Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2016; 23(02): 92-93
DOI: 10.1055/s-0042-106123
DGMM-Mitteilungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Festsymposium – 50 Jahre institutionelle Schifffahrtsmedizin in Hamburg

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Publication Date:
18 April 2016 (online)

 

    Am 4. März 2016 feierte das Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin im historischen Hörsaal des Bernhard-Nocht-Instituts „50 Jahre Schifffahrtsmedizin“ (Abb. [ 1 ]). Anlass dazu gab die Gründung der Abteilung Schiffahrtsmedizin als Teil des Bernhard-Nocht-Instituts exakt 50 Jahre zuvor am 4. März 1966 während einer Tagung der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin genau an diesem Ort. Die Schifffahrtsmedizin ist heute als Arbeitsgruppe fest verankert im Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM) – einer behördlichen Einrichtung, die über die Universitätsprofessur für Arbeitsmedizin eng mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) verbunden ist.

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    Abb. 1 Am 4. März 2016 feierte das Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin im historischen Hörsaal des Bernhard-Nocht-Instituts „50 Jahre Schifffahrtsmedizin“. (Quelle: Felizitas Tomrlin, UKE Hamburg)

    Der festliche Rahmen des Symposiums wurde durch den historischen Gründungsort im Bernhard-Nocht-Institut unterstrichen. In 3 Grußwortbeiträgen und mit 4 Vorträgen wurden Geschichte, Aufgaben und Bedeutung der Schifffahrtsmedizin verdeutlicht. Der Shanty-Chor „De Jungs vun de Logerhus“ der Hamburger Hafen- und Lagerhaus-AG sorgte für die musikalische Umrahmung.

    Grußworte betonen große Bedeutung der Schifffahrtsmedizin in Hamburg

    In dem Grußwort der Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks, Präses der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz, Hamburg, wurde hervorgehoben, dass Hamburg als Tor zur Welt mit Stolz auf eine lange Tradition der Schifffahrtsmedizin zurückblicke (Abb. [ 2 ]). Hamburg sei als größter deutscher See- und zweitgrößter Containerhafen in Europa der ideale Standort für ein Institut dieser Ausrichtung. Als zivile Forschungseinrichtung im Bereich der Schifffahrtsmedizin sei das ZfAM in Deutschland einzigartig. Die Forschung der Schifffahrtsmedizin liefere wichtige Ergebnisse, um gesundheitsgefährdende Faktoren für die Beschäftigten an Bord zu erkennen und effektive Präventionsstrategien abzuleiten.

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    Abb. 2 Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks hob in ihrem Grußwort die lange Tradition der Schifffahrtsmedizin in Hamburg hervor. (Quelle: Felizitas Tomrlin, UKE Hamburg)

    In seinem Grußwort stellte Prof. Dr. Dr. Uwe Koch-Gromus, Dekan der medizinischen Fakultät des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), heraus, dass sich aus der Vielfältigkeit des Seemannsberufs hohe Anforderungen an die Qualifikation eines Schifffahrtsmediziners ergeben. Dieser müsse mit einem breit gefächerten, allgemeinmedizinischen Hintergrund auch über arbeitsmedizinische und schifffahrtsbezogene Kenntnisse verfügen. Der Dekan zeigte sich sehr erfreut, dass die Medizinstudierenden in Hamburg seit nunmehr 2 Jahren die Möglichkeit haben, im Wahlpflichtfach „Präventive Medizin“ des iMED-Studiengangs Einblicke in das anspruchsvolle Tätigkeitsfeld der Schifffahrtsmedizin beziehungsweise eines Schiffsarztes zu erhalten. So werden den angehenden Medizinern berufliche Alternativen aufgezeigt und potenzieller Nachwuchs für diesen Bereich rekrutiert.

    Prof. Dr. Rolf Horstmann, Vorstandsvorsitzender des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin Hamburg, wies in seinem Grußwort darauf hin, dass sich die Schifffahrtsmedizin zu Zeiten Bernhard Nochts zunächst mit schweren bakteriellen Infektionskrankheiten beschäftigen musste. Diese, wie zum Beispiel auch die Cholera, fanden in der Regel über verunreinigtes Trinkwasser oder infizierte Nahrung an Bord Verbreitung. An 2, von Seeleuten aufgezeichneten Fieberkurven von Besatzungsmitgliedern mit einer Malariaerkrankung aus dem Gründerjahr der Abteilung Schiffahrtsmedizin 1966 verdeutlichte er die mehrwöchigen Krankheitsverläufe und die Betreuung durch das medizinische Laienpersonal an Bord wie auch die Therapie im Bernhard-Nocht-Institut.


