Eine vorzeitige Pubertätsentwicklung liegt vor, wenn beim Mädchen die Brustentwicklung
– häufig in Kombination mit einer Pubesbehaarung – vor dem 8. Geburtstag auftritt
oder wenn die Menarche vor dem 9. Lebensjahr einsetzt. Sie tritt mit einer Häufigkeit
von 15–30 Mädchen auf 100 000 auf.
Abzugrenzen sind die Normvarianten der frühen Pubertätsentwicklung wie prämature Pubarche
und Thelarche.
Prinzipiell kann eine verfrühte Pubertätsentwicklung durch 2 Mechanismen hervorgerufen
werden:
-
Die Ursache liegt in einer vorzeitigen pulsatilen Sekretion von Gonadotropin-Releasing-Hormon
(GnRH), der nachfolgenden Aktivierung der Gonadotropine LH und FSH und dadurch ausgelösten
ovariellen Stimulation mit Bildung von weiblichen Sexualhormonen. Diese Form wird
echte, zentrale oder GnRH-abhängige Pubertas praecox genannt.
-
Erhöhte Sexualsteroide, die aus unterschiedlichen Quellen stammen können, verursachen
eine verfrühte Pubertätsentwicklung. GnRH und die Gonadotropine spielen ursächlich
dabei keine Rolle. Diese Form wird periphere, Pseudo- oder GnRH-unabhängige Pubertas
praecox genannt. Je nachdem, ob es sich bei den Sexualsteroiden um weibliche oder
männliche Hormone handelt, spricht man zusätzlich von einer isosexuellen oder heterosexuellen
peripheren Pubertas praecox. Die zentrale Pubertas praecox dagegen verläuft immer
isosexuell.
Differenzierung durch Laborwerte. Um zwischen zentraler und peripherer Pubertas praecox unterscheiden zu können, werden
die Sexualhormone sowie die basalen und stimulierten Gonadotropine im Blut gemessen.
LH ist der wichtigste biochemische Parameter für die Diagnose der zentralen Pubertas
praecox. Erhöhte basale LH-Werte im pubertären Bereich sprechen in der Regel für eine
zentrale Pubertas praecox. Jedoch können Kinder mit zentraler Pubertas praecox auch
basale LH-Werte im präpubertären Konzentrationsbereich aufweisen. Daher sollte normalerweise
auch ein GnRH-Test zur differenzialdiagnostischen Klärung bei Verdacht auf zentrale
Pubertas praecox durchgeführt werden. Liegt der stimulierte LH/FSH-Quotient über 1
oder zeigt sich ein LH-Anstieg von > 5 IU/l, liegt eine zentrale Pubertas praecox
vor. Kann eine zentrale Pubertas praecox ausgeschlossen werden, schließen sich je
nach Verdachtsdiagnose weitere Untersuchungen und bildgebende Verfahren an.
Zentrale Pubertas praecox
Ursachen
Der zentralen Pubertas praecox liegt eine vorzeitige Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse
zugrunde. Es lässt sich nur in ca. 10–15 % der Fälle eine Ursache hierfür finden.
Die meisten Fälle sind idiopathisch. Bestehende Ursachen können sein:
Nahm man bisher an, dass dies vornehmlich jüngere Patientinnen unter 6 Jahre betrifft
[2], berichten neuere Studien von strukturellen ZNS-Auffälligkeiten bei 6- bis 8-jährigen
Mädchen mit einer Häufigkeit von 6–7 %, sodass eine MRT-Untersuchung des ZNS bei allen
Patientinnen mit zentraler Pubertas praecox indiziert ist [3].
Bei der Diagnostik der zentralen Pubertas praecox muss ein MRT des ZNS durchgeführt
werden.
Tabelle 1 Einteilung der Pubertas praecox (aus [1]).
