Zentralbl Chir 2016; 141(04): 359
DOI: 10.1055/s-0042-110721
Kurz referiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Postoperative Komplikationen – Präoperative Risikostratifizierung

Contributor(s):
Steffen Manekeller
Ozrazgat-Baslanti T, Blanc P, Thottakkara P et al.
Preoperative assessment of the risk for multiple complications after surgery.

Surgery 2016;
DOI: 10.1016/j.surg.2016.04.013.
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Publication History

Publication Date:
24 August 2016 (online)

 

Der Zusammenhang zwischen präoperativen Patientencharakteristika und der Anzahl schwerer postoperativer Komplikationen nach großen chirurgischen Eingriffen ist nicht gut definiert. Die Autoren haben anhand dieser Studie einen Online-Kalkulator entwickelt, der das Risiko für jede Anzahl von Komplikationen nach großen Operationen einschätzen soll.

Ozrazgat-Baslanti T, Blanc P, Thottakkara P et al. Preoperative assessment of the risk for multiple complications after surgery. Surgery 2016; doi: 10.1016/j.surg.2016.04.013

In den USA werden pro Jahr mehr als 50 Millionen stationäre chirurgische Eingriffe durchgeführt. 3 – 17 % der Patienten haben postoperative Komplikationen (PK) und 1 % verstirbt. PK sind mit einem gesteigerten Krankenhausmortalitätsrisiko und einer Wiederaufnahme nach Entlassung assoziiert. Postoperatives Nierenversagen (AKI) ist eine häufige und verheerende Komplikation und kommt bei mehr als 30 % der chirurgischen Patienten vor. AKI ist mit einem erhöhten Risiko für weitere Major-Komplikationen verbunden wie Sepsis, respiratorischer Insuffizienz, kardiovaskulären Komplikationen und verlängertem Aufenthalt auf der Intensivstation (ICU). Eine Kombination dieser Major-Komplikationen, führt zu einer wesentlichen Steigerung der Pflegekosten, chronischen Krankheiten und steigert die Langzeitmortalität und Behinderung. Die Möglichkeit präoperativ das Risiko für PK vorherzusagen, könnte für die klinische Entscheidungsfindung wichtig sein. Es steigert die Patientenselektion und gibt die Möglichkeit, früh intraoperativ Präventivstrategien zu entwickeln, um die Anzahl und Schwere von Komplikationen zu senken.

In einer Single-Center-Kohorte von erwachsenen Patienten untersuchte die Arbeitsgruppe alle erhältlichen präoperativen klinischen Daten, um einen präoperativen Risikoscore für jede postoperative Major-Komplikation zu finden. Eingeschlossen wurden alle Patienten aus der Datenbank der Universität von Florida > 18 Jahre, die > 24 h hospitalisiert waren und zwischen 01/2000 und 11/2010 eine Operation erhielten. Die Kohorte umfasste 50 314 Patienten. Das primäre Outcome war die exakte Anzahl PK der 7 Major-Komplikationen, AKI, Beatmung > 48 h, schwere Sepsis, ICU-Aufenthalt > 48 h, kardiovaskuläre Komplikationen und/oder die Notwendigkeit der Vasopressorengabe > 24 h, neurologische Komplikationen und Wundkomplikationen. Die Anzahl der Komplikationen wurde zwischen 0 und ≥ 3 eingeteilt.

Ergebnisse

41 % der eingeschlossenen Patienten hatten keine PK. 26 % hatten eine Komplikation, 12 % wiesen 2 und 21 % ≥ 3 Komplikationen auf. Höheres Alter, Anzahl der Komorbiditäten, männliches Geschlecht und Notfalleingriffe waren mit mehr Komplikationen vergesellschaftet. Patienten mit kardio-thorakalen Eingriffen hatten eine höhere Wahrscheinlichkeit für ≥ 3 Komplikationen, während die größte Anzahl von Spezialeingriffen ohne Komplikationen verlief. 39 % der Patienten hatten ein postoperatives AKI, gefolgt von ICU-Aufenthalt > 48 h (32 %), kardiovaskuläre Komplikationen/Vasopressorenbedarf (23 %) und Beatmung > 48 h (14 %). Eine Mehrzahl von Patienten mit ≥ 3 Komplikationen hatte die Kombination aus ICU-Aufenthalt > 48 h, Beatmung > 48 h, AKI und kardiovaskuläre Komplikationen/Vasopressorenbedarf. Die Dauer des Krankenhausaufenthaltes verlängerte sich mit der Anzahl der Komplikationen und lag bei 4 Tagen ohne Komplikationen und 20 Tagen bei Patienten mit ≥ 3 Komplikationen. Ebenso verlängerte sich der Aufenthalt auf der Intensivstation (1 Tag ohne Komplikationen, 10 Tage ≥ 3 Komplikationen). Patienten mit ≥ 3 Komplikationen hatten einen 5-fachen Anstieg der medianen Krankenhauskosten im Vergleich mit Patienten ohne Komplikationen und wurden weniger wahrscheinlich nach Hause entlassen im Vergleich zu Patienten ohne Komplikationen (43 % vs. 85 %).

Die gesamt 30-Tage-Mortalität lag bei 3,5 %, die gesamt 90-Tage-Mortalität bei 6,6 %. Für Patienten mit ≥ 3 Komplikationen stieg die Mortalität (30 Tage: 12,2 %; 90 Tage: 20,4 %). Die Mehrzahl der Todesfälle innerhalb von 30 und 90 Tagen trat bei Patienten mit ≥ 3 Komplikationen auf. Eine steigende Anzahl von Komplikationen war mit einer ansteigenden 30 und 90-Tage Mortalität verbunden, bei allen Patienten mit großen Operationen. Patienten ohne Komplikationen hatten eine sehr geringe 30-Tage-Mortalität (0,3 – 1,2 %). Patienten mit einer Komplikation hatten eine 30-Tage-Mortalität von < 2,2 % für alle Arten von Operationen.

Es wurden präoperative Faktoren herausgearbeitet, welche die Risiken für jedes Outcome bestimmen sollten. Patienten > 65 Jahre hatten ein erhöhtes Risiko für 2 oder ≥ 3 Komplikationen, männliche Patienten hatten ebenfalls ein größeres Risiko. Des Weiteren spielte der Versicherungsstatus eine Rolle (Medicare-Versicherung 30 – 40 % höheres Risikoverhältnis als Patienten mit Privatversicherung). Patienten mit bestehenden Komorbiditäten hatten ebenfalls ein erhöhtes Risiko für postoperative Komplikationen.


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Fazit

Die Studie konnte zeigen, dass eine Selektion von leicht verfügbaren demografischen und klinischen Variablen streng mit mehreren wichtigen postoperativen Outcome-Parametern verbunden ist. Die Assoziation zwischen der Anzahl von PK und einem gesteigerten negativen Outcome mit steigenden Kosten zeigt den Bedarf an, Patienten mit einem Risiko für PK präoperativ identifizieren zu können. Die Autoren haben einen Online-Kalkulator entwickelt, um das Risiko für jede Anzahl von Komplikationen einschätzen zu können. Dadurch sollen Patienten präoperativ hinsichtlich des postoperativen Outcomes eingeordnet werden und die Anzahl postoperativer Komplikationen gesenkt und das Outcome verbessert werden.


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