Aktuelle Dermatologie 2016; 42(11): 454-465
DOI: 10.1055/s-0042-111149
Fort- und Weiterbildung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Allergenspezifische Immuntherapie: Aktueller Stand sowie neue Erkenntnisse und Entwicklungen

Allergen-Specific Immunotherapy: Current Status as Well as New Findings and Developments
W. Pfützner
Klinisch-Experimentelle Allergologie, Klinik für Dermatologie und Allergologie, Philipps-Universität Marburg
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Wolfgang Pfützner
Klinik für Dermatologie und Allergologie
Philipps-Universität Marburg
Baldingerstraße
35043 Marburg

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
03. November 2016 (online)

 

Zusammenfassung

IgE-vermittelte Allergien haben in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Die allergenspezifische Immuntherapie (AIT) stellt die einzige kausale Behandlungsoption dar. Zudem kann sie der Ausweitung der allergischen Reaktionslage (Entwicklung eines allergischen Asthma bronchiale [AAB], Sensibilisierungsspektrum) vorbeugen. Im Fokus neuer Entwicklungen stehen die Erschließung neuer Behandlungsindikationen sowie Bestrebungen, über neue Allergenpräparate und innovative Anwendungsverfahren die Effektivität und Sicherheit der AIT weiter zu optimieren. Wesentliche Voraussetzungen hierfür sind sowohl vertiefte Kenntnisse über die immunologischen Mechanismen, die der AIT zugrunde liegen, als auch das Wissen um Kontraindikationen und mögliche Risiken. Es ist davon auszugehen, dass die Bedeutung der AIT für die Behandlung allergischer Erkrankungen in Zukunft weiter zunehmen wird.


Abstract

IgE-mediated allergies have significantly increased during the last decades. Allergen-specific immunotherapy (AIT) is the only causal treatment, which in addition can prevent the development of allergic asthma and new sensitizations. Recent progress focuses on the broadening of potential treatment options and the optimization of efficiency and safety through the development of new allergen products and innovative applications. Essential preconditions are both the profound knowledge about the immunological mechanisms underlying tolerance induction by AIT and the recognition of contraindications and potential risks. It is anticipated that the impact of AIT on the treatment of allergic diseases will further increase in the years to come.


Lernziele

Der Artikel soll dazu dienen, Kenntnisse zu erwerben und/oder zu vertiefen über die

  • Indikationen und Kontraindikationen der AIT

  • AIT-Nebenwirkungen und ihr Management

  • Zusammensetzung der zur AIT eingesetzten Präparate

  • immunologischen Mechanismen der AIT

  • Entwicklungen effizienterer und sicherer Allergene und Applikationsformen der AIT


Einleitung

Die allergenspezifische Immuntherapie (AIT; auch Hyposensibilisierung genannt) stellt den einzigen kurativen Therapieansatz zur Behandlung IgE-vermittelter Soforttypallergien dar. Hierbei wird dem Allergiker ein für ihn relevantes Allergen über einen längeren Zeitraum repetitiv verabreicht, um eine immunologische Toleranz gegenüber dem Allergen zu induzieren. Ziel ist die deutliche Reduktion, im Idealfall das völlige Ausbleiben klinischer Beschwerden bei erneutem natürlichen Allergenkontakt. Erstmals beschrieben wurde dieses Verfahren 1911 von Noon, der zusammen mit Freeman Gräserpollenallergiker durch subkutane Allergen-Injektionen erfolgreich behandelte [1]. Mehr als 100 Jahre später sehen wir uns einer beeindruckenden Diversität an therapeutischen Optionen der Anwendung und einsetzbarer Allergene gegenüber ([Abb. 1] [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10]). Dieser immer unübersichtlicher gewordenen Vielfalt haben sich die Therapieallergeneverordnung (TAV) des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) und die kürzlich in überarbeiteter Form veröffentlichte Leitlinie zur AIT angenommen [11], wobei zur Behandlung der Hymenopterengift (HG)-Allergie, allgemein auch als Insektengiftallergie bezeichnet, eine eigenständige Leitlinie existiert [12].

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Abb. 1 „Meilensteine“ der allergenspezifischen Immuntherapie (AIT). Aufgeführt sind neue Entwicklungen mit Zeitpunkt (rot) und zugehörigem Literaturverweis. *HG: Hymenopterengift; HSM: Hausstaubmilbe; Fel d 1: Majorallergen der Katzenepithelien; Phl p (1,5): Majorallergene der Gräserpollen.

Indikationen und Diagnostik

Die AIT wird zur Behandlung IgE-vermittelter Allergien eingesetzt und ist für 2 allergische Krankheitsformen etabliert [13]:

  1. Atemwegsallergien: Rhinokonjunktivitis allergica (RCA) sowie allergisches Asthma bronchiale (AAB) gegen saisonale (Pollen, Pilzsporen) und ganzjährige, perenniale Allergene (Hausstaubmilben [HSM], Tierepithelien)

  2. Anaphylaxien auf HG

Insgesamt zeigt die AIT eine hohe klinische Effektivität, in einer Umfrage waren 70 % der AIT-Behandelten zufrieden mit dem Erfolg [14]. Besonders gut ist das Ansprechen von HG-Allergien. So lässt sich bei etwa 80 % der Bienengift- und sogar 90 % der Wespengiftallergiker eine Toleranz induzieren [12]. Für Atemwegsallergien liegt die Rate niedriger, differiert allerdings auch in Abhängigkeit von der behandelten Erkrankung (RCA, AAB), dem applizierten Allergen und dem Applikationsmodus (subkutan = SCIT, sublingual = SLIT).

