Schlüsselwörter
Eigenfett Transplantation - Leitlinie - DGPRÄC - Neue Erkenntnisse
Key words
Fat Grafting - Guideline - German Society of Plastic, Reconstructive and Aesthetic
Surgery - New Insights
Einleitung
Die autologe Fetttransplantation ist ein zunehmend angewandtes Verfahren in der rekonstruktiven
und ästhetischen Chirurgie. Daraus ergeben sich Anforderungen an die Versorgungsqualität
mit qualifizierter Behandlung. Um diesen Anforderungen nachzukommen wurde eine Leitlinie
zur Durchführung dieser Maßnahme durch einen interdisziplinären Expertenkonsens formuliert.
Die Gewährleistung der Patientensicherheit während der Anwendung der autologen Fetttransplantation
sowie die Optimierung der gesamten Therapie, der Lebensqualität der Patienten und
des Kostenaufwandes im prä-, peri- und postoperativen Management sind als vorrangige
Ziele dieser Leitlinie zu nennen.
Methodik
Die Leitlinie zur „Autologen Fetttransplantation“ wurde von der Deutschen Gesellschaft
der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC) unter der Koordination
von Prof. Dr. Hans-Oliver Rennekampff unter der Mitarbeit der Deutschen Dermatologischen
Gesellschaft (DDG), der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
(DGMKG) und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) erstellt.
Die Projektanmeldung der Leitlinie mit einer geplanten Entwicklungsstufe S2k bei der
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V.
(AWMF) erfolgte im November 2010. Unter Moderation der AWMF fand im August 2014 die
Konsensuskonferenz statt, um eine Abstimmung der Leitlinie im Hinblick auf Diagnostik
und Therapie unter Einbeziehung aller an Diagnostik und Therapie beteiligten Fachgesellschaften
zu erreichen. Alle im Delphi-Verfahren nach der Konsensuskonferenz strittigen Punkte
wurden einzeln diskutiert und anschließend mit starkem Konsens (>95%) beschlossen.
Eine systematische Literaturanalyse und Evidenzbewertung erfolgte durch die Experten,
wobei die Literatur der letzten zehn Jahre über medline, pubmed, Silver Platter, EMBASE
und cochrane abgefragt, studiert und unter Berücksichtigung auch wichtiger älterer
Arbeiten maßgebliche Aussagen der Leitlinie belegt wurden. Bei der Leitlinien-Entwicklung
wurden die Kriterien des Deutschen Instruments für Leitlinien (DELBI) berücksichtigt.
Definition und Indikationsstellung
Definition und Indikationsstellung
Die autologe Fetttransplantation ist eine operative Prozedur und umfasst die Entnahme,
Bearbeitung und Transplantation von Fettgewebe sowie die fachgerechte Nachsorge. Dieser
operative Eingriff ist häufig ein sekundär-rekonstruktives Verfahren, das sowohl nach
traumatischem, krankheits- oder altersbedingtem Volumenverlust der Weichteile als
auch zur Weichteilaugmentation eingesetzt werden kann. Zunehmend zeichnet sich über
den eigentlichen Volumenersatz auch ein positiver Effekt auf Narben- und Hautqualität
ab. Somit besteht zusätzlich meist eine Verbesserung der Lebensqualität als indirektes
Therapieziel.
Die autologe Fetttransplantation als hochelektiver Eingriff fordert hinsichtlich der
Patientensicherheit besonders strenge Maßstäbe. Ein nachvollziehbarer und realistisch
erfüllbarer Patientenwunsch nach Rekonstruktion oder ästhetischer Verbesserung der
Weichteilsituation sollte für die Indikationsstellung grundlegend sein. Relative und
absolute Indikationen sowie Kontraindikationen sind in [Tab. 1] und [Tab. 2] aufgeführt, jedoch soll individuell unter sorgfältiger Prüfung die Eignung des Patienten
eruiert warden ([Abb. 1]
[2]).
Abb. 1 19-jährige Patientin mit tubulärer Brustdeformität. Vor, 8 und 18 Monate nach Lipofilling
mit 350 cc/Seite in zwei operativen Sitzungen.
