Dialyse aktuell 2016; 20(07): 330-333
DOI: 10.1055/s-0042-115452
Magazin
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Das multidisziplinäre Team

Moderne Versorgungsstruktur in der Dialyse zwischen Chancen und Risiken
Marion Bundschu
1   Ulm
,
Franka Köhler
2   Cottbus
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
12 September 2016 (online)

 

Der Gesundheitsbereich ist heute einer der größten Wirtschaftszweige. Gesundheitsberufe sind von einer hohen gesellschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Bedeutung. Alle personenbezogenen Gesundheitsberufe erfüllen für den Patienten wichtige Aufgaben. Sie sichern die Versorgungsqualität und optimieren diese beständig.

Herausfordernder Wandel im Gesundheitswesen

Dabei stehen die strukturellen, rechtlichen, ökonomischen und gesundheitspolitischen Herausforderungen in einem engen Zusammenhang mit den Auswirkungen des demografischen und sozialen Wandels. Darüber hinaus verändert sich das Krankheitsspektrum – und damit auch die Arbeitsbedingungen aller im Gesundheitswesen Tätigen. Auch die Altersstruktur der Mitarbeiter in nephrologischen Einrichtungen wandelt sich ([Abb. 1]): Zum einen scheidet aktuell bzw. in naher Zukunft ein großer Anteil sehr erfahrener ([Abb. 2]), gut qualifizierter Mitarbeiter ([Abb. 3]) aus, anderseits fehlt es an qualifiziertem Nachwuchs, weswegen sich derzeit ein personeller Engpass entwickelt.

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Abb. 1 Altersstruktur von 156 Befragungsteilnehmern (Mitarbeiter in nephrologischen Einrichtungen).nach [11]
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Abb. 2 Berufsjahre von 156 Befragungsteilnehmern (Mitarbeiter in nephrologischen Einrichtungen).nach [11]
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Abb. 3 Qualifikation von 202 Befragungsteilnehmern (Mitarbeiter in nephrologischen Einrichtungen).(Quelle: Studie der AfnP e. V. 2011/2012)

Dementsprechend liegt die Befürchtung nahe, dass der Anteil der examinierten Pflegekräfte und Fachweitergebildeten aus ökonomischen Gründen und mangels Nachwuchs durch entsprechend minderqualifizierte Kräfte ersetzt wird und sich die Versorgungsstrukturen verändern. Die Veränderungen des Patienten-Pflege-Schlüssels haben zu mehr Arbeit und mehr Verantwortung bei weniger Gehalt geführt [1]. Wie sich dies auf die Qualität der Pflege auswirken wird, bleibt abzuwarten.


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Personalstruktur mit Outcome der Patienten assoziiert

Die pflegerische Qualifizierung und ihre Rahmenbedingungen haben eine hohe Bedeutung in Hinblick auf das Outcome der Patienten. Zudem sind auch Zusammenhänge zwischen der Arbeitsbelastung bzw. der Personalbesetzung der Pflegenden und des Outcomes beschrieben. Vor allem im amerikanischen Raum ist der Zusammenhang zwischen Ausbildung und den Ergebnissen der Versorgung bzw. Komplikationen seit Jahren hinlänglich erkannt. So verbessert ein hoher Anteil examinierter Pflegekräfte die Ergebnisqualität, während der Einsatz von Aushilfskräften, Hilfskräften und angelerntem Personal diese jedoch verschlechtert. Beispielsweise ist die Zahl der Pflegenden statistisch relevant mit der Rate nosokomial erworbener Infektionen assoziiert [2].