Formen
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Ätiologie
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Normvarianten
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prämature Thelarche
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prämature Pubarche
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zentrale Pubertas praecox
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idiopathisch
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genetisch
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ZNS-Erkrankungen
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hypothalamisches Hamartom
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Hydrozephalus
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Myelomeningozele
-
Hirntumoren
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Neurofibromatose Typ I
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neonatale Enzephalopathie
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kongenitale Malformation
-
ZNS-Bestrahlung nach Hirntumoren oder Leukämie
|
ohne Erkrankung des ZNS
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Pseudopubertas praecox
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isosexuell
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-
McCune-Albright-Syndrom
-
Ovarialtumoren, Ovarialzyste
-
andere Tumoren
-
primäre unbehandelte Hypothyreose
-
exogene akzidentelle Östrogenexposition
|
heterosexuell
|
-
adrenogenitales Syndrom
-
Granulosazelltumor des Ovars oder androgenproduzierender Tumor
-
Nebennierenrindenadenom oder -karzinom
-
exogene akzidentelle Androgenexposition
|
Hamartome. Die häufigste strukturelle Ursache für eine zentrale Pubertas praecox sind Hamartome,
bei denen es sich um eine gutartige embryonale Fehlentwicklung des Keimgewebes ohne
Wachstumstendenz handelt. In der Regel verlangt diese anatomische Aberration keine
operative Intervention. In seltenen Fällen kann sie neben einer zentralen Pubertas
praecox jedoch auch zu gelastischen Anfällen („Lachanfälle“) führen. Sind diese pharmakoresistent
und treten extrem häufig (bis mehrere 100-Mal pro Tag) auf, kann eine operative Entfernung
des Hamartoms erwogen werden [4]. Bei Untersuchungen des Expressionsmusters von Genen aus Hamartomgewebe wurde eine
vermehrte Expression von Genen gefunden, die an allgemeinen zellregulatorischen Prozessen
wie Steuerung der Transkription und Zellkommunikation beteiligt sind [5].
Mutationen. Obwohl zahlreiche Kandidatengene für die Regulation der GnRH-neuronalen Funktion
entdeckt wurden, sind bisher quasi kaum Mutationen bei Patienten mit zentraler Pubertas
praecox gefunden worden. Lediglich in sporadischen einzelnen Fällen konnten funktionelle
Mutationen im KiSS1R- und KiSS1-Gen beschrieben werden [6], [7]. Bei familiär auftretender zentraler Pubertas praecox sollte hingegen an die kürzlich
identifizierten Mutationen im MKRN3-Gen gedacht werden. MKRN3, das auf Chromosom 15q11–q13
liegt, kodiert für das Makorin RING-Finger Protein 3 und wird paternal exprimiert,
d. h. die betroffenen Personen erben die Mutation vom Vater [8], [9].
Klinik
Aufgrund der erhöhten Östrogenspiegel kommt es wie bei der regelrechten Pubertät zu
den klinischen Zeichen Brustwachstum, Schambehaarung und in einigen Fällen auch zur
Regelblutung. Ferner finden eine erhebliche Akzeleration des Knochenalters und ein
beschleunigtes Längenwachstum statt. Die Mädchen sind für ihr Alter zu groß und erreichen
ohne Therapie, insbesondere bei einem Pubertätsbeginn vor dem 6. Geburtstag, nur eine
Endgröße unterhalb ihres genetischen Zielgrößenbereichs (Abb. [1]) [10].
Abb. 1 Längen- und Gewichtsverlauf einer Patientin mit zentraler Pubertas praecox (blaues
Viereck: Körperlänge; gelbe Raute: prospektive Endlänge; schwarzes Viereck: Gewicht;
rotes Viereck: Knochenalter; grüner Bereich: elternbezogene Längenerwartung; roter
Pfeil: Diagnosestellung; schwarze Pfeile: Beginn und Ende der Therapie mit GnRH-Agonist;
Normwerte: [11]) (aus [1]).
Kasuistik zum fallorientierten Lernen
Vorstellig wird ein 3-jähriges, bisher gesundes Mädchen mit seit 3 Monaten bestehender
beidseitiger Brustdrüsenschwellung und vermehrtem Schweißgeruch. Den Eltern war zudem
eine vermehrte Größenzunahme aufgefallen.