Abb. 2 Links: typische Entnahmestellen zur Fettgewinnung rot angezeichnet. Mitte: Menge
gewonnenen Fettgewebes vor Transplantation. Rechts: Volumenaugmentation des oberen
Brustquadranten zur Angleichung nach DIEP-Lappenplastik.
Abb. 3 Linkes Bild: Adipogene Differenzierung der ASCs in 200 x Vergrößerung, rechtes Bild:
ASCs nach fluoreszierender (rot) Anfärbung u. DAPI Staining der Kerne, Vergrößerung
20 x.
Tab. 1 Indikationen der autologen Fetttransplantation.
Hauptindikationen
|
Z. n. Brustkrebs und Brustrekonstruktion (Z. n. Mastektomie, Z. n. BET unter besonderer
Beachtungen der Kontraindikationen)
|
-
Brustassymmetrie nach Augmentation/Kapselkontraktur/Reduktion/Rekonstruktion [34]
-
Komplettrekonstruktion mit Eigenfett
-
Chronische Radio-/Strahlendermatitis (Stimulation der Neovaskularisation)
-
Konturdefizite und Asymmetrien der Brust nach Radiatio [35]
[36]
-
Lappenplastiken zum Brustaufbau bei Z. n. Ablatio mammae in Verbindung mit Implantataugmentation
[37]
|
Kongenitale und erworbene Brustfehlbildungen
|
-
Mammahypoplasie, Mikromastie [35]
-
Tuberöse/Tubuläre Brustdeformität [34]
[35]
-
Polandsyndrom [34]
[35]
-
Mamillenrekonstruktion [35]
[38]
-
Pectus excavatum [39]
-
Adhärente oder instabile Narben
-
Deformität nach Mammareduktionsplastik oder Mastektomie [5]
[35]
|
Ästhetisch-kosmetische Eingriffe und andere Erkrankungen:
|
-
Volumenaufbau der Brust
-
Z. n. Implantatentfernung zur Volumenaugmentation der Brust
-
Deformität nach Mammaaugmentation
-
Volumenaugmentation Gesicht-, Lippen-, Faltenkorrektur [41]
[42]
-
Hemifacial Mikrosomie/Atrophie (Parry-Romberg-Syndrom) [43]
-
Faciale Lipoatrophie durch Lupus erythematodes, HIV oder retrovirale Therapie [43]
[44]
-
Hautrejuvenation
-
Handverjüngung [35]
-
Weichteilaugmentation an den Beinen [45]
-
Gluteale Augmentation und Korrektur von Konturdeformitäten [45]
[46]
-
Genitalchirurgie/Transsexualität
-
HNO (Stimmlippenaugmentation)
-
Chronische Wunden [40]
-
Zirkumskripte Sklerodermie/Coup-de-sabre-Läsionen [47]
-
Weichteildefizite [45]
-
Chronische Wunden [40]
|
Tab. 2 Kontraindikationen der autologen Fetttransplantation.
Kontraindikationen
|
Absolute Kontraindikationen:
|
-
Allgemein: Dysmorphophobie, unrealistische Erwartungshaltung, externe Motivation,
u. a.
