Sportphysio 2016; 04(02): 89-94
DOI: 10.1055/s-0042-104342
Update
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Squat ist nicht gleich Squat

Tobias Wunsch
1   geteilte Erstautorenschaft
,
Georg Teufl
1   geteilte Erstautorenschaft
,
Nathalie Alexander
,
Hermann Schwameder
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Tobias Wunsch

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Publikationsdatum:
04. Mai 2016 (online)

 

Zusammenfassung

Drei Techniken für Kniebeugen im Vergleich Wie führe ich eine Kniebeuge korrekt aus? Diese Frage wird von Trainern, Therapeuten und Sportwissenschaftlern häufig kritisch diskutiert. Ziel dieser Untersuchung ist es, den Effekt von drei in der Praxis häufig verwendeten Kniebeugentechniken im Hinblick auf die Bewegungsausführung und die Belastung der unteren Extremitäten zu eurteilen.


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Einleitung: Kniebeuge ist nicht gleich Kniebeuge

Die Kniebeuge ist eine beliebte Trainingsübung, welche im Rahmen von Fitnessprogrammen zur Steigerung der allgemeinen Fitness und in verschiedenen Sportarten zur Steigerung der sportlichen Leistungsfähigkeit eingesetzt wird. Neben der Nähe zu Alltagsbewegungen, z. B. von einem Stuhl aufstehen oder etwas vom Boden aufheben, besteht hinsichtlich biomechanischer und neuromuskulärer Aspekte eine große Gemeinsamkeit zu den sportlichen Bewegungen Laufen und Springen [1], [2]. Im therapeutischen Umfeld werden Kniebeugen im Rahmen präventiver und rehabilitativer Maßnahmen verwendet, um Muskeln und Bindegewebe nach Gelenksverletzungen (z. B. Ruptur des vorderen Kreuzbandes) zu stärken [3], um Schmerzen der Patellasehne zu behandeln [4] oder um die körperlichen Leistungsfähigkeiten von älteren Personen zu erhalten [1].

Die Bewegungsausführung der Kniebeuge beginnt aus dem aufrechten schulterbreiten Stand durch Flexion von Hüft- , Knie- und Sprunggelenk. Dabei wird der Körperschwerpunkt (KSP) auf die gewünschte Kniebeugentiefe abgesenkt, welche in der Praxis meist über den Kniewinkel bestimmt wird (tiefe Kniebeuge: >100 ° Kniewinkel, halbe Kniebeuge: 70–100 ° Kniewinkel) [3]. Aus dieser Position erfolgt ohne Pause das Anheben des KSP durch Extension von Hüft-, Knie- und Sprunggelenk, bis der aufrechte Stand erneut erreicht ist. Auf diese Weise wird bei der Kniebeuge der Großteil der Beinmuskulatur angesprochen, insbesondere der Quadriceps femoris, die Hüftextensoren, die Hüftabduktoren und -adduktoren sowie der Triceps surae [5]. Um gezielt die Belastungsintensität bei Kniebeugen auf die Trainingsperson abzustimmen, kann die Kniebeuge ohne und mit Zusatzgewicht (z. B. Langhantelstange + Gewichtsscheiben, Gewichtsweste, Kettlebell) ausgeführt werden. Am häufigsten wird die sogenannte „High-Bar Back“-Kniebeuge verwendet [6], bei der eine Hantelstange auf dem absteigenden Teil des Trapezmuskels und unterhalb des siebten Halswirbels platziert wird.

Sofern Kniebeugen mit der richtigen Technik ausgeführt werden, handelt es sich um eine sehr effektive und sichere Trainingsübung [7]. Ungenaue technische Ausführungen sowie zu hohe Zusatzlasten hingegen können zu Überlastungsschäden insbesondere im Bereich der Lendenwirbelsäule und der Kniegelenke führen [3], [8], [9]. Doch wie lässt sich die richtige Kniebeugentechnik beschreiben? In der Literatur und Trainingspraxis existiert eine Vielzahl von Technikmerkmalen und -ausprägungen.

