Pneumologie 2016; 70(08): 514-521
DOI: 10.1055/s-0042-109749
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Exonabhängige Subgruppenanalyse der nicht-interventionellen REASON-Studie: PFS und OS beim EGFR-mutierten NSCLC mit Behandlung von Gefitinib versus Chemotherapie

Exon-dependent Subgroup-analysis of the Non-interventional REASON-Study: PFS and OS in EGFR-mutated NSCLC Patients Treated with Gefitinib or Chemotherapy
W. Schuette
1   Krankenhaus Martha-Maria Halle-Doelau, Klinik für Innere Medizin II, Halle
,
M. Dietel
2   Pathologisches Institut Humboldt Universität Berlin
,
M. Thomas
3   Internistische Onkologie der Thoraxtumoren, Thoraxklinik im Universitätsklinikum Heidelberg, Translational Lung Research Center Heidelberg (TLRC-H), Member of the German Center for Lung Research, Heidelberg
,
W. Eberhardt
4   Innere Klinik (Tumorforschung), Ruhrlandklinik, Westdeutsches Tumorzentrum (WTZ), Essen, Universitätsklinikum Essen, Universität Duisburg-Essen
,
F. Griesinger
5   Pius-Hospital Oldenburg
,
U. Zirrgiebel
6   iOMEDICO AG, Freiburg
,
S. Radke
7   Medical Affairs, AstraZeneca, Wedel
,
P. Schirmacher
8   Pathologisches Institut Universitätsklinik Heidelberg
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Wolfgang Schütte
Krankenhaus Martha-Maria Halle-Doelau
Klinik für Innere Medizin II
Röntgenstr. 1
06120 Halle (Saale)

Publication History

eingereicht 20 April 2016

akzeptiert nach Revision 03 June 2016

Publication Date:
11 August 2016 (online)

 

Zusammenfassung

Ziel der Studie: Untersuchung des Einflusses der Lokalisation von Mutationen im Gen des epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors (EGFR) auf das progressionsfreie (PFS) und Gesamtüberleben (OS) bei Patienten (Pt) mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC), die unter Routinebedingungen in der REASON-Studie mit Gefitinib (Gef) bzw. Chemotherapie (CT) behandelt wurden.

Methodik: Die ermittelten Subgruppen von Pt mit Exon 19- (n = 141), 18/20- (n = 43) und 21- (n = 104) Mutationen wurden in Abhängigkeit von Gef oder CT hinsichtlich PFS und OS ausgewertet und mittels log-rank-Test verglichen.

Ergebnisse: Pt mit Mutationen in den Exonen 19 und 18/20 mit Gef wiesen ein längeres PFS bzw. OS auf als Patienten mit CT. Der PFS-Unterschied war für Pt mit Exon 19-Mutation mit first-line Gef vs. CT mit 11,3 vs. 6,5 Monaten statistisch signifikant, für Exon 21-Mutationen lag ein vergleichbares PFS mit 9,1 vs. 9,3 Monaten vor. Das OS mit Gef vs. kein TKI während der Behandlung war bei Exon 19-Pt mit 21,8 vs. 10,6 Monaten signifikant verlängert, bei Exon 21-Pt mit 14,1 vs. 13,9 Monaten gleich.

Schlussfolgerung: Die unterschiedlichen EGFR Mutationen beeinflussen unter Routinebedingungen PFS und OS einer Therapie mit Gef und sollten deshalb detailliert ermittelt und beurteilt werden.


Abstract

Purpose: To analyze the influence of the localization of mutations in the epidermal growth factor receptor (EGFR) gene on progression-free (PFS) and overall survival (OS) in patients (pts) with locally advanced or metastatic non-small cell lung cancer (NSCLC) treated with gefitinib (gef) or chemotherapy (CT) under real world conditions within the REASON study.

Methods: Subgroups of pts with mutations in exon 19 (n = 141), 18/20 (n = 43), and 21 (n = 104) were analyzed for PFS and OS according to gef or CT treatment and compared using the log-rank test.

Results: Pts with mutations in exon 19 and 18/20 treated with gef as first line therapy showed increased PFS and OS compared to CT. This increase was statistically significant in pts with exon 19 mutation (11.3 vs. 6.5 months), but was not found in pts with exon 21 mutation (9.1 vs. 9.3 months). Also, OS was significantly increased in patients with mutation in exon 19 treated with gef ever over all treatment lines compared to CT (21.8 vs. 10.6 months), whereas this was not found in pts with mutation in exon 21 (14.1 vs. 13.9 months).