Eine aktuelle Arbeit mit Daten von über 400 000 Patienten aus 9 europäischen Ländern untermauert den Zusammenhang zwischen dem Ausbildungsniveau der Pflegekräfte und dem Sterblichkeitsrisiko der Patienten nach einem operativen Eingriff [3]: In der RN4Cast-Studie war das Risiko nach einer Operation zu versterben um 30 % geringer, wenn 60 % der Pflegenden mit einem höherem Ausbildungsniveau für die Pflege von 6 Patienten zuständig waren als wenn bei einem Anteil von nur 30 % an hoch qualifiziertem Personal gleichzeitig eine höhere Zahl an Patienten zu betreuen war. Die Autorinnen leiten davon 2 zentrale Annahmen ab:

  • Sparen durch Abbau von Pflegefachpersonal gefährdet das Leben der Patienten.

  • Die Förderung der Ausbildung auf hohem Niveau könnte Todesfälle reduzieren.

Der ständigen Weiterentwicklung eines Fachs kommt daher eine Schlüsselrolle bei den sich ständig veränderten Rahmenbedingungen zu [4], [5], [6], [7].

Die Veränderungsdynamik führt zu neuen Strukturen von Handlungs- und Verantwortungsspektren mit erhöhten Wissensanforderungen. Dabei muss die berufliche Kompetenz von neuen (pflege)wissenschaftlichen Erkenntnissen und gesellschaftlichen Veränderungen geprägt sein.

Heute bedeutet ein Arbeiten in einem Gesundheitsberuf „lebenslanges Lernen“ [4], [7]. Dazu kommt die verstärkt geforderte berufliche Spezialisierung, die eine interdisziplinäre und multiprofessionelle Zusammenarbeit in einem multidisziplinären Team voraussetzt. Eine effiziente und effektive Gesundheitsversorgung erfordert demnach auch eine gute kooperativ organisierte und vernetzte Gesundheitsversorgung.


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Aufgaben der Pflege bei der Betreuung nierenkranker Menschen

Die Nierenersatztherapie ist keine isolierte technische Behandlung. Dies belegen schon die 216 Pflegediagnosen der „North American Nursing Diagnosis Association“ (NANDA), von denen 120 die auf nephrologische Patienten zutreffen. Die Aufgabe der Pflege ist dabei, nierenkranke Menschen in den verschieden Stadien der Niereninsuffizienz zu versorgen – vom Beginn der Erkrankung bis zum Tod (präventiv, akut, Rehabilitation, chronisch, palliativ).

Zu den unterschiedlichen Behandlungsverfahren zählen Akut- und Spezialverfahren, Peritoneal- und Hämodialyse, deren Heimverfahren und die Transplantationsnachsorge, die allesamt hoch qualifiziertes und individuell geschultes Personal verlangen. Der kompetenzbasierte Rahmenlehrplan der nephrologischen Fachweiterbildung bildet die Grundlage für diese Handlungskompetenzen [8].

Wichtig im Rahmen der Betreuung nierenkranker Menschen ist auch die „wohnortnahe medizinische Versorgung“. Dies wird allerdings immer schwieriger, da dafür nicht ausreichend Hausarztpraxen zur Verfügung stehen. Aus diesem Problem heraus ist die Delegation ärztlicher Aufgaben an nicht ärztliche Fachkräfte entstanden. [9]. Dazu trat am 22.03.2012 die „Richtlinie über die Festlegung ärztlicher Tätigkeiten zur Übertragung auf Berufsangehörige der Alten- und Krankenpflege zur selbstständigen Ausübung von Heilkunde im Rahmen von Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c SGB V“ des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in Kraft.

Der ständige Ausbau ambulanter Versorgungsstrukturen führt zu einer Fülle von neuen Anforderungen [10]:

  • eigenständige Koordinationsleistungen/Überleitungsmanagement (z. B. Terminkoordination in anderen Facheinrichtung, Absprachen mit Pflegeeinrichtungen und Pflegediensten)

  • Beratung und anleitende Unterstützung von Angehörigen, Patienten oder dem Pflegedienst

  • Präventionsmaßnahmen (Folgeschäden vermeiden, gesundheitsfördernder Ansatz).

Laut der der Ottawa-Charta der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist gerade die Gesundheitsförderung ein wichtiges Konzept. Sie formuliert das Ziel „[...] allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen“.

