Suchttherapie 2016; 17(04): 188
DOI: 10.1055/s-0042-109958
Buchbesprechung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sucht und Suizidalität

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Publication Date:
11 November 2016 (online)

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In der Buchreihe „Sucht: Risiken – Formen – Interventionen“, herausgegeben von o. Bilke-Hentsch, E. Gouzoulis-Mayfrank und M. Klein, ist ein weiterer Band erschienen zum Thema Sucht und Suizidalität. Die Buchreihe ist aufgegliedert in 3 s. g. Tracks:

Track 1: Grundlagen und Interventionsansätze

Track 2: Substanzabhängige Störungen und Verhaltensüchte im Einzelnen

Track 3: Gefährdete Personen und Comorbiditäten

Demzufolge ist der neue Band Track 3 zuzuordnen. Das Buch ist in 8 Kapiteln aufgeteilt: Einleitung; Allgemeine und klinische Epidemiologie; Klinik, Verlauf, Prognose; Ätiologie und spezielle Suchtdynamik; Diagnostik; Interventionsplanung, interdisziplinäre Therapieansätze; Präventive Ansätze; Synopsis und Ausblick.

Einleitend werden zunächst die Bedeutung der Suizidalität als einem der häufigsten psychiatrischen Notfälle und besonderer therapeutischer Herausforderung im Alltag der psychosozialen und psychiatrischen Versorgung sowie die grundsätzliche Bedeutung dieses Aspektes in der Versorgung Suchtkranker skizziert und anhand von 2 Fallvignetten dargestellt. In den weiteren Kapiteln folgen Erläuterungen zur klinischen Epidemiologie von Suchterkrankungen und deren Bedeutung in der psychiatrischen Versorgung: Patienten mit substanzbezogenen Störungen umfassen ca. 40% der stationären Aufnahmen. Zusammenhänge zwischen verschiedenen Suchterkrankungen, allgemeinpsychiatrischer Comorbidität und Suizidversuchen werden diskutiert, die Komplexität des Phänomens substanzgebundene Störung inklusive psychiatrischer und somatischer Comorbidität und Mehrfachabhängigkeit skizziert.

Das Phänomen Suizidalität selbst wird kurz, aber differenziert behandelt unter Berücksichtigung kulturspezifischer Phänomene und Differenzierung verschiedener suizidspezifischer Aspekte wie Basissuizidalität, indirekte und direkte suizidale Kommunikation sowie der aktuelle Stand bezüglich des Verständnisses der Suizidalität zurückliegenden psychischen Dynamik und Erklärungsansätzen für Suizidalität bei Suchterkrankungen wie z. B. Suchtmittelkonsum als etwaige Selbstmedikation, Beeinflussung der Hemmschwelle zu suizidalem Verhalten durch Suchtmittelkonsum und allgemeinpsychiatrischen Aspekten.

Diagnostik und Therapie von Abhängigkeitserkrankungen werden unter Berücksichtigung interdisziplinärer Interventionsansätze und konkreter Erörterung des praktischen Vorgehens in der Kommunikation mit den Patienten zur Erfassung und Bearbeitung suizidaler Tendenzen beschrieben und die besonderen Herausforderungen bezüglich der Beziehungsqualität, fehlender sozialer Ressourcen, Scham und Schuldgefühlen sowie Belastungen durch kontinuierlich instabile Lebensbedingungen differenziert erörtert.

Möglichkeiten und Forschungsstand zur Suizidprävention werden dargestellt und im letzten Kapitel Konsequenzen für Klinik und Praxis konkret und prägnant zusammengefasst: Insbesondere die Notwendigkeit des Beziehungsaufbaus, der konkreten unmittelbaren Auseinandersetzung mit dem Phänomen Suizidalität und der unbefriedigender Forschungsstand angesichts zahlreicher offener Fragen.

Die Bedeutung der Verfügbarkeit niederschwelliger wohnortnaher Hilfsangebote wird gut herausgearbeitet. Das Buch insgesamt zeugt von fundierter praktischer Erfahrung, umfassenden Kenntnissen des aktuellen Forschungsstandes und stellt eine gute, praxisorientierte leserfreundliche Zusammenfassung des aktuellen Kenntnisstandes und der Komplexität der Phänomene Sucht und Suizidalität dar.

T. Kuhlmann, Bergisch Gladbach