-
Infrage stellen des Verfahrenserfolges durch lokale und systemische Erkrankungen
-
Aktive maligne Grunderkrankung des Spender- oder Empfängersitus
-
Schwangerschaft und Stillzeit
-
Akute Infektionen im Spender- oder Empfängersitus
-
Therapeutische Antikoagulation oder schwerwiegende Gerinnungsstörung
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Besonders strenge Indikationsstellung:
|
-
BRCA 1/2-Mutationen, positive Familienanamnese für Brustkrebserkrankungen [35]
-
Nach BET eines DCIS oder MCA (Mucin-like Cancer associated Antigen) bei Rezidiv Freiheit
frühestens 2 Jahre nach der lokalen Therapie unter kontrollierten Studienbedingungen
|
Strenge Indikationsstellung:
|
-
Immunsupression
-
Starker Nikotinabusus
|
Vorbereitung präoperativ
Neben den allgemeinen chirurgischen präoperativen Vorbereitungen und einer exakten
Fotodokumentation soll eine gründliche Inspektion und Untersuchung des zu behandelnden
Areals im Hinblick auf Hernien, Einziehungen, Narben und Hautbeschaffenheit durchgeführt
werden. Zudem soll das zur geplanten Rekonstruktion benötigte Volumen abgeschätzt
und dafür infrage kommende Entnahmestellen bestimmt werden, wobei der Wunsch des Patienten
und der Fettgewebsüberschuss wesentlich sein sollte. Bezüglich Zellqualität, Zusammensetzung
und Überlebensrate ist kein Körperareal zu präferieren [1]. Ein Volumenschwund von 10 bis 50% soll bedacht werden, jedoch sollte aufgrund des
Risikos von Fettgewebsnekrosen auf Überkorrekturen verzichtet werden. Für die Rekonstruktion
größerer Volumenmengen sollte ein mehrzeitiges Vorgehen (Folgeeingriff frühestens
nach 3 Monaten) gewählt werden.
Durchführung der autologen Fetttransplantation
Durchführung der autologen Fetttransplantation
Grundvoraussetzung ist die Durchführung durch einen Arzt, der die nötige Expertise
bezüglich Lipoaspiration und Lipofilling aufweist, um die schonende Entnahme des Zelltransplantates
zu gewährleisten. Entscheidend für ein optimales postoperatives Ergebnis ist die Entnahmetechnik.
Gleichwertig bewertete Verfahren der Fettgewebsgewinnung sind:
-
Technik nach Coleman [2]
[3]
[4]
[5]
-
„Lipivage“ [6]
-
Methode nach Shippert [7]
-
Technik nach Khouri [8]
[9]
[10]
-
Wasserstahl assistierte Verfahren [11]
Die wasserstrahlassistierte Liposuktion zeigt eine gute Qualität des Fetttransplantates
mit sehr kleinen Partikeln, hoher Anzahl an Adipozyten und Stammzellen sowie minimalen
Schäden an Blut- und Lymphgefäßen sowie Nerven. Der Anteil intakter Fettzellen bei
der wasserstrahlassistierten Methode kann bis zu 90% intakte Fettzellen enthalten.
Andere Absaugmethoden weisen eine niedrigere Viabilitätsrate auf: unter Verwendung
herkömmlicher Kanülen ohne ultraschall- oder wasserstrahlassistierter Liposuktion
liegt die Zellviabilität bei 75–80%, bei der Anwendung von laser-, ultraschall- oder
radiofrequenz-assistierter Verfahren zeigt sich eine Viabilitätsrate von 30–50% [12].
Um ein bestmöglichstes Ergebniss bezüglich Effizienz und Zellviabilität zu erhalten
sollten bei der Lipoaspiration und Vorbereitung des Gewebes folgende Kriterien beachtet
werden:
-
Die Lipoaspiration soll unter Verwendung von Vakuumpumpen oder Spritzen erfolgen.
Zu beachten ist ein kontinuierlicher Sog von −0,5 bis −0,55 bar, [11]
[13]. Sowohl abrupte Druckschwankungen z. B. durch ein Unterbrechen der Fettabsaugung
als auch ein zu hoher Sog sollen vermieden werden, da sich dies negativ auf die Zellviabilität
auswirkt (Shiffman and Mirrafati, 2001).
-
Die Liposuktion soll in Tumeszenztechnik erfolgen. Die Tumeszenzlösung soll ein möglichst
pH-neutrales, wenig zelltoxisches Lokalanästhetikum (CAVE Lidocain) und einen Vasokonstriktor
(Adrenalin, 1:200 000) enthalten [14]
[15]
[16]
[17]. Der Vasokonstriktor (z. B. Adrenalin) verringert die Blutbeimengungen im gewonnenen
Gewebe.
-
Spezielle, für die Lipoaspiration im Handel erhältliche Absaugkanülen sollen verwendet
werden. Kanülen mit zu engen Lumina beeinflussen das Transplantatüberleben negativ.
