Einleitung
Der Bereich der akuten Sportverletzungen umfasst Verletzungen der Muskulatur, Sehnen
und Ligamente sowie auch der Knochen. Beim Hochleistungssportler ist die frühzeitige
Diagnosestellung der entscheidende Faktor zur zeitnahen Therapieeinleitung und somit
raschen Wiederherstellung der vollen Leistungs- und Wettkampffähigkeit. Aber auch
beim Hobbysportler können verzögerte Verläufe mit später endgültiger Diagnosestellung
den Heilungsverlauf verzögern, das Outcome verschlechtern und die Arbeitsunfähigkeit
bzw. Sportunfähigkeit verlängern.
Somit ist bei jedem Patienten nach erlittener Sportverletzung unabhängig vom Leistungslevel
eine zeitnahe Diagnosestellung wichtig, um unnötig lange Ausfallzeiten auf sportlichem
und beruflichem Gebiet zu verhindern.
Diagnostische Verfahren
Zur Sicherung der Diagnose stehen unterschiedliche diagnostische Mittel zur Verfügung,
welche abhängig von der Verdachtsdiagnose unmittelbar oder erst im Intervall zur Anwendung
kommen sollten. Die Einhaltung eines diagnostischen Algorithmus beschleunigt den diagnostischen
Prozess, spart Zeit und Kosten und reduziert die Anwendung unnötiger diagnostischer
Maßnahmen.
Klinische Untersuchung
Die klinische Diagnostik gehört trotz Vormarsch und breiten Verfügbarkeit apparativer
Diagnostika weiterhin zu den wichtigsten Werkzeugen des Orthopäden/Unfallchirurgen.
Hier können bereits, insbesondere im Bereich der Gelenkverletzungen, Verdachtsdiagnosen
mit hoher Sensitivität gestellt werden ([Abb. 1]). Aus dem klinischen Verdacht ergibt sich dann der weitere apparative diagnostische
Algorithmus und dessen Zeitrahmen. So kann beim Verdacht auf eine vordere Kreuzbandruptur
eine Wartezeit von Tagen bis wenigen Wochen bis zum MRT in Kauf genommen werden, während
bei Verdacht auf eine hintere Kreuzbandruptur oder eine Patellaluxation eine Diagnosesicherung
innerhalb weniger Tage erzwungen werden sollte, um eine adäquate Therapie zeitnah
einzuleiten.
Abb. 1 Beidseitiges suprapopliteales Hämatom nach beidseitigem proximalem Abriss der ischiokruralen
Muskulatur.
Sonografie
Die Ultraschalldiagnostik stellt mit die 1. Instanz der apparativen Diagnostik dar.
Im Bereich der Muskel-, Sehnen- und peripheren Bandverletzungen ist sie das wichtigste
primäre Tool.
In der Hand des geübten Arztes lässt sich hierdurch bereits häufig die Diagnose abschließend
sichern oder Verdachtsdiagnosen ausschließen. So kann z. B. bei der Distorsion des
oberen Sprunggelenks, welche mit 5 % eine der häufigsten Verletzungen in der chirurgischen
Notaufnahme darstellt [15], die Ruptur des medialen [6] und lateralen Kollateralbandapparats [11], [13] sowie auch des ventralen Syndesmosenanteils (AITFL) [12] mit hoher Spezifität und Sensitivität detektiert werden. ([Abb. 2] und [3]). Auch bei Sehnenrupturen wie der Achillessehnenruptur [14], [17], Quadrizepssehnenruptur [4], [7], [10] oder distalen Bizepssehnenruptur [2] lässt die Sonografie eine sichere und schnelle Diagnosestellung zu. Eine weitere
Verifizierung mittels MRT ist hier i. d. R. nicht erforderlich. Im Falle von muskulären
Verletzungen wie Muskelfaserrissen ist der Ultraschall wegen seiner schnellen Verfügbarkeit
und guten Auflösung im Nahbereich Methode der Wahl [16]. Im Bereich des muskulotendinösen Übergangs ist hier jedoch das MRT sensitiver [5], [8], [9].
Abb. 2 Dynamische Untersuchung des vorderen Syndesmosenanteils (AITFL) nach Distorsionstrauma
des oberen Sprunggelenks.
Abb. 3 a und b Sonografie des ATFL (#): a intakter Zustand. b zentrale transligamentäre Ruptur (*) mit Erweiterung des tibiofibularen Abstands
in der dynamischen Untersuchung.
Weitere Vorteile des Ultraschalls liegen in der schnellen Verfügbarkeit (z. T. bereits
am Spielfeldrand bzw. der Umkleidekabine mit mobilen Geräten), den geringen Kosten
und der Möglichkeit der dynamischen Untersuchung (z. B. Sehnenrupturen oder Gelenkinstabilität
bei ligamentärer Partialruptur), welche die Sensitivität des Verfahrens nochmals erhöht
[12]. Von Nachteil ist hier aber auch die hohe Untersucherabhängigkeit und somit auch
z. T. geringe Reproduzierbarkeit zu nennen.
