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DOI: 10.1055/s-0042-113088
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Ein 75-jähriger Patient in gutem Allgemeinzustand präsentiert sich mit einem seit 3 Monaten an Größe zunehmenden Tumor im Bereich des Nackens. Dieser sei zunächst als Atherom interpretiert worden, aber bei weiterem Fortschreiten wurde im niedergelassenen Bereich eine Stanzbiopsie entnommen. Es zeigte sich histologisch ein Anteil einer spindelzelligen Proliferation in der tieferen Dermis. Die Morphologie sprach für einen mesenchymalen Tumor. Weiterführende immunhistochemische Untersuchungen konnten jedoch mangels ausreichenden Materials nicht durchgeführt werden.
Anamnestisch gab es keinen Hinweis auf bekannte maligne Neoplasien.
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Untersuchungen und Befunde
Klinischer Befund
Rechts nuchal zeigte sich ein derber, nicht druckschmerzhafter, schlecht verschieblicher, hautfarbener bis rötlich-livider Tumor von etwa 5 × 7 × 3 cm Größe ([Abb. 1]). Die Lymphknotenstationen waren palpatorisch unauffällig. Im restlichen Hautstatus zeigten sich senile Angiome und unauffällige melanozytäre Nävi.


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Bildgebung
In Sonografie und MRT zeigte sich die Raumforderung ohne muskuläre Infiltration. Radiologisch wurde einerseits an eine Fibromatose und differenzialdiagnostisch auch an ein Fibrosarkom gedacht. Zudem zeigten sich rechts zervikal mehrere kleine sowie ein 8 mm großer, rundlich konfigurierter Lymphknoten.
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Laborbefunde
Das Labor inklusive Blutbild, Differenzialblutbild, Leberwerte, Elektrolyte, Nierenwerte, CRP, LDH und S100-Protein war unauffällig.
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Histologie
In der Hämatoxylin-Eosin-Färbung einer weiteren Biopsie zeigte sich in der tiefen Dermis und angrenzenden Subkutis eine pleomorph anaplastische, storiforme Neoplasie mit deutlich hyperchromatischen Zellen, hoher Zelldichte und vermehrt teils atypischen und tiefen Mitosen ([Abb. 2]). Die Läsion war durchsetzt von zahlreichen kleinen Gefäßen sowie reichlich Lymphozyten und Makrophagen. Teilweise zeigte sich in der Läsion fibrosklerotischer Hintergrund ([Abb. 3]).




In der basalen Epidermis fand sich über kurze Strecken ein Band irregulär verteilter pleomorpher Melanozyten, teilweise einzeln stehend, teilweise eng aneinander gereiht, ohne Infiltration der Dermis ([Abb. 4]).


In der Immunhistochemie zeigte sich eine deutliche Reaktivität der Spindelzellen mit Antikörpern gegen S100-Protein ([Abb. 5]), jedoch ohne Reaktivität für bzw. mit HMB45 und Melan-A. Die Entzündungszellen waren in sternhimmelgrundartiger Reaktion positiv für bzw. mit KP1 (CD68) und CD163.


Die übrigen Marker, im Speziellen die keratogenen Marker, der Germinativzell-Marker für trichoblastäre Karzinome Ber-EP4 (EP-CAM), die vaskulären Marker (CD31, CD34, D2-40/Antipodoplanin und ERG) und die myogenen Marker (SMA, Desmin) waren ebenso negativ wie INI-1 und E9 (Antimetallothionein), CD30, c-myc, TTF1, RCC und PSA.
Die MIB-1 (Ki-67)-Proliferationstendenz betraf ca. 50 % der Nukleolen.
Wie lautet Ihre Diagnose?
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Auflösung
Diagnose: Spindelzell- bzw. desmoplastisches Melanom, auf dem Boden eines Melanoma in situ, Typ weitgehend pigmentfreie Lentigo maligna, Clark Level V, maximale Tumordicke ca. 4 cm, L0, V0, PN0.
Kommentar: Das desmoplastische Melanom ist eine seltene Variante des Melanoms. Es macht etwa 4 % aller primär kutanen Melanome aus [1]. Am häufigsten tritt das desmoplastische Melanom im Bereich von Kopf und Hals auf [1]. In einer Studie aus dem Jahr 2005 an 280 Patienten wurde gefunden, dass die mediane Tumordicke bei Erstdiagnose 2,6 mm und im Gegensatz dazu bei anderen primär kutanen Melanomen zum Zeitpunkt der Diagnose etwa 0,96 mm beträgt [2].