Der Wissenschaftsrat wiederum weist in seinen aktuellen Empfehlungen zu hochschulischen Qualifikationen für das Gesundheitswesen darauf hin, dass die Komplexität in den Aufgabenbereichen der Pflege, der Therapieberufe (Physiotherapie, Logopädie, Ergotherapie) und des Hebammenwesens v. a. im Hinblick auf die Edukation und Beratung der Patienten, die Versorgung mit vermehrt technischer Unterstützung sowie die Versorgungssteuerung gestiegen ist [7].

Um die steigenden Anforderungen an Beratung, Anleitung und Koordination leisten zu können, benötigen die Fachkräfte im Gesundheitswesen immer mehr Fach-, aber auch Sozial- und Personalkompetenz – insbesondere auch bei der Versorgung multimorbider, chronisch kranker nephrologischer Patienten, einem physisch und psychisch sehr anspruchsvollen Versorgungsprozess, in dem die spezifischen Bedürfnisse und Belange der Patienten aller Altersstufen zu berücksichtigen sind.


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Das multiprofessionelle Team in der Nephrologie

Im nephrologischen Arbeitsfeld arbeiten zunehmend mehr Mitarbeiter mit unterschiedlichen Qualifikationsrahmen (vgl. Kasten auf Seite 334). Daraus ergeben sich tagtäglich folgende Fragen:

  • Wem kann ich welche Aufgabe delegieren?

  • Ist der Mitarbeiter dafür ausreichend qualifiziert oder muss dieser noch geschult werden?

  • Delegation aus haftungsrechtlichen Gesichtspunkten

  • Welche Qualifikationen werden benötigt, um die Patientenversorgung sicherzustellen und dabei auch die Patientensicherheit nicht aus den Augen zu verlieren?

Das professionell pflegende Team in nephrologischen Einrichtungen setzt sich also aus verschiedenen Berufsgruppen, mit unterschiedlichem Qualifikationsniveau zusammen. Um diese multidisziplinären Möglichkeiten optimal einzusetzen gilt es, die einzelnen Ausbildungsinhalte zu kennen. Nur dann ist es möglich, die individuellen Mitarbeiter entsprechend ihren Fähigkeiten einzusetzen oder bei Bedarf entsprechend weiterzubilden. Daher führen wir Sie in einigen der nächsten Ausgaben der Dialyse aktuell durch den „Dschungel“ der verschiedenen Gesundheitsberufe sowie deren Tätigkeitsprofile, die sich aus den unterschiedlichen Ausbildungen bzw. Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen ergeben.

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Abb. 4 AfnP-Fragebogen zum multidisziplinären Team in der Dialyse (über www.afnp.de herunter zu laden).(Quelle: AfnP e. V.)
AfnP - Gesundheitsberufe und Qualifikationen der Mitglieder

In der AfnP-Mitgliederdatenbank sind verschiedenste Gesundheitsberufe bzw. Qualifikationen zu finden. Insbesondere die examinierten Krankenpflegekräfte sind in der Regel meist langjährige Mitarbeiter, die noch über eine Vielzahl an Zusatzqualifikationen wie eine Fachweiterbildung oder eine leitende Position verfügen. Diese Gruppe ist besonders motiviert, sich auch durchaus in Eigenregie fort- und weiterzubilden. Folgende Gesundheitsberufe (Grundqualifikation) sind derzeit unter den AfnP-Mitgliedern zu finden:

  • Altenpfleger/Altenpflegerin

  • Anwenderberater(in)

  • Arzt/Ärztin, Assistenzarzt(in)

  • Arzthelfer/in; Medizinische Fachangestellte (MFA)

  • Bachelor in Nursing

  • Bachelor Gesundheits- und Sozialmanagement

  • Bachelor in Education

  • Bachelor Medizinmanagement

  • Diätassistent(in)

  • Diplom Gesundheits-, Krankenpfleger(in)

  • Diplom Pflegefachfrau/-mann

  • Diplom Sozialpädagogin

  • Gesundheits- und Krankenpfleger(in)