Voraussetzung des erfolgreichen Einsatzes der AIT ist die korrekte Indikationsstellung, für die folgende Bedingungen erfüllt sein müssen:

  • Vorliegen einer IgE-vermittelten Allergie

  • Allergenmeidung nicht möglich

Da mit Ausnahme der Tierepithelien eine effektive Karenz der infrage kommenden Allergene aufgrund natürlicher Expositionsgegebenheiten (Pollenflug, ubiquitäres Vorkommen von HSM und Hymenopteren) nicht möglich ist, ist die zweite Bedingung i. d. R. erfüllt. Insofern liegt das Hauptaugenmerk auf Prüfung einer IgE-mediierten Allergie ([Abb. 2]). Schwierigkeiten ergeben sich, wenn das Allergen anamnestisch unklar (z. B. perenniales Vorkommen, nicht erkanntes Insekt) oder keine IgE-vermittelte Sensibilisierung nachweisbar ist (z. B. bei „lokaler“ Atemwegsallergie mit alleiniger IgE-Produktion in der nasalen Schleimhaut [15]). Gegebenenfalls kann dann die Bestimmung von IgE-Antikörpern (Ak) gegen Komponenten eines Allergens sinnvoll sein, die eine genuine Sensibilisierung anzeigen (sogenannte Marker- oder Majorallergene). Dies kann bspw. die Detektion eines immunologisch relevanten Allergens als Auslöser oder aber kreuzreaktiver, einer AIT vermutlich nicht zugänglicher Sensibilisierungen ermöglichen. So zeigen bspw. 10 – 25 % aller Pollenallergiker keine IgE-Ak gegen Major-, sondern nur die Minorallergene eines Pollenextraktes [16]. Zu bedenken ist zudem, dass meist nur die Majorallergene in ausreichender Menge in den AIT-Extrakten vorkommen. Zum Nachweis einer „lokalen“ RCA kann ein nasaler oder konjunktivaler Provokationstest durchgeführt werden.

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Abb. 2 Beispiele unterschiedlicher Allergenpräparate. Chemisch modifizierte Allergene (Allergoide) können durch Aldehydbehandlung polymerisiert sein oder karbamylierte Lysinreste aufweisen (violett), die jeweils IgE-bindende Epitope maskieren. Rekombinante Allergene können entweder allergene Peptide (orange) entfernt oder bspw. die zelluläre Aufnahme (rosa) oder Antigenpäsentation optimierende (hellblau) Sequenzen angehängt bekommen haben. Des Weiteren können Allergenpräparate aus einzelnen Peptiden des ursprünglichen Allergens (rot = T-Zell-Epitope, blau = B-Zell-Epitope) bestehen.

Gegenstand kontroverser Diskussionen und aktueller Untersuchungen ist eine Ausweitung des Indikationsspektrums der AIT auf weitere allergische Erkrankungen. Ein möglicher „Off-label“-Einsatz der für RCA/AAB oder HG-Allergie etablierten Allergenpräparate wurde für folgende Erkrankungen geprüft:

  • Orales Allergiesyndrom (OAS)
    Bis zu 70 % der Pollenallergiker weisen ein OAS auf, das durch gegen Aeroallergene gerichtete IgE-Ak verursacht wird, die kreuzreaktiv auch Nahrungsmittel (NM)-Allergene erkennen. Eine AIT, die immunologische Toleranz gegenüber einem Aeroallergen erzeugt, sollte somit theoretisch auch die klinischen Beschwerden gegenüber den NM bessern. In letzter Zeit publizierte Studien haben jedoch gezeigt, dass dies zumeist nicht der Fall ist [17] [18], weshalb eine AIT zur primären OAS-Behandlung nicht zu empfehlen ist [11].

  • Atopisches Ekzem
    Etwa 80 % der erwachsenen Patienten mit atopischem Ekzem zeigen IgE-Ak, die bei einem Teil auch zu Ekzemexazerbationen führen können, wobei der HSM-Allergie eine hervorgehobene Rolle zukommt. Eine kürzlich publizierte Meta-Analyse zur Behandlung des atopischen Ekzems mit HSM-AIT weist 8 randomisierte, kontrollierte Studien aus, die insgesamt einen positiven Effekt für die Behandlung von Patienten mit schwerem Ekzem zeigten [19]. Dies galt jedoch nicht für die Therapie von Kindern sowie für die einer SLIT. Systemische Reaktionen (SR) oder Ekzemexazerbationen waren nicht gehäuft, sodass eine SCIT mit HSM für ausgewählte Patienten mit ansonsten therapierefraktärem, ausgeprägtem Ekzem unter dem Gesichtspunkt eines Off-label-Einsatzes eine Therapieoption darstellen könnte.

  • Gesteigerte Lokalreaktionen (LR) auf HG
    Gesteigerte LR sind definiert als vom Einstich ausgehende Schwellungen eines Durchmessers von mehr als 10 cm. Sie können mit Allgemeinbeschwerden (Fieber, Abgeschlagenheit) einhergehen und mehrere Tage anhalten, haben jedoch nichts mit einer anaphylaktischen SR gemein [20]. Eine Studie zeigte, dass eine AIT mit HG bei Patienten mit gesteigerter LR Ausmaß und Dauer der Schwellung nach Stichprovokation um etwa 30 % gegenüber Placebo minderte, wobei der Anteil erfolgreich Behandelter mit etwa 50 % deutlich geringer ausfiel als bei der HG-Anaphylaxie [21].

Die AIT mit NM zur Behandlung der NM-Anaphylaxie sollte aktuell nur in hierfür ausgewiesenen Zentren zum Einsatz kommen. Zwar zeigte sich bei im Rahmen kontrollierter Studien vor allem mit Erdnuss, Kuhmilch oder Hühnerei sowie kasuistisch mit anderen NM behandelten Allergikern zumeist ein klinisches Ansprechen, allerdings oft nur in einer unterschiedlich ausgeprägten Anhebung der vertragenen Schwellendosis [22]. Zudem besteht ein erhöhtes Risiko an oft unvorhersehbaren Nebenwirkungen und die partielle Allergentoleranz bleibt i. d. R. nur durch eine dauerhafte AIT erhalten.