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    Schifffahrtsmedizinische Forschung seit fast 125 Jahren

    In seinem Festvortrag stellte Prof. Dr. Volker Harth, Direktor des Zentralinstituts für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM) Hamburg, dar, dass im Jahr 1892 eine schwere Choleraepidemie in Hamburg ausbrach, die 8605 Tote forderte. Aus diesem Anlass habe Robert Koch seinen Schüler, Marinearzt Bernhard Nocht, nach Hamburg entsandt und mit der Bekämpfung der Cholera beauftragt. Mitte der 1890er Jahre habe Bernhard Nocht als erster Hafenarzt Deutschlands eine kleine Forschungsstation im damals neu gegründeten Hafenkrankenhaus in Hamburg eingerichtet. Somit blickt die schifffahrtsmedizinische Forschung in Hamburg auf eine fast 125-jährige Geschichte zurück. Am 04.03.1966 wurde dann unter Leitung von Prof. Dr. Hartmut Goethe die Abteilung für Schiffahrtsmedizin gegründet, die damals dem Bernhard-Nocht-Institut angegliedert wurde.


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    Praxis und Theorie unter einem Dach

    In seinem Festvortrag ging PD Dr. Marcus Oldenburg, Leiter der Arbeitsgruppe Schifffahrtsmedizin des ZfAM, zunächst auf die weitere Geschichte der Abteilung Schifffahrtsmedizin ein. Nachdem mit dem Ausscheiden von Prof. Goethe 1989 die Frage einer Fortführung dieser Abteilung im Raum stand, wurde der Anstoß zur Gründung der Deutschen Gesellschaft für Maritime Medizin (DGMM) in Hamburg gegeben. Am 01.01.1990 wurde außerdem die Abteilung Schiffahrtsmedizin als „Arbeitsgruppe Schifffahrtsmedizin und Ergonomie“ in das ZfA übernommen. Im Januar 1995 haben dann die Länder Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein ein „Abkommen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Schifffahrtsmedizin“ zur Sicherung der Zukunft dieser Arbeitsgruppe geschlossen (im Jahr 2009 sind noch die Länder Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern dem Abkommen beigetreten).

    Im Jahr 1997 erfolgte – zunächst noch außerhalb des ZfA – ein Zusammenschluss der Arbeitsgruppe Schifffahrtsmedizin mit dem Hafenärztlichen Dienst zum Hamburg Port Health Center (HPHC). Dem Konzept dieser Gemeinschaftseinrichtung lag die Idee zugrunde, die Praxis des hafenärztlichen Dienstes mit der Theorie der Arbeitsgruppe Schifffahrtsmedizin unter einem Dach miteinander zu verbinden. Drei Jahre später wurde das Hamburg Port Health Center an das Zen-tralinstitut für Arbeitsmedizin (ZfA) angegliedert.


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    Aktuelle Herausforderungen und Forschungsprojekte

    Im weiteren Verlauf seines Vortrags stellte PD Dr. Oldenburg die aktuellen Herausforderungen an die schifffahrtsmedizinische Forschung heraus. Das gegenwärtige Arbeitsumfeld auf einem Schiff ist einmalig und kaum vergleichbar mit jenem an Land, wobei im Schiffsalltag auf die Beschäftigten an Bord nach wie vor zahlreiche Gesundheitsgefahren und Gefährdungen lauerten. Daher ist es eine vornehmliche Aufgabe der Schifffahrtsmedizin, das Arbeitsumfeld an Bord zu untersuchen, Belastungen und Beanspruchungen zu objektivieren und auf der Grundlage dieser Erkenntnisse gezielte Interventions- und Präventionsmaßnahmen abzuleiten. So wird in Hamburg eine Verbindung von schifffahrtsmedizinischer Theorie und Praxis in Kooperation mit den hafenärztlichen Diensten Deutschlands gelebt.