  • Kinderkrankenschwester/ Kinderkrankenpfleger

  • Krankenschwester/Krankenpfleger

  • Lehrer/in für Pflegeberufe

  • Techniker; Dipl. Ing. (FH) Medizintechnik; Dipl. Ing. Medizintechnik, Sicherheitsingenieur

Viele der AfnP-Mitglieder haben auch anerkannte Weiterbildungsmaßnahmen absolviert:

  • Arzthelfer(in)/medizinische Fachangestellte in der Dialyse

  • Bachelor angewandte Gesundheitswissenschaft

  • Diabetesassistent(in) DTG

  • Diabetologe(in)

  • Dipl. Betriebswirt FH

  • Dipl. Pflegepädagoge FH

  • Diplom Betriebswirt (VWA)

  • Diplom Medizinpädagoge

  • Diplom Pharmareferent(in)

  • Ernährungstherapie/VDD

  • Facharzt für Innere Medizin

  • Fachlehrer(in) Labortechnik und Krankenpflege

  • Fachschwester/-pfleger für Anästhesie und Intensivmedizin

  • Fachweiterbildung für Transplantation

  • Fachweiterbildung Intensiv- und Dialysepflege

  • Fachweiterbildung Nephrologie

  • Fachweiterbildung Praxisanleiter(in); Mentor

  • Fachwirt für amb. medizinische Versorgung

  • Heilpraktiker

  • Hypertensiologe (DHL)

  • Hypnotiseur

  • Lehrer/in für Gesundheitsberufe

  • LSP-Trainer

  • Medizintechniker(in)

  • Pflegemanagement FH

  • Pflegepädagoge

  • Podologin

  • Praxisanleiter

  • QMB zertifizierter Wundmanager

  • QMb/Auditor

  • Rettungsassistent

  • Sozialökonom

  • staatlich geprüfte Pharmareferent(in)

Darüber hinaus haben viele AfnP-Mitglieder auch eine oder mehrere der folgenden Zusatzqualifikationen erworben:

  • Anämiekoordinater

  • Arbeitssicherheitsbeauftragte(r)

  • Brandschutzhelfer

  • Burnouttherapeut

  • Datenschutz-, Strahlenschutz-, Laserschutzbeauftragter, Gefahrstoffbeauftragter

  • enterale Ernährungstherapie

  • Geräte, EDV-Beauftragter

  • Leitungsfunktion, PDL, Stationsleitung

  • LSP-Trainer

  • Hygiene-Beauftragter in der Dialyse

  • Kinästhetiktrainer

  • medizinische Fußpflegerin

  • Medizinproduktberater

  • Mentor; Praxisanleiter

  • Praxismanager

  • Pain Nurse

  • Public Health Qualifikation

  • Qualitätsmanagement/Qualitätsbeauftragte(r)

  • Study-Nurse

  • Wundmanager ICW

An dieser Stelle braucht die AfnP e. V. Ihre Mithilfe: Sind in Ihren Einrichtungen noch weitere Qualifikationen vorhanden? Bitte informieren Sie uns bis zum 30. November 2016. Einen entsprechenden Fragebogen finden Sie unter www.afnp.de (zur Ansicht siehe [Abb. 4]). Vielen Dank für Ihre Mithilfe!


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Abb. 1 Altersstruktur von 156 Befragungsteilnehmern (Mitarbeiter in nephrologischen Einrichtungen).nach [11]
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Abb. 2 Berufsjahre von 156 Befragungsteilnehmern (Mitarbeiter in nephrologischen Einrichtungen).nach [11]
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Abb. 3 Qualifikation von 202 Befragungsteilnehmern (Mitarbeiter in nephrologischen Einrichtungen).(Quelle: Studie der AfnP e. V. 2011/2012)
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Abb. 4 AfnP-Fragebogen zum multidisziplinären Team in der Dialyse (über www.afnp.de herunter zu laden).(Quelle: AfnP e. V.)