Eine AIT ist indiziert
a) bei einer IgE-vermittelten Atemwegsallergie,
– die auf eine symptomatische Therapie nicht ausreichend anspricht und/oder
– um die Entwicklung eines (nicht mehr kontrollierbaren) Asthma bronchiale zu verhindern.
b) bei einer IgE-vermittelten Hymenopterengiftallergie, um anaphylaktischen Stichreaktionen vorzubeugen.


Allergene und Adjuvantien

Allergenextrakte können sich in der Art des Allergens, seiner Zubereitung und seiner Zusammensetzung unterscheiden, wobei aktuell von den nachfolgend vorgestellten nur die nativen und als Allergoid modifizierten Allergene therapeutisch einsetzt werden ([Abb. 3]).

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Abb. 3 Immunologische Mechanismen der AIT. In den ersten Tagen bis Wochen kommt es zur Tachyphylaxie mit vermehrter Ausschüttung geringer Mengen Histamin, die den auf Mastzellen vermehrt exprimierten, eine Suppression fördernden H2-Blocker stimulieren. In der anschließenden Phase des ersten Jahres kommt es zur verstärkten Induktion von Treg, die die Th2-Zellen und Mastzellen hemmen. Im 2. und 3. Jahr kommt es zum Verlust allergenspezifischer T-Zell-Reagibilität, während die IgG-Ak-Sekretion weiter zunimmt.

Allergene

  • Native Allergene: Aus ihren Ursprungsquellen isolierte Allergene, die nicht weiter verändert wurden (Konformation und damit Erkennung durch IgE-Ak bleiben erhalten).

  • Allergoide = Chemisch modifizierte Allergene, deren IgE-bindende Strukturkomponenten für das Immunsystem nicht mehr erkennbar sind. Beispiele sind durch Glutar- oder Formaldehyd denaturierte Allergene, aus denen durch Quervernetzung von Aminogruppen in und zwischen den Allergenmolekülen hochmolekulare Polymere entstehen [4], und die durch Zugabe von Kaliumzyanat carbamylierten Allergenmonomere, bei denen NH2-Gruppen des Lysins substituiert sind [23]. Durch diese Veränderungen kommt es zum Verlust der ursprünglichen Konformation des Allergens und damit seiner IgE-reaktiven B-Zell-Epitope, wodurch das Risiko allergischer Nebenwirkungen minimiert werden soll. Die im Zeitraum 1991 – 2000 vom PEI erhobenen Daten des Paul-Ehrlich-Instituts zeigten allerdings in Bezug auf die getätigten Injektionen keine wesentlichen Unterschiede zwischen der Inzidenz schwerer Reaktionen auf native Allergene (0,002 – 0,0076 %) und der auf Allergoide (0,0005 – 0,01 %) [11].

  • Modifizierte rekombinante Allergene = Allergene, bei denen durch genetische Modifikationen IgE-Bindungsstellen entfernt wurden, sodass das Risiko AIT-induzierter allergischer Reaktionen vermindert ist (sog. hypoallergene Allergene) oder die mit Peptiden fusioniert wurden, die die Allergenaufnahme bzw. -präsentation durch antigenpräsentierende Zellen (APZ) als wichtige Voraussetzung einer AIT-induzierten Stimulation regulatorischer T-Zellen (Treg; s. u.) begünstigen [10] [24].

  • Allergen-Peptide = Peptide, die denjenigen Epitopen eines Allergens entsprechen, die in erster Linie für eine Aktivierung des Immunsystems verantwortlich sind. Diese Peptide können zum einen T-Zell-Epitope darstellen, durch deren Gabe T-zelluläre Immunmechanismen der Toleranzinduktion wie die Aktivierung von Treg angeregt werden. Die gegen diese Peptide erzeugte Toleranz verhindert eine allergische Reaktion gegen das gesamte Allergen, was auch als „übertragene Toleranz“ bezeichnet wird [25]. Ein Beispiel ist die Behandlung von Katzenhaarallergikern mit 7 Allergen-Peptiden des Majorallergens Fel d 1 [9]. Zum anderen können die Peptide B-Zell-Epitopen entsprechen und damit die Produktion von IgG-Ak induzieren, die durch Fixierung des Allergens dessen Bindung an IgE-Ak verhindern. Ein Beispiel stellt eine AIT-Vakzine dar, die aus verschiedenen Gräserpollen-Peptiden besteht, die aufgrund der Koppelung an ein immunogenes Trägerprotein die Bildung Peptid-spezifischer und damit Allergen-blockierender IgG-Ak stimulieren [10].


Allergenzubereitungen

Waren Allergenextrakte der AIT als individuelle „Formulierungen“ ursprünglich von den Zulassungsbestimmungen des Arzneimittelgesetzes ausgenommen, so ist durch die TAV 2008 festgelegt worden, dass alle Extrakte, die eine der häufigen allergieauslösenden Substanzen enthalten, für den Vertrieb eine offizielle Marktzulassung des PEI benötigen. Bei diesen Substanzen handelt es sich um Birken-, Erlen- und Haselpollen (also die klassischen Frühblüher), Gräserpollen, HSM sowie Bienen- und Wespengift. Alle hierfür angemeldeten, aber noch nicht abschließend geprüften Präparate bleiben bis zum endgültigen Entscheid des PEI ebenso verschreibungsfähig wie die Extrakte, die andere als die genannten Allergene enthalten. Zugelassene Allergenextrakte können über www.pei.de/DE/arzneimittel/allergene/allergene-node.html eingesehen werden.