-
Geschlossene Systeme sind empfohlen, um die Exposition an der Luft und die bakterielle
Kontamination möglichst gering zu halten [18]
-
Die Liposuktion soll mit einer minimal-traumatischen Technik erfolgen. Ein zu oberflächliches
Absaugen oder ein „Übersaugen“ soll vermieden werden.
-
Um das gewonnene Fettgewebe für die Transplantation vorzubereiten sollen die intakten
Adipozyten und ASCs (adipose tissue-derived stem cells, mesenchymale Stammzellen des
Fettgewebes) von Serum, Blut, Tumeszenzlösung, freiem Fett und avitalen Zellen getrennt
werden. Dies kann durch Zentrifugation (CAVE Zeit, Zentrifugengröße und Umdrehungszahl),
Filtration, Sedimentierung und Dekantierung erreicht werden.
Lipoinjektion
Auch bei der Transplantation des gewonnenen und aufbereiteten Fettgewebes gibt es
mehrere Faktoren zu beachten, damit gute Resultate erzielt werden.
-
Stumpfe, gerade oder gebogene Luerlock-Kanülen mit einem Lumen von 1–3 mm und einer
Öffnung sollten eingesetzt werden [19]
[20]
[21]
[22]. Spitze Kanülen bergen ein erhöhtes Komplikationsrisiko bezüglich intravasaler Injektionen,
Blutungen und Verletzung von Nerven [23]. Jedoch können bei der Injektion von Eigenfett im Gesicht auch spitze Kanülen verwendet
werden. Hier kommen in aller Regel Kanülen mit einem noch kleineren Lumen zum Einsatz.
-
Über mehrere ca. 2 mm große Stichinzisionen mithilfe eines Stichskalpells oder einer
dicken Hohlkanüle (z. B. 18 Gauge) sollte das Fettgewebe unter Verwendung von Luerlock-Spritzen
mit einem Füllvolumen von 1–20 ml injiziert werden. Das Spritzenvolumen richtet sich
nach Empfängerareal, für das Gesicht sind 1–3 ml Spritzen und für die Gesäßregion
bis zu 40 ml Spritzen empfohlen. Das geringe Spritzenvolumen erlaubt einerseits die
Kontrolle über Menge und Platzierung, andererseits werden weniger schädigende Drücke
auf das Fettgewebe ausgeübt.
-
Die Abgabe kleiner Portionen (0,50 ml, im Gesicht 0,02–0,1 ml) in verschiedene Schichten
und fächerartig über mehrere Tunnel ist essentiell für die Einheilungsquote [24]. Beim Lipofilling der Brust ist die Injektion ins Drüsengewebe zu vermeiden.
-
Nach aktuellem Wissenstand sollte das gewonnene Fettgewebe zeitnah in der gleichen
Operationssitzung in das Zielgebiet injiziert werden. Aktuell liegen keine Standards
bezüglich Aufbewahrung des Fettgewebes durch Einfrieren und späterer Verwendung nach
Auftauen vor.
Postoperatives Management
Postoperatives Management
Abhängig vom behandelten Körperareal gibt es bestimmte Aspekte zu beachten und verschiedene
Maßnahmen zu ergreifen. Im Gesicht kann ein leichtes Modellieren des Transplantates
in Verbindung mit einer mäßigen Lymphdrainage unter Kühlung und adäquater Analgesie
eingesetzt werden. Nach Fetttransplantation in die Brust gibt es Empfehlungen für
einen modellierenden/elastischen Verband, jedoch sollte ein direkter Druck auf das
transplantierte Gewebe z. B. durch das vorherige Anlegen von Watteverbänden vermieden
werden. Im Bereich der unteren Extremität und des Gesäßes kann ein leichter Kompressionsverband
und niedermolekulare Heparine zur Thromboseprophylaxe erwogen werden. Insgesamt ist
bei Fetttransplantationen am Körperstamm und an der unteren Extremität eine körperliche
Schonung je nach Ausmaß und Lokalisation der Absaugung zu befürworten, auf Massagen
sollte verzichtet werden. Die Entnahmeareale sollten postoperativ mittels Kompressionsmieder
versorgt werden.