Es wird empfohlen, den Oberkörper während der gesamten Bewegung in einer möglichst aufrechten, natürlich lodorsierten Haltung zu führen [10]. Ein verstärktes Vorbeugen des Oberkörpers ist aufgrund der höheren Scherkräfte im Bereich des unteren Rückens ein Risikofaktor für Verletzungen und Schädigungen der Lendenwirbelsäule [11]–[13]. Somit ist eine gute Beweglichkeit in Hüft-, Knie- und Sprunggelenk für die Ausführung der Kniebeuge notwendig [14]. Ist speziell die Beweglichkeit im Sprunggelenk eingeschränkt, kommt es zu einer verstärkten Oberkörpervorlage sowie einem Abheben der Ferse vom Boden mit zunehmender Kniebeugentiefe [3].

Zur Verbesserung der Belastungssituation des Kniegelenks wird empfohlen, die Knie möglichst nicht vor die vertikale Verlängerung der Zehenspitzen zu schieben [7], [15]–[17]. Auf diese Weise kommt es zu einer Reduktion der Drehmomente im Kniegelenk [7]. Gleichzeitig kann es aber auch zu einer größeren Rumpfvorneigung und zu höheren Drehmomenten im Hüftgelenk kommen [7]. So hat sich in den letzten Jahren das Bestreben gezeigt, einzelne Gelenke und deren Belastungen nicht lokal zu betrachten, sondern vielmehr eine optimale Belastungssituation aller Gelenke anzustreben [18].

Ziel bei der Kniebeuge ist eine optimale Belastung aller beteiligten Gelenke.

Anhand dieser Empfehlungen und der praktischen Erfahrung von Trainern und Therapeuten haben sich folgende Kniebeugentechniken entwickelt:

  1. „die eingeschränkte Kniebeuge“ (RES), bei der die Knie während des Beugevorganges die vertikale Verlängerung der Zehenspitzen nicht überschreiten,

  2. „die Kniebeuge mit Fersenerhöhung“ (HEL), bei der die Füße auf einem Holzkeil platziert werden und

  3. „die drehpunktorientierte Kniebeuge“ (DOB) [18], bei der während der gesamten Bewegung die Bodenreaktionskraft im mittleren Drittel der Fußsohle angreift sowie Unterschenkel und Rumpf weitgehend parallel verlaufen ([ Abb. 1 ] [ 6 ]).

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Abb. 1 Kniebeuge ohne Zusatzlast (Foto: T. Wunsch)
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Abb. 2 Schematische Darstellung der drei untersuchten Kniebeugentechniken (RES = eingeschränkte Kniebeuge; HEL = Kniebeuge mit Fersenerhöhung; DOB = drehpunktorientierte Kniebeuge) in der tiefsten Position ohne Zusatzlast (Grafik: A. Cornford, nach T. Wunsch)
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Abb. 3 Kniebeuge ohne Zusatzlast (Foto: T. Wunsch)
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Abb. 4 Kniebeuge mit Zusatzlast (Foto: T. Wunsch)
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Abb. 5 Schematische Darstellung der drei untersuchten Kniebeugentechniken (RES = eingeschränkte Kniebeuge; HEL = Kniebeuge mit Fersenerhöhung; DOB = drehpunktorientierte Kniebeuge) in der tiefsten Position mit Zusatzlast (Grafik: A. Cornford, nach T. Wunsch)
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Abb. 6 Kniebeuge mit Zusatzlast (Foto: T. Wunsch)

Alle drei Kniebeugentechniken unterscheiden sich demnach in der kinematischen Bewegungsausführung. Dies lässt vermuten, dass Unterschiede auch im Bereich der Gelenkkinetik bestehen, was speziell bei dem Einsatz von Zusatzgewichten im Sinn der Belastung einzelner Gelenke beachtet werden sollte. Das Ziel dieser Forschungsarbeit ist es daher, die Auswirkungen der beschriebenen drei Kniebeugentechniken ohne und mit Zusatzlast (s. [ Abb. 1 ] [ 6 ]) auf die kinematische Bewegungsausführung der Kniebeuge und die Belastungssituation in den Gelenken der unteren Extremitäten hin zu untersuchen.