Conclusion: Localization and nature of EGFR mutations influences gefitinib treatment outcomes under routine conditions and should therefore be analyzed in detail.


Einleitung

Lungenkrebs (ICD-10 C33-C34) ist in Deutschland mit einem Anteil von 25 % die häufigste Krebstodesursache bei Männern und mit 14 % die dritthäufigste bei Frauen [1]. Für das Jahr 2014 wurden 36 000 Neuerkrankungen bei Männern und knapp 20 000 Neuerkrankungen bei Frauen prognostiziert. Das nicht-kleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC) stellt mit 85 % den häufigsten Typus dar [2] und wird wiederum in die histologischen Subtypen Adenokarzinom, Plattenepithelkarzinom und großzelliges Lungenkarzinom unterschieden. Eine Dysregulation des epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors (EGFR) u. a. durch aktivierende Mutationen in der Tyrosinkinasedomäne (Exon 18 bis 21 des EGFRs) im EGFR kann zu vermehrter Zellproliferation, Angiogenese und Metastasierung führen. NSCLC im fortgeschrittenen Stadium mit aktivierender EGFR-Mutation stellt daher einen besonderen Subtyp dieser Erkrankung dar, der bei Therapie mit niedermolekularen EGFR-Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) hohe Ansprechraten aufweist. In randomisierten klinischen Studien [3] [4] [5] [6] sowie in Metaanalysen [7] [8] [9] war die Therapie mit EGFR-TKI chemotherapeutischen Behandlungsansätzen hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens (PFS) überlegen. Innerhalb randomisierter klinischer Studien an Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC und vorliegender EGFR-Mutation weisen etwa 90 % der Patienten Deletionen in Exon 19 oder eine Leucin-Arginin-Punktmutation in Exon 21 (L858 R) auf [10]. Unklar ist, wie die Behandlung von Patienten mit EGFR-Mutationen im klinischen Alltag abläuft und wie der klinische Verlauf dieser Patienten in Abhängigkeit von der Lokalisation der EGFR-Mutation bei unterschiedlichen Behandlungsansätzen unter Routinebedingungen aussieht. Um dies zu untersuchen, wurden Subgruppen der nicht-interventionellen REASON-Studie, basierend auf Typ und Lokalisation der Mutation im EGFR-Gen, hinsichtlich des progressionsfreien (PFS) und des Gesamtüberlebens (OS) ausgewertet. Um eine Vergleichbarkeit mit den Ergebnissen aus klinischen Prüfungen zu gewährleisten, beschränkt sich die Auswertung auf Patienten, die im Rahmen der REASON NIS mit Gefitinib bzw. chemotherapeutisch behandelt wurden.


Material und Methoden

Patienten

Im Rahmen der an 149 Zentren in Deutschland durchgeführten prospektiven, nicht-interventionellen Beobachtungsstudie (NIS) REASON (NCT00997230) wurden epidemiologische Daten inklusive des EGFR-Mutationsstatus bei Patienten mit NSCLC der Stadien IIIB/IV erhoben und im Hinblick auf klinisch-pathologische Parameter hin ausgewertet [11]. Insgesamt wurden von 9/2009 bis 3/2011 4243 erwachsene männliche und weibliche Patienten, die für eine Erstlinientherapie geeignet waren, für die kein kurativer operativer Eingriff oder eine Strahlentherapie in Frage kam und für die Tumorgewebe zur Untersuchung des EGFR-Mutationsstatus vorlag, in die Studie eingeschlossen. Eine EGFR-Mutation lag bei 431 Patienten (10,3 %) vor, von denen für 320 Patienten, deren Therapie außerhalb einer klinischen Prüfung erfolgte, sowohl die Erstlinientherapie und das klinische Ansprechen dokumentiert wurde. Eine Behandlung mit Gefitinib im Rahmen der Erstlinientherapie erfolgte bei 206 dieser 320 Patienten, 79 Patienten erhielten keinen TKI in der Erstlinientherapie, sondern wurden stattdessen chemotherapeutisch behandelt. Bezogen auf den kompletten Therapieverlauf erhielten 213 Patienten jeweils in einer ihrer Therapielinien Gefitinib, wohingegen 61 Patienten mit EGFR-Mutation niemals einen TKI erhielten ([Abb. 1]).