Röntgen
Bei der Diagnostik von Frakturen bleibt das Nativröntgen das Diagnostikum der Wahl
und ist i. d. R. immer unmittelbar verfügbar. Auch beim Verdacht auf eine rein ligamentäre
Verletzung im Gelenkbereich sollte ebenfalls immer eine Röntgenaufnahme erfolgen.
Diese kann begleitende Frakturen ausschließen oder bei knöchernen Bandausrissen ([Abb. 4]) die Diagnose bereits erhärten. Gehaltene Aufnahmen, welche in der Vergangenheit
gerne bei ligamentären Verletzungen am Knie- oder Sprunggelenk angewendet worden sind,
gehören heutzutage nicht mehr zur Akutdiagnostik. Aufgrund der schmerzhaften Technik
für den Patienten und der eingeschränkten Aussagekraft bei schmerzbedingtem Gegenspannen
sind sie den chronischen Verläufen vorbehalten [3] und in der Akutdiagnostik obsolet.
Abb. 4 Fibularer knöcherner Ausriss des lateralen Kollateralbands.
Magnetresonanztomografie (MRT)
Beim Verdacht auf ligamentäre Verletzungen, insbesondere mit klinisch hochgradiger
Instabilität, ist das MRT derzeit der Goldstandard. Viele Verletzungen können mit
hoher Sensitivität dargestellt werden, wobei die Spezifität z. T. eher eingeschränkt
ist. Die hierdurch bedingte starke Frequentierung dieser Untersuchungstechnik führt
jedoch zu teilweise erheblichen Wartezeiten von Wochen bis Monaten, was ihre Praktikabilität
einschränkt.
Somit ist, wie bereits zuvor erwähnt, anhand einer genauen klinischen Untersuchung
die Notwendigkeit und Dringlichkeit eines MRT bereits im Vorfeld zu klären.
Nur wenige Diagnosen erfordern eine unmittelbare kernspintomografische Untersuchung.
Bei der Darstellung von Sehnenrupturen erzielt das MRT zwar eine höhere Sensitivität
und Spezifität als der Ultraschall, ist i. d. R. aber als additives Verfahren nicht
notwendig [1], [14]. In der Diagnostik der hinteren Kreuzbandruptur (HKB; [Abb. 5]) oder der frischen Patellaluxation ([Abb. 6]) ist sie jedoch unumgänglich und innerhalb weniger Tage durchzuführen. Bei der frischen
HKB-Ruptur kann der frühzeitige Beginn einer konservativen Behandlung mit adäquater
Orthesenversorgung zu hervorragenden Ergebnissen und eine später notwendig HKB-Ersatzplastik
verhindern. Bei der frischen Patellaluxation ist das MRT zur OP-Planung mit Lokalisation
der Ruptur des medialen patellofemoralen Ligaments (MPFL) und begleitender chondraler
Läsionen essenziell.
Abb. 5 Proximale Ruptur des hinteren Kreuzbands (weißer Pfeil) im MRT.
Abb. 6 Femoraler Abriss des medialen patellofemoralen Ligaments (MPFL, gelber Pfeil). Bone
Bruise patellar und laterale Trochlea (#). Knorpelläsion retropatellar (MRT).
Computertomografie
Das CT nimmt den geringsten Stellenwert in der Diagnostik der Sportverletzungen ein.
Selbst bei knöchernen Bandausrissen oder kleineren artikulären Impressionsfrakturen
lässt sich der Frakturverlauf mit der aktuellen Qualität der MR-Tomografie ausreichend
genau darstellen. Eine mögliche Indikation sind Rerupturen von ligamentären Ersatzplastiken
zur Darstellung der ehemaligen Bohrkanäle ([Abb. 7]) oder bei größeren Impressionsfrakturen.
Abb. 7 CT zur Darstellung der Bohrkanäle bei Ruptur einer vorderen Kreuzbandersatzplastik.
Schlussfolgerung
Bei Sportverletzungen gilt selbiges wie in der restlichen Medizin. Anamnese und klinische
Untersuchung sind der Grundstein der Diagnostik. Aus den hieraus erhobenen Befunden
ergibt sich der Algorithmus und die Dringlichkeit für die weitere apparative Diagnostik.
Trotz des Vormarsches des MRT mit seiner vielfach hohen diagnostischen Aussagekraft
sollten Basisdiagnostika wie der Ultraschall nicht in Vergessenheit geraten. Auch
mit diesem können viele Verletzungen im Sportbereich suffizient diagnostiziert werden
und somit eine Verzögerung der Therapieeinleitung reduziert werden.