Diagnostik
Die klinische Untersuchung ergibt ein Tanner-Stadium B3, P2, keine Menarche. Körperlänge
+ 2,7 SDS (Standard Deviation Score), Knochenalter 6 Jahre (Abb. [1]). Aufgrund der Elterngröße ergibt sich eine mittlere Zielgröße von 178 cm. Laborchemisch
lässt sich eindeutig eine zentrale Pubertas praecox mit pubertären Serumwerten für
Östradiol und LH basal nachweisen. Der stimulierte LH/FSH-Quotient ist > 1. Im MRT
kommt ein hypothalamisches Hamartom zur Darstellung.
Therapie
Es wird die Therapie mit einem Depot-GnRH-Agonisten begonnen. Unter Therapie kommt
es zur Normalisierung der Wachstumsrate und zu einem Angleichen des Knochenalters
an das chronologische Alter. Nach 8-jähriger Behandlung wird die Therapie mit knapp
11 Jahren beendet. Bei Therapieende ist das Knochenalter altersentsprechend, die prospektive
Endgröße liegt mit 165 cm jedoch unterhalb des Elternzielgrößenbereichs.
Therapie
Die Ziele der Therapie sind das Aufhalten der Pubertätsentwicklung und Akzeleration
der Knochenreifung, um einerseits einen Kleinwuchs aufgrund eines vorzeitigen Verschlusses
der Wachstumsfugen zu verhindern und andererseits mögliche psychische Probleme zu
vermeiden, die sich aus der Diskrepanz zwischen körperlicher und psychosozialer Entwicklung
ergeben.
Für die Indikation zur Therapie gilt es zunächst, zwischen progressiver und nicht
progressiver zentraler Pubertas praecox zu unterscheiden.
Einige Patienten weisen ein nur sehr langsames oder gar kein Fortschreiten der Pubertät
auf und erreichen auch ohne medikamentöse Intervention eine Endgröße innerhalb des
elterlichen Zielgrößenbereichs [12]. Von Carel und Leger wurden einige Kriterien zur Differenzierung zwischen progressiver
und nicht progressiver zentraler Pubertas praecox zusammengetragen, die als mögliche
Entscheidungshilfen für oder gegen eine Therapie zurate gezogen werden können (Tab. [2]) [13]. Ein weiterer wichtiger Punkt für eine Therapieentscheidung ist die Feststellung
der prospektiven Endgröße (Röntgenaufnahme der linken Hand).
Tabelle 2 Kriterien zur Differenzierung zwischen progressiver und nicht progressiver zentraler
Pubertas praecox (Quelle [13]).
Kriterium
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progressive zentrale Pubertas praecox
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nicht progressive zentrale Pubertas praecox
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Erreichen der Tanner-Stadien
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Erreichen des nächsten Tanner-Stadiums nach 3–6 Monaten
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Stabilisierung oder Regression der Pubertätszeichen
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Wachstumsgeschwindigkeit
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akzeleriert für das Alter
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normal für das Alter
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Knochenalter
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akzeleriert für das Alter (> 1 Jahr)
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normal für das Alter
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prospektive Endlängen
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prospektive Endlänge liegt unterhalb des elterlichen Zielgrößenbereichs oder verschlechtert
sich bei wiederholten Vorhersagen
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prospektive Endlänge liegt innerhalb des Elternzielgrößenbereichs
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Ultraschall von Uterus und Ovarien
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Uterusvolumen > 2 ml oder Länge > 34 mm, birnenförmig, Endometriumreflex
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präpubertäre Uterusgröße und -form
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Sexualsteroide
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Östradiolwerte im pubertären Bereich
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Östradiol präpubertär niedrig
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GnRH-Stimulationstest
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stimulierter LH/FSH-Quotient > 1 oder LH-Anstieg in den pubertären Bereich
|
stimulierter LH/FSH-Quotient bzw. LH präpubertär
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Vor dem 8. Geburtstag. Von einer Therapie in Bezug auf die Endgröße profitieren insbesondere die Kinder,
bei denen sowohl der Beginn der vorzeitigen Pubertät als auch der Therapiebeginn vor
dem 6. Geburtstag liegen. Etwa 90 % der behandelten Mädchen erreichen dann eine Endgröße
in ihrem Zielgrößenbereich [10]. Internationale Studien berichten von einem Endlängenzugewinn von 9–10 cm für diese
Gruppe [12]. Liegt der Pubertäts- und Behandlungsbeginn zwischen dem 6. und 8. Geburtstag, wird
durch die Therapie ein Effekt für die Endlänge von 4–7 cm erzielt [12].