Zum therapeutischen Einsatz sollten standardisierte Allergenpräparate kommen, deren Zusammensetzung und Allergengehalt transparent dokumentiert ist, wobei die Allergenmenge idealerweise als Konzentration der relevanten Majorallergene erfasst ist. Allgemein wird davon ausgegangen, dass für die gängigen Aeroallergene die therapeutisch effektive Menge zwischen 10 und 20 µg, mindestens jedoch 5 µg betragen sollte [13] [26], die übliche Erhaltungsdosis für Bienen- und Wespengift beträgt 100 µg/Injektion [12]. Aktuell wird in Europa allerdings die biologische Aktivität über die im Pricktest erzeugte Quaddelgröße im Vergleich zu der in einer Referenzpopulation an Allergikern generierten Hauttestreaktion ausgewiesen. Aufgrund unterschiedlicher Kompositionen, variabler Analysemethoden und Populationen an Testpersonen (z. B. betreffend des Ausmaßes der allergischen Sensibilisierung und ihrer Anzahl) sowie herstellerspezifischer, differenter Bezeichnungen für die Aktivitätseinheiten ist ein Vergleich einzelner Präparate nicht möglich. Zudem sind qualitative Wirkunterschiede durch die jeweilige Form des Extrakts (nativ, chemisch modifiziert, mit oder ohne Adjuvanz) zu berücksichtigen.


Die Extrakte können in unterschiedlicher Form zubereitet sein:

  • Wässrige Extraktlösung oder Extrakt-Tablette: Native Allergene und Allergoide lassen sich als wässriger Extrakt für die SCIT oder als Tablette für die SLIT einsetzen.

  • Depotpräparate: Durch physikalische Koppelung nativer Allergene und Allergoide an Aluminiumhydroxid (Al(OH)3), Kalziumphosphat oder Tyrosin können wässrige Semidepot-Extrakte hergestellt werden, die nach subkutaner Injektion die rasche, systemische Distribution des gebundenen Allergens verhindern und deren Anwendung somit das Risiko anaphylaktischer Nebenwirkungen vermindert.

Da die meisten Studien zur AIT mit Extrakten mit nur einem Allergen durchgeführt wurden, wird empfohlen, möglichst keine Allergenmischungen zu verwenden [27]. Insbesondere sollten keine saisonalen mit perennialen Allergenen kombiniert werden, da ansonsten während der Flugzeit des saisonalen Allergens bei einer erforderlichen Dosisreduktion unnötigerweise auch die Menge an ganzjährigem Allergen vermindert wird. Zudem sollten Allergene mit potenziell proteolytischer Aktivität (Schimmelpilze, HSM) nicht mit anderen Aeroallergenen kombiniert werden, da es zu einem enzymatischen Abbau der Allergene kommen könnte [28].


Adjuvanzien

Adjuvanzien fungieren als unspezifische Aktivatoren des Immunsystems, die keine eigenständigen pharmakologischen Effekte aufweisen, sondern ihre immunstimulierende Wirkung nur im Zusammenspiel mit dem Allergen entfalten [29]. Ein bedeutsamer Mechanismus ist die Stimulation dendritischer Zellen, die als APZ eine entscheidende Funktion bei der Einleitung einer Immunantwort auf ein Allergen ausüben. So können APZ bspw. durch Bindung eines Adjuvants an Toll-like-Rezeptoren (TLR), die über die Detektion pathogenspezifischer molekularer Strukturen eine wichtige Rolle bei der Aktivierung des Immunsystems einnehmen, dazu angeregt werden, Treg zu induzieren. Als Adjuvanzien werden derzeit Al(OH)3 (fördert die Aktivierung von APZ sowie den ‚Shift‘ einer Th2- zu einer Th1-Zellantwort) und Monophosphoryl Lipid A (Derivat baktierieller Zellwände, das TLR-2 und TLR-4 stimuliert) in zugelassenen Präparaten eingesetzt. Weitere, bisher nur in experimentellen Studien verwandte Adjuvanzien beinhalten immunmodulatorische DNS-Sequenzen (CpG-Moleküle) und Mikrospheren sowie Liposomen.

Aktuell stehen für die AIT native Allergene und chemisch modifizierte Allergoide mit oder ohne Zusatz immunstimulierender Adjunvanzien zur Verfügung. Mögliche zukünftige AIT-Allergene sind molekulare Varianten, die eine gesteigerte Effektivität durch Stimulation toleranzinduzierender Immunmechanismen bei vermindertem Risiko der Aktivierung IgE-vermittelter Nebenwirkungen zeigen.



Immunologische Mechanismen

Die AIT führt zu einer Allergentoleranz, die immunologisch in 3 Phasen abläuft: 1.) Tachyphylaxie; 2.) Induktion einer adaptiven Toleranz; 3.) Etablierung einer lang anhaltenden Toleranz.

  1. Tachyphylaxie: Die immunologischen Grundlagen dieser ersten Phase scheinen in erster Linie auf funktionalen Änderungen von Effektorzellen, nämlich den Mastzellen, zu beruhen. Da diese weiterführenden Untersuchungen aufgrund ihrer Gewebelokalisation schwer zugänglich sind, basieren entsprechende Erkenntnisse im Wesentlichen auf Studien an funktionell ähnlichen Zellen im peripheren Blut, den basophilen Granulozyten (kurz Basophile). Es wird vermutet, dass es durch repetitive Stimulation mit den anfänglich noch niedrigen Allergenmengen im Rahmen der Steigerungsphase zur regelmäßigen Freisetzung nur geringer Mengen an pro-allergenen Mediatoren wie Histamin kommt, deren Ausmaß nicht in der Lage ist, eine allergische Reaktion auszulösen. Stattdessen stellt sich durch den kumulativen Verlust an Histamin eine temporäre Erschöpfung der Effektorzellen ein [30]. Des Weiteren kommt es zur verstärkten Expression des Histamin-Rezeptors 2, die bei Basophilen bspw. schon wenige Stunden nach Beginn einer Ultra-Rush-AIT nachweisbar ist [31]. Die Stimulation dieses Rezeptors supprimiert die weitere Histamin- und Leukotriensekretion und stellt somit einen autokrinen, negativen Feed-back-Mechanismus zu den bei einer allergischen Reaktion über den Histamin-Rezeptor 1 ausgelösten Effektormechanismen dar.