Methodik

Zehn gesunde männliche Sportler (30,6 ± 5,0 Jahre, 182,2 ± 3,8 cm, 78,4 ± 10,6 kg) mit Kniebeugenerfahrung nahmen an der Untersuchung teil.

Nach einem individuellen Aufwärmen führten die Probanden Kniebeugen in den Technikvariationen RES, HEL (Holzkeil mit 5,7 ° Neigung) und DOB ohne und im Anschluss mit einer Zusatzlast von 60 kg aus ([ Abb. 1 ]). Die Kniebeugen wurden aus dem aufrechten, schulterbreiten Stand begonnen und mit geradem Rücken ausgeführt. Die neutrale Stellung der Lendenwirbelsäule wurde durch ein unelastisches Tape (geklebt vom Sakrum bis zum Beginn der Lendenwirbelsäule) kontrolliert. Die Reihenfolge der untersuchten Kniebeugentechniken war randomisiert. Entsprechend den Technikkriterien der jeweiligen Kniebeuge wurden je drei gültige Versuche ausgeführt, wobei speziell für die DOB-Kniebeuge bezüglich des Parallelitätskriteriums von Unterschenkel und Rumpf ein Toleranzbereich von 0 ° bis 10 ° definiert wurde.

Die Kinematik der Kniebeugenbewegung wurde mittels des 3D-Bewegungsanalysesystems Vicon aufgezeichnet. Kinetische Daten wurden mithilfe zweier im Boden integrierter Kraftmessplatten (AMTI), getrennt für jedes Bein, erfasst. Die Aufnahmefrequenz betrug 250 Hz für die kinematischen und 1000 Hz für die kinetischen Daten.

Die weitere Analyse erfolgte mit Vicon Nexus und Visual 3D. Anhand der Vertikalkomponente des KSP wurden die Events für „Start“, und „Ende“ der Kniebeuge gesetzt. Innerhalb dieses Zeitfensters wurden die maximale Oberkörpervorneigung (Winkel zwischen Oberkörper und Horizontalen) sowie die maximale Absenkung des KSP bestimmt ([ Abb. 7 ]).

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Abb. 7 Schematische Darstellung zur Definition des Oberkörperwinkels und Körperschwerpunktes (KSP) (Grafik: A. Cornford, nach T. Wunsch)

Die Drehmomente des rechten Hüft-, Knie- und Sprunggelenks wurden mittels inverser Dynamik berechnet und auf die Dauer der Kniebeuge („Start“ bis „Ende“) zeitnormalisiert. Zudem wurden die maximalen Drehmomente für das rechte Hüft-, Knie- und Sprunggelenk bestimmt. Speziell für das Sprunggelenk wurde zum Zeitpunkt des maximalen Drehmomentes der Momentarm als horizontaler Abstand zwischen dem Angriffspunkt der Bodenreaktionskraft und dem Marker am lateralen Knöchel in der sagittalen Ebene berechnet.

Zur statistischen Analyse wurde für jeden berechneten Parameter eine Varianzanalyse durchgeführt. Post-hoc-Tests wurden zur Bestimmung von paarweisen Unterschieden zwischen den zwei Kniebeugentechniken berechnet (α<0,0167). Zudem wurden Korrelationen nach Pearson zwischen den errechneten maximalen Drehmomenten in Sprung-, Knie- und Hüftgelenk und der Absenkung des KSP bestimmt.

REFRESHER

Kinematik bezeichnet die räumlich-zeitliche Ausprägung einer Bewegung.

Kinetik umfasst die unter Bewegung auf den Körper bzw. einzelne Gelenke wirkenden Kräfte.