Das klinische Erscheinungsbild des desmoplastischen Melanoms ist variabel und die Differenzialdiagnosen umfassen hypertrophe Narben, Dermatofibrosarcoma protuberans, Atherom, Lymphome, Neurofibrom, Dermatofibrom, trichoblastäres Karzinom/Basaliom und Hautmetastasen. Diese Indifferenz der Erscheinung ist wahrscheinlich ein Faktor für die oft späte Diagnosestellung.
Auch histologisch gibt es ein weites Spektrum an Differenzialdiagnosen, zu welchen atypische Fibroxanthome, desmoplastische Spitz-Nävi, Plattenepithelkarzinome, Leiomyosarkome und andere Sarkome und Metastasen zählen.
Charakteristischerweise zeigt sich histologisch eine pleomorph anaplastische Läsion sowie eine Ansammlung von Spindelzellen umgeben von unterschiedlichem Ausmaß an Kollagen. Teilweise kann sich ein storiformes oder ein faszikuläres Muster der Neoplasie zeigen [3]. Zudem können hyperchromatisch-pleomorphe Melanozytennester in der Epidermis vorhanden sein, insbesondere in Form eines Melanoma in situ, Typ Lentigo maligna [1] [4].
Ein weiterer diagnostischer Hinweis ist die oft vorhandene Affinität zu dermalen Nerven durch peri- oder intraneurale Ausbreitung im Sinne eines Neurotropismus.
Die immunhistochemische Aufarbeitung ist ein wichtiger Bestandteil der Diagnostik des desmoplastischen Melanoms. Sowohl S100-Protein als auch Melan-A und HMB-45 gelten als Marker des Melanoms. Beim desmoplastischen Melanom findet sich häufig eine Positivität von S100-Protein, während eine Reaktivität auf bzw. mit Melan-A oder HMB-45 nur in etwa 50% gelingt [3]. Zu bedenken ist hierbei, dass S100-Protein auch unter anderem in desmoplastischen Spitz-Nävi, Schwannomen und den dendritischen Zellen in Narbengewebe als Hintergrund exprimiert wird. Eine breite Palette anderer Marker kann daher manchmal notwendig sein, um weitere mögliche Entitäten auszuschließen.
Hinsichtlich der Prognose des desmoplastischen Melanoms gibt es in der Literatur sehr variable Ergebnisse [5]. Ein Grund dafür könnten die unterschiedlichen Varianten des desmoplastischen Melanoms sein.
Busam und Mitarbeiter unterscheiden 2 histologische Kategorien des desmoplastischen Melanoms: Das „pure desmoplastische Melanom (pDM)“ und das „gemischte desmoplastische Melanom (mDM)“. Ersteres ist durch Desmoplasie im gesamten Tumor gekennzeichnet, zweiteres durch ein primär „konventionelles“ Melanom mit desmoplastischen Zügen. Es zeigte sich ein prognostischer Unterschied zwischen den beiden Kategorien, wobei das Gesamtüberleben für das pDM besser abschneidet.
In einem Vergleich von 67 Patienten mit pDM mit 21 Patienten mit mDM und 1973 Patienten mit anderen „konventionellen“ Melanomen zeigte sich die Melanom-spezifische Mortalität in einem Zeitraum von 2 Jahren für das pDM mit 0 % und in 5 Jahren mit 11 %, wohingegen das mDM eine Melanom-spezifische Mortalität von 13 % in 2 Jahren und 31 % in 5 Jahren aufwies. Im Vergleich von pDM mit den „konventionellen“ Melanomen zeigte sich eine ähnliche Melanom-spezifische Mortalität, wobei die mediane Tumordicke des pDM 4,5 mm und die des „konventionellen“ Melanoms 2,1 mm bei Erstdiagnose betrug [6] [7].
Der Neurotropismus stellt einen weiteren prognostischen Faktor dar. Dieser ist mit tieferer Tumordicke, höherer Mitoseaktivität, höherer Rezidivrate und höherer Tendenz zur Metastasierung assoziiert [4].
In einer Studie von Livestro et al. wurden erstmals Fälle von desmoplastischen Melanomen mit „konventionellen“ Melanomen verglichen und bezüglich Tumordicke, Geschlecht, Alter und Jahr der Diagnosestellung kontrolliert [2]. Im Gegensatz zu mehreren anderen Studien zeigte sich in dieser Studie kein signifikanter Unterschied im Auftreten von Lokalrezidiven, wobei eine Nachresektion wegen positiven Schnitträndern signifikant häufiger beim desmoplastischen Melanom notwendig war als bei den anderen Formen des Melanoms [1] [8]. Die Rate an positiven Sentinellymphknoten war hingegen für das desmoplastische Melanom signifikant niedriger. Dies wurde auch schon in anderen Fallserien beschrieben [1] [9] [10].