  2. Induktion adaptiver Toleranz: Um eine anhaltende Allergentoleranz zu etablieren, ist eine Beteiligung des adaptiven Immunsystems erforderlich. Diese erfolgt in der 2. Phase der AIT, die durch eine ausgeprägte Dynamik sowohl T-zellulärer als auch humoraler Änderungen gekennzeichnet ist [32] [33]. So wird durch die Zunahme an appliziertem Allergen zwar eine Th2-abhängige Immunantwort aktiviert, die sowohl durch einen Anstieg allergenspezifischer Th2-Zellen als auch deren Induktion von IgE-Ak geprägt ist. Diese hat jedoch nur vorübergehenden Charakter, da sie durch die Bildung von Treg antagonisiert wird. Diese bestehen aus unterschiedlichen Subpopulationen und stellen die entscheidenden Zellen der 2. Phase dar. So supprimieren sie eine allergische Reaktion zum einen über direkten Zellkontakt im Gewebe, zum anderen als Tr1-Zellen über die Sekretion inhibitorischer Zytokine wie IL-10 und TGF-ß [32] [34]. Interleukin 10 steigert zudem die Produktion allergenspezifischer IgG-Ak, die durch Komplexierung des Allergens dessen Bindung an IgE-Ak verhindern und daher auch als allergenblockierende Ak bezeichnet werden [34]. Hierüber unterbinden sie nicht nur die IgE-vermittelte Mastzellaktivierung, sondern supprimieren auch die weitere Stimulation einer Th2-Zellantwort, da das Allergen nicht mehr durch IgE auf APZ fixiert und T-Zellen präsentiert werden kann. Als weiterer Ak wird auch IgA gebildet (begünstigt durch TGF-ß), das als mukosaler allergenblockierender Antikörper v. a. bei Atemwegsallergien bedeutsam ist [34].
    Kontrovers diskutiert wird, ob es durch die AIT zu einer Verlagerung der allergischen Th2-Immunantwort hin zu einer Th1-Immunantwort kommt. Wenngleich es hierfür Hinweise gibt, so scheint dies nur ein temporäres Phänomen im Verlauf des ersten Jahres der AIT zu sein. Ebenso ist auch die Induktion und Aktivität der Treg als Initiator einer adaptiven Allergentoleranz nur von vorübergehender Dauer [35].

  3. Etablierung einer lang anhaltenden Toleranz: Der dritte Abschnitt zeigt einen allgemeinen Verlust allergenspezifischer T-Zell-Aktivität. Die Th2-Immunreaktion auf Allergenexposition geht verloren, ebenso zeigt sich auch keine Stimulierbarkeit der Tr1- und Th1-Zellen mehr, sodass ein T-zellulärer Zustand eingetreten ist, wie er auch für Nicht-Allergiker charakteristisch ist [35] [36]. Ursächlich hierfür könnten eine immunologische Ignoranz (also die fehlende Erkennung des Allergens), eine Anergie (also eine mangelnde Reaktivität) oder eine Depletion (also der vollständige Verlust) allergenspezifischer T-Zellen sein. Auf humoraler Ebene zeigt sich eine kontinuierliche Zunahme allergenblockierender Ak, mit Maximum am Ende der AIT, während die IgE-Synthese, vermutlich aufgrund der Persistenz langlebiger Plasmazellen im Knochenmark, häufig (zunächst) unverändert anhält [34] [35]. Da es danach wieder zu einem allmählichen Abfall der IgG-Antikörper kommt, dessen Bedeutung für die Persistenz der Allergentoleranz noch ungeklärt ist, könnte eine längere Durchführung der AIT in bestimmten Fällen sinnvoll sein [37] oder eine Boosterung allergenblockierender Antikörperspiegel durch spätere, einmalige Allergeninjektionen, ähnlich wie bei Impfungen.

Die hier vorgestellten Mechanismen finden sich gleichermaßen bei SCIT und SLIT, zeigen sich bei der SLIT allerdings nicht in gleicher Ausprägung im peripheren Blut, was dafür sprechen könnte, dass diese eher lokoregionale, auf die Mukosa bzw. das Atemwegssystem ausgerichtete Immuneffekte induziert [38] [39].

Wesentlich für einen anhaltenden AIT-Effekt ist die Ausbildung einer adaptiven Allergentoleranz, charakterisiert durch initiale, aber vorübergehende Aktivierung regulatorischer T-Zellen, langfristigen Verlust allergenspezifischer T-Zellreaktivität und Produktion allergenblockierender IgG-Ak.


Applikationsformen

Die Allergene können über unterschiedliche Verfahren appliziert werden, nämlich SCIT oder SLIT, epidermal, intradermal oder intralymphatisch ([Abb. 4]). Für die Atemwegsallergien stellen sowohl SCIT als auch SLIT etablierte Verfahren dar, für die HG-Allergie ist ausschließlich die SCIT zugelassen. Die anderen der oben genannten Applikationsformen sind Gegenstand jüngster klinischer Studien [7] [8] [9].

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Abb. 4 Formen der unterschiedlichen Allergenapplikationen (APZ: antigenpräsentierende Zelle).