Zoom
Abb. 1 Flussdiagramm zur Darstellung der Patientenverteilung.

Die Untersuchung und Behandlung der Patienten erfolgte unter Routinebedingungen und oblag ausschließlich dem behandelnden Arzt.

Das Studienprotokoll und die jeweiligen Protokoll-Amendments wurden von der zuständigen Ethikkommission zustimmend bewertet. Die Studie wurde in Übereinstimmung mit der Deklaration von Helsinki durchgeführt. Die Einbeziehung der Patienten in die Studie setzte eine vorherige schriftliche Einwilligung voraus.


EGFR-Mutationsstatus

Die Ermittlung des EGFR-Mutationsstatus erfolgte in Laboren, die sich durch Teilnahme an Ringversuchen der Qualitätssicherungs-Initiative QuIP der Deutschen Gesellschaft für Pathologie für die Untersuchung von EGFR-Mutationen qualifiziert hatten. Die Methode zur Ermittlung des EGFR-Mutationsstatus war nicht im Protokoll vorgegeben. Die Untersuchung der Exone 19 und 21 war verpflichtend. Die Untersuchung der Exone 18 und 20, hierunter auch die T790 M-Mutation, war unter Berücksichtigung des damaligen Kenntnisstandes nicht explizit vorgeschrieben, sodass nicht alle Patienten auf Mutationen in Exon 18 und 20 untersucht wurden. Details zur Untersuchungsmethode, zu Mutationen in Exon 18 – 21 des EGFR-Gens sowie zur Gewebeherkunft wurden dokumentiert. Nach Abschluss der Dokumentation wurden die dokumentierten Mutationen im Jahr 2012 einem humanpathologischen Review unterzogen und deren Sensitivität gegenüber TKIs nach dem damaligen Kenntnisstand (u. a. [12]; Somatic Mutations in Epidermal Growth Factor Database) beurteilt.


Effektivitätsparameter

Als Effektivitätsparameter wurde der klinische Verlauf (PFS; OS) ab Beginn der Erstlinientherapie ausgewertet. Aufgrund des nicht-interventionellen Studiendesigns wurden keine Vorgaben bezüglich des Untersuchungsintervalls und der Methode zur Responsebeurteilung festgelegt. Die Untersuchungen erfolgten gemäß gängiger Routine. Eine formale Responsebeurteilung gemäß RECIST-Kriterien wurde nicht durchgeführt. Protokoll-Amendment 4 erlaubte die retrospektive Erfassung des Sterbedatums.


Statistische Methoden

Statistica Version 10.0 und R Version 2.15 wurden zur Datenanalyse verwendet. Die Auswertung von PFS und OS erfolgte mittels Kaplan-Meier-Methode. Die Auswertung der Effektivitätsparameter erfolgte nach Erstlinientherapie (Gefitinib vs. kein TKI) und nach dokumentiertem Therapieverlauf (jemals Gefitinib vs. niemals TKI). Die Prüfung der statistischen Signifikanz erfolgte mit Hilfe des log-rank-Tests. Patienten, die am Ende des Beobachtungszeitraums (31.10.2012) kein Ereignis (Progression/Tod) aufwiesen, wurden als zensierte Fälle gewertet.



Ergebnisse

Gefitinib in Erstlinientherapie

Von den 320 Patienten, die für die Auswertung zur Verfügung standen, wurde für 206 Patienten eine Therapie mit dem TKI Gefitinib während der Erstlinienbehandlung dokumentiert. 52,4 % dieser Patienten waren Nichtraucher, und bei 92,2 % lag ein pulmonales Adenokarzinom vor. Die Erfassung des Mutationsstatus erfolgte bei 67 % der Patienten am Primärtumor, wohingegen bei 22,8 % der Patienten der EGFR-Mutationsstatus an einer Fernmetastase erfasst wurde ([Tab. 1]). 79 Patienten wurden im Rahmen der Erstlinientherapie nicht mit einem TKI, sondern chemotherapeutisch behandelt. Die Mehrzahl dieser Patienten (62 %) waren (Ex-)Raucher. Ein Adenokarzinom lag bei 83,5 % dieser Patienten vor, und die Erfassung des Mutationsstatus erfolgte bei 81 % der Patienten am Primärtumor ([Tab. 1]). Sowohl bei der Gefitinib- als auch bei der Kontrollgruppe (kein TKI) wurden am häufigsten Mutationen in Exon 19 detektiert, gefolgt von Exon 21 ([Tab. 2]).

