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DOI: 10.1055/s-0042-104435
Kritisch: Hustenstiller mit Codein
Publication History
Publication Date:
14 September 2016 (online)
Eltern sollten ihren Kindern keine Hustensäfte mit dem Wirkstoff Codein geben. Seit vergangenem Jahr sind die Mittel für Kinder unter 12 Jahren verboten und auch für ältere Kinder rät das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) von der Gabe des Hustenstillers ab. Selbst für Erwachsene ist Vorsicht geboten. In der „Deutschen Medizinischen Wochenschrift“ erklären Mitarbeiter der Behörde die Gründe.


Nach Auskunft der BfArM-Vizepräsidentin, Prof. Julia Stingl, starben mehrere Kinder, darunter eines in Deutschland, an einem plötzlichen Atemstillstand, nachdem sie codeinhaltige Tropfen gegen ihren Husten bekommen hatten. In einem Fall erkrankte sogar ein Baby, dessen Mutter Codein zur Schmerzstillung erhalten hatte. Daher hat sich das BfArM zu den Einschränkungen für Kinder entschieden.
Wirkmechanismus ist der Grund
Die Gründe wurden erst in den letzten Jahren ermittelt. Sie hängen mit dem Wirkungsmechanismus von Codein zusammen. Codein ist ein Pro-Drug. Die Wirkung tritt erst ein, wenn das körpereigene Enzym CYP2D6 Codein in der Leber in Morphin verstoffwechselt hat. Morphin ist ein starkes Schmerzmittel, das auch den Hustenreiz lindert. Wie aktiv CYP2D6 ist, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich, erklärt Prof. Stingl. Bei etwa 7 % der Deutschen fehle das Enzym komplett: Bei ihnen werde kein Morphin gebildet und es trete keine schmerzstillende Wirkung ein. Im Gegensatz dazu verstoffwechseln etwa 3 % der Bevölkerung ultraschnell. Diese Menschen haben mehrere Kopien des CYP2D6-Gens. Bei ihnen steigen die Morphin-Konzentrationen rasch an und bereits nach einmaliger Einnahme von Codein könne es zu einer Überdosierung kommen. Morphin stoppt den Atemantrieb im Gehirn und die Patienten ersticken. Bei Kindern kommt hinzu, dass die Ausscheidung von Morphin über die Nieren verlangsamt ist. Die „Atemdepression“ bei kleinen Kindern, v. a. wenn sie nachts auftritt, ist schwer zu erkennen und daher lebensgefährlich.
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CYP2D6 auch im Gehirn - BfArM forscht
Das Enzym CYP2D6 ist nicht nur in der Leber aktiv. Es wurde auch in Hirnzellen nachgewiesen. Welche Funktion es dort hat, ist Gegenstand eines aktuellen Forschungsprojektes, das das BfARM zusammen mit dem Karolinska Institut Stockholm und der Universität Toronto durchführt. Bisherige Studien zeigen, dass depressive Patienten, die zu den Ultraschnell-Metabolisierern gehören, eine erhöhte Neigung zum Suizid haben - wahrscheinlich weil sie Antidepressiva zu schnell verstoffwechseln. Auch bei essgestörten Patienten konnte man eine höhere Neigung zu suizidalen Gedanken oder Handlungen beobachten. Eine mögliche Erklärung wäre, dass CYP2D6 in den Stoffwechsel von Botenstoffen im Gehirn eingreift und so zu impulsgesteuerten Handlungen führen könnte.
Im Forschungsprojekt des BfARM wird außerdem untersucht, ob andere Medikamente die Aktivität von CYP2D6 verändern. Eine Verstärkung der Wirkung ist für andere Leberenzyme bekannt, schreibt Prof. Stingl. Dies würde dann die Wirkung und die Risiken von Codein noch einmal erhöhen, v. a. bei Ultraschnell-Metabolisierern. Rauchen und Alkohol stehen derzeit im Verdacht, eine solche Wirkung zu erzielen. Prof. Stingl rät deshalb auch Erwachsenen zur Vorsicht bei dem Wirkstoff Codein, der zwar seit über 100 Jahren in der Medizin eingesetzt wird, über dessen Wirkung und Wechselwirkungen aber noch längst nicht alles bekannt ist.
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Warme Milch mit Honig
Gibt es Alternativen? Das bekannt kritische „arznei-telegramm“ bemängelt die aus seiner Sicht unzureichenden Nutzenbelege sowohl bei den chemisch definierten als auch bei pflanzlichen Antitussiva für die Anwendung bei Kindern. Die Autoren kommen daher zu der Empfehlung: „Reicht eine Beratung der Eltern hinsichtlich der Harmlosigkeit des akuten Hustens nicht aus, kann - außer bei Säuglingen - warme Milch mit Honig als Hausmittel probiert werden.“
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Literatur
- 1 Stingl JC, Rotthauwe J. Codein: Neue Anwendungsbeschränkungen bei Kindern und Jugendlichen. DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2015; 140 (14): 1093-1095
- 2 Hustenmittel für Kinder?. arznei-telegramm 2015; 46 (11): 107-108
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Literatur
- 1 Stingl JC, Rotthauwe J. Codein: Neue Anwendungsbeschränkungen bei Kindern und Jugendlichen. DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2015; 140 (14): 1093-1095
- 2 Hustenmittel für Kinder?. arznei-telegramm 2015; 46 (11): 107-108