Das Gesamtüberleben zeigte sich im Vergleich der desmoplastischen Melanome mit der gesamten Datenbank an Melanomen signifikant schlechter, aber nach Anpassung der Tumordicke gab es keinen Unterschied mehr. In dieser Studie wurde das desmoplastische Melanom nicht in Unterkategorien wie pDM und mDM oder nach Neurotropismus aufgeteilt.
Bezüglich der Therapie sollte das desmoplastische Melanom laut den derzeitigen AWMF-Leitlinien (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) wie andere primär kutane Melanome mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand zwischen 1 – 2 cm reseziert werden [11]. Sollte dieser – zum Beispiel aufgrund der Lokalisation – nicht möglich sein, kann eine postoperative Radiotherapie erfolgen.
Bei unserem Patienten führten wir als weitere Untersuchung ein Staging mittels PET-CT durch. In dieser wurde neben der Läsion nuchal kein Hinweis für weitere glukosestoffwechselaktive, metastasensuspekte Läsionen festgestellt.
Es wurde die Exzision des Tumors mit 2 cm Sicherheitsabstand und die zusätzliche selektive Neck-Dissektion durch die plastische Chirurgie durchgeführt.
Die selektive Neckdissektion ergab histologisch keinen Hinweis auf tumoröse Lymphknoten. Derzeit erhält der Patient 3 Mio I. E. Interferon alpha-2a 3 ×/Woche und ist seit 8 Monaten rezidivfrei.
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Literatur
- 1 Quinn MJ, Crotty KA, Thompson JF et al. Desmoplastic and desmoplastic neurotropic melanoma: experience with 280 patients. Cancer 1998; 83: 1128-1135
- 2 Livestro DP, Muzikansky A, Kaine EM et al. Biology of desmoplastic melanoma: a case-control comparison with other melanomas. J Clin Oncol 2005; 23: 6739-6746
- 3 Bastos Junior Cde S, Piñeiro-Maceira JM, Moraes FM. Desmoplastic melanoma associated with an intraepidermal lentiginous lesion: case report and literature review. An Bras Dermatol 2013; 88: 408-412
- 4 Chen LL, Jaimes N, Barker CA. Desmoplastic melanoma: a review. J Am Acad Dermatol 2013; 68: 825-833
- 5 Murali R, Shaw HM, Lai K et al. Prognostic factors in cutaneous desmoplastic melanoma: a study of 252 patients. Cancer 2010; 116: 4130-4138
- 6 Busam KJ, Mujumdar U, Hummer AJ et al. Cutaneous desmoplastic melanoma: reappraisal of morphologic heterogeneity and prognostic factors. Am J Surg Pathol 2004; 28: 1518-1525
- 7 Hawkins WG, Busam KJ, Ben-Porat L et al. Desmoplastic melanoma: a pathologically and clinically distinct form of cutaneous melanoma. Ann Surg Oncol 2005; 12: 207-213
- 8 Smithers BM, McLeod GR, Little JH. Desmoplastic melanoma: patterns of recurrence. World J Surg 1992; 16: 186-190
- 9 Jaroszewski DE, Pockaj BA, DiCaudo DJ, Bite U. The clinical behavior of desmoplastic melanoma. Am J Surg 2001; 182: 590-595
- 10 Gyorki DE, Busam K, Panageas K et al. Sentinel lymph node biopsy for patients with cutaneous desmoplastic melanoma. Ann Surg Oncol 2003; 10: 403-407
- 11 Malignes Melanom S3-Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms“. Version 1.1 – Februar 2013. AWMF-Register-Nummer: 032-024OL
Korrespondenzadresse
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Literatur
- 1 Quinn MJ, Crotty KA, Thompson JF et al. Desmoplastic and desmoplastic neurotropic melanoma: experience with 280 patients. Cancer 1998; 83: 1128-1135
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- 10 Gyorki DE, Busam K, Panageas K et al. Sentinel lymph node biopsy for patients with cutaneous desmoplastic melanoma. Ann Surg Oncol 2003; 10: 403-407
- 11 Malignes Melanom S3-Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms“. Version 1.1 – Februar 2013. AWMF-Register-Nummer: 032-024OL