Die Wirksamkeit von SCIT (bei RCA, AAB, HG-Allergie) und SLIT (RCA, AAB) konnte in zahlreichen Studien belegt werden. Allerdings lassen sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Qualität, variierender Probandenzahlen, Dosierungsschemata, Allergenmengen und Prüfkriterien keine allgemeinen, sondern nur produktspezifische Aussagen zur Effektivität der jeweiligen AIT-Verfahren tätigen [11]. Eindeutige Hinweise auf eine differente klinische Effizienz von SCIT und SLIT lassen sich nicht feststellen, sodass die Entscheidung für das eine oder andere Verfahren bei Einsatz von Präparaten mit geprüfter Wirksamkeit (www.pei.de/DE/arzneimittel/allergene/allergene-node.html) unter Berücksichtigung persönlicher Präferenzen und Gesichtspunkte, bspw. in Bezug auf die unterschiedlichen Anwendungsmodalitäten und spezifischen Nebenwirkungsprofile individuell zu treffen ist [40].

Die epikutane AIT ist die kutane Version der SLIT. Das Allergen wird topisch auf die Haut aufgebracht, deren Hornschicht zuvor mittels Pflasterabriss entfernt wurde, was eine verbesserte Aufnahme ermöglicht und vermutlich auch einen adjuvanten Immunstimulus hervorruft [8]. In klinischen Studien mit Gräserpollenallergikern fand sich sowohl eine Beschwerdeabnahme als auch eine Induktion allergenspezifischer IgG4-Ak als Ausdruck einer immunologischen Toleranzentwicklung. An Nebenwirkungen kam es v. a. zu lokalisierten Ekzemen, aber auch einigen SR wie Urtikaria, Rhinitis oder Husten. Die intradermale Injektion hat als Zielzellen nicht die epidermalen, sondern dermalen dendritischen Zellen, die das Allergen zum Lymphknoten transportieren und dort den T-Zellen präsentieren [9]. Bei der intralymphatischen AIT erfolgt die Applikation direkt in einen Lymphknoten, sodass kein transportabhängiger Wirkstoffverlust auftreten sollte und eine kleinere Anzahl niedrigerer Allergendosen mit verringertem Risiko potenzieller allergischer Nebenwirkungen verabreicht werden könnte. In 3 Studien zeigten intralymphatische Applikationen unterschiedlicher Allergene eine Symptombesserung in Provokationstests bei insgesamt guter Verträglichkeit (vornehmlich lokalisierte Lymphknotenschwellungen), wobei in einer Studie jedoch keine Induktion allergenblockierender IgG4-Antikörper nachweisbar war [41]. Demgegenüber kam es in einer anderen Studie mit Gräserpollenallergikern trotz Ak-Bildung nicht zu einer klinischen Toleranzentwicklung [42].


Therapieschemata und -dauer

In Bezug auf die zeitliche Verabreichung des Allergens können eine Vielzahl unterschiedlicher Schemata zur Anwendung kommen ([Abb. 5]). Aus Patientensicht werden oft sicherlich diejenigen bevorzugt, die die Anzahl der Applikationen und erforderlichen Arztbesuche gering halten. Da ein möglicher wichtiger Parameter für einen lang anhaltenden Therapieeffekt die kumulativ applizierte Allergendosis ist, wären vergleichende Langzeitstudien wünschenswert.

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Abb. 5 Applikationsschemata. Die Pfeile markieren einzelne Allergenapplikationen, die entweder in der klassischen Form regelhaft (kontinuierlich) oder mehrmalig ausschließlich prä-saisonal (Kurzzeittherapie), zur Einleitung als mehrere Injektionen gebündelt pro Tag (Cluster), über wenige Tage bis etwa 1 Woche verteilt (Rush) oder auf 1 – 2 Tage verteilt erfolgen.

Für die Einleitung können je nach Herstellerempfehlungen neben der konventionellen über viele Wochen durchgeführten allmählichen Dosissteigerung auch beschleunigte Verfahren wie Cluster-AIT (Erhaltungsdosis in etwa 2 – 4 Wochen), Rush- und Ultra-Rush-AIT (Erhaltungsdosis in wenigen oder 1 – 2 Tagen) angewandt werden. Während sich Rush- und Ultra-Rush-Verfahren mit HG als ähnlich gut verträglich wie die konventionelle AIT zeigten, ist die Studienlage für die Cluster-AIT mit Aeroallergenen eher kontrovers. Zwar fanden sich oft keine Unterschiede bezüglich SR, allerdings gab es auch Studien mit erhöhter Rate anaphylaktischer Nebenwirkungen unter Cluster-AIT [43].

Die minimale Behandlungsdauer sollte 3 Jahre betragen, wobei für die HG-Allergie empfohlen wird, dieses Intervall auf 5 Jahre auszudehnen, um einen möglichst langfristigen Effekt zu erzielen. Die klinische Überprüfung einer Allergentoleranz durch eine Stichprovokation hat den Vorteil, dass bei negativem Ausfall, also einer systemischen, anaphylaktischen Reaktion nach Stich durch das lebende Insekt, durch eine Steigerung auf das 1,5- bis 2-Fache der üblichen Erhaltungsdosis doch noch eine Toleranz induziert werden kann und somit eine lange, unnötige Behandlung vermieden wird [12]. Bei Vorliegen von Risikofaktoren für erneute Stiche (erhöhtes Expositionsrisiko z. B. als Waldarbeiter, Imker, etc.) oder schwerere anaphylaktische Reaktionen (schwere Stichanaphylaxie in der Anamnese, Alter > 40 Jahre, Komorbiditäten wie AAB, kardiovaskuläre oder Mastzellerkrankungen, basale Serumtryptasekonzentration > 11,4 µg/l, Einnahme von ß-Blockern, ACE-Hemmern) kann es ratsam sein, die AIT für die Dauer dieser Risikolage fortzuführen, ggf. auch lebenslang [12].


