Fortschr Neurol Psychiatr 2016; 84(12): 755
DOI: 10.1055/s-0042-110014
Buchbesprechung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hermann Oppenheim – ein Begründer der Neurologie

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Publication Date:
12 December 2016 (online)

Prof. Dr. med. Heiko Bewermeyer war bis 2005 ärztlicher Direktor der neurologischen Klinik in Köln-Merheim. Vielen mag er durch sein hervorragendes Buch „Neurologische Differenzialdiagnostik“ schon länger als didaktisch guter Kliniker bekannt sein. Schon länger beschäftigt er sich aber auch mit der Vita wichtiger Mediziner, vor allem natürlich von Neurologen, wie auch sein biografisches Buch über Zülch von 2006 zeigt. Nun legt er zusammen mit 6 weiteren, ebenfalls in dieser Materie beschlagenen Koautoren (inklusive seiner Tochter), ein Buch über Hermann Oppenheim vor, der von 1858 – 1919 lebte, als wissenschaftlich-didaktischer Wegbereiter und einer der Gründerväter der Neurologie und Neurochirurgie gilt. Das Buch hat einen angemessenen Umfang von 211 Seiten, wird mit 22 Abbildungen und 5 Tabellen garniert und ist erstaunlich preiswert. Etwas untypisch für medizinische Biografien geht Bewermeyer genauer auf die soziale Herkunft bzw. den Geburtsort Warburg ein, aus dem auch der Autor selbst stammt. Er stellt die Position der Juden und auch den grassierenden Nationalismus und Antisemitismus im Deutschen Kaiserreich dar und diskutiert Intrigen der preußischen Universitätsverwaltung, von Althoff und Jolly gegen Oppenheim an der Charité. Infolge dessen war Oppenheim gekränkt und verbittert und zog sich in seien neurologische Privatpraxis zurück. Ein wesentlicher Teil des Buches stellen neu aufgefundene Originalauszüge seines Neffen mit Oppenheims eigenen Erinnerungen an seine eigene Kindheit, Jugend in einer westfälischen Kleinstadt und die eigene Berufsausbildung dar. Den meisten Neurologen heute fällt natürlich der Oppenheim-Reflex ein, also das Phänomen der Dorsalflexion der Zehen bei kräftigem Bestreichen der Innenseite der Tibia als Variante eines Pyramidenbahnzeichens. Was hier enttäuschend fehlt, ist die Originalbeschreibung und die Einordnung nach heutigen Kriterien der Medizin. Natürlich werden die wissenschaftlichen Arbeiten und Fallbeschreibungen Oppenheims erwähnt. Hier seien nur die Beschreibung der Witzelsucht bei Stirnhirnläsionen, Beschreibung der Bulbärparalyse, Beiträge zur Multiplen Sklerose, Arbeiten im psychiatrischen Bereich, die damals (ich sage nur Nonne) umstrittenen traumatischen Neurosen, Rückenmarkserkrankungen, Tumoren, Neurolues und andere entzündliche ZNS-Erkrankungen zu erwähnen. Die Myatonia congenita, oder Amyotonia, englisch „floppy infant syndrome“, ist ja auch zeitweise als Oppenheim‘sche Krankheit bekannt gewesen.