Aktuelle Dermatologie 2016; 42(04): 119
DOI: 10.1055/s-0042-105773
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Renaissance des Pellagra-Schutzfaktors

Renaissence of Pellagra Preventing Factor
C. Bayerl
Weitere Informationen

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Christiane Bayerl
Klinik für Dermatologie und Allergologie
Hauttumorzentrum Wiesbaden
Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken
Ludwig-Erhard-Straße 100
65199 Wiesbaden

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
12. April 2016 (online)

 

Im Artikel von Dr. Montag (S. 131 ff) in dieser Ausgabe erhalten Sie einen Überblick über Pellagra zu Zeiten Gaspar Casàls (geb. 1679 in Gerona). Pellagra folgte der Ausbreitung des Mais als Grundnahrungsmittel. Die Arbeit spannt den Bogen bis zu heutigen Ursachen des Pellagra bei Mangelernährung in Flüchtlingslagern, in armen ländlichen Regionen, bei angeborener Tryptophan-Malabsorption (Hartnup-Krankheit) und als sekundäres Pellagra bei entzündlichen Darmerkrankungen, Alkoholismus und Anorexia nervosa.

Ursächlich für Pellagra ist der Mangel an Vitamin B3 (Nikotinsäure, auch: Niacin), daher auch die Bezeichnung Pellagra-Schutzfaktor für Vitamin B3. Die Substanz ist ein Bestandteil der Coenzyme NADH und NADPH. Vitamin B3 ist über Pellagra hinaus der „Blockbuster“ unter den Vitaminen und in aller Munde. Neben den vielen Behandlungsmöglichkeiten bei Hyperpigmentierung der Haut ist Niacinamid ein gut dokumentierter Kandidat für Bleichcremes. Es inhibiert den Melanosomentransfer vom Melanozyt zum Keratinozyt und reduziert darüber die Pigmentierung [1].

In einer randomisierten klinischen Studie bei Patienten, die in den letzten 5 Jahren mindestens zwei epitheliale Hauttumoren hatten, zeigte sich bei Einnahme von 2 × 500 mg Nicotinamid über 12 Monate versus Placebo eine reduzierte Rate epithelialer Hauttumore um 23 % [2]. Ätiologisch wird der zelluläre Energiestatus diskutiert, der notwendig ist, um UV-Stress abzufangen, insbesondere die Sirtuine und die poly-ADP-Ribose-Polymerasen. Nicotinamid verbessert die Energieversorgung der Zelle und fördert die Reparatur geschädigter DNA. Hintergrund des klinischen Studienkonzeptes waren experimentelle Ergebnisse, bei denen Niacin-Mangel zu einer Aufregulation von Sirtuin 2 und 4 und vermehrtem DNA-Schaden geführt hatte, was durch Niacin-Zugabe reversibel war. Kritiker der klinischen Studie weisen auf ein erhöhtes Risiko an Haut- und mukokutanen Infektionen hin, das in dieser Studie ebenfalls aufgetreten war [3]. Für Niacin sprechen aber auch sehr gute Raten in der Reduktion aktinischer Keratosen bei Organtransplantierten mit 44 % kompletter Remission und 88 % teilweisem Ansprechen [4].

Die orale Supplementierung sollte vorsichtig gestartet werden, da Flush und Juckreiz auftreten können. Nach der Diskussion um Fleischgenuss wegen des Risikos der Kanzerogene im Magendarmtrakt gibt es nun erfreulicherweise wieder ein Argument für den Verzehr eines guten Steaks. Niacin ist eben neben Leber in Fleisch, Fisch, Eiern, Milch, Kaffee, Bierhefe, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Erdnüssen, Pilzen, verschiedenen Gemüsen und Bananen enthalten. Als wasserlösliches Vitamin findet es sich im Kochwasser, was der clevere Koch wissen sollte. Guten Appetit!

Ihre

Christiane Bayerl



Prof. Dr. Christiane Bayerl

Zoom

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Christiane Bayerl
Klinik für Dermatologie und Allergologie
Hauttumorzentrum Wiesbaden
Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken
Ludwig-Erhard-Straße 100
65199 Wiesbaden


Zoom