Ein wichtiges Thema der 52. Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology
(ASCO) im Juni 2016 in Chicago war die Immuntherapie. Eine Reihe neuer Substanzen
wird bei verschiedenen Tumorentitäten in Monotherapie und in Kombination untersucht.
Weit fortgeschritten ist bei 2 Tumorentitäten die klinische Entwicklung des PD-L1-Antikörpers
Atezolizumab, der sich gegen das Protein Programmed Death Ligand 1 richtet, das von
Tumorzellen und tumorinfiltrierenden Immunzellen exprimiert wird: Beim fortgeschrittenen
nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) sowie beim fortgeschrittenen beziehungsweise
metastasierten Urothelkarzinom (mUC), für das der Antikörper als erster Checkpoint-Inhibitor
in den USA bereits zugelassen ist. Aktuelle Studien vom ASCO zum PD-L1-Antikörper
präsentierten Experten auf einer Presseveranstaltung in Hamburg.
Verlängertes Gesamtüberleben beim NSCLC
In der randomisierten, offenen Phase-II-Studie POPLAR wurde Atezolizumab versus Docetaxel
bei 287 vorbehandelten Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC untersucht. Daten eines
Studienupdates [1] bestätigen den Überlebensvorteil aus der Primäranalyse. Nach einem Follow-up von
minimal 20 Monaten war das Gesamtüberleben (OS) unter dem PD-L1-Antikörper um fast
3 Monate länger (12,6 vs. 9,7 Monate; HR 0,69; p = 0,011) (Abb. 1). Bei Patienten
mit hoher bis mittlerer PD-L1-Expression war der OS-Vorteil noch deutlicher (15,1
vs. 7,4 Monate). Die Wirksamkeit zeigte sich konsistent über alle Subgruppen, erklärte
Prof. Dr. Dirk Jäger, Heidelberg: „Wir haben keine Subgruppe, die schlechter läuft
als Standard-Chemotherapie.“
Weiter konnte gezeigt werden, dass mit einem verlängerten Follow-up auch die mediane
Ansprechdauer (Duration of response, DOR) verbessert werden konnte: Sie verlängerte
sich verglichen mit der Primäranalyse unter Atezolizumab von median 14,3 auf 18,6
Monate versus 7,2 Monate unter Docetaxel. Die Antikörper-Therapie erwies sich als
sicher und gut verträglich: Die Rate behandlungsbezogener unerwünschter Ereignisse
Grad 3/4 war deutlich geringer (12 % vs. 39 %), Therapieabbrüche wegen Nebenwirkungen
seltener (9 % vs. 22 %).
Gute klinische Aktivität und Sicherheit zeigte sich auch beim fortgeschrittenen kolorektalen
Karzinom (CRC), wie eine Phase-Ib-Studie [2] zeigte. Untersucht wurde die Kombination von Atezolizumab mit dem MEK1/2-Inhibitor
Cobimetinib, der den MAP-Kinase-Weg blockiert, bei schwer vorbehandelten CRC-Patienten.
Die Kombination resultierte bei mikrosatelliten-stabiler Erkrankung (MSS) in einer
höheren Gesamtansprechrate (ORR, Overall response rate) als von den Monotherapien
erwartet: Bei insgesamt guter Verträglichkeit erreichte die ORR 17%, das 6-Monats-OS
lag bei 72 %.
Gutes Ansprechen bei Blasenkrebs
Standard der Firstlinienbehandlung des mUC ist eine Cisplatin-basierte Chemotherapie.
Viele Patienten kämen wegen eines schlechten Performance-Status, Nierenfunktionsstörung
oder multipler Komorbiditäten jedoch nicht für die nebenwirkungsreiche und belastende
Therapie infrage, wie Prof. Dr. Kurt Miller, Berlin, erklärte. Zudem gebe es kaum
Langzeitremissionen. Atezolizumab kann diese Situation möglicherweise entscheidend
verbessern, wie aktualisierte Analysen der offenen Phase-II-Studie IMvigor210 zeigen.
24 % der Patienten, die für eine platinbasierte Chemotherapie nicht infrage kamen
(Kohorte 1, n = 119), sprachen auf den PD-L1-Antikörper an (7 % Komplettremissionen)
– unabhängig vom Ausmaß der PD-L1-Expression [3]. Zum Auswertungszeitpunkt (medianes Follow- up 14,4 Monate) war die mediane Ansprechdauer
noch nicht erreicht; bei 75% der Responder hielt das Ansprechen noch an; das mediane
OS war 14,8 Monate.
In Kohorte 2 (n = 310) wurden Patienten nach platinbasierter Chemotherapie mit Atezolizumab
behandelt. Sie sprachen nach einem medianen Follow-up von 11,7 Monaten zu 15 % an
[4]. Das Studienupdate zeigte nun, dass bei 71 % der Responder das Ansprechen auch nach
einem medianen Follow-up von 17,5 Monaten noch anhielt [5]. Mit der Dauer des Follow-up stieg die Chance auf eine Komplettremission. Die mediane
Ansprechdauer war auch hier noch nicht erreicht. Das mediane OS lag bei 7,9 Monaten,
das 1-Jahres-OS bei 37 %. Atezolizumab erwies sich wiederum mit einer geringen Rate
an Grad 3/4-Nebenwirkungen (0–3 %) als gut verträglich.
Quelle: Pressekonferenz „Aktuelles vom amerikanischen Krebskongress 2016“, am 22.
Juni 2016 in Hamburg. Veranstalter: Roche Pharma AG.