Aktuelle Dermatologie 2016; 42(08/09): 319-320
DOI: 10.1055/s-0042-114909
Derma-Fokus
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kongressbericht FOBI - Fortschritt durch Fortbildung

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Publication Date:
18 August 2016 (online)

 

Im Jahr 1951 fand die erste Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie (FOBI) statt. 2016 feierte sie ihren 25. Geburtstag – und das in neuem Gewand: Zum 1. Mal war der Veranstaltungsort nicht das Gasteig Kulturzentrum, sondern das Internationale Congress Centrum München (ICM). Dort konnte das gesamte Kongressangebot unter einem Dach gebündelt werden: 18 Plenarsitzungen, 48 Kurse und Workshops, 57 Mittagsseminare und Satellitensymposien und rund 150 Aussteller. Im Folgenden soll eine Auswahl der Plenarvorträge vorgestellt werden.

Phototherapie – Old but gold

„Die Phototherapie (PT) ist nicht jung und sexy.“ Dennoch nimmt sie auch heute noch eine zentrale Rolle in der dermatologischen Therapie ein, so Prof. Percy Lehmann, Wuppertal. Zusammen mit der Salben- und der Systemtherapie bildet die PT die 3 Säulen der modernen dermatologischen Behandlung. Zwar seien die momentanen Entwicklungen im Bereich der Biologika sehr beeindruckend, jedoch ließen sich auch mit der PT sensationelle therapeutische Erfolge erreichen, so Lehmann. Aufgrund der langjährigen Erfahrung könne die PT zudem als sicher eingestuft werden und genieße eine hohe Akzeptanz bei den Patienten. Doch nicht jeder Dermatologe kann die PT anbieten: „Während moderne Systemtherapien wie die Behandlung mit Biologika sehr hohe Kosten für die Solidargemeinschaft verursachen, ist die PT aufgrund der hohen Anschaffungs- und Wartungskosten für den Therapeuten unwirtschaftlich“, erklärte Lehmann. Ein ökonomisches Paradoxon – denn für den einzelnen Patienten ist die PT weit kostengünstiger (wenn auch zeitaufwendiger) als die Behandlung mit Biologika. Dennoch ist die PT ein Klassiker in der Dermatologie, der sich über Jahrzehnte hinweg bewährt hat und daher nicht vergessen werden sollte.

„Die PT nimmt bei der Behandlung verschiedener Dermatosen einen zentralen Platz ein und wird diesen auch unter Berücksichtigung der pharmakologischen Neuentwicklungen im Rahmen der Mono-,­ Kombinations- und Rotationstherapie behalten“, so Lehmanns Fazit.


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Dermatologische Rezepturen – Noch immer up to date

Auch PD Dr. Petra Staubach, Mainz, betonte die Bedeutung altbewährter Behandlungsoptionen. In ihrem Vortrag über dermatologische Rezepturen machte auch sie deutlich: „Die tägliche Praxis ist nicht nur die Systemtherapie.“ Auch heute noch sei die dermatologische Rezeptur unverzichtbar. Mit Rezepturen lassen sich therapeutische Nischen abdecken, für die keine Fertigarzneimittel zur Verfügung stehen. Bei seltenen Indikationen erweitern sie die Variabilität der Therapiemöglichkeiten. Für Patienten mit bekannten Unverträglichkeiten stellen sie eine Alternative zu Fertigarzneimitteln dar. Zudem erlauben Rezepturen die Kombination mehrerer Arzneistoffe, und auch die Verordnungsmenge lässt sich flexibler gestalten, sodass z. B. auch für Kinder adäquate Dosierungen angeboten werden können.

Trotzdem mache es nicht immer Sinn, eine Rezeptur zu verordnen, so Staubach. Nicht angemessen sei eine Rezeptur, wenn

  • ein akuter Hautzustand sofortiges Handeln fordert,

  • das therapeutische Konzept nicht zu erkennen ist,

  • Wirk- oder Hilfsstoffe keine Arzneibuchqualität haben,

  • pharmakologisch-toxikologisch umstrittene oder obsolete Bestandteile eingesetzt werden,

  • Fertigarzneimittel vorhanden sind oder

  • die Verordnungsmenge und der Aufwand der Herstellung inadäquat sind.

Da häufig bereits geprüfte Magistralrezepturen vorliegen, sollten nur im Ausnahmefall Individualrezepturen verordnet werden. Hierfür sei die Kommunikation zwischen Arzt und Apotheker besonders wichtig, so Staubach.