Nach dem 8. Geburtstag. Mädchen mit frühnormalem Pubertätsbeginn, also Auftreten erster Pubertätszeichen
um den 8. Geburtstag herum, haben keinen Nutzen von einer GnRH-Agonisten-Therapie
in Bezug auf ihre Endgröße [13]. Dies ist ein wichtiger Aspekt, der den Eltern in Erwartung auf die Möglichkeiten
und Grenzen der Therapie mitgeteilt werden sollte. In diesen Fällen ist zusammen mit
der Familie zu erwägen, ob aus psychosozialen Aspekten eine Therapie begonnen werden
sollte, da die Diskrepanz zwischen körperlicher und psychosozialer Entwicklung zu
Problemen führen kann. Hierzu gibt es zwar keine Untersuchungen an unbehandelten Patientinnen
mit zentraler Pubertas praecox, jedoch ist bemerkenswert, dass sexualwissenschaftliche
und sexualpädagogische Studien, durchgeführt an der generellen Bevölkerung, von einer
Assoziation berichten zwischen einer frühen sexuellen Reife und einem vermehrten Risikoverhalten.
Dies wirkt sich aus in einem Anstieg der Lebendgeburtenrate und vermehrten Schwangerschaftsabbrüchen
bei unter 15-jährigen Mädchen [15].
Auch psychosoziale Aspekte spielen bei der Therapie eine Rolle.
GnRH-Agonisten. Die Therapie der zentralen Pubertas praecox besteht in der Gabe von GnRH-Agonisten
(GnRHa), die in Depotform alle 3–4 Wochen s. c. verabreicht werden. In Deutschland
sind 2 Präparate zugelassen: 1. Leuprorelinacetat Depot 3,75 mg (Enantone® Monats-Depot);
Dosis: Körpergewicht < 20 kg: 1,88 mg (½ Dosis); Körpergewicht > 20 kg: 3,75 mg (gesamte
Dosis). 2. Triptorelinacetat Depot 3,75 mg (Decapeptyl N®); Dosis: Körpergewicht < 20 kg:
1,88 mg (½ Dosis); Körpergewicht 20 – 30 kg: 2,5 mg (⅔ Dosis); Körpergewicht > 20 kg:
3,75 mg (gesamte Dosis). Der Wirkmechanismus basiert auf einer dauerhaften Stimulation
der hypophysären Gonadotropine, was zu einer Desensibilisierung mit nachfolgendem
Abfall von LH, FSH und Östradiol führt. Nach der 1. Injektion mit einem GnRHa kann
es zu einer Abbruchblutung kommen. Einige Kinder klagen kurzzeitig über Kopfschmerzen
oder Hitzewallungen. Als lokale Nebenwirkungen sind sterile Abszesse beschrieben worden;
in diesen Fällen sollte ggf. das Präparat gewechselt werden. Selten hingegen sind
anaphylaktische Reaktionen.
Ende der Therapie. In Ermangelung an klaren auxologischen Daten erfolgt die Beendigung der Therapie
meist in einem Alter von 11 Jahren und bei einem Knochenalter von ca. 12–13 Jahren
[12]. Es wird davon ausgegangen, dass das Menarchealter ähnlich dem der Altersgenossinnen
sein sollte. Jedoch sind neben dem chronologischen Alter auch die Dauer der Therapie,
das Knochenalter, die Zielgröße und die Wachstumsgeschwindigkeit Parameter, die in
die Entscheidung miteinbezogen werden sollten.
Pseudopubertas praecox
Bei der peripheren oder Pseudopubertas praecox liegt eine autonome Überproduktion
von Sexualhormonen vor. Diese führt zur Ausbildung von sekundären Geschlechtsmerkmalen.