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Ergebnisse

Die Ergebnisse dieser Arbeit sind in Tabelle 1 und Abbildung 8 zusammengefasst. Gemäß der statischen Analyse wurden Gruppenunterschiede (Haupteffekte) für alle analysierten Variablen zwischen den Kniebeugetechniken ohne Zusatzgewicht gefunden. Mit Zusatzgewicht zeichnete sich ein ähnliches Bild ab, wobei für die Variablen KSP-Absenkung sowie max. Drehmoment Hüfte keine signifikanten Gruppenunterschiede festgestellt wurden.

Unabhängig von den Kniebeugentechniken wurden Korrelationen zwischen der max. Absenkung des KSP und dem max. Drehmoment im Kniegelenk (R2>0,64, p<0,05) sowie der max. Absenkung des KSP und dem max. Drehmoment im Hüftgelenk (R2>0,77, p<0,05) gefunden.

WEITERE INFOS

Inverse Dynamik ist ein mathematisches Verfahren zur Berechnung von Kräften und Momenten aus der Kinematik und Kinetik einer Bewegung.


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Diskussion: Bedeutung für die Praxis

Ziel dieser Forschungsarbeit war die Analyse der Kniebeugentechniken RES, HEL, DOB ohne und mit Zusatzlast im Hinblick auf die kinematische Bewegungsausführung und die Belastungssituation in den Gelenken der unteren Extremitäten. Basierend auf den Ergebnissen dieser Studie sollen im Folgenden die einzelnen Kniebeugentechniken hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile für die Praxis betrachtet werden.

Die RES-Kniebeuge wird mit der Intention durchgeführt, die Belastung im Kniegelenk zu reduzieren. Verglichen mit HEL und DOB wurde dieses Ziel erreicht. In Übereinstimmung mit der Literatur [7], [17] zeigte RES auch in dieser Studie sowohl ohne als auch mit Zusatzgewicht die geringsten max. Drehmomente im Kniegelenk (ohne Zusatzgewicht 18 % zu HEL, 9 % zu DOB; mit Zusatzgewicht 18 % zu HEL, 12 % zu DOB). Neben der verbesserten Belastungssituation im Kniegelenk birgt diese Kniebeugentechnik allerdings eine um 7 % höhere Belastung des Hüftgelenks [7], was sich in dieser Studie auf rein deskriptiver Ebene bestätigte ([ Tab. 1 ]). Zudem kommt es bei der RES-Kniebeuge zu einer verstärkten Rumpfvorbeuge (8–9 ° ohne und 3–5 ° mit Zusatzgewicht). Dies kann zu einer erhöhten Belastung der Lendenwirbelsäule führen und stellt insbesondere bei einer ungenügenden muskulären Stabilisierung einen Risikofaktor für Verletzungen und Schädigungen dar [11]–[13].

TABELLE 1

Ergebnisübersicht

RES
MW ± SD

HEL
MW ± SD

DOB
MW ± SD

Mittelwert (MW) ± Standardabweichung (SD) für die untersuchten Variablen maximale Rumpfvorbeuge, Unterschenkelvorbeugung, Absenkung des Körperschwerpunktes, maximales Drehmoment von Hüft-, Knie- und Sprunggelenk (RES = eingeschränkte Kniebeuge; HEL = Kniebeuge mit Fersenerhöhung; DOB = drehpunktorientierte Kniebeuge). Signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Kniebeugentechniken (α<0,02) sind durch die Indices R, H, D (signifikant zu RES, HEL, DOB) gekennzeichnet.

