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DOI: 10.1055/s-0042-112140
Ausbildung zum Strahlenschutz – „Fachkunde im Strahlenschutz reicht nicht aus.“
Publication History
Publication Date:
30 August 2016 (online)
PD Dr. Michael Kraus erläutert im ZfOU-Interview, wo er zum Thema Strahlenschutz in deutschen Kliniken Verbesserungsbedarf sieht.
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PD Dr. med Michael Kraus (Jahrgang 1975) arbeitet als Orthopäde und Unfallchirurg in der Donau-Ries Klinik in Donauwörth. Kraus befasst sich seit Jahren mit der Anwendung von Röntgenstrahlung im chirurgischen OP. 2013 erhielt er den Innovationspreis der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie für Arbeiten zur intraoperativen Bildgebung und Navigation.
? Wie ist die Lage im Strahlenschutz in den hiesigen Kliniken?
Viele Chirurgen und Pflegekräfte versuchen nach bestem Wissen und Gewissen, Kriterien des Strahlenschutzes einzuhalten. Dennoch gibt es erheblichen Verbesserungsbedarf. So gibt es nach wie vor sehr wenige Angebote, die jungen Medizinern die richtige Anwendung tatsächlich beibringen. Die vorgeschriebenen Kurse werden oft erst im späteren Verlauf der Karriere durchgeführt und sind eher theoretischer Natur. Praktischer Strahlenschutz wird kaum unterrichtet.
? Auch eine Umfrage der AO Foundation dokumentierte unlängst erhebliche Defizite [1].
Ja, und diese Untersuchung von Alexander Joeris und Kollegen unterstreicht voll und ganz meine eigene Erfahrung. Insbesondere erfahrene Chirurgen spielen die Gefahr gerne herunter. Ich kenne Kollegen, die nur einen Teil der Schutzausrüstung nützen, wenn sie im OP Strahlung anwenden. Dies ist vor allen Dingen durch mangelnde Fortbildung und damit einhergehendem fehlendem Verständnis für die Materie zu erklären.
? Steigt die Strahlenbelastung für das OP-Personal an?
Leider gibt es keine generell übertragbaren Werte zur Dosis von Personal im OP. Jeder Tätige im OP muss eine Messplakette tragen. Die Werte dieser Dosimeter liegen praktisch nie über den gesetzlich festgelegten Grenzwerten. Ein Grund dafür mag allerdings auch sein, dass die wenigsten Chirurgen die Plaketten im OP tatsächlich auch tragen. Dazu kommt, dass nicht jeder Eingriff automatisch gleich strahlenintensiv ist. Dies hängt stark von der anatomischen Region ab und auch vom Erfahrungsgrad des Operationsteams. Besonders viel Strahlung wird zum Beispiel bei Wirbelsäuleneingriffen frei. Auch die zunehmend minimalinvasiven Eingriffe können generell ein Mehr an Röntgenstrahlung mit sich bringen, da das OP-Gebiet nicht mehr so umfangreich dargestellt wird und eine Visualisierung entsprechend mittels Bildwandler erfolgen muss.Es gibt Eingriffe, die über 30 Minuten Durchleuchtung mit sich bringen können. Hier sind vor allen Dingen Radiologen, Gefäßmediziner und Kardiologen betroffen, die minimalinvasive Eingriffe am Herz und dem Gefäßsystem durchführen. Auch in der Orthopädie und Unfallchirurgie kann bei der Frakturversorgung, am Becken und der Wirbelsäule durchaus eine mehrminütige Röntgenzeit vorkommen.
? Nach einer Publikation, bei der Sie Mitautor sind, ist die reine Präsenz eines erfahrenen Operateurs bei Frakturoperationen gut, um die Strahlenbelastung zu verringern [2]. Warum?
Das erste Schutzprinzip im Strahlenschutz heißt ALARA: As Low As Reasonably Achievable. Die beste Strahlung ist damit die, die gar nicht erst frei wird. Genau betrachtet erfordert die Anwendung des Prinzips jedoch umfassende Kenntnisse bei der Durchführung einer Operation und natürlich auch in Bildgebung und der Anwendung komplexer Bildverstärker. Unsere Studie zeigt, dass die Emission von Strahlung auch von der Erfahrung abhängt. Dies soll jetzt kein Plädoyer dafür sein, nur noch erfahrene Ärzte operieren zu lassen. Es ist jedoch von Vorteil, wenn nicht der jüngste Assistent eine OP ausgerechnet vom jüngsten Oberarzt erlernt. Eine Erkenntnis der Studie war auch, dass nicht die Erfahrung des Einzelnen ausschlaggebend ist, sondern die Teamerfahrung.Zudem ist der richtige Umgang mit dem Bildverstärker ein wesentlicher Aspekt. Der wird zumeist vom Pflegepersonal bedient. In anderen Ländern steht hierfür eigens ausgebildetes Personal zur Verfügung. In Deutschland hingegen ist die Ausbildung am verwendeten Gerät oft unzureichend. So wird fast immer auf ein Einblenden verzichtet. Auch Stromstärke und -spannung können variiert werden, um die Strahlenmenge zu verringern. Hierzu muss der Anwender jedoch wissen, wie sich die einzelnen Parameter auswirken.
? Wer solche Geräte bedient, muss doch die Fachkunde im Strahlenschutz nachweisen, reicht das nicht?
Dafür sind diverse Kurse erforderlich, die von verschiedenen Anbietern offeriert werden. In den Augen vieler erfahrener Anwender ist diese Fachkunde jedoch bei weitem nicht ausreichend, um alle erforderlichen Kenntnisse zu erlangen, die zu einem sicheren Betrieb der Geräte im OP erforderlich sind.Wir haben deshalb unlängst gemeinsam mit der AO Foundation unter Federführung von Jochen Franke von der BG-Klinik Ludwigshafen ein modulares Kurssystem entwickelt, das gezielt diese Lücke schließen soll. Es werden dabei gezielt anatomische Gebiete hervorgehoben und Aspekte der Bildgebung und des Strahlenschutzes sowohl für 2D- als auch für 3D-Gebiete erörtert. Diese Module, wie eine Reihe weiterer Kurse und E-Learning-Angebote, verstehen sich als Praxis-orientierte Ergänzung zu den staatlich vorgeschriebenen Kursen im Strahlenschutz. Sie finden sie im Internet.
Das Interview führte Bernhard Epping
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Literatur
- 1 http://www.egms.de/static/de/meetings/dkou2015/15dkou237.shtml
- 2 Kraus M, Roderer G, Max M et al. Influence of fracture type and surgeon experience on the emission of radiation in distal radius fractures. Arch Orthop Trauma Surg 2013; 133: 941-946
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Literatur
- 1 http://www.egms.de/static/de/meetings/dkou2015/15dkou237.shtml
- 2 Kraus M, Roderer G, Max M et al. Influence of fracture type and surgeon experience on the emission of radiation in distal radius fractures. Arch Orthop Trauma Surg 2013; 133: 941-946