Tab. 1

Patientencharakteristika (Anzahl und % kombiniert), a Die Angabe von Prozentsätzen bezieht sich auf den jeweiligen Hauptparameter.

Gefitinitb in Erstlinientherapie
(n = 206)

Kein TKI in Erstlinientherapie
(n = 79)

Jeweils Gefitinib während Therapieverlauf
(n = 213)

Niemals TKI während Therapieverlauf
(n = 61)

Hauptparameter

Anzahl (%)a

Anzahl (%)a

Anzahl (%)a

Anzahl (%)a

Geschlecht

weiblich

130 (63,1)

47 (59,5)

134 (62,9)

37 (60,7)

männlich

 76 (36,9)

32 (40,5)

 79 (37,1)

24 (39,3)

Ethnische Herkunft

kaukasisch

203 (98,5)

79 (100,0)

210 (98,6)

61 (100,0)

afrikanisch

  0 (0,0)

 0 (0,0)

  0 (0,0)

 0 (0,0)

asiatisch

  3 (1,5)

 0 (0,0)

  3 (1,4)

 0 (0,0)

Alter

 < 65 Jahre

 89 (43,2)

37 (46,8)

 93 (43,7)

29 (47,5)

 ≥ 65 Jahre

117 (56,8)

42 (53,2)

120 (56,3)

32 (52,5)

unbekannt

  0 (0,0)

 0 (0,0)

  0 (0,0)

 0 (0,0)

Raucherstatus

Nichtraucher

108 (52,4)

30 (38,0)

112 (52,6)

22 (36,1)

Raucher, Ex-Raucher

 96 (46,6)

49 (62,0)

 99 (46,5)

39 (63,9)

unbekannt

  2 (1,0)

 0 (0,0)

  2 (0,9)

 0 (0,0)

Pathologie

Adenokarzinom

190 (92,2)

66 (83,5)

196 (92,0)

51 (83,6)

Nicht-Adenokarzinom

 16 (7,8)

13 (16,5)

 17 (8,0)

10 (16,4)

unbekannt

  0 (0,0)

 0 (0,0)

  0 (0,0)

 0 (0,0)

Stadium

IIIb

 13 (6,3)

11 (13,9)

 14 (6,6)

10 (16,4)

IV

193 (93,7)

68 (86,1)

199 (93,4)

51 (83,6)

unbekannt

  0 (0,0)

 0 (0,0)

  0 (0,0)

 0 (0,0)

Erfassung des Mutationsstatus an

Primärtumor

138 (67,0)

64 (81,0)

145 (68,1)

47 (77,0)

reg. Lymphknotenmetastase

 17 (8,3)

 7 (8,9)

 17 (8,0)

 7 (11,5)

Fernmetastase

 47 (22,8)

 6 (7,6)

 47 (22,1)

 5 (8,2)

unbekannt

  4 (1,9)

 2 (2,5)

  4 (1,9)

 2 (3,3)

Tab. 2

EGFR-Mutationsanalyse. Die Untersuchung der Exone 19 und 21 war verpflichtend. Da Exon 18 und 20 optional und daher nicht bei allen Patienten untersucht wurden, wird auf die Angabe von Prozentsätzen verzichtet.

Gefitinitb in Erstlinientherapie
(n = 206)

Kein TKI in Erstlinientherapie
(n = 79)

Jeweils Gefitinib während Therapieverlauf
(n = 213)

Niemals TKI während Therapieverlauf
(n = 61)

Hauptparameter

Anzahl

Anzahl

Anzahl

Anzahl

Mutiertes Exon[1]