Oberkörperwinkel (°)
ohne Zusatzlast
mit Zusatzlast (60 kg)

38 ± 9 H,D
49 ± 3H,D

46 ± 7 R,D
52 ± 3R,D

47 ± 5 R,H
54 ± 2R,H

Absenkung des Körperschwerpunktes (cm)
ohne Zusatzlast
mit Zusatzlast (60 kg)

31 ± 5 H
32 ± 3

37 ± 4 R,D
37 ± 5

32 ± 6 H
35 ± 5

max. Drehmoment Hüfte (Nm/kg)
ohne Zusatzlast
mit Zusatzlast (60 kg)

0,9 ± 0,2 D
2,2 ± 0,3

0,8 ± 0,1
2,0 ± 0,4

0,7 ± 0,2 R
1,9 ± 0,4

max. Drehmoment Knie (Nm/kg)
ohne Zusatzlast
mit Zusatzlast (60 kg)

1,1 ± 0,2 H
1,7 ± 0,3H,D

1,3 ± 0,2 R,D
2,0 ± 0,3R,D

1,2 ± 0,2 H
1,9 ± 0,3R,H

max. Drehmoment Sprunggelenk (Nm/kg)
ohne Zusatzlast
mit Zusatzlast (60 kg)

0,2 ± 0,0 D
0,5 ± 0,2D

0,2 ± 0,1
0,6 ± 0,2

0,4 ± 0,1 R
0,9 ± 0,2R

Momentarm Sprunggelenk (cm)
ohne Zusatzlast
mit Zusatzlast (60 kg)

2 ± 1 D
4 ± 2D

3 ± 2
5 ± 2

7 ± 2 R
8 ± 2R

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Abb. 8 Drehmomente von Hüft-, Knie- und Sprunggelenk über den Bewegungsverlauf der jeweiligen Kniebeuge (RES = eingeschränkte Kniebeuge; HEL = Kniebeuge mit Fersenerhöhung; DOB = drehpunktorientierte Kniebeuge) (Grafik: A. Cornford, nach T. Wunsch)

Die HEL-Kniebeuge auf einer geneigten Standfläche (Holzkeil) oder mit Gewichtheberschuhen (Sprengung ~2,5 cm) wird mit Athleten und Patienten durchgeführt, um die Standstabilität bei eingeschränkter Beweglichkeit im Sprunggelenk zu erhöhen und um verstärkt die Muskulatur der Knieextensoren zu trainieren [14]. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass bei HEL-Kniebeugen eine deutlich aufrechtere Oberkörperposition als bei RES-Kniebeugen eingenommen wird ([ Tab. 1 ]), was sich vorteilhaft auf die Scherkräfte im unteren Rücken auswirkt [14], [19]. Die aufrechtere Oberkörperposition führt zudem zu einer Rückverlagerung des KSP in Richtung des Hüftgelenks, was geringere Hüftgelenksmomente zur Folge hat [7], [20]. Gleichzeitig vergrößert die Rückverlagerung des KSP aber auch den Abstand zum Kniegelenk, was sich im Vergleich zu RES und DOB in einem signifikant höheren max. Kniegelenksmoment widerspiegelt (ohne Zusatzgewicht 18 % zu RES, 8 % zu DOB; mit Zusatzgewicht 18 % zu RES, 5 % zu DOB). Diese zwar gewollt hervorgerufene Vergrößerung des Kniegelenksmoments im Sinne eines höheren Trainingsreizes für die Knieextensoren führt gleichzeitig zu einer erhöhten Strukturbelastung im Kniegelenk. Verstärkt wird diese Belastung noch dadurch, dass HEL-Kniebeugen die größte Absenkung des KSP zulassen, wobei eine Korrelation zwischen der max. Absenkung des KSP und dem max. Drehmoment im Kniegelenk besteht. Außerdem nimmt mit zunehmender KSP-Absenkung der Beugewinkel im Kniegelenk zu [21]. Kniemodelle zeigen, dass dadurch die tibia- und patellofemoralen Kompressionskräfte ansteigen [22], [23]. Somit ist speziell bei Kniebeugen mit Zusatzlast darauf zu achten, dass die Belastungsverträglichkeit der aktiven und passiven Strukturen hinreichend ausgeprägt ist.