Um Komplikationen (Hämatome, Infektionen, Nekrosen) frühestmöglich zu erkennen, soll
regelmäßig und vor allem am ersten postoperativen Tag eine Kontrolle der Wundregionen
stattfinden. Postoperative Verlaufskontrollen zur Erhebung von Quantität (Graftvolumen)
und Qualität (Komplikationen) sollen durch den Vergleich der prä- und postoperativen
Fotodokumentation und durch apparative Verfahren wie 3D-Oberflächenscan, MRT und Sonografie
erfolgen.
Gesetzliche Rahmenbedingungen
Gesetzliche Rahmenbedingungen
Die Herstellung und Anwendung zelltherapeutischer Präparate bzw. klinischer Prüfpräparate
werden in Deutschland im Arzneimittelgesetzt (AMG) geregelt. Auf EU-Ebene bilden u. a.
die Geweberichtlinie (RL/2004/23/EG) bzw. die direkt rechtlich verbindliche EU-Verordnung
für neuartige Therapien (EG) Nr. 1394/2007 die Grundlage und fordern für den Einsatz
zelltherapeutischer Präparate eine behördliche Genehmigung. In Deutschland sind im
Gewebegesetz die EU-Regelungen ins AMG, Transplantationsgesetz (TPG) und Transfusionsgesetz
(TFG) integriert worden. Ansprechpartner ist die für die Arzneimittelüberwachung zuständige
Landesbehörde.
Autologes Fettgewebe wird aktuell von den Behörden nur dann als „klassische Gewebezubereitung“
eingestuft, wenn kein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt, keine substanzielle
Gewebeverarbeitung erfolgt ist und etablierte Herstellungsschritte eingehalten werden.
Das prozessierte Fettgewebe kann als biotechnologisches Gewebeprodukt eingestuft werden
(EG Nr. 1394/2007) und somit als Arzneimittel für neuartige Therapien (ATMP, advanced
therapy medicinal products) deklariert werden, wenn diesem „Eigenschaften zur Regeneration,
Wiederherstellung oder zum Ersatz menschlichen Gewebes“ zugeschrieben wird bzw. das
Fettgewebe bei der therapeutischen Anwendung seine ursprüngliche Funktion nicht erfüllt.
Aufgrund der steigenden Komplexität und Anforderungen der gesetzlichen Regularien
und Erlaubnisverfahren bietet das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) Beratungsgespräche an,
um für das jeweilige Produkt frühzeitig das Entwicklungsprogramm und den jeweils passenden
regulatorischen Weg zu diskutieren.
Patientensicherheit
Ein besonderes Augenmerk ist beim Fetttransfer den transplantierten ADSCs zu widmen
[Abb. 3]. Mesenchymale Fettstammzellen haben neben immunmodulatorischen Wirkungen ein regeneratives
Potenzial bezüglich Proliferation, Zelldifferenzierung und Angiogenese. Essentiell
für das Transplantatüberleben bei der autologen Fettransplantation ist die angiogene
Wirkung der Zytokine, die von ASCs sezerniert werden [25]
[26]
[27]. Jedoch sollte dabei die in der Literatur beschriebene onkogene Wirkung von ASCs
nicht vernachlässigt werden. In experimentellen in vivo und in vitro Arbeiten konnte das Risiko für lokales Tumorwachstum, insbesondere die onkogene Wirkung
von Brustkrebszellen, gezeigt werden [28]
[29]
[30]
[31]
[32]. Das Auftreten eines lokalen oder systemischen Rezidives konnte in retrospektiven
Studien bei Brustkrebspatientinnen mit oder ohne Lipofilling zur Brustrekonstruktion
und bei Brustaugmentationen ohne Karzinomvorgeschichte im Vergleich zu Patientinnen
mit anderen rekonstruktiven Eingriffen nach segmentaler oder totaler Mastektomie bisher
nicht bestätigt werden. Wurde ein Lipofilling in einer gesunden Brust angewandt, zeigte
sich nach 73 Monaten follow-up time kein Hinweis auf primären Brustkrebs. Erwähnenswert
ist jedoch die in der Literatur beschriebene erhöhte Rezidivrate bei hormonrezeptor
positiven Patientinnen mit Hormontherapie, die sich zur Rekonstruktion der Brust nach
Brustkrebs einer autologen Fetttransplantation unterzogen haben [33] und ein erhöhtes Risiko für ein lokales Rezidiv bei vorangegangener intraepithelialer
high grade Neoplasie [34]. Laut einer aktuellen retrospektiven Studie, in der Patientinnen zwischen 1981 und
2014 nach verschiedenen operativen Eingriffen bei malignen oder benignen Brusterkrankungen
und anschließendem Lipofilling eingeschlossen wurden, wird die autologe Fetttransplantation
zur Mammarekonstruktion jedoch als sicheres Verfahren eingestuft [33]. Dennoch ist bei rekonstruktiven Eingriffen nach Brustkrebs oder benignen Erkrankungen
der Brust erhöhte Vorsicht und eine entsprechende Sorgfalt in der Nachsorge geboten.