Exon 18

 13

 9

 13

 8

 TKI sensitiv

  9

 4

  9

 3

 TKI unempfindlich

  3

 1

  3

 1

 unbekannt

  1

 4

  1

 4

Exon 19

106

35

112

22

 TKI sensitiv

 80

31

 86

18

 TKI unempfindlich

  1

 1

  1

 1

 unbekannt

 25

 3

 25

 3

Exon 20

  8

14

  8

12

 TKI sensitiv

  2

 0

  2

 0

 TKI unempfindlich

  4

 8

  4

 7

 unbekannt

  2

 6

  2

 5

Exon 21

 82

22

 83

19

 TKI sensitiv

 70

19

 71

17

 TKI unempfindlich

  3

 1

  3

 0

 unbekannt

  9

 2

  9

 2

Exon unbekannt

  3

 1

  3

 1

1 Mehrfachnennung möglich.


Bei einer Behandlung mit Gefitinib während der Erstlinientherapie wiesen Patienten mit Mutationen im Exon 18 (6,8 Monate vs. 4,8 Monate, [Tab. 3]), Exon 19 (11,3 Monate vs. 6,5 Monate, [Tab. 3], [Abb. 2]) und Exon 20 (4,4 Monate vs. 4,1 Monate, [Tab. 3]) ein längeres medianes PFS auf als Patienten, die rein chemotherapeutisch, also nicht mit einem TKI, behandelt wurden. Dieser Unterschied war jedoch nur für Patienten mit Mutation in Exon 19 signifikant (p = 0,0019) ([Tab. 3], [Abb. 2]).

Tab. 3

Univariate Analyse des progressionsfreien Überlebens (PFS) und des Gesamtüberlebens (OS) ausgewertet nach Exonen von first line Gefitinib vs. Chemotherapie. NA: nicht anwendbar.

Medianes PFS
(Monate)

95 % Konfizenz-Intervall

p

Medianes OS
(Monate)

95 % Konfidenz-Intervall

p

Exon 18

Gef. in Erstlinientherapie (n = 13)

 6,8

5,3 – NA

0,350

27,9

20,4 – NA

0,179

kein TKI in Erstlinientherapie (n = 9)

 4,8

2,9 – NA

 8,3

 7,1 – NA

Exon 19

Gef. in Erstlinientherapie (n = 106)

11,3

8,8 – 14,6

0,0019

21,3

17,7 – NA

0,134

kein TKI in Erstlinientherapie (n = 35)

 6,5

5,1 – 11,2

16,5

12,1 – NA

Exon 20

Gef. in Erstlinientherapie (n = 8)

 4,4

1,9 – NA

0,512

18,4

 9,1 – NA

0,595

kein TKI in Erstlinientherapie (n = 14)

 4,1

2,5 – NA

15,4

 4,0 – NA

Exon 21

Gef. in Erstlinientherapie (n = 82)

 9,1

7,3 – 10,3

0,695

14,1

12,2 – 16,3

0,295

kein TKI in Erstlinientherapie (n = 22)

 9,3

6,0 – 21,3

14,2

13,6 – NA

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Abb. 2 Progressionsfreies Überleben bei Gabe von Gefitinib in Erstlinientherapie. Anteil an progressionsfreiem Überleben bei Patienten mit vorhandener EGFR-Mutation in Exon 19 (a), Exon 21 (b) und Mutation in Exon 18 oder 21 (c) bei Gabe von Gefitinib (Gef.) bzw. keiner Gabe eines Tyrosinkinaseinhibitors (kein TKI) in der Erstlinientherapie (1st line).

Bei Patienten, die eine Mutation in Exon 21 aufwiesen, verlängerte sich das PFS bei Therapie mit Gefitinib dagegen nicht (9,1 vs. 9,3 Monate, [Tab. 3], [Abb. 2]). Aufgrund der kleinen Anzahl an Patienten mit Mutation in Exon 18 oder Exon 20 wurden diese Patientengruppen für die Darstellung des PFS in Kaplan-Meier-Kurven ([Abb. 2]) zusammen ausgewertet.

Bei Gabe von Gefitinib in der Erstlinientherapie wiesen Patienten mit Mutation in Exon 18 (27,9 Monate vs. 8,3 Monate; [Tab. 3]), Exon 19 (21,3 Monate vs. 16,5 Monate; [Tab. 3]) und Exon 20 (18,4 Monate vs. 15,4 Monate; [Tab. 3]) ein längeres medianes OS auf als Patienten, die chemotherapeutisch, also nicht mit einem TKI behandelt wurden. Jedoch war jeweils kein signifikanter Unterschied beim Vergleich zum Verzicht auf TKI-Gabe nachzuweisen. Das mediane OS von Patienten mit Mutation in Exon 21 unterschied sich nicht signifikant zwischen den beiden Gruppen (14,1 vs. 14,2 Monate, p = 0,295, [Tab. 3]).