Mögliche Ursachen sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
Grundsätzlich lassen sich 2 Formen unterscheiden:
Isosexuelle Pseudopubertas praecox. Bei der isosexuellen Pseudopubertas praecox kommt es durch eine Erhöhung von Östrogenen
zur vorzeitigen Ausprägung von weiblichen Pubertätsmerkmalen. Ein Beispiel ist das
McCune-Albright-Syndrom (MAS). Die klassische Trias besteht neben einer Pseudopubertas
praecox aus Café-au-lait-Flecken und einer fibrösen Osteopathie (Abb. [2]). Jedoch kann es auch zu anderen funktionellen Endokrinopathien (Schilddrüsenüberfunktion,
Wachstumshormonexzess, Cushing-Syndrom etc.) und weiteren Organerkrankungen (Herz-
und Lebererkrankungen, intestinale Polypen) kommen. Dem MAS liegt eine aktivierende
Mutation des GNAS-Gens zugrunde. Hierdurch kommt es zu einer konstitutiven Aktivierung
von cAMP (zyklisches Adenosinmonophosphat) mit nachfolgender Aktivierung der intrazellulären
Signalkaskade. Die vorzeitige Pubertätsentwicklung wird beim MAS durch östrogenproduzierende
ovarielle Zysten verursacht. Therapeutisch kommen Östrogenrezeptor-Antagonisten zum
Einsatz. In einigen Fällen müssen die Zysten operativ entfernt werden (weiterführend
bei [16]).
Abb. 2 Klinische Befunde bei McCune-Albright-Syndrom (MAS). a Café-au-lait-Fleck. b Der Pfeil markiert die fibröse Dysplasie an der Fibula. c Die Pfeile kennzeichnen die fibröse Dysplasie am Femur. d Intraoperativer Befund
von Ovarialzysten beidseits (aus [1]).
Eine schwere primäre Hypothyreose führt ebenfalls zur Pseudopubertas praecox [17]. Der genaue zugrunde liegende Mechanismus hierfür ist unklar. Man nimmt jedoch an,
dass es aufgrund der strukturellen Ähnlichkeiten der Glykoproteinrezeptoren für FSH
und TSH, die aus derselben α-Untereinheit bestehen, zu einer Bindung von Thyreotropin
(TSH) an den FSH-Rezeptor kommt [18]. Dies führt zu erhöhten Östradiolspiegeln. Neuere Studien legen nahe, dass ca. 10–25 %
der Patienten mit Pseudopubertas praecox an einer schweren primären Hypothyreose leiden.
Bei diesen Mädchen ist das Wachstum meist verzögert und im Ultraschall finden sich
stark vergrößerte zystische Ovarien [17].
Heterosexuelle Pseudopubertas praecox. Bei der heterosexuellen Pseudopubertas praecox liegen erhöhte Androgene vor, sodass
das betroffene Mädchen Virilisierungserscheinungen zeigt. Die häufigste Ursache ist
eine Störung der adrenalen Steroidbiosynthese, z. B. ein adrenogenitales Syndrom (AGS)
mit 21-Hydroxylasemangel. Aber auch androgenproduzierende Tumoren des Ovars oder der
Nebenniere kommen differenzialdiagnostisch in Betracht. Die Therapie besteht in der
Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung.
Normvarianten
Prämature Pubarche
Als prämature Pubarche wird das isolierte vorzeitige Auftreten von Schambehaarung
und/oder Achselbehaarung ohne weitere Pubertätszeichen bezeichnet. Genau genommen
liegt eine vorzeitige Reifung der Zona reticularis der Nebenniere (prämature Adrenarche)
zugrunde, deren biochemische Markersteroide Dehydroepiandrosteron (DHEA) und Dehydroepiandrosteronsulfat
(DHEAS) altersbezogen erhöht sind. Beide werden zunächst von der fetalen Nebenniere
gebildet und sind nach deren Rückbildung zunächst nicht mehr nachweisbar.
