Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2016; 23(04): 163
DOI: 10.1055/s-0042-113278
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hohe Fallzahlen und unzureichende Behandlung

Kutane Leishmaniose in Syrien
Unn Klare
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Publication Date:
24 August 2016 (online)

 

Die Hautleishmaniose ist in vielen Regionen Afrikas, Asiens und Südeuropas endemisch, so auch in Syrien. Die ersten Fälle wurden hier vor etwa 275 Jahren unter dem Namen „Aleppobeule“ beschrieben. Seither war diese durch Sandfliegen übertragene Protozoonose zwar ein fortwährendes, jedoch in den vergangenen Jahrzehnten recht gut beherrschtes Problem in der Region.

Deutlich mehr Erkrankte mit Beginn des Bürgerkriegs

Mit Beginn des Bürgerkriegs im Jahr 2011 änderte sich dies: Erkrankten in den Jahren 2004 bis 2008 schätzungsweise nur etwa 23 000 Menschen jährlich, so waren es 2012 bereits 53 000, also mehr als doppelt so viele. Und im Jahr 2013 wurden allein innerhalb der ersten Monate 41 000 Fälle gemeldet. Wie die Entwicklung seither weiter ging, lässt sich nur erahnen; belastbare Fallzahlen sind in der gegenwärtigen Situation nicht zu erhalten. Experten der Liverpool School of Tropical Medicine gehen jedoch davon aus, dass in Syrien und den benachbarten Regionen momentan mehrere hunderttausend Menschen betroffen sein könnten und dass sich die Krankheit in Regionen ausgebreitet hat, in denen sie vorher nicht auftrat.

Die Bedingungen in den überfüllten Flüchtlingslagern in Syrien und den Nachbarstaaten, wo es oft weder ausreichend sanitäre Anlagen noch eine Müllbeseitigung gibt, bieten optimale Lebensbedingungen für Sandfliegen. Und die wenigen medizinischen Ressourcen, die momentan noch in Syrien verfügbar sind, werden fast ausschließlich für lebensrettende Maßnahmen benötigt.


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Behandlung von Erkrankten erfolgt häufig nicht

Und obwohl die kutane Leishmaniose sehr wohl als ernsthafte Erkrankung einzustufen ist – tödlich verläuft sie in der Regel nicht. Die Behandlung von Leishmaniosefällen oder gar die Bekämpfung der Krankheit an sich hat somit momentan in Syrien keine Priorität. Bereits vor dem syrischen Bürgerkrieg wurde die Leishmaniose von der WHO als „vernachlässigte Krankheit“ (= neglected tropical disease) bezeichnet. Das heißt, dass die Krankheit vor allem in Armut lebende Menschen betrifft und wenig Beachtung erfährt. Obwohl sie seit Jahrhunderten bekannt ist, ist bis heute keine Impfung verfügbar und die Präparate zur Behandlung sind seit 50 Jahren fast unverändert – sie wirken zwar meist, es gibt jedoch zunehmend Resistenzen und außerdem haben sie teilweise starke Nebenwirkungen.

Auch unbehandelt heilen die durch die Leishmaniose hervorgerufenen Geschwüre in der Regel nach mehreren Monaten (oder Jahren) wieder ab, zurück bleiben aber oft entstellende Narben. Ungünstigerweise ist in vielen Fällen gerade das Gesicht betroffen. Die Betroffenen leiden in der Folge unter Stigmatisierungen und haben Schwierigkeiten, Arbeit oder Ehepartner zu finden.

Daher versuchen einige, sich oder ihre Kinder selbst zu impfen: Um Narben im Gesicht vorzubeugen, wird (vor allem bei Mädchen) absichtlich eine Stelle am Bein mit Material aus einem offenen Geschwür eines Erkrankten infiziert. Dies kann zu einer Immunität führen – aber es funktioniert nicht immer. Darüber hinaus ist diese Technik gefährlich, denn sie kann auch zu schwerwiegenden Infektionen führen.

Quelle: promed


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