Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2016; 23(05): 250-251
DOI: 10.1055/s-0042-118280
DFR-Mitteilungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

19. Jahrestagung der Deutschen Fachgesellschaft für Reisemedizin, 23./24.09.2016

DFR-Tagung 2016 in Ludwigshafen
Burkhard Rieke
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Publication Date:
19 October 2016 (online)

 

Es ist inzwischen bereits gute Tradition, dass sich die Mitglieder der Fachgesellschaft, aber auch andere interessierte Kollegen im September zur Jahrestagung versammeln, dieses Mal in Ludwigshafen, wo Dr. Rosemarie Mazzola und Dr. Bernhard Wallacher ein äußerst vielseitiges Programm zusammengestellt hatten.

Vorträge am 23. September

Den ersten Beitrag nach der Eröffnung durch unseren Präsidenten, Prof. Günter Schmolz, lieferten die beiden thematisch Verantwortlichen auch gleich selbst mit der von Dr. Rosemarie Mazzola, Freiburg, nun schon zum zehnten Mal präsentierten reisemedizinischen Fallvorstellung, bei der es unter anderem um eine Malaria tropica mit atypischer Symptomatik (afebril!) nach Ecuador- und Kolumbienreise ging.

In einem Blick von außen auf unser Fach sprach dann Prof. Johannes Wallacher, München, aus sozialwissenschaftlicher Sicht über Globalisierung 3.0. In nachkolonialer Zeit lag die Regie des internationalen Austausches weiterhin in den Industriestaaten, die Rohstoffe bezogen und Arbeitsteilung organisierten. Dieses implizite Auf-Distanz-Halten funktioniert in Gesellschaften nicht mehr, die immer stärker ihre Vergleichbarkeit entdecken, eine ähnliche Konsumentenrolle gegenüber international ausgerichteten Markenproduzenten zugeschrieben bekommen – und doch als Bedrohung regionaler Kultur wahrgenommen werden, wenn sie in Konsequenz ihrer Vergleichbarkeit ihr Glück im Westen versuchen.

Dr. Stefan Eßer, als Regional Medical Director für International SOS, Neu-Isenburg, tätig, verglich dann aus der Perspektive einer Assistance die unterschiedlichen Gesundheitssysteme gastgebender Länder und die Qualitätsparameter, die im Rahmen von Begutachtungen in diesen Ländern zum Tragen kommen. Dazu gehört die Finanzierung des Gesundheitswesens, die Infrastruktur, das Rettungswesen, die Funktionsfähigkeit stationärer und ambulanter Behandlungseinheiten und die Möglichkeit zur Repatriierung. Ausgehend von Deutschland und Großbritannien wurden die schon in Griechenland und der Türkei anzutreffenden Unterschiede deutlich, die sich beim Blick auf Indien, Indonesien, Kambodscha, Kenia und Malawi noch dramatischer darstellen, während die Demokratische Republik Kongo als Staat für die öffentliche Daseinsvorsorge praktisch komplett ausfällt. Hier hört jede solidarische Finanzierung von Sozial- oder Gesundheitseinrichtungen auf – Medizin wird zur Ware, die nur für die jeweilige Kaufkraft des Nachfragers angeboten werden kann.

Filmemacher Christian Weinert präsentierte anschließend einen Ausschnitt aus seinem Film „Blickwechsel“, der in Interviews mit deren lokalen Kooperationspartnern auslotet, was deutsche Freiwillige in ihrer afrikanischen Projektumgebung auslösen. Spontane, gedankenvolle, auch lustige Reaktionen werden deutlich, zu Themen wie dem Umgang mit Wertgegenständen, dem Freizeitverhalten oder der Vertrauensseligkeit der Freiwilligen aus Deutschland.


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Vorträge am 24. September

Am Samstagmorgen gab Dr. Burkhard Rieke, Düsseldorf, einen Überblick über die in der Welt aktuell umlaufenden Epidemien, über Neuigkeiten auf dem Impfsektor und über die Malariasituation. Die Wahrnehmung reiseassoziierter Gefahren wird in der Bevölkerung gegenwärtig von Zika und der sexuellen Übertragbarkeit geprägt. Dazu wurden die neuen WHO-Empfehlungen vorgestellt, die insbesondere einen 6-Monats-Zeitraum vorgeben, in denen Männer nach Ausreise aus einem Verbreitungsgebiet auf Safer Sex achten sollten.

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Weitere Vortragende der 19. Jahrestagung: Prof. Johannes Wallacher, Dr. Wolfgang Lorenz und Dr. Stefan Eßer, Dr. Burkhard Rieke, Ralf Gerlach, Prof. Ulrich Heininger sowie Dr. Andreas Welker.

Dr. Henning Thiele, Betriebsarzt bei der BASF in Ludwigshafen, gab einen Überblick über die Vorsorgemaßnahmen für dienstlich Reisende. Risiken ergeben sich bei typischen Aufenthalten in größeren, oft küstennahen Städten vor allem aus dem Unfallgeschehen, nicht eingehaltenen Sicherheitsvorschriften, dem Straßenverkehr und dem Freizeitverhalten. Auch die Umweltthematik, insbesondere die Luftqualität, spielt eine immer größere Rolle.