Die DOB-Kniebeuge ist die neueste der analysierten Kniebeugentechniken, welche nach dem drehpunktorientierten Ansatz [18] ein homogenes Belastungsgefüge des gesamten Bewegungsapparates gewährleisten soll. Im Vergleich zu RES und HEL tritt bei der DOB-Kniebeuge die geringste Rumpfvorneigung auf ([ Tab. 1 ]). Verletzungen und Schädigungen der Wirbelsäule kann dadurch bestmöglich vorgebeugt werden [14], [19]. Allerdings wird der KSP bei der DOB-Kniebeuge ähnlich wie bei RES um 5–14 % weniger abgesenkt als bei HEL-Kniebeugen. Auffallend bei der DOB-Kniebeuge ist das deutlich größere Sprunggelenksmoment im Vergleich zu RES-Kniebeugen (80–100 %). Dieses lässt sich über den 4–5 cm größeren Momentarm im Sprunggelenk erklären ([ Tab. 1 ]). Der Angriffspunkt der Bodenreaktionskraft verlagert sich von sehr gelenksnah bei RES Richtung Mitte der Fußsohle bei DOB-Kniebeugen. Dadurch erhöht sich einerseits das Sprunggelenksmoment, andererseits verbessern sich aber auch die Stabilität und Standfestigkeit beim Ausführen der Kniebeuge. Vergleicht man das max. Drehmoment im Sprunggelenk darüber hinaus mit jenem von einbeinigen Calf Raises, ist die Belastung bei Letzteren ohne Zusatzgewicht viermal und mit Zusatzgewicht doppelt so hoch. Von einer Überlastung eines gesunden Sprunggelenkskomplexes durch die DOB Kniebeuge ist daher nicht auszugehen.


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Schlussfolgerung: Welche Kniebeugentechnik soll man verwenden?

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es „die eine“ Kniebeugentechnik für die Trainings- und Therapiepraxis nicht gibt. Vielmehr ist es die Aufgabe des Trainers oder Therapeuten, die optimale Technik (RES, HEL oder DOB) abgestimmt auf den Athleten/Patienten sowie das Trainings- /Therapieziel auszuwählen. Im Sinne der Vorbeugung vor Verletzung und Schädigung sollte auf eine geringe Belastung der Wirbelsäule und der unteren Extremitäten geachtet werden. Im Sinne eines optimalen Trainingseffektes sollten dagegen durch gezieltes Vergrößern einzelner Drehmomente der unteren Extremitäten trainingswirksame Reize für das muskuloskeletale System gesetzt werden.


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Tobias Wunsch

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ist Dissertant an der Universität Salzburg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Sportbiomechanik. Speziell beschäftigt er sich mit der Biomechanik des Laufens und der Laufschuhforschung. Als Referent ist er im Rahmen des Universitätslehrgangs Sportphysiotherapie tätig.

Georg Teufl

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arbeitet in Bad Ischl als freiberuflicher Physiotherapeut mit Schwerpunkt Sport und Neurologie.