Kontraindikationen und Nebenwirkungen

Vor Durchführung der AIT sind Kontraindikationen (KI) und Risiken auf den individuellen Patienten bezogen zu beachten und mit ihm zu besprechen ([Tab. 1], [Tab. 2]) [11] [44]. Die Relevanz einzelner KI wie Gabe von ß-Blockern und ACE-Hemmern oder Autoimmunerkrankungen wird aktuell intensiv diskutiert [11] [44]. So beruht letztere auf wenigen kasuistischen Beschreibungen und den theoretischen Überlegungen, dass es im Rahmen der Toleranzinduktion zu einem ‚Shift‘ der Th2-mediierten zu einer möglicherweise bestimmte Autoimmunerkrankungen begünstigenden Th1-Immunantwort kommen kann [45]. Neuere Erkenntnisse zu den Immunmechanismen der AIT (primäre Beeinflussung der allergenspezifischen und nicht aller T-Zellen, Induktion immunsuppressiver Treg und spätere T-Zell-Anergie bedeutsamer als Induktion möglicher autoreaktiver Th1-Zellen) stützen diese Einschätzungen jedoch nicht [35] [36].

Tab. 1

Kontraindikationen der AIT.

Kontraindikationen (KI) für die AIT

(Präparatspezifische Herstellerangaben können abweichen)

SCIT & SLIT

Asthma bronchiale

falls instabil/unzureichend kontrolliert

Medikamente

– ß-Blocker, systemisch/lokal (bei SLIT präparatespezifische Unterschiede; bei HG-Allergikern bei entsprechender Indikation kardioselektiven ß-Blocker einsetzen)

– Immunsuppressiva, Biologika: Einzelfallentscheidung (insbes. bei HG-Allergie)

schwere Autoimmunerkrankungen

(keine KI z. B. Hashimoto-Thyreoiditis, Diabetes mellitus Typ I, rheumatoide Arthritis)

Immundefekte, Immundefizienz

(relative KI bei HIV-Infektion, insbes. wenn CD4 > 400/µl, neg. Virus-Last, kein AIDS-Vollbild, unter HAART)

Malignome

bei aktuellem Krankheitswert

frühere Systemreaktion auf AIT

(auch kein Umsetzen von SCIT auf SLIT!)

fehlende Compliance

Einzelfallentscheidung z. B. bei Demenz, Hirnleistungsminderung

Alter

KI: 0 – 2 Jahre (bei HG-Allergie ggf. Einzelfallentscheidung), relative KI: 3 – 5 Jahre

Schwangerschaft

KI: Beginn einer AIT, Fortführung einer schlecht vertragenen AIT

SCIT

Erkrankungen, bei denen die Gabe von Adrenalin kontraindiziert ist

(gilt nicht für HG-AIT)

Medikamente

HG-AIlergie: ACE-Hemmer (mögliches AIT-Versagen wird kontrovers diskutiert)

Sarkoidose

relative KI: mögliches Risiko von Injektionsgranulomen

SLIT

akute, ausgeprägte Entzündungen der Mundhöhle

Tab. 2

Risikofaktoren für systemische Reaktionen unter einer AIT.

Risikofaktoren für systemische Reaktionen (SR) während einer AIT

Patient

Begleiterkrankungen

akute Infekte, Mastzellerkrankungen, Hyperthyreose

Asthma

falls instabil/unzureichend kontrolliert

Augmentationsfaktoren

z. B. Anstrengung, Alkohol, Stress

Medikamente

nur bei HG-Allergie: ACE-Hemmer (schwerere SR werden kontrovers diskutiert)

Impfung

AIT frühestens 1 Woche nach, spätestens 2 Wochen vor Impfung

(unbedingt erforderliche Impfungen jederzeit)

natürliche Allergenexposition

Pollensaison, Haustier, Imker (Karenz während AIT)

frühere SR bei AIT (auch kein Umsetzen von SCIT auf SLIT!)

AIT

Allergen

Bienengift (häufiger SR als bei Gabe von Wespengift)

wässriges Präparat (häufiger als bei Gabe von Depot-Präparat)

Applikationsschema

Rush/Ultra-Rush (gilt nicht für HG-AIT), Cluster (in einzelnen Studien)

An Nebenwirkungen lassen sich LR von SR unterscheiden [11]. Zu den typischen LR zählen Schwellung und Juckreiz. So kommt es bei etwa 50 % der SLIT-Patienten zu juckenden Missempfindungen im Mund-Rachen-Raum, die jedoch häufig innerhalb der ersten Wochen nach Therapiebeginn abnehmen. Gesteigerte LR stellen zwar keinen prognostisch ungünstigen Parameter für das Auftreten von SR dar; jedoch scheint es eine Subgruppe an Patienten zu geben, die ein erhöhtes Risiko hierfür aufweist, sodass gegebenenfalls entsprechend der produktspezifischen Herstellerangaben eine Dosisreduktion erfolgen sollte [46] [47]. Sehr seltene LR sind Injektionsgranulome, die in erster Linie als eine kontaktallergische Fremdkörperreaktion auf Al(OH)3 auftreten können, insbesondere nach inkorrekter dermaler Applikation [48].

Etwa 0,1 – 10 % der SCIT-Behandelten zeigen SR unterschiedlichen Schweregrades [11] [49]. Bei der SLIT treten SR zwar deutlich seltener auf, zumeist in Form gastrointestinaler Beschwerden, einer leichten Dyspnoe (die auch Ausdruck einer gesteigerten LR sein kann) oder einer Urtikaria, jedoch sind auch Fälle schwererer Anaphylaxie beschrieben [50]. Präventionsmaßnahmen beinhalten neben der Beachtung begünstigender Risikofaktoren ([Tab. 2]) die prophylaktische Einnahme eines H1-Blockers 1 – 2 h vor Allergenapplikation (auch zur Vermeidung gesteigerter LR möglich) und in ausgewählten Fällen (insbesondere bei HG-Allergikern, bei denen die AIT aufgrund möglicher lebensbedrohlicher Stichreaktionen nicht abgebrochen werden sollte) die Gabe des Anti-IgE-Antikörpers Omalizumab, wobei zu beachten ist, dass dies eine Off-label-Indikation darstellt [51]. Kommt es fortgesetzt zu SR und sind begünstigende Faktoren wie eine Mastozytose oder eine chronische Infektion ausgeschlossen, so ist insbesondere bei der HG-Allergie zu überlegen, zunächst mit der höchsten vertragenen Allergendosis in verkürztem Applikationsintervall fortzubehandeln und nach bspw. 6 Monaten einen erneuten Steigerungsversuch vorzunehmen [12].

