Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2016; 23(05): 215
DOI: 10.1055/s-0042-113231
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Legionellen können trotz umfangreicher Sanierungsmaßnahmen im Trinkwassersystem persistieren

Wiederkehrende Legionelleninfektionen durch einen Genotyp an Bord eines Schiffes
Stefan Neidhardt
1   Kronshagen, Deutsche Gesellschaft für Maritime Medizin
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Publication Date:
19 October 2016 (online)

 

    Ahlen C, Aas M, Krusnell J, Iversen OJ. A single Legionella pneumophila genotype in the freshwater system in a ship experiencing three separate outbreaks of legionellosis in 6 years. Microb Ecol Health Dis 2016 Aug 10; 27: 31148

    Thema: Legionellen finden sich weltweit in Frischwasser und können sich insbesondere in technischen Systemen nachhaltig ansiedeln. Der Übertragungsweg erfolgt durch Einatmen von aerosolisiertem, erregerhaltigem Wasser auf vielfältigen Wegen. Neben Duschen und allerlei Wassersprühsystemen sind insbesondere Rückkühlwerke von Klimaanlagen in der Lage, großflächig Menschen zu infizieren. Dies führt bei den Betroffenen zu grippeähnlichen Symptomen (Pontiac-Fieber) bis hin zu schweren, atypischen Lungenentzündungen. Auch Frischwassersysteme von Schiffen sind empfänglich gegenüber einer Besiedelung durch Legionellen. Ausbrüche an Bord von Schiffen sind bekannt, was die Etablierung entsprechender Überwachungsprogramme begründet. Der Artikel beschreibt eine interessante Erkenntnis, die aus Probenahmen im Rahmen mehrerer Krankheitsausbrüche mit nachfolgenden Sanierungsmaßnahmen an Bord eines weltweit eingesetzten norwegischen Offshoreversorgungsschiffs gewonnen wurde.

    Projekt: Datengrundlage waren verschiedene Beprobungen im Laufe von 6 Jahren:

    • Im März 2008 erkrankte ein Mitarbeiter einer Fremdfirma an Bord an Legionellose. In der darauffolgenden Beprobung konnten Legionellen im Trinkwasserversorgungssystem nachgewiesen werden. Es erfolgte eine Hitzebehandlung und Hochchlorung des Systems.

    • Im September 2009 kam es erneut zu einem Krankheitsfall, diesmal bei einem Besatzungsmitglied. Erneut konnten Legionellen nachgewiesen werden, es erfolgte eine Sanierung entsprechend anerkannter Empfehlungen.

    • Anfang August 2013 kam es wiederum zu einem Legionelloseausbruch an Bord, wobei diesmal 7 Besatzungsmitglieder betroffen waren. Anlässlich dieses Ereignisses erfolgte die dritte Beprobung mit positivem Ergebnis.

    Bei allen Beprobungsserien wurde ein gleichartiges Methodenset eingesetzt und die kultivierten Erreger sowohl sero- als auch genotypisiert.

    Ergebnis: Im Frischwassersystem des Schiffes konnte im Laufe von 6 Jahren trotz umfangreicher Sanierungsmaßnahmen bei wiederkehrenden Ausbrüchen der gleiche Legionellagenotyp nachgewiesen werden, der zudem der einzig nachweisbare war. Es war leider nicht möglich, Patientenmaterial zu untersuchen, sodass der definitive Nachweis der Kausalität nicht erbracht werden konnte. Die Wahrscheinlichkeit kann aufgrund der zeitlichen Nähe und der Expositionszeit an Bord jedoch als sehr hoch gelten.

    Fazit: An Bord eines weltweit eingesetzten norwegischen Offshoreversorgungsschiffs kam es trotz hohem technischen Standard innerhalb von 6 Jahren zu 3 Ausbrüchen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Besiedelung des Frischwassersystems mit einer genotypisch identischen Legionellenart zurückzuführen war.

    Kommentar

    Die Studie zeigt deutlich, dass Ursachen trinkwasserbedingter Infektionen an Bord von Schiffen sehr differenziert betrachtet werden müssen. Im Gegensatz zu ortsfesten Gebäuden, die dauerhaft mit Wasser aus ein und derselben Quelle versorgt werden, wechselt das Schiff häufig durch Bunkern in verschiedenen Häfen die Wasserbezugsquelle. So war es auch bei dem in der Publikation untersuchten Versorgungsschiff. Im Regelfall wird durch Filterung und UV-Desinfektion ein Schutz des Bordsystems gegen Keime in dem übernommenen Wasser erreicht.

    Darüber hinaus ist aus schiffbaulichen Gründen die Verrohrung oftmals deutlich komplexer als bei üblichen Gebäuden an Land, was wiederum Desinfektionsmaßnahmen erschwert. Vor diesem Hintergrund muss aufgrund der publizierten Ergebnisse bei Trinkwasserversorgungsanlagen an Bord offensichtlich damit gerechnet werden, dass sich entgegen der üblichen Annahme einer externen Kontamination durch Bunkerwasser ein Genotyp den Umweltbedingungen des Trinkwassersystems derart effektiv anpassen kann, dass er Desinfektionsmaßnahmen überleben und zunächst in geringsten Konzentrationen unterhalb der Nachweisschwelle mikrobiologischer Untersuchungsverfahren persistieren kann, um dann erneut das Trinkwassersystem zu besiedeln und infektiöse Konzentrationen zu erreichen.

    Die Hypothese der Autoren, dass Änderungen in der Pathogenität des Legionellengenotyps für die Ausbrüche verantwortlich gewesen sein können, ist durchaus beachtenswert, ändert aber nichts an der Tatsache, dass die nachgewiesene irreversible Besiedelung eines Trinkwassersystems durch einen pathogenen Erreger grundsätzlich ein nicht tolerables Risiko für Besatzung und eingeschifftes Personal darstellt.

    Das in der Publikation nachgewiesene Phänomen verdeutlicht die Bedeutung einer technisch sicheren Auslegung der Trinkwasserversorgungsanlage an Bord von Schiffen, um derartige irreversible Besiedelungen zu verhindern. Im Falle des norwegischen Versorgungsschiffs wurde nach dem dritten Ausbruch offensichtlich die Hoffnung aufgegeben, jene persistierende Legionelle nachhaltig zu beseitigen und eine Anlage zur dauerhaften Chlorung des Wassers eingebaut.


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