Gefitinib während des gesamten Therapieverlaufs

Im Rahmen des weiteren Therapieverlaufs wurden 7 der 79 Patienten, die während der Erstlinientherapie nicht mit einem TKI behandelt wurden, mit Gefitinib behandelt. Daher standen für die Auswertung des klinischen Ansprechens 213 EGFRm + Patienten, die jeweils mit Gefitinib behandelt wurden zur Verfügung. Bei 61 Patienten wurde auch im weiteren Therapieverlauf keine Behandlung mit einem TKI durchgeführt. Demografische Details und Details zum EGFR-Mutationsstatus beider Gruppen sind in [Tab. 1] bzw. [Tab. 2] dargestellt.

Patienten, die in einer der durchgeführten Therapielinien mit Gefitinib behandelt wurden, wiesen ein längeres medianes PFS auf als Patienten, die niemals mit einem TKI behandelt wurden (Exon18: 27,9 Monate vs. 8,3 Monate; Exon 19: 21,8 Monate vs. 10,6 Monate; Exon 20: 18,4 Monate vs. 6,9 Monate; Exon 21: 14,1 Monate vs. 13,9 Monate; [Tab. 4]). Dieser Effekt war stark abhängig vom mutierten Exon und nur für Patienten mit nachgewiesener Mutation in Exon 19 statistisch signifikant (p = 0,00002). Für die grafische Darstellung des OS in Kaplan-Meier-Kurven ([Abb. 3]) wurden aufgrund der geringen Anzahl an Patienten mit Mutation in Exon 18 oder Exon 20 diese beiden Subgruppen zusammengefasst.

Tab. 4

Univariate Analyse des Gesamtüberlebens (OS) ausgewertet nach Exonen mit Behandlung von Gefitinib vs. kein TKI während des Therapieverlaufs.

Medianes OS (Monate)

95 % Konfidenz-Intervall

p

Exon 18

Gef. während Therapieverlauf (n = 13)

27,9

20,4 – NA

0,114

kein TKI während Therapieverlauf (n = 8)

 8,3

 7,1 – NA

Exon 19

Gef. während Therapieverlauf (n = 112)

21,8

18,3 – NA

0,00002

kein TKI während Therapieverlauf (n = 22)

10,6

 4,6 – NA

Exon 20

Gef. während Therapieverlauf (n = 8)

18,4

 9,1 – NA

0,572

kein TKI während Therapieverlauf (n = 12)

 6,9

 4,0 – NA

Exon 21

Gef. während Therapieverlauf (n = 83)

14,1

12,4 – 16,8

0,941

kein TKI während Therapieverlauf (n = 19)

13,9

10,5 – NA

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Abb. 3 Gesamtüberleben bei Gabe von Gefitinib während des Therapieverlaufs. Anteil an Gesamtüberleben bei Patienten mit vorhandener EGFR-Mutation in Exon 19 (a), Exon 21 (b) und Mutation in Exon 18 oder 20 (c) bei Anwendung von Gefitinib (Gef.) jeweils während des Therapieverlaufs, bzw. Nichtanwendung eines Tyrosinkinaseinhibitors (kein TKI) während des Therapieverlaufs.


Diskussion

Eine Hochregulation des EGFR-Signalweges z. B. durch aktivierende Mutationen kann zur Tumorzellproliferation und zur schnellen Metastasierung beitragen [13] und wird bei einer Vielzahl solider Tumoren gefunden, wo sie häufig mit einer schlechten Prognose korreliert [14]. Jedoch können gerade bei Patienten mit NSCLC aktivierende Mutationen in EGFR als prädiktive Biomarker für das Ansprechen auf eine TKI-Therapie dienen [15].

Analog zu den Ergebnissen mehrerer randomisierter kontrollierter Studien [3] [4] konnte im Rahmen dieser nicht-interventionellen Studie eine Verlängerung des medianen PFS bei Verwendung von Gefitinib bei EGFRm + NSCLC Patienten in der Erstlinientherapie im Vergleich zu einem Verzicht auf einen TKI festgestellt werden, die für Patienten mit Exon 19 hochsignifikant war. Interessanterweise verlängerte sich auch das mediane OS von Patienten mit Exon 19 Mutation, die jeweils während des gesamten Therapieverlaufs mit Gefitinib behandelt wurden, im Vergleich zu chemotherapeutischer Behandlung signifikant (21,8 Monate vs. 10,6 Monate, p = 0,00002).

