Das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) gibt vor, dass ärztliche Leistungen für
Flüchtlinge nur bei akuter Erkrankung und Schmerzen abrechenbar sind. Welche gesundheitlichen
Probleme das umfasst, unterscheidet sich von Kommune zu Kommune. Oft wissen kranke
Flüchtlinge nicht, welche Ärzte für sie zuständig sind. Ärzte wiederum sind verunsichert,
welche Erkrankungen sie behandeln dürfen. Mit der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen
und Migranten befasste sich der Arbeitskreis „Ärzte und Juristen“ der Arbeitsgemeinschaft
der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) Anfang April in Würzburg.
Wenig systematische Information
„Derzeit existiert viel anekdotische Erfahrung aber wenig systematische Information
– der Föderalismus ist dabei ein großes Problem“, betont Dr. Anne Bunte, Leiterin
des Gesundheitsamts der Stadt Köln. Mehr als 12 000 Flüchtlinge brachte Köln bis Februar
2016 in Wohnheimen, Notunterkünften und Hotels unter. Rund 70 % sind gesund. Wenn
nicht, leiden sie häufig unter Magen-Darm-Infektionen durch Noroviren oder Campylobacter.
Auch die Fallzahlen an Tuberkulose, Hepatitis B und C haben mit dem Flüchtlingsstrom
zugenommen. Die Kölner Experten sind sich jedoch sicher, Krankheitsausbrüche durch
Basishygiene und Impfungen vermeiden zu können.
Nach der Erstaufnahme verläuft der Weg in eine medizinische Behandlung alles andere
als geradlinig, so Dr. Amand Führer von der Universität Halle. Er bezeichnet die aktuelle
Situation als „Stresstest für unser Gesundheitswesen“. Um ärztliche Hilfe in Anspruch
nehmen zu dürfen, benötigen Flüchtlinge einen Behandlungsschein vom Sozialamt. „Die
Scheine bedeuten nicht nur bürokratischen Aufwand – je länger die Patienten auf eine
Behandlung warten, desto weiter schreitet die Erkrankung fort.“
Oft schicken Praxen und Kliniken die Patienten auf Irrwege durch die Institutionen,
weil Strukturen fehlen – zumal eine Diagnose nicht immer auch bedeutet, dass eine
Therapie erfolgt. „Das ist ethisch durchaus fragwürdig“, sagt Dr. Bunte. An den Schnittstellen
gehen zudem viele Informationen verloren.
Verunsicherung auf beiden Seiten
Doch nicht nur die Flüchtlinge sind unsicher, welche Leistungen das AsylbLG umfasst.
Prinzipiell haben alle Schwangeren, Kinder und medizinische Notfälle ein Recht auf
Behandlung, aber auch Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen sind im AsylbLG vorgesehen.
„Bei chronisch Kranken, wie etwa Menschen mit Diabetes, ist selbst Ärzten und Sozialarbeitern
oft unklar, ob und in welchem Maße Anspruch auf ärztliche Leistungen besteht“, sagt
Dr. Führer.
Für einen schnelleren Zugang zu Leistungen hat die Stadt Köln zum 1. April die elektronische
Gesundheitskarte für Flüchtlinge eingeführt. „Ziel muss es sein, die Menschen möglichst
zügig in die Versorgung zu integrieren“, erklärt Bunte. Genau das gelingt derzeit
bundesweit kaum. Fakt sei jedoch, betont Rechtsexperte Prof. Dr. Winfried Kluth aus
Halle, „dass das deutsche Gesundheitswesen in der Praxis weit mehr leistet als es
von Rechts wegen muss.“
Quelle: Pressemeldung der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen
Fachgesellschaften (AWMF).