Aktuell wie seit Jahrzehnten nicht mehr steht der Öffentliche Gesundheitsdienst derzeit
im Blickpunkt der Politik. Im Zusammenhang mit der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen
gibt es praktisch keinen ÖGD-Bereich, der derzeit nicht gefordert ist und an den die
Politiker des Bund, der Ländern und Gemeinden Ansprüche stellt – mit allen Gegensätzen,
Zweifeln und Fragen für die Zukunft. Um Schlussfolgerungen für die Zukunft ziehen
zu können, müssen wir die Gegenwart verstehen und Erkenntnisse aus den Erfahrungen
der Vergangenheit ableiten. Was liegt da näher als auf unserem wissenschaftlichen
Kongress eine Rückschau zu halten und die Gegenwart zu beleuchten, um aus unserer
derzeitigen Arbeit neue Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln. Den Kongress 2016
haben wir daher unter das Thema „Öffentliche Gesundheit im Spiegel der Zeit“ gestellt.
In der Rückschau setzen wir uns mit der Vergangenheit des Öffentlichen Gesundheitsdienstes,
in der Zeit des Nationalsozialistischen Terror-Regimes, auseinander. Insbesondere
wie der nationalsozialistische Staat mit seinem kommunal strukturierten und von verschiedensten
Einrichtungen getragenen Öffentlichen Gesundheitswesen seit 1935 seine Ideologien,
bevölkerungspolitischen Vorstellungen und Ziele umgesetzt hat. Das Forschungsprojekt
von Prof. Sabine Schleiermacher wird durch den Bundesverband der Ärzte und Ärztinnen
des öffentlichen Gesundheitsdienstes e.V. initiiert und begleitet, das Bundesministerium
für Gesundheit fördert das Projekt finanziell.
Die bundesweite Bereitschaft zur ehrenamtlichen Tätigkeit, in der Versorgung von Flüchtlingen,
ist ein Beweis, der in Deutschland vorherrschenden Willkommenskultur. Allerdings ist
eine medizinische Versorgung von Flüchtlingen durch ehrenamtliche Ärztinnen und Ärzte
nicht nachhaltig und kann keine Dauerlösung sein. Wie die Versorgung der großen Zahl
an Flüchtlingen sichergestellt und finanziert werden kann, wirft viele Fragen auf.
Der ÖGD ist mit seinen begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen in der medizinischen
Versorgung von Flüchtlingen bisher ein engagierter und verlässlicher Partner. Wie
es jedoch mit dem durch jahrelangen Stellenabbau und personell deutlichen geschwächten
ÖGD zukünftig weitergeht, ist nicht sicher. Auf die Fragen wie Gesundheitsämter am
Limit zukünftig zur Integration von Flüchtlingen beitragen, oder gemeindenahe Versorgung
von Traumatisierten bewerkstelligen sollen, sind klare Antworten gefordert. Gesundheitspolitische
Lippenbekenntnisse über den hohen Stellenwert des ÖGD im deutschen Gesundheitssystem
reichen nicht mehr aus.
Wichtig ist, dass dabei die Besonderheit des ÖGD und die Fachexpertise in die aktuelle
politische Diskussion eingebracht werden. Insbesondere die Erfahrungen und Expertisen
in der direkten ärztlichen Versorgung von Flüchtlingen auf kommunaler Ebene sollten
wir offensiv nutzen, um den ÖGD neu auszurichten. Hier besteht eine großartige Möglichkeit
sich in der Bevölkerung, der Politik und der Ärzteschaft eine neue Attraktivität zu
erarbeiten.
Das Thema Flüchtlinge wird für die Gesundheitsämter bundesweit weiter eine zentrale
Arbeitsaufgabe sein. Wir sollten diese Chance auf allen Ebenen nutzen, um zusätzliche
personelle und finanzielle Ressourcen für den ÖGD zu gewinnen. Die Anzahl der erweiterten
Aufgaben traf bereits auf einen ÖGD, der seit Jahren in allen Bereichen am Limit ist.
Es ist Allen klar, dass die derzeitigen Herausforderungen nicht ohne Personalaufstockung
bewältig werden können. Erste Maßnahmen einer personellen Verstärkung in einzelnen
Bundesländern sind ermutigend.
In diesem Zusammenhang ist aber auch – WIEDER – auf eines der größten Probleme des
ÖGD aufmerksam zu machen: Nachwuchsmangel. Mit der praktischen ärztlichen Versorgung
von Flüchtlingen hat der ÖGD eine einzigartige Chance sich eine neue Attraktivität
bei approbierten Ärztinnen und Ärzten und bei Medizinstudierenden zu erarbeiten. Wenn
wir diese Verantwortung gemeinsam mit medizinischen Fakultäten annehmen, werden die
vielfältigen attraktiven Aufgaben des ÖGD von jungen Ärztinnen und Ärzten besser wahrgenommen.
Abschließend wünsche ich Ihnen beim Besuch der vielfältigen Vorträge, Podiumsdiskussionen
und Workshops des Kongress viel Freude. Diese Beiträge bieten nicht nur einen einzigartigen
Einblick in die Vielfalt der Tätigkeiten und Chancen der Gesundheitsämter vor Ort,
sie zeigen auch die mannigfaltigen Möglichkeiten empirischer Forschung im ÖGD.
Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Ihre
Dr. Ute Teichert