Am häufigsten wurden im Rahmen dieser Untersuchung Mutationen in Exon 19 detektiert, wobei Mutationen in den Exonen 18 und 20 aufgrund der nicht verpflichtenden Untersuchung dieser beiden Exone hierbei sicherlich unterrepräsentiert waren. Ohne zielgerichtete Therapie mit einem EGFR-TKI wiesen Patienten mit Mutation in Exon 19 ein schlechteres OS auf als Patienten mit Mutation in Exon 21 (L858 R-Mutation) [16]. Im Rahmen der vorliegenden NIS profitieren besonders Patienten mit Mutation in Exon 19 von einer Therapie mit Gefitinib, da sich bei ihnen sowohl das PFS (Gef. in Erstlinientherapie) als auch das OS (Gef. während Therapieverlauf) im Vergleich zu einem Verzicht auf einen TKI signifikant verlängern.

Dieser Unterschied in der Wirksamkeit der TKI-Therapie bei verschiedenen Mutationen konnte bisher nur für Afatinib gezeigt werden [17]. Dagegen war in der Metaanalyse von Lee et al. [10] kein Unterschied zwischen Exon 19- und 21-Mutationen in Bezug auf das OS gezeigt worden.

Interessanterweise konnte im Rahmen dieser Studie für Patienten, die eine Mutation in Exon 21 aufwiesen, kein Vorteil hinsichtlich des PFS oder OS bei Behandlung mit Gefitinib gegenüber einer rein chemotherapeutischen Behandlung nachgewiesen werden. Jedoch sind Mutationen in Exon 21 sehr heterogen, vor allem was ihre Sensitivität gegenüber TKIs betrifft. Aufgrund der nicht-interventionellen Studienbedingungen und dem damaligen Kenntnisstand über TKI-therapiesensitive Mutationen ist daher davon auszugehen, dass es sich gerade bei der Gruppe der Patienten mit einer Mutation in Exon 21 hinsichtlich der TKI-Sensitivität um eine „Mischpopulation“ handelt.

Die L858 R-Mutation in Exon 21 wurde ursprünglich als hypersensitiv gegenüber Gefitinib beschrieben [12] [18]. Inzwischen wurde jedoch gezeigt, dass Deletionen in Exon 19 sensitiver gegenüber Gefitinib [19] [20] [21] und auch gegenüber anderen EGFR-TKIs wie Erlotinib [20] und Afatinib [17] sind, verglichen mit der L858 R-Mutation. Einer Metaanalyse von Lee et al. [10] zufolge ist der klinische Nutzen (im Sinne des PFS) einer EGFR-TKI Behandlung im Vergleich zur chemotherapeutischen Behandlung bei Exon 19-Mutationen 50 % größer als bei der L858 R-Mutation.

Vermutlich aufgrund der lediglich optionalen Analyse von Exon 20 wurden Mutationen in Exon 20 nur bei 8 der im Studienverlauf mit Gefitinib behandelten Patienten nachgewiesen. Für die Hälfte dieser Patienten wurde die Mutation retrospektiv als TKI unempfindlich eingeordnet. Die meisten Mutationen in Exon 20, vor allem aber die T790 M-Mutation, vermitteln eine Resistenz gegenüber EGFR-TKIs [22] [23]. Bei NSCLC-Patienten, die nicht mit EGFR-TKIs wie Gefitinib oder Erlotinib behandelt wurden, sind T790 M-Mutationen nur sehr selten zu finden [24]. Dagegen konnte Arcila et al. [25] mit Hilfe der LNA (locked nucleic acids)-Technologie in 68 % der untersuchten Proben von re-biopsierten NSCLC-Patienten mit erworbener Resistenz gegenüber EGFR-TKIs eine T790 M-Mutation nachweisen. Es wird spekuliert, dass nicht das neue Auftreten dieser Mutation, sondern eine klonale Selektion während der EGFR-TKI-Therapie zu einer solch hohen Mutationsfrequenz bei EGFR-TKI resistenten Patienten führt [26]. Durch die Entwicklung neuartiger niedermolekularer TKI-Inhibitoren, die sowohl bei TKI sensitiven EGFR-Mutationen als auch speziell bei der T790 M-Mutation wirksam sind, wird versucht, der Resistenzentwicklung entgegenzuwirken. Vielversprechende Ergebnisse aus ersten klinischen Studien sind bereits für mehrere dieser neuartigen Inhibitoren publiziert (CO-1686 [27]; AZD9291: [28] [29] [30]; HM61713: [31]; ASP26113: [32] [33]).