  • Literatur

  • 1 Flanagan S et al. Squatting exercises in older adults: Kinematic and kinetic comparisons. Med Sci Sports Exerc 2003; 35: 635-643
  • 2 Lopez-Segovia M et al. Relationships between vertical jump and full squat power outputs with sprint times in U21 soccer players. Journal of Human Kinetics 2011; 30: 135-144
  • 3 Schoenfeld BJ. Squatting kinematics and kinetics and their application to exercise performance. J Strength Cond Res 2010; 24: 3497-3506
  • 4 Frohm A, Halvorsen K, Thorstensson A. Patellar tendon load in different types of eccentric squats. Clin Biomech (Bristol, Avon) 2007; 22: 704-711
  • 5 Nisell R, Ekholm J. Joint load during the parallel squat in powerlifting and force analysis of in vivo bilateral quadriceps tendon rupture. Scan J Sport Sci 1986; 8: 63-70
  • 6 Gullett JC et al. A biomechanical comparison of back and front squats in healthy trained individuals. J Strength Cond Res 2009; 23: 284-292
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  • 8 Chandler J et al. in American College of Sports Medicine. 2013. Michigan St., Indianapolis, USA:
  • 9 Dunn B et al. Coaches round table: The squat and its application to athletic performance. J Strength Cond Res 1984; 6: 10-22
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  • 11 Comfort P, Kasim P. Optimizing squat technique. Strength Cond J 2007; 29: 10-13
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  • 13 Granhed H, Jonson R, Hansson T. The loads on the lumbar spine during extreme weight lifting. Spine 1987; 12: 146-149
  • 14 Sato K, Fortenbaugh D, Hydock DS. Kinematic changes using weightlifting shoes on barbell back squat. J Strength Cond Res 2012; 26: 28-33
  • 15 Escamilla RF et al. Cruciate ligament force during the wall squat and the one-leg squat. Med Sci Sports Exerc 2009; 41: 408-417
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  • 17 Hirata RP, Duarte M. Effect of relative knee position on internal mechanical loading while squatting. Rev Bras Fisioter 2007; 11: 121-125
  • 18 Holzer R, Gebhardt M. DOB. 2016; Available from: www.dob-t.de
  • 19 Fortenbaugh D, Sato K, Hitt JK, The effect of weightlifting shoes on squat kinematics, in 28nd Conference of the International Society of Biomechanics in Sports. Jensen R. et al. Editors 2010. 2010 ISBS Organizing Committee; Marquette, Michigan, USA:
  • 20 Abelbeck KG. Biomechanical model and evaluation of a linear motion squat type exercise. J Strength Cond Res 2002; 16: 516-524
  • 21 McKean MR, Dunn PK, Burkett BJ. Quantifying the movement and the influence of load in the back squat exercise. J Strength Cond Res 2010; 24: 1671-1679
  • 22 Schwameder H. Biomechanische Belastungsanalysen beim Berggehen. 2004. Aachen: Meyer&Meyer;
  • 23 Mason JJ et al. Patellofemoral joint forces. J Biomech 2008; 41: 2337-2348

Korrespondenzadresse

Tobias Wunsch

  • Literatur

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  • 23 Mason JJ et al. Patellofemoral joint forces. J Biomech 2008; 41: 2337-2348

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Abb. 1 Kniebeuge ohne Zusatzlast (Foto: T. Wunsch)
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Abb. 2 Schematische Darstellung der drei untersuchten Kniebeugentechniken (RES = eingeschränkte Kniebeuge; HEL = Kniebeuge mit Fersenerhöhung; DOB = drehpunktorientierte Kniebeuge) in der tiefsten Position ohne Zusatzlast (Grafik: A. Cornford, nach T. Wunsch)
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Abb. 3 Kniebeuge ohne Zusatzlast (Foto: T. Wunsch)
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Abb. 4 Kniebeuge mit Zusatzlast (Foto: T. Wunsch)
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Abb. 5 Schematische Darstellung der drei untersuchten Kniebeugentechniken (RES = eingeschränkte Kniebeuge; HEL = Kniebeuge mit Fersenerhöhung; DOB = drehpunktorientierte Kniebeuge) in der tiefsten Position mit Zusatzlast (Grafik: A. Cornford, nach T. Wunsch)
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Abb. 6 Kniebeuge mit Zusatzlast (Foto: T. Wunsch)
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Abb. 7 Schematische Darstellung zur Definition des Oberkörperwinkels und Körperschwerpunktes (KSP) (Grafik: A. Cornford, nach T. Wunsch)
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Abb. 8 Drehmomente von Hüft-, Knie- und Sprunggelenk über den Bewegungsverlauf der jeweiligen Kniebeuge (RES = eingeschränkte Kniebeuge; HEL = Kniebeuge mit Fersenerhöhung; DOB = drehpunktorientierte Kniebeuge) (Grafik: A. Cornford, nach T. Wunsch)