinaus sind keine Seltenheit.


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Schwerpunkt Körperarbeit

Die Körperarbeit ist ein zentrales Element in den jeweiligen Kursen. Und die Rückmeldungen der Kursteilnehmerinnen bestätigen deren Wichtigkeit.

Mindestens die Hälfte einer Kurssequenz wird gemäß unseren Qualitätskriterien der geburtsvorbereitenden Körperarbeit gewidmet. Die Übersetzung der Anleitungen stellt hierbei eine Herausforderung dar, die wir im Rahmen gemeinsamer Weiterbildungen von Kursleiterinnen und interkulturell Dolmetschenden meistern. Bei den Sequenzen an die Geburtsvorbereitung lehnen wir uns an die Methode Menne-Heller [[10]] an. Die Übungen geben den Frauen Sicherheit, gemeinsam mit ihrem Kind den Weg des Gebärens zu bewältigen. Körperarbeit bedeutet in der ungewohnten Situation der Geburt eine Ressource, auf die Frauen ohne sprachliche Übersetzung zurückgreifen können. In ihrem oftmals belastenden Alltag erlernen die Schwangeren Entspannungsübungen, welche sie über die Kurssequenzen hinaus anwenden können. Dies fördert einerseits den Zugang zu ihrem Körper als Ressource für Stressbewältigung und anderseits kann es zu einer mentalen Ausgeglichenheit beitragen.


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Geburtsvorbereitung – ein Anfang

Von Beginn an war uns bewusst, dass Geburtsvorbereitung lediglich einen Aspekt innerhalb der migrationsgerechten Versorgung während der perinatalen Zeit darstellt. Kontinuität in der Betreuung – nicht anders als bei einheimischen Frauen – ist ein großes Bedürfnis, stärkt das Vertrauen in die Fachpersonen und schlussendlich in die eigenen Ressourcen. Und die sind bei Migrantinnen trotz der bereits erwähnten Schwierigkeiten durchaus vorhanden. Migration erfordert ein großes Maß an Anpassungsfähigkeit, Selbstständigkeit und Innovation. Dessen sollten sich auch die Fachpersonen bewusst sein und ihre Frauen darin bestärken.

Verbal unterstützen ist jedoch schwierig, wenn eine Sprachbarriere besteht. Aus diesem Grund wären Dolmetschende in der ambulanten oder stationären Betreuung von enormer Wichtigkeit, finanziert aus der Grundversorgung oder der behandelnden Institution. Allerdings wird diesem Aspekt bei weitem nicht genügend Rechnung getragen – egal ob in der regulären Vorsorge, insbesondere aber auch bei komplexen Themen wie Missbrauch, Verlustsituationen oder Familienplanung.

Angesichts der katastrophalen Situation in Kriegs- und Krisengebieten wird sich die Zahl geflüchteter Frauen stetig erhöhen. Sie berichten von Vergewaltigung während ihrer Flucht und aufgrund dieses Tabuthemas muss von einer weit höheren Anzahl sexuell traumatisierter Frauen ausgegangen werden, als Erfahrungsberichte zeigen. Eine große Herausforderung für Hebammen, welche die Frauen bei Bedarf an psychiatrische/psychologische Dienste weiterverweisen können – sofern das Angebot in den jeweiligen Sprachen besteht oder gemeinsam mit Dolmetschenden durchgeführt wird.


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Ein Angebot mit Zukunft

Seit Beginn der Kurse 2012 hat sich die Anzahl der Teilnehmerinnen verfünffacht. Nach Abschluss der externen Evaluation 2015 ist Mamamundo nochmals gewachsen und hat sich weiterentwickelt. Auch die hartnäckige Vernetzungsarbeit zahlt sich nun aus. Während sich zu Beginn nur vereinzelt Frauen von außerhalb des Klinikumfelds angemeldet hatten, empfehlen verschiedene Stakeholder (bspw. Sozialarbeiterinnen und Fachpersonen im Asylwesen) den Frauen die Kurse nun systematisch. Neue Sprachgruppen sind dazugekommen und Kurse werden nun regulär in 9 Sprachen angeboten. Die Leitungs- und Koordinationsaufgaben wachsen und werden heute auf mehrere Angestellte verteilt. Mamamundo hat deshalb das Potenzial, sich in anderen Schweizer Kantonen zu multiplizieren. Auch aufgrund der externen Evaluation wird Mamamundo von der nationalen Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz und dem Staatssekretariat für Migration finanziell unterstützt. Angebote wie unseres werden in Publikationen oftmals als Best-Practice-Beispiele aufgeführt [[15]] und sind Inhalts-
bestandteile übergeordneter Strategieprojekte auf nationaler und kantonaler Ebene. Durch ein Coaching neuer Projektteams und einen schriftlichen Leitfaden gelingt es, wichtige Erfahrungen zum Aufbau des Angebots weiterzugeben – in anderen Regionen der Schweiz. Auch Mamamundo konnte zu Beginn auf das Wissen und bestimmte Materialien der Hebammen von Panmilar [[13]], einem etablierten Angebot in der französischsprachigen Schweiz, zurückgreifen und anschließend in der Deutschschweiz eine adaptierte Version initiieren. Nach der Startphase war das Projekt vorübergehend dem Berner Kantonalverband des Schweizerischen Roten Kreuz angegliedert, mittlerweile ist Mamamundo ein eigenständiger Verein.

Mehr als alle Referenzen sprechen jedoch die direkten Rückmeldungen der Kursbesucherinnen für die Sinnhaftigkeit des Angebots:

»I really liked the intimate sense of being with woman sharing my same experience« (Frau aus Ungarn)

»Die Kursleiterin war wie eine Mutter, hat alles langsam gesagt, damit wir es verstehen konnten« (Frau aus Eritrea)

»Am Schluss haben wir immer ein anderes, schönes Körpergefühl gehabt« (Frau aus Sri Lanka)

»Die Angst vor der Geburt ist aus meinem Körper verschwunden« (Frau aus Somalia)

»I feel so much calmer and reassured now« (Frau aus Syrien)

»Ich war sehr froh um den Austausch, ich bin zu Hause alleine und kenne hier niemanden« (Frau aus China)


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Doris Wyssmüller
Hebamme M.Sc. Midwifery
Co-Geschäftsleitung Verein Mamamundo
Hebamme Universitätsfrauenklinik Inselspital Bern
Freipraktizierende Hebamme
Anja Hurni
Hebamme, M.Sc. in Reproductive and Sexual Health Research
Co-Geschäftsleitung Verein Mamamundo
Dozentin, Studiengang Hebamme BSc, Berner Fachhochschule
Freipraktizierende Hebamme


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