Die nicht-interventionelle REASON Studie zeigt, dass auch selektionierte Patienten von einer Therapie mit Gefitinib zur Behandlung ihres NSCLC profitieren. Der Kenntnisstand über die Sensitivität von EGFR-Mutationen gegenüber TKI war zum Zeitpunkt der Studie (2009 – 2011) weitaus geringer als heutzutage. Da inzwischen eine detaillierte Analyse und Beurteilung von EGFR-Mutationen möglich ist, sollte diese möglichst zeitnah durchgeführt und der Befund an den behandelnden Arzt übermittelt werden, um einen möglichst erfolgversprechenden Therapieansatz für NSCLC-Patienten gewährleisten zu können.



Interessenkonflikt

W. Schütte, W. Eberhardt, P. Schirmacher, M. Dietel und M. Thomas erhalten Beraterhonorare durch die AstracZeneca GmbH.
U. Zirrgiebel ist Angestellte der iOMEDICO AG, die als Auftragsforschungsunternehmen (CRO) an der Projektdurchführung der REASON-NIS beteiligt war.
S. Radtke ist Angestellte der AstraZeneca GmbH.

Danksagung

Besonders bedanken möchten sich die Autoren bei Zentren, die mehr als 30 Patienten in die REASON-Studie eingebracht haben (PD Dr. Jürgen Fischer (Löwenstein), Dr. Christian Schumann (Ulm), Dr. H. Jost Achenbach (Lostau), Dr. Monika Serke (Hemer), Prof. Dr. Jörg Mezger (Karlsruhe), Prof. Dr. Winfried J. Randerath (Solingen), Dr. Jens Kern (Würzburg), Prof Dr. Norbert Frickhofen (Wiesbaden), Prof Dr. Harald Schäfer (Völklingen), Prof. Dr. Ernst-Wilhelm Schmidt (Chemnitz), Dr. Matthias Feurer (München), Dr. Wolfgang Körber (Göttingen), PD Dr. Martin Reck (Großhansdorf), Dr. Bernd Seese (Münnerstadt), Prof. Dr. Cornelius Waller (Freiburg), Dr. Jorge Riera-Knorrenschild (Marburg), PD Dr. Bernhard Schaaf (Dortmund), PD Dr. Christian Schulz (Regensburg)) und bei allen weiteren Zentren, die die REASON-Studie durch ihre Teilnahme unterstützt haben.
Sponsor: AstraZeneca GmbH Deutschland


Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Wolfgang Schütte
Krankenhaus Martha-Maria Halle-Doelau
Klinik für Innere Medizin II
Röntgenstr. 1
06120 Halle (Saale)


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Abb. 1 Flussdiagramm zur Darstellung der Patientenverteilung.
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Abb. 2 Progressionsfreies Überleben bei Gabe von Gefitinib in Erstlinientherapie. Anteil an progressionsfreiem Überleben bei Patienten mit vorhandener EGFR-Mutation in Exon 19 (a), Exon 21 (b) und Mutation in Exon 18 oder 21 (c) bei Gabe von Gefitinib (Gef.) bzw. keiner Gabe eines Tyrosinkinaseinhibitors (kein TKI) in der Erstlinientherapie (1st line).
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Abb. 3 Gesamtüberleben bei Gabe von Gefitinib während des Therapieverlaufs. Anteil an Gesamtüberleben bei Patienten mit vorhandener EGFR-Mutation in Exon 19 (a), Exon 21 (b) und Mutation in Exon 18 oder 20 (c) bei Anwendung von Gefitinib (Gef.) jeweils während des Therapieverlaufs, bzw. Nichtanwendung eines Tyrosinkinaseinhibitors (kein TKI) während des Therapieverlaufs.