Dr. Wolfgang Lorenz, niedergelassener Chirurg aus Ludwigshafen und Andreas Gather von der örtlichen BG-Unfallklinik stellten in einem Doppelreferat reiseassoziierte chirurgische Krankheitsbilder an Fallbeispielen dar. Dabei ging Dr. Lorenz auf die Möglichkeiten zur Erstversorgung in Eigenregie und auf verschiedene Dringlichkeitsstufen ein (spannend sein didaktischer Ansatz, die heutigen Behandlungsmöglichkeiten denen vor 500 Jahren gegenüberzustellen). Andreas Gather präsentierte aus dem Ausland zuverlegte Fälle und die zum Teil erheblichen Versorgungsdefizite gerade in der Osteosynthese.

Dr. Ingo Michels, Berlin, und später Ralf Gerlach aus Münster thematisierten den Opioidgebrauch auf internationalen Reisen. Dabei stellte Dr. Michels die unterschiedlichen juristischen Implikationen der Mitnahme und des Konsums von Drogen, die Verbreitung verschiedener, auch zum Teil ständig neu synthetisierter Suchtstoffe und WHO-koordinierte Ansätze zur Reduktion der Drogennachfrage vor. Ralf Gerlach schilderte die Schwierigkeiten, auf die Methadonsubstituierte bei internationalen Reisen treffen, selbst wenn juristische Regelungen durchaus vorhanden sind. Als Leiter der Koordinations- und Informationsstelle für Auslandsreisen solcher Patienten kann er in Zweifelsfällen weiterhelfen.

Dr. Carsten Kurth, Waldshut-Tiengen, Nephrologe und Kardiologe, sprach zu chronischen Nierenerkrankungen und Reisen. Nach einem pathophysiologischen Überblick ging er insbesondere auf die stadienabhängigen Risiken im Wasser-, Säure-/Basen-Haushalt, die Anämie und Leistungsminderung ein. Diätetische Anforderungen, die Möglichkeiten zur Impfprophylaxe und die Auswahl von Medikamenten zur Malariatherapie sind zu beachten, dies gilt natürlich in besonderem Maße bei laufender Dialyse oder nach einer Transplantation. Inzwischen gibt es ein Reisesegment gerade für Dialysepatienten.

Prof. Ulrich Heininger, Basel, langjähriges STIKO-Mitglied, erläuterte anschließend die Möglichkeiten zur Koadministration von Impfstoffen, gerade bei Last-minute-Reisen. „Was nicht kontraindiziert ist, ist erlaubt“ lautete seine Quintessenz. Dazu ist der Abschnitt 4.5 der Fachinformationen zu beachten, der über Inkompatibilitäten Auskunft gibt. Auf eine entsprechende Zusammenfassung im Internetangebot des DGK wies er hin.

Die Kategorisierung und geografische Verbreitung von Resistenzmechanismen bei Darmkeimen war dann das Thema von Dr. Sophie Schneitler, Leipzig. Sie zeigte, wie oft Reisende solche Keime akquirieren und anschließend kolonisiert sind – oder auch an multiresistenten Erregern erkranken. Die Konsequenz kann nur die Beobachtung der Resistenzlage, der kritische Umgang mit Antibiotika und die korrekte Dosierung im Falle einer gerechtfertigten Indikation sein.

Dr. Andreas Welker vom Gesundheitsamt Heidelberg gab anschließend einen Überblick über Erkrankungen bei Asylsuchenden. Während Tuberkulose, HIV und Hepatitis B häufiger gefunden werden als in der Wohnbevölkerung hier, sind exotische Infektionen wie das Rückfallfieber doch sehr selten geblieben. Auch Ausbrüche in Gemeinschaftsunterkünften sind zumeist aus der Umgebung dorthin gelangt (Windpocken etc.) als aus den Herkunfts- oder durchquerten Ländern importiert. Im Vordergrund des Versorgungsbedarfs stehen konventionelle Bronchial- oder Darminfekte, Verletzungen, HNO- oder gynäkologische Erkrankungen und die psychische Traumatisierung, die sprachabhängig nur schwer versorgt werden kann. Asylsuchende sind insofern sehr viel mehr eine gefährdete Gruppe als eine Gefahr für die Umgebung, so sein Fazit.

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Moderator Prof. Jörg Schelling und Dr. Bernhard Wallacher, der mit Dr. Rosemarie Mazzola ein abwechslungsreiches Tagungsprogramm zusammenstellte.

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DFR-Tagung 2017 in Düsseldorf

Das reichhaltige und bei Weitem nicht mehr infektiologisch dominierte Tagungsprogramm ging mit einer Einladung an alle zur 20. Jahrestagung der DFR zu Ende, die am 23. und 24. September 2017 in Düsseldorf stattfinden wird.

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Blick in das Auditorium.

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Weitere Vortragende der 19. Jahrestagung: Prof. Johannes Wallacher, Dr. Wolfgang Lorenz und Dr. Stefan Eßer, Dr. Burkhard Rieke, Ralf Gerlach, Prof. Ulrich Heininger sowie Dr. Andreas Welker.
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Moderator Prof. Jörg Schelling und Dr. Bernhard Wallacher, der mit Dr. Rosemarie Mazzola ein abwechslungsreiches Tagungsprogramm zusammenstellte.
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Blick in das Auditorium.