    Die Forschungsprojekte der Arbeitsgruppe richten sich direkt an den aktuellen Fragestellungen der Schifffahrt aus. Bedeutsame Belastungen, denen die Seeleute heutzutage ausgesetzt sind, reichen von einem erhöhten Hautkrebsrisiko durch Sonneneinstrahlung über die Ernährung bis hin zu psychischen Stressoren durch die lange Abwesenheit von Familien und Angehörigen. Auch die Themenkomplexe psychophysische Belastungen, Fatigue (d. h. eine chronische Übermüdung z. B. infolge des Wachsystems), die ergonomische Gestaltung von Arbeitsplätzen und Arbeitsabläufen sowie die umfangreichen physikalischen Einwirkungen im Bordalltag zählen zu den wesentlichen Themen in der aktuellen Schifffahrtsmedizin.

    Neben der Forschung und ihrer Umsetzung in die Praxis berät die Arbeitsgruppe Behörden und Ämter zu schifffahrtsmedizinischen Fragestellungen in der Gremienarbeit und hält mit ihrer schifffahrtsmedizinischen Bibliothek mit über 35 000 Artikeln eine der weltweit größten maritimmedizinischen Präsenzdokumentationen vor.


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    Ältestes maritimmedizinisches Ausbildungszentrum für Schiffsoffiziere

    Die Arbeitsgruppe Schifffahrtsmedizin unterhält das bundesweit älteste maritime Ausbildungszentrum für medizinische Wiederholungskurse für Schiffsoffiziere. Seit 1997 haben über 2000 Schiffsoffiziere das Ausbildungsangebot in Hamburg wahrgenommen. Dabei bleiben die Lerninhalte stets auf dem neusten Stand. Neuerungen in der vorgeschriebenen medizinischen Ausstattung an Bord und neue medizinisch-psychologische Probleme (z. B. Traumatisierungen infolge von Piraterie oder bei der Flüchtlingsrettung auf hoher See) werden zeitnah in den Unterrichtskatalog aufgenommen.

    PD Dr. Alexandra Preisser, Leiterin der Arbeitsgruppe Klinische Arbeitsmedizin des ZfAM, ging in ihrem Vortrag auf die Fragestellungen der Vorsorge und Eignung von Offshorearbeitern ein. Dabei stellte sie die zunehmende Bedeutung der Offshorewindenergie im nationalen und internationalen Kontext heraus. Die hohen psychischen wie auch physischen Anforderungen im Offshorebereich setzen dabei eine hohe Leistungsfähigkeit der dort Beschäftigten voraus. Infolge mehrjähriger intensiver Diskussionen wurde eine S1-Leitlinie zu „Arbeitsmedizinischen Eignungsuntersuchungen für Arbeitnehmer auf Offshore-Windenergieanlagen und anderen Offshore-Plattformen“ entwickelt, die schließlich über die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. publiziert wurde.

    Dr. Martin Dirksen-Fischer, Leiter des Hafen- und Flughafenärztlichen Dienstes des Instituts für Hygiene und Umwelt in Hamburg, stellte in seinem Vortrag heraus, dass die Zusammenlegung mit dem Impfzentrum sowie die enge inhaltliche Anbindung an den im Institut befindlichen infektiologischen und hygienischen Sachverstand sich in der Praxis sehr bewährt haben. Die weitere gedeihliche Zusammenarbeit zwischen dem hafen- und flughafenärztlichen Dienst und dem ZfAM werde durch einen engen fachlichen Austausch gelebt. Gegenseitige personelle Unterstützungen und Beratungen sowie zahlreiche gemeinsame Forschungsprojekte bilden die Grundpfeiler der sehr kooperativen und freundschaftlich geprägten Zusammenarbeit.


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    Große Resonanz des Festsymposiums

    Mit fast 100 Gästen erfreute sich das Festsymposium einer großen Resonanz. Die Vorträge sowie die umfangreiche Festschrift zum Symposium haben die Vielschichtigkeit und Aktualität der schifffahrtsmedizinischen Fragestellungen und Leistungen verdeutlicht und dabei die große Bedeutung einer wissenschaftlichen, maritimmedizinisch spezialisierten Einrichtung in der Hafenmetropole Hamburg hervorgehoben.

    PD Dr. Marcus Oldenburg, Prof. Dr. Volker Harth; Hamburg


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    Abb. 1 Am 4. März 2016 feierte das Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin im historischen Hörsaal des Bernhard-Nocht-Instituts „50 Jahre Schifffahrtsmedizin“. (Quelle: Felizitas Tomrlin, UKE Hamburg)
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    Abb. 2 Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks hob in ihrem Grußwort die lange Tradition der Schifffahrtsmedizin in Hamburg hervor. (Quelle: Felizitas Tomrlin, UKE Hamburg)