Neben den IgE-vermittelten SR sind sehr selten auch Immunkomplexreaktionen durch eine überschießende Bildung an IgG-Ak möglich, die sich als Serumkrankheit (Fieber, Arthritis, Exanthem, Lymphadenopathie) wenige Stunden nach Allergeninjektion äußern und dann zum Absetzen der AIT zwingen können [52]. Ein mögliches toxisches Potenzial von bei der AIT appliziertem Aluminium wird sehr kontrovers diskutiert. Der zusätzliche Beitrag zur lebenslangen Akkumulation durch andere Quellen wird allerdings als so gering eingestuft, dass auch auf Basis aller Nebenwirkungsmeldungen nach Bewertung des PEI keine Gefährdung durch eine AIT mit Al(OH)3-haltigen Präparaten bei Beachtung der empfohlenen Maximalkonzentrationen pro Injektion besteht [53].

SR stellen bedeutsame Nebenwirkungen der AIT dar. Neben Elimination der ihr Auftreten begünstigenden RF können zur Prävention Antihistaminika oder in seltenen Fällen auch Omalizumab (off-label) sowie eine vorübergehende Modifikation der applizierten Allergendosis erwogen werden.

Kernaussagen/Fazit für die Praxis

AIT

  • ist die einzige kausale Behandlungsoption IgE-mediierter Allergien.

  • indiziert für IgE-vermittelte Atemwegs- und HG-Allergien und ist ggf. off-label einsetzbar bei atopischem Ekzem und HG-induzierter gesteigerter LK.

  • ist mit nativen Allergenen und Allergoiden durchführbar, wobei Präparate mit geprüfter Wirksamkeit (www.pei.de/DE/arzneimittel/allergene/allergene-node.html) eingesetzt werden sollten.

  • führt zur Bildung allergenblockierender IgG-Ak und Verlust allergenspezifischer T-Zellreaktivität.

  • kann als SCIT oder SLIT bei respiratorischen und SCIT bei HG-Allergien mit unterschiedlichen Applikationsschemata durchgeführt werden.

  • kann mit LR und SR einhergehen, die applikationsabhängig (SCIT, SLIT) unterschiedlich gewichtet auftreten und durch Präventionsmaßnahmen behandelt werden können.

  • kann in naher Zukunft durch Einführung modifizierter Allergenpräparate (z. B. hypoallergene Varianten, Allergenpeptide) und Applikationsformen (epidermal, intradermal, intralymphatisch) möglicherweise weiter optimiert werden.



Interessenkonflikt

Der Autor ist beratend und mit Vorträgen für ALK-Abelló tätig. Zudem hat er von ALK-Abelló Forschungsunterstützungen erhalten.


Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Wolfgang Pfützner
Klinik für Dermatologie und Allergologie
Philipps-Universität Marburg
Baldingerstraße
35043 Marburg


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Abb. 1 „Meilensteine“ der allergenspezifischen Immuntherapie (AIT). Aufgeführt sind neue Entwicklungen mit Zeitpunkt (rot) und zugehörigem Literaturverweis. *HG: Hymenopterengift; HSM: Hausstaubmilbe; Fel d 1: Majorallergen der Katzenepithelien; Phl p (1,5): Majorallergene der Gräserpollen.
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Abb. 2 Beispiele unterschiedlicher Allergenpräparate. Chemisch modifizierte Allergene (Allergoide) können durch Aldehydbehandlung polymerisiert sein oder karbamylierte Lysinreste aufweisen (violett), die jeweils IgE-bindende Epitope maskieren. Rekombinante Allergene können entweder allergene Peptide (orange) entfernt oder bspw. die zelluläre Aufnahme (rosa) oder Antigenpäsentation optimierende (hellblau) Sequenzen angehängt bekommen haben. Des Weiteren können Allergenpräparate aus einzelnen Peptiden des ursprünglichen Allergens (rot = T-Zell-Epitope, blau = B-Zell-Epitope) bestehen.
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Abb. 3 Immunologische Mechanismen der AIT. In den ersten Tagen bis Wochen kommt es zur Tachyphylaxie mit vermehrter Ausschüttung geringer Mengen Histamin, die den auf Mastzellen vermehrt exprimierten, eine Suppression fördernden H2-Blocker stimulieren. In der anschließenden Phase des ersten Jahres kommt es zur verstärkten Induktion von Treg, die die Th2-Zellen und Mastzellen hemmen. Im 2. und 3. Jahr kommt es zum Verlust allergenspezifischer T-Zell-Reagibilität, während die IgG-Ak-Sekretion weiter zunimmt.
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Abb. 4 Formen der unterschiedlichen Allergenapplikationen (APZ: antigenpräsentierende Zelle).
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Abb. 5 Applikationsschemata. Die Pfeile markieren einzelne Allergenapplikationen, die entweder in der klassischen Form regelhaft (kontinuierlich) oder mehrmalig ausschließlich prä-saisonal (Kurzzeittherapie), zur Einleitung als mehrere Injektionen gebündelt pro Tag (Cluster), über wenige Tage bis etwa 1 Woche verteilt (Rush) oder auf 1 – 2 Tage verteilt erfolgen.