Stamm Zell angereicherte autologe Fetttransplantationen sollten zunächst nur im Rahmen
klinisch, kontrollierter Studien durchgeführt werden. In [Tab. 3] sind wichtige Aspekte bei Brustrekonstruktionen nach Brustkrebs und Hochrisikopatientinnen
aufgeführt.
Tab. 3 Zu beachtende Besonderheiten bei Brustrekonstruktion bei Z. n. MammaCa und Hochrisikopatienten.
Besonderheiten bei Mammakarzinompatientinnen und Hochrisikopatienten
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Leitliniengerechte Nachsorge
-
Genaue Aufklärung über die potenzielle onkogene Wirkung der mittransplantierten ASCs
besonders bei Hochrisikopatientinnen (positive Eigen- oder Familienanamnese, BRCA-1,
BRCA-2, brusterhaltende Therapie)
-
Bildgebende Verfahren (Sonografie, MRT, Mammografie) zur Erkennung von verdächtigen
Läsionen und Mikrokalzifikationen
-
Bei radiologisch ungeklärten Befunden Durchführen von Biopsien
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Ausgangsmammografie bzw. Sonografie zur Beurteilung des Verlaufs ab sechs Monate nach
autologer Fetttransplantation
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Wie bei jedem chirurgischen Eingriff bestehen auch bei der autologen Fetttransplantation
Risiken und Komplikationen ([Tab. 4]). Deshalb ist eine Aufklärung des Patienten über mögliche Risiken und Komplikationen
nach aktuellem Stand der Wissenschaft unverzichtbar.
Tab. 4 Mögliche Komplikationen bei der autologen Fetttransplantation.
Komplikationen
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Empfängerareal:
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Spenderstelle:
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Infektionen
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Hämatome, Schwellungen, Gefühlstörungen, Narben, Konturunregelmäßigkeiten
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Über-/Unterkorrektur von Deformitäten
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Blutungen
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Hoher Graftvolumen-Verlust
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Kalzifikationen und Ölzysten
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Beschädigung von Brustimplantaten
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Sehr selten: Fettembolie, Schlaganfälle, lipoide Meningitis, Pneumothorax
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Ödeme, Hämatome, Serome
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Dysästhesien, Hypästhesien, Nervenläsionen
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Narbenbildung
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Konturunregelmäßigkeiten, Asymmetrien
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Hyper-/Hypopigmentation
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Unerwünschte Medikamentenreaktion, Juckreiz
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Infektbedingte Hautnekrosen
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Infektionen
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Insgesamt ist die autologe Fetttransplantation für rekonstruktive und ästhetische
Eingriffe nach aktuellem Stand der Wissenschaft und klinischen Erfahrungen aufgrund
der niedrigen Komplikationsrate und des guten Outcomes bei korrekter Vorgehensweise
und Durchführung der Operationstechnik unter penibler Sterilität als sicheres Therapieverfahren
anzusehen. Jedoch sind weitere Studien und Untersuchungen nötig, um ungeklärte Aspekte
näher zu erforschen und signifikante Aussagen treffen zu können.