Bei der prämaturen Pubarche treten bis auf eine vorzeitige Scham- und Achselbehaarung
meist im Alter zwischen dem 4. und 7. Lebensjahr bei Mädchen keine weiteren Pubertätszeichen
auf. Weitere Zeichen der Androgenisierung wie Akne und Klitorishypertrophie fehlen
ebenfalls. Nur selten kommt es zusätzlich zu dermatologischen Veränderungen wie Mikrokomedonen,
vermehrtem Schweißgeruch oder fettigen Haaren. Eine Akzeleration des Knochenalters
ist allenfalls sehr milde und beeinträchtigt nicht den Pubertätsbeginn oder die Endgröße.
Laborchemisch finden sich normale Gonadotropine und Östrogenspiegel. Die adrenalen
Androgene sind leicht erhöht.
Eine Pseudopubertas praecox aufgrund eines nicht klassischen AGS oder eines androgenproduzierenden
Tumors muss ausgeschlossen werden.
Tipp für die Praxis
Die prämature Pubarche ist nicht behandlungsbedürftig. Regelmäßige Kontrollen sollten
jedoch erfolgen, um den Übergang in eine zentrale Pubertas praecox oder Pseudopubertas
praecox rechtzeitig zu erfassen.
Prämature Thelarche
Das isolierte vorzeitige Auftreten der Brustentwicklung wird als prämature Thelarche
bezeichnet. Man nimmt an, dass passagere ovarielle Follikelzysten ausreichend Östrogen
produzieren, um eine Brustentwicklung hervorzurufen. Diese kann vorübergehend sein
und tritt meist bei Mädchen in den ersten beiden Lebensjahren auf. Weitere klinische
Pubertätszeichen oder eine Wachstumsbeschleunigung bestehen nicht. Tritt die prämature
Thelarche erst nach dem 4. Lebensjahr auf, ist sie dagegen meist mit einer leichten
Akzeleration von Wachstum und Skelettentwicklung assoziiert. Sie stellt wahrscheinlich
die benigne, nicht behandlungsbedürftige Variante im gesamten Spektrum der vorzeitigen
Pubertätsentwicklung dar.
Regelmäßige Kontrollen sollen den Übergang in eine behandlungsbedürftige zentrale
Pubertas praecox rechtzeitig erfassen.
Prämature Menarche
Die prämature Menarche ist extrem selten und bezeichnet das isolierte Auftreten zyklischer
vaginaler Blutungen ohne andere Zeichen einer weiteren Pubertätsentwicklung. Sie ist
eine Ausschlussdiagnose nach Ausschluss einer Blutung durch Fremdkörper, Tumoren,
Infektionen oder des sexuellen Missbrauchs.
Man vermutet, dass es durch passager auftretende ovarielle Follikelzysten intermittierend
zu suffizienten Östrogenspiegeln kommt, die ausreichen, damit ein Endometrium aufgebaut
werden kann. Nach Rückbildung der Zyste folgt dann eine Abbruchblutung. Auch hier
sind regelmäßige Verlaufskontrollen indiziert.
Kernaussagen
Der regelrechte Pubertätsbeginn hängt von ethnischen, genetischen und sozioökonomischen
Faktoren ab. Als vorzeitiger Pubertätsbeginn wird das Auftreten von Thelarche und
Pubarche vor dem 8. Geburtstag und/oder Menarche vor dem 9. Geburtstag bezeichnet.
Grundsätzlich werden 2 Pathomechanismen unterschieden:
1. Die echte, zentrale oder GnRH-abhängige Pubertas praecox (ZPP) ist Folge einer
vorzeitigen pulsatilen Sekretion von GnRH mit nachfolgender Aktivierung der Gonadotropine
LH und FSH.
2. Die periphere, Pseudo- oder GnRH-unabhängige Pubertas praecox (PPP) wird durch
erhöhte Sexualsteroidproduktion unterschiedlicher Ursache verursacht. GnRH und die
Gonadotropine spielen dabei keine Rolle.
Therapeutische Interventionen bei der verfrühten Pubertät haben das Ziel, die vorzeitige
körperliche Entwicklung und akzelerierte Knochenreifung aufzuhalten. Dies geschieht
bei der GnRH-abhängigen Form mit GnRH-Agonisten oder bei der GnRH-unabhängigen Pubertas
praecox mit einer für die zugrunde liegende Ursache spezifischen Therapie.