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Systemtherapie – Imabs, Umabs, Ibs und Cepts

Prof. Wolf-Henning Boehncke, Genf, widmete sich in seinem Vortrag den Fortschritten in der Systemtherapie mittels Biologika und Biosimilars. Die bislang vorliegenden Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit der neuen Targeted Therapies seien eindrucksvoll, so Boehncke. Doch lässt sich das Ergebnis für die alltägliche Praxis so einfach aus den Studiendaten extrapolieren? Bislang gebe es keine belastbaren Daten zur Langzeitsicherheit dieser neuen Medikamente, so Boehncke. Dies gelte v. a. für Patienten mit Komorbiditäten. Es sei daher besonders wichtig, individuell und zusammen mit dem Pa­tienten zu entscheiden, welche Therapie im Einzelfall die geeignete ist. Hiermit könnte man dem Traum der personalisierten Medizin ein Stück näher kommen, so Boehncke. Umso problematischer sei die Tatsache, dass Biologika durch ihre Komplexität momentan noch sehr viel teurer und daher schwerer zugänglich sind als konventionelle Therapieoptionen. Durch die Zulassung von Biosimilars ist jedoch mit einem Preisdruck auf die Anbieter der Originale zu rechnen, meint Boehncke. Biosimilars könnten so den Zugang zu Biologika verbessern und zu deutlichen Einsparungen führen.

„Die Innovationswelle der -inibs, -cepts und -mumabs wird auch in Zukunft weitergehen“, prophezeite Boehncke. Die Entwicklung neuer Therapien werde sich weiter beschleunigen. Neue Wirkstoffklassen wie z. B. bifunktionale Antikörper oder Nanobodies würden hinzukommen, genetische und epigenetische Manipulationen an Bedeutung gewinnen (small interfering RNAs [siRNAs], Antisense-Oligonukleotide [ASOs], CRISPR-Cas-System, u.a.), die Liste möglicher Ziele für innovative Therapeutika werde sich weiter verlängern (Bsp. PCSK9). Dies gilt nicht nur für die Behandlung entzündlicher Dermatosen, sondern bspw. auch für die Melanomtherapie. Eine Übersicht der Fortschritte in der gezielten Behandlung des malignen Melanoms gab Prof. Carola Berking, München, in ihrem Vortrag. Vor allem die Kombinationstherapie mit verschiedenen Kinasehemmstoffen oder Immun-Checkpoint-Inhibitoren sei ersten Studien zufolge vielversprechend.


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Gezielte Therapie – Know your Enemy

Um überhaupt richtig therapieren zu können, muss man die Prozesse, die im Rahmen einer Erkrankung ablaufen, verstehen. In seinem Vortrag über die „Nachbarn der Psoriasis“ erläuterte Prof. Kristian Reich, Hamburg, auf anschauliche Weise, wie sich verschiedene entzündliche Reaktionen charakterisieren lassen. Sein Motto: „Wenn man die Muster verstanden hat, kommt man in der Therapie sehr viel weiter.“

Laut Reich erfolgt die Charakterisierung einer entzündlichen Reaktion auf 4 Ebenen. Die 1. Ebene ist das histologische Muster der Entzündung. Dieses kann psoriasiform sein, wie z. B. bei der Pityriasis ruber pilaris, beim chronischen Ekzem oder in den Hautinfiltraten bei Morbus Reiter. Ein völlig anderes Muster zeige sich bei lichenoiden Entzündungsreaktionen, wie z. B. beim Lichen ruber planus, bei Kollagenosen und bei Arzneimittelreaktionen. Weiterhin lassen sich das Entzündungsmuster des allergischen Kontakt- und des atopischen Ekzems sowie das der granulomatösen Entzündung unterscheiden. Die 2. Ebene der Charakterisierung ist die zelluläre. Die wichtigsten zellulären „Schauspieler“ bei Entzündungsreaktionen sind dendritische Zellen, Keratinozyten, antigenpräsentierende Zellen, T-Zellen-Subpopulationen, neutrophile Granulozyten, eosinophile Granulozyten und Mastzellen. Wie die Schauspieler in einem Theater könnten diese verschiedene Rollen spielen – und genau dies passiere bei den verschiedenen entzündlichen Reaktionen, so Reich. Die 3. Ebene ist die molekulare Ebene, d. h. die Ebene der Signaltransduktion, die 4. Ebene die der Botenstoffe, die produziert werden. Sind die kostimulatorischen Signalübertragungswege bekannt, die auf diesen Ebenen eine Rolle spielen, so können dort Therapien ansetzen und gezielt T-Zellen aktivieren bzw. deaktivieren. Bei der Psoriasis ist genau dies passiert. So können heute z. B. PDE4, TNF, IL-23 und IL-17 gehemmt und damit die Entzündungsreaktion beeinflusst werden.

Um auch die Nachbarn der Psoriasis gezielt therapieren zu können, sollte das Denken über chronische Entzündungserkrankungen über die rein klinische Dimension hinwegkommen und sich mehr der histologischen Musterdefinition, den zellulären Schauspielern und der molekularen Dimension zuwenden, so Reich. „Wenn wir diese 4 Ebenen für jede Entzündungsreaktion kennen und korrelieren könnten, dann wären wir super.“


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Ausblick

Das dermatologische Fachpublikum trifft sich vom 26. bis 29. April 2017 wieder bei der 49. Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft im City Cube Berlin. Die nächste FOBI wird im Jahr 2018 in München stattfinden.

Kathrin